Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2008 - IX ZB 201/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Gegenstandswert wird auf 89.083,72 € festgesetzt.
Gründe:
- 1
- Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 34 Abs. 2 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil ein Zulässigkeitsgrund nicht gegeben ist.
- 2
- 1. Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachten Rügen einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG greifen nicht durch.
- 3
- a) Das Beschwerdegericht hat das Vorbringen der Schuldnerin, den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO) bereits im Zeitpunkt der Antragstellung am 29. Januar 2007 nach Frankreich verlegt zu haben, nicht übergangen.
- 4
- Zwar hat die Schuldnerin abweichend von dem Beschwerdegericht die Ansicht vertreten, für die Beurteilung, wo sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen befindet, sei auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 17. August 2007 abzustellen, aber - nach ausdrücklichem Hinweis durch das Beschwerdegericht - vorsorglich auch für den Zeitpunkt der Antragstellung am 29. Januar 2007 vorgetragen. Das Beschwerdegericht hat auch das auf diesen Zeitpunkt bezogene Vorbringen der Schuldnerin, wie die Würdigung des behaupteten Wohnsitzwechsels im November 2006 belegt, ersichtlich zur Kenntnis genommen und erwogen, ohne sich mit jedem vorgetragenen Umstand in den Gründen ausdrücklich auseinandersetzen zu müssen (BVerfGE 96, 205, 216 f).
- 5
- b) Soweit das Beschwerdegericht von einer "Scheinsitzverlegung" durch die Schuldnerin gesprochen hat, kommt dem für den Entscheidungsausspruch keine tragende Bedeutung zu. Das Beschwerdegericht ist ersichtlich davon ausgegangen, dass die Schuldnerin tatsächlich den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen jedenfalls nicht vor dem 29. Januar 2007 nach Frankreich verlegt hat.
- 6
- c) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde darauf, das Beschwerdegericht habe das entscheidungserhebliche Vorbringen der Schuldnerin, wonach wegen der Notwendigkeit eines Vermögensbeschlags für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit anstelle der Antragstellung auf den späteren Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung abzustellen sei, nicht zur Kenntnis genommen.
- 7
- Beschwerdegericht Das hat das Vorbringen ersichtlich berücksichtigt, weil es eingangs seiner rechtlichen Begründung ausdrücklich ausführt, dass für die örtliche Zuständigkeit die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich seien.
- 8
- Diese rechtliche Würdigung ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch sachlich zutreffend: Das Gericht eines Mitgliedsstaats, in dessen Gebiet der Schuldner bei Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, bleibt für die Entscheidung über die Eröffnung dieses Verfahrens zuständig, wenn der Schuldner nach Antragstellung, aber vor der Eröffnungsentscheidung den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in das Gebiet eines anderen Mitgliedsstaats verlegt (BGH, Beschl. v. 9. Februar 2006 - IX ZB 418/02, ZIP 2006, 529 unter Bezugnahme auf EuGH, Beschl. v. 17. Januar 2006 Rs. C-1/04, ZIP 2006, 188). Mithin ist die Anordnung eines Vermögensbeschlags für die Beurteilung der Zuständigkeit ohne Bedeutung.
- 9
- Im Übrigen wird von einer Begründung abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 4 InsO, § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).
Fischer Grupp
Vorinstanzen:
AG Meiningen, Entscheidung vom 17.08.2007 - IN 47/07 -
LG Meiningen, Entscheidung vom 29.10.2007 - 4 T 289/07 -
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Annotations
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen dieses Gesetz die sofortige Beschwerde vorsieht. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Insolvenzgericht einzulegen.
(2) Die Beschwerdefrist beginnt mit der Verkündung der Entscheidung oder, wenn diese nicht verkündet wird, mit deren Zustellung.
(3) Die Entscheidung über die Beschwerde wird erst mit der Rechtskraft wirksam. Das Beschwerdegericht kann jedoch die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
(1) Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller und, wenn die Abweisung des Antrags nach § 26 erfolgt, dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(2) Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, so steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu.
(3) Sobald eine Entscheidung, die den Eröffnungsbeschluß aufhebt, Rechtskraft erlangt hat, ist die Aufhebung des Verfahrens öffentlich bekanntzumachen. § 200 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. Die Wirkungen der Rechtshandlungen, die vom Insolvenzverwalter oder ihm gegenüber vorgenommen worden sind, werden durch die Aufhebung nicht berührt.
Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.
(1) Das Rechtsbeschwerdegericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rechtsbeschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Prüfung des Rechtsbeschwerdegerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die geltend gemachten Rechtsbeschwerdegründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf die angefochtene Entscheidung nur geprüft werden, wenn die Mängel nach § 575 Abs. 3 und § 574 Abs. 4 Satz 2 gerügt worden sind. § 559 gilt entsprechend.
(3) Ergibt die Begründung der angefochtenen Entscheidung zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
(4) Wird die Rechtsbeschwerde für begründet erachtet, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. § 562 Abs. 2 gilt entsprechend. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Gerichts erfolgen, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(5) Das Rechtsbeschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. § 563 Abs. 4 gilt entsprechend.
(6) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss. § 564 gilt entsprechend. Im Übrigen kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.