Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Sept. 2007 - IX ZA 14/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Wiedereinsetzungsantrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.
Gründe:
I.
- 1
- Die Berufung des Beklagten/Antragstellers ist durch Urteil des Oberlandesgerichts zurückgewiesen worden. Das Urteil ist seinem Prozessbevollmächtigten am 13. März 2007 zugestellt worden.
- 2
- Mit einem am 23. Mai 2007 bei dem erkennenden Senat eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller beantragt, ihm wegen der Versäumung der Einlegungs - und Begründungsfrist für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen. Zugleich hat er beantragt, ihm für das Verfahren auf Wiedereinsetzung Prozesskostenhilfe zu gewähren.
- 3
- Den Wiedereinsetzungsantrag hat er wie folgt begründet: "Der Beklagtenvertreter … hat aufgrund eines Versehens seines Büros erst am 09.05.2007 festgestellt, dass die Fristen hinsichtlich einer Nichtzulassungsbeschwerde … im EDV-gestützten Fristenkalender nicht aufgenommen und damit nicht ausgedruckt worden sind. Dadurch kam es nicht zu der routinemäßigen Wiedervorlage, obwohl dahingehend seitens des bearbeitenden Rechtsanwalts schriftlich verfügt worden war. Das Urteil wurde daher nicht dem Mandanten zugeleitet, obwohl es eine allgemeine Anweisung gibt, alle Unterlagen an die Mandanten zuzuschicken."
- 4
- Einen ausdrücklichen Antrag auf Zulassung der Revision hat der Antragsteller nicht gestellt. In der Begründung der Antragsschrift heißt es allerdings : "Der Antrag auf Zulassung der Revision ist für den Fall der Wiedereinsetzung auch begründet …"
II.
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- Wiedereinsetzungsantrag Der ist möglicherweise unzulässig. Gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen. Einen Antrag auf Zulassung der Revision hat der Antragsteller jedenfalls nicht ausdrücklich gestellt. Ob die Ausführungen in der Begründung dahin ausgelegt werden können, es habe bereits der Antrag auf Zulassung der Revision gestellt sein sollen, oder nur als Ankündigung für den Fall der Gewährung der Wiedereinsetzung verstanden werden können, ist zweifelhaft. Dies kann jedoch dahinstehen.
III.
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- Jedenfalls ist der Wiedereinsetzungsantrag unbegründet. Nach den §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO hätte dem Beklagten/Antragsteller nur dann Wiedereinsetzung gewährt werden können, wenn seinen Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung kein Verschulden träfe. Dies ist indessen nicht der Fall.
- 7
- 1. Nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers sind im Büro seines Prozessbevollmächtigten mindestens drei Fehler begangen worden:
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- Erstens sind die Fristen für die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde - ein Monat bzw. zwei Monate nach Zustellung des Berufungsurteils (§ 544 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 ZPO) - nicht im Fristenkalender eingetragen worden. Zweitens ist die angeblich schriftlich verfügte Wiedervorlage nicht ausgeführt worden, und drittens ist das Urteil entgegen einer angeblich bestehenden allgemeinen Anweisung nicht dem Mandanten zugeleitet worden.
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- Nach 2. ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Rechtsanwalt die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft überlassen. Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden (BGH, Beschl. v. 5. November 2003 - XII ZR 140/02, BGHR ZPO § 233 - Fristberechnung 5 m.w.N.). Dazu fehlt jeder Vortrag.
- 10
- Im Übrigen darf der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis über eine Urteilszustellung erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in den Handakten die Rechtsmittelfrist festgehalten und vermerkt ist, dass die Frist im Fristenkalender notiert worden ist (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91, BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 22; v. 30. November 1994 - XII ZB 197/94, BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 1; v. 17. September 2002 - VI ZR 419/01, BGHR ZPO § 233 - Empfangsbekenntnis 5; v. 5. November 2003 aaO). Dieses Sorgfaltsgebot hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers verletzt, als er am 13. März 2007 das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und zurückgegeben hat, ohne zuvor die Notierung der Rechtsmittelfrist sichergestellt zu haben. Sollte er seinerzeit - was aber nicht dargelegt ist - seine Bürokraft mündlich angewiesen haben, die Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen sein, dass die Anweisung nicht in Vergessenheit gerät (BGH, Beschl. v. 17. September 2002 aaO; v.
- 11
- angeblich Die schriftlich angeordnete - aber ebenfalls nicht befolgte - Verfügung der Wiedervorlage der Handakte reichte nicht aus. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass Rechtsmittel- und Rechtsmittelbegründungsfristen so notiert werden müssen, dass sie sich von gewöhnlichen Wiedervorlagefristen deutlich abheben (BGH, Urt. v. 21. Dezember 1988 - VIII ZR 84/88, NJW 1989, 2393, 2394 m.w.N.; v. 29. Juli 2004 - III ZB 27/04, BGH-Report 2005, 44, 45). Hier kann nicht einmal angenommen werden, dass die Wiedervorlage rechtzeitig zur Entdeckung der fehlenden Eintragung im Fristenkalender geführt hätte. Weder hat der Antragsteller vorgetragen, für welchen Zeitpunkt die Wiedervorlage angeordnet, noch dass die Rechtsmittelfrist auf den Handakten notiert worden ist.
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- Besonderheiten Die eines elektronisch unterstützten Fristenkalenders (vgl. dazu etwa BGH, Beschl. v. 23. März 1995 - VII ZB 3/95, BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 43; v. 10. Oktober 1996 - VII ZB 31/95, BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 52; v. 12. Oktober 1998 - II ZB 11/98, BGHR ZPO § 233 - Fristenkontrolle 63; v. 12. Dezember 2005 - II ZB 33/04, BGH-Report 2006, 449) haben sich nicht ausgewirkt, weil die Frist gar nicht erst in den Kalender eingegeben worden ist.
Cierniak Fischer
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 05.01.2006 - 3 O 235/05 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 08.03.2007 - 2 U 155/06 -
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Annotations
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.
(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.