vorgehend
Amtsgericht Hannover, 907 IN 560/09, 06.11.2009
Landgericht Hannover, 6 T 88/09, 17.12.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 2/10
vom
23. September 2010
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter und die Richter Raebel, Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und
Grupp
am 23. September 2010

beschlossen:
Der Antrag der Schuldnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 17. Dezember 2009 - 6 T 88/09 - wird abgelehnt.

Gründe:


1
Es ist nicht erkennbar, dass die Unterlassung der beabsichtigten Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 116 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
2
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 ZPO). Gründe, die eine Rechtsbeschwerde zulässig machen würden (§ 574 Abs. 2 ZPO), werden von der Schuldnerin nicht dargelegt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
3
1. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung wirft der Fall nicht auf. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit der von der Schuldnerin angesprochenen Pflicht des Insolvenzgerichts, von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO). Das Insolvenzgericht muss die gebotenen Ermittlungen nicht ausnahmslos selbst durchführen. Es kann seiner Pflicht auch dadurch nachkommen, dass es einen Sachverständigen einschaltet. Dies ergibt sich aus dem Gesetz (§ 5 Abs. 1 Satz 2 InsO).
4
2. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
5
a) Dass das Beschwerdegericht das Gutachten vom 4. November 2009 nicht wegen Befangenheit der Sachverständigen für unverwertbar gehalten hat, lässt keinen - geschweige denn einen zulässigkeitsrelevanten - Rechtsfehler erkennen. Ein im Eröffnungsverfahren bestellter Gutachter kann - gleichviel ob er zugleich zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt ist - nicht abgelehnt werden (BGH, Beschl. v. 25. Januar 2007 - IX ZB 240/05, NZI 2007, 284, 285; MünchKomm-InsO/Ganter, 2. Aufl. § 4 Rn. 42). Entsprechendes Vorbringen kann vom Insolvenzgericht nur zum Anlass genommen werden, die Überzeugungskraft des erstatteten Gutachtens einer verschärften Prüfung zu unterwerfen. Das ist hier geschehen.
6
b) Mit Recht hat das Beschwerdegericht gefordert, dass Einwendungen der Schuldnerin gegen die vom Insolvenzgericht getroffenen Feststellungen substantiiert dargelegt werden müssen. Soweit substantiierter Vortrag erfolgte, hat sich das Beschwerdegericht mit ihm ausreichend auseinandergesetzt. Abweichungen von der Rechtsprechung des Senats oder Verstöße gegen das Gesetz sind insoweit nicht erkennbar.
7
c) Das Beschwerdegericht ist entgegen der Ansicht der Schuldnerin nicht von der Rechtsprechung des Senats abgewichen, nach der die Forderung eines Gläubigers nicht nur glaubhaft gemacht, sondern bewiesen sein muss, wenn der Insolvenzgrund allein aus dieser Forderung hergeleitet wird (etwa BGH, Beschl. v. 29. Juni 2006 - IX ZB 245/05, ZIP 2006, 1452 Rn. 11). Diese Rechtsprechung ist hier nicht einschlägig, weil das Beschwerdegericht die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin mit Forderungen anderer Gläubiger begründet hat.
8
d) Auch Verfahrensgrundrechte der Schuldnerin sind nicht verletzt. Dies gilt zunächst für ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Zum Eröffnungsantrag der Beteiligten zu 1 wurde die Schuldnerin angehört. Zum Sachverständigengutachten konnte sie sich im Beschwerdeverfahren äußern. Auch der Anspruch der Schuldnerin auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. Entgegen ihrer Ansicht liegt darin, dass das Beschwerdegericht die von der Sachverständigen angeblich ohne ausreichende Grundlage gestellte negative Fortführungsprognose übernommen hat, keine Willkür. Im Übrigen betrifft die Fortführungsprognose nur den Eröffnungsgrund der Überschuldung. Auf diesen kommt es letztlich nicht an, weil das Be- schwerdegericht ohne zulassungsrelevanten Rechtsfehler auch den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit bejaht hat.
Ganter Raebel Kayser
Gehrlein Grupp

Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 06.11.2009 - 907 IN 560/09 - 0 -
LG Hannover, Entscheidung vom 17.12.2009 - 6 T 88/09 -

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(1) Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen. (2) Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldner

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bei uns veröffentlicht am 29.06.2006

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Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag

1.
eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen;
2.
eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
§ 114 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 ist anzuwenden. Können die Kosten nur zum Teil oder nur in Teilbeträgen aufgebracht werden, so sind die entsprechenden Beträge zu zahlen.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Das Insolvenzgericht hat von Amts wegen alle Umstände zu ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Es kann zu diesem Zweck insbesondere Zeugen und Sachverständige vernehmen.

(2) Sind die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar und ist die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering, wird das Verfahren schriftlich durchgeführt. Das Insolvenzgericht kann anordnen, dass das Verfahren oder einzelne seiner Teile mündlich durchgeführt werden, wenn dies zur Förderung des Verfahrensablaufs angezeigt ist. Es kann diese Anordnung jederzeit aufheben oder ändern. Die Anordnung, ihre Aufhebung oder Abänderung sind öffentlich bekannt zu machen.

(3) Die Entscheidungen des Gerichts können ohne mündliche Verhandlung ergehen. Findet eine mündliche Verhandlung statt, so ist § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung nicht anzuwenden.

(4) Tabellen und Verzeichnisse können maschinell hergestellt und bearbeitet werden. Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über die Führung der Tabellen und Verzeichnisse, ihre elektronische Einreichung sowie die elektronische Einreichung der dazugehörigen Dokumente und deren Aufbewahrung zu treffen. Dabei können sie auch Vorgaben für die Datenformate der elektronischen Einreichung machen. Die Landesregierungen können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(5) Insolvenzverwalter sollen ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten, mit dem jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen in einem gängigen Dateiformat zur Verfügung gestellt werden können. Hat der Schuldner im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens zwei der drei in § 22a Absatz 1 genannten Merkmale erfüllt, muss der Insolvenzverwalter ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten und die in Satz 1 genannten Dokumente unverzüglich zum elektronischen Abruf zur Verfügung stellen. Den Einsichtsberechtigten stellt der Verwalter die für den Zugang erforderlichen Daten unverzüglich zur Verfügung.

11
a) Soll der Eröffnungsgrund aus einer einzigen Forderung des antragstellenden Gläubigers abgeleitet werden und ist diese Forderung bestritten, muss sie für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewiesen sein (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 – IX ZB 207/04, WM 2006, 492, 493). Den ihr obliegenden Beweis hat die Gläubigerin jedoch mit der Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Kaufvertrages geführt. Im eröffneten Verfahren obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt (§ 179 Abs. 2 InsO). Diese Wertung gilt auch im Eröffnungsverfahren. Die Schuldnerin hätte ihre Einwendungen gegen die titulierte Forderung oder gegen deren Vollstreckbarkeit in den für den jeweiligen Einwand vorgesehenen Verfahren überprüfen lassen können (etwa §§ 732, 767, 768 ZPO; vgl. HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 14 Rn. 12 f). Das hat sie nicht getan. Das Insolvenzgericht kann diese Prüfung – von offensichtlichen Fällen einmal abgesehen – nicht nachholen. Ebenso wie es nicht Sache des Insolvenzgerichts ist, den Bestand ernsthaft bestrittener, rechtlich zweifelhafter Forderungen zu überprüfen (vgl. BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005, aaO), obliegt es ihm nicht, rechtlich oder tatsächlich zweifelhaften Einwänden gegen eine titulierte Forderung nachzugehen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.