Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juli 2014 - IX ZA 17/14

bei uns veröffentlicht am24.07.2014
vorgehend
Landgericht Marburg, 2 O 259/11, 28.08.2013
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 15 U 215/13, 30.04.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZA 17/14
vom
24. Juli 2014
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Prof. Dr. Gehrlein, die Richterin Lohmann, den
Richter Grupp und die Richterin Möhring
am 24. Juli 2014

beschlossen:
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main vom 30. April 2014 wird abgelehnt.

Gründe:


1
Die Prozesskostenhilfe ist zu versagen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Satz 1 ZPO). Die gegen die Verwerfungsentscheidung des Berufungsgerichts gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde wäre gemäß § 574 Abs. 2 ZPO unzulässig, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
2
Es bedarf keiner Entscheidung, ob das Berufungsgericht verpflichtet war, die Klägerin vor Verwerfung der Berufung hierzu anzuhören (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 1993 - X ZB 21/92, NJW 1994, 392; vom 15. August 2007 - XII ZB 101/07, NJW-RR 2007, 1718 Rn. 8; vom 18. Juli 2008 - XII ZB 162/06, NJW-RR 2008, 78 Rn. 6). Die Verwerfung der Berufung beruht jedenfalls nicht auf dem Unterlassen eines solchen Hinweises.
3
Die Klägerin begründet ihr Fristversäumnis ausschließlich mit ihrer Mittellosigkeit. Aus diesem Grund hatte sie für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt. Diesen Antrag hatte das Berufungsgericht im Zeitpunkt der Verwerfung der Berufung jedoch bereits für die Klägerin unanfechtbar (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2013 - IX ZA 77/11, FamRZ 2011, 1581 Rn. 2) abgelehnt. Dies war der Klägerin aufgrund der Zustellung der ablehnenden Entscheidung seit dem 26. März 2014 bekannt. Ab diesem Zeitpunkt konnte sie sich hinsichtlich ihrer Fristversäumnis nicht mehr auf Mittellosigkeit berufen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009 - VIII ZA 21/08, NJW-RR 2009, 789 Rn. 7). Sie hätte das Berufungsverfahren unter Hinzurechnung einer kurzen Überlegungsfrist innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf eigene Kosten fortführen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009, aaO Rn. 6 f; vom 27. Oktober 2011 - III ZB 31/11, NJW-RR 2012, 308 Rn. 23; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 234 Rn. 10).
Kayser Gehrlein Lohmann
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
LG Marburg, Entscheidung vom 28.08.2013 - 2 O 259/11 -
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 30.04.2014 - 15 U 215/13 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

7
b) Das gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn das Gericht – wie hier – nicht die Mittellosigkeit der Partei, sondern die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung verneint hat. Zwar bessern sich die finanziellen Möglichkeiten der Partei nicht dadurch, dass das Berufungsgericht ihr die beantragte Prozesskostenhilfe versagt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass sie nunmehr noch nach dem Ablauf der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 1 ZPO, begrenzt allein durch die Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen könne. Diese Auffassung, die es in die Hand der mittellosen Partei legen würde, den Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung der Vorinstanz über ein Jahr hin in der Schwebe zu halten, verkennt den inneren Grund der Wiedereinsetzung bei Mittellosigkeit. Die mittellose Partei soll nicht schlechter stehen als eine vermögende. Deshalb wird ihr die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe und der Wiedereinsetzung eingeräumt. Nicht die bloße Mittellosigkeit entschuldigt also die Versäumung der Rechtsmittelfrist, sondern Fristnachsicht wird nur dann und so lange gewährt, wie ein – in seinem Ausgang auch von den Aussichten der Rechtsverfolgung abhängendes – Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe läuft und die Partei annehmen darf, es werde Erfolg haben. Das der Fristwahrung entgegenstehende Hindernis besteht demnach nicht schlechthin in der Mittellosigkeit der Partei, sondern in der noch fehlenden Entscheidung über das Gesuch. Dieses Hindernis entfällt mit der Bekanntgabe der insoweit ergehenden Entscheidung des Gerichts und dem Ablauf der für den Fall der Ablehnung dann sich noch anschließenden kurzen Überlegungsfrist (BGH, Beschluss vom 9. Januar 1985 – IVb ZB 142/84, VersR 1985, 271 m.w.N.). Die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO begann somit hier wenige Tage nach der am 25. August 2008 erfolgten Zustellung des Beschlusses vom 20. August 2008 und war daher bei Eingang der Berufung der Beklag- ten und ihres Wiedereinsetzungsantrags am 25. September 2008 lange abgelaufen. Ball Wiechers Hermanns Dr. Milger Dr. Hessel

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

23
bb) Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht deshalb im Ergebnis als richtig dar, weil der Kläger die Berufungsbegründung - ungeachtet der unzutreffenden Verwerfung seines Rechtsmittels und ihrer Anfechtung - nach Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags mit Beschluss vom 26. Oktober 2010 innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO nebst einer Überlegungsfrist von drei bis vier Tagen (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009 - VIII ZA 21/08, NJW-RR 2009, 789 Rn. 6 mwN) hätte nachholen müssen.