Bundesgerichtshof Beschluss, 22. März 2007 - IX ZB 208/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 1.534.095 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 6, 7, 34 Abs. 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil ein Fall verfahrensrechtlicher Überholung vorliegt und der Rechtsbeschwerdeführer durch die mit der Rechtsbeschwerde angestrebte Entscheidung nicht besser gestellt werden kann.
- 2
- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 104, 220, 221 f; 110, 77, 85) widerspricht es dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen. Ein Rechtsschutzinteresse ist zu bejahen, solange der Rechts- schutzsuchende gegenwärtig betroffen ist und mit seinem Rechtsmittel ein konkretes praktisches Ziel erreichen kann.
- 3
- Im vorliegenden Fall fehlt dieses Rechtsschutzinteresse, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin aufgrund eines anderen Antrags bereits eröffnet ist. Eine wiederholte Eröffnung scheidet nach allgemein vertretener Auffassung aus. Es ergibt sich auch nicht daraus, dass der zeitliche Eingang von Insolvenzanträgen, die - wie hier - nicht zur Eröffnung des Verfahrens geführt haben, im Zusammenhang mit einer Insolvenzanfechtung oder bei der Berechnung der Rückschlagsperre Bedeutung gewinnen kann (vgl. Henckel /Gerhardt, InsO § 13 Rn. 36; HK-InsO/Kreft, 4. Aufl. § 139 Rn. 10). In diesen Fällen hat das Prozessgericht zu prüfen, ob der zuerst gestellte Antrag zulässig und begründet war. Nicht zu berücksichtigen sind hierbei allerdings rechtskräftig abgewiesene sowie zurückgenommene oder für erledigt erklärte Anträge (vgl. HK-InsO/Kreft, aaO § 139 Rn. 12; MünchKomm-InsO/Kirchhof, § 139 Rn. 9, 11). Zu diesen nichtberücksichtigungsfähigen Anträgen rechnen jedoch Eröffnungsanträge nicht, die durch die Verfahrenseröffnung aufgrund eines anderen Antrags prozessual überholt worden sind. Für sie kann nach Sinn und Zweck des § 139 Abs. 2 Satz 1 InsO, die Berechnung der Fristen an den ersten zulässigen und begründeten Antrag zu knüpfen, nichts anderes gelten als für Anträge, deren Bescheidung vom Insolvenzgericht zunächst zurückgestellt worden ist.
- 4
- Wäre der Antragsteller gezwungen, das Rechtsmittel gegen die Ablehnung des von ihm gestellten Antrags fortzuführen, um der Masse die Vorteile des § 139 Abs. 2 Satz 1 InsO zu erhalten, würde dies auf ein im Entwurf noch vorgesehenes (§ 158 InsO-E), aber nicht in die Insolvenzordnung übernommenes Feststellungsverfahren hinauslaufen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 166; BT- Drucks. 12/7302, S. 174 f). Der Rechtsausschuss war diesem neuartigen Verfahren mit der Begründung entgegengetreten, es solle wie nach der Konkursordnung dabei verbleiben, den maßgeblichen Eröffnungsantrag in den jeweiligen Anfechtungsprozessen vor den ordentlichen Gerichten festzustellen. Dieser Weg ist dem Insolvenzverwalter auch im vorliegenden Fall nicht versperrt.
Cierniak Fischer
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 26.05.2005 - 67a IN 222/05 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 22.07.2005 - 326 T 62/05 -
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Der Wert wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn es auf deren Besitz, und durch den Betrag einer Forderung, wenn es auf deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht ankommt. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser maßgebend.
Der Wert einer Grunddienstbarkeit wird durch den Wert, den sie für das herrschende Grundstück hat, und wenn der Betrag, um den sich der Wert des dienenden Grundstücks durch die Dienstbarkeit mindert, größer ist, durch diesen Betrag bestimmt.
Für Klagen der Prozessbevollmächtigten, der Beistände, der Zustellungsbevollmächtigten und der Gerichtsvollzieher wegen Gebühren und Auslagen ist das Gericht des Hauptprozesses zuständig.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Das Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet. Antragsberechtigt sind die Gläubiger und der Schuldner. Dem Antrag des Schuldners ist ein Verzeichnis der Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen. Wenn der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat, der nicht eingestellt ist, sollen in dem Verzeichnis besonders kenntlich gemacht werden
- 1.
die höchsten Forderungen, - 2.
die höchsten gesicherten Forderungen, - 3.
die Forderungen der Finanzverwaltung, - 4.
die Forderungen der Sozialversicherungsträger sowie - 5.
die Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.
- 1.
der Schuldner Eigenverwaltung beantragt, - 2.
der Schuldner die Merkmale des § 22a Absatz 1 erfüllt oder - 3.
die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt wurde.
(2) Der Antrag kann zurückgenommen werden, bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen ist.
(3) Ist der Eröffnungsantrag unzulässig, so fordert das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auf, den Mangel zu beheben und räumt ihm hierzu eine angemessene Frist ein.
(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates für die Antragstellung durch den Schuldner ein Formular einzuführen. Soweit nach Satz 1 ein Formular eingeführt ist, muss der Schuldner dieses benutzen. Für Verfahren, die von den Gerichten maschinell bearbeitet, und für solche, die nicht maschinell bearbeitet werden, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.
(1) Die in den §§ 88, 130 bis 136 bestimmten Fristen beginnen mit dem Anfang des Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht eingegangen ist. Fehlt ein solcher Tag, so beginnt die Frist mit dem Anfang des folgenden Tages.
(2) Sind mehrere Eröffnungsanträge gestellt worden, so ist der erste zulässige und begründete Antrag maßgeblich, auch wenn das Verfahren auf Grund eines späteren Antrags eröffnet worden ist. Ein rechtskräftig abgewiesener Antrag wird nur berücksichtigt, wenn er mangels Masse abgewiesen worden ist.
(1) Will der Insolvenzverwalter vor dem Berichtstermin das Unternehmen des Schuldners stillegen oder veräußern, so hat er die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn ein solcher bestellt ist.
(2) Vor der Beschlußfassung des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, vor der Stillegung oder Veräußerung des Unternehmens hat der Verwalter den Schuldner zu unterrichten. Das Insolvenzgericht untersagt auf Antrag des Schuldners und nach Anhörung des Verwalters die Stillegung oder Veräußerung, wenn diese ohne eine erhebliche Verminderung der Insolvenzmasse bis zum Berichtstermin aufgeschoben werden kann.