Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2006 - IV ZR 64/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Beschwerdewert: bis 22.000 €
Gründe:
- 1
- Die Beschwerde ist zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.
- 2
- 1. a) Die Beschwerde rügt zwar im Ergebnis zu Recht, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung verfahrensfehlerhaft und unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG die Behauptung des Klägers zugrunde gelegt hat, seine Ehefrau habe dem Beklagten im Jahre 1995 mitgeteilt, der Kläger sei ab Juli 1995 hauptberuflich als Fußballspieler tätig. Das Bestreiten im Schriftsatz des Beklagten vom 26. Januar 2004 durfte nicht als verspätet zurückgewiesen werden.
- 3
- Voraussetzungen Die für die vom Berufungsgericht auf §§ 525, 282, 296 Abs. 2 ZPO gestützte Zurückweisung waren offenkundig nicht gegeben. Das Berufungsurteil lässt schon nicht erkennen, ob für die Verspätung § 282 Abs. 1 oder Abs. 2 ZPO maßgebend ist. Abgesehen davon ist eine Verspätung weder nach Abs. 1 noch nach Abs. 2 der Vorschrift gegeben.
- 4
- aa) § 282 Abs. 1 ZPO betrifft das rechtzeitige Vorbringen in der mündlichen Verhandlung und ist nur dann anwendbar, wenn innerhalb der Instanz mehrere Verhandlungstermine stattgefunden haben und das Vorbringen nicht bereits im ersten Termin erfolgt ist; Vorbringen im ersten Termin kann nie nach § 282 Abs. 1 ZPO verspätet sein (BGH, Urteile vom 4. Mai 2005 - XII ZR 23/03 - NJW-RR 2005, 1007 unter 2 b aa m.w.N. und vom 7. Oktober 1986 - VI ZR 262/85 - NJW 1987, 260 unter II 2 a). Das Bestreiten des Beklagten ist hier noch vor dem ersten Termin erfolgt.
- 5
- bb) Auch die Voraussetzungen des § 282 Abs. 2 ZPO lagen nicht vor. Nach dieser Bestimmung sind Schriftsätze so rechtzeitig einzureichen , dass der Gegner die erforderlichen Erkundigungen noch einzuziehen vermag (BGH, Urteil vom 4. Mai 2005 aaO unter 2 b bb). Der Beklagte hat keinen neuen Sachvortrag gebracht, sondern lediglich das vom Kläger bereits unter Beweis gestellte Vorbringen bestritten. Es ist nicht geltend gemacht und nicht ersichtlich, dass der Kläger dazu weitere Erkundigungen hätte einziehen müssen. § 282 Abs. 2 ZPO bezweckt dagegen nicht, dem Richter die rechtzeitige Terminsvorbereitung zu ermög- lichen (BGH, Urteil vom 25. März 1999 - VII ZR 434/97 - NJW 1999, 2446 unter II 1). Dafür bieten terminsvorbereitende Verfügungen mit Fristsetzung nach § 273 Abs. 2 Nr. 1 i.V. mit § 296 Abs. 1 ZPO eine Handhabe.
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- b) Der Verfahrens- und Gehörsverstoß führt gleichwohl nicht zur Zulassung der Revision, weil das Berufungsurteil darauf nicht beruht.
- 7
- aa) Erweist sich das angefochtene Urteil trotz des Verfahrensfehlers aus anderen Gründen bei zutreffender Anwendung des formellen und des materiellen Rechts im Ergebnis als richtig, sind die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht gegeben (BGH, Urteile vom 10. August 2005 - XII ZR 97/02 - FamRZ 2005, 1667 unter II 1 und vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02 - NJW 2003, 3205 unter II 1 b bb).
- 8
- bb) So liegt es hier. Es kommt im Ergebnis nicht darauf an, ob die Ehefrau des Klägers den Beklagten im Jahre 1995 darüber telefonisch informiert hat, dass der Kläger nunmehr hauptberuflich als Fußballer tätig ist, und ob der Rücktritt deshalb - wie das Berufungsgericht meint - ausnahmsweise ausgeschlossen war. Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass der Beklagte die einmonatige Frist für den Rücktritt (§ 20 Abs. 1 VVG, § 6 Abs. 3 Satz 2 AVB) versäumt hat.
- 9
- Die Frist ist mit Zugang des vom Kläger am 6. November 2000 unterzeichneten Versicherten-Fragebogens bei dem Beklagten in Lauf gesetzt worden. Die Angaben des Klägers in der Anlage I haben dem Beklagten bereits die nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteile vom 20. September 2000 - IV ZR 203/99 - VersR 2000, 1486 unter 3 und vom 30. September 1998 - IV ZR 248/97 - VersR 1999, 217 unter II 1 und 2) zuverlässige Kenntnis von der Verletzung der vorvertraglichen Anzeige- obliegenheit verschafft. Darin hat der Kläger als berufliche Tätigkeiten für den Zeitraum von 1985 bis 1998 lediglich solche als Fußballspieler bei drei Vereinen eingetragen, für die Zeit ab 1990 als Vertragsamateur. Damit war offenkundig, dass er einen ihm bekannten, aus Sicht der Beklagten gefahrerheblichen Umstand im Antrag nicht angegeben, somit seine Anzeigeobliegenheit verletzt hatte und ein Rücktritt ernstlich in Betracht kam (vgl. BGHZ 108, 326, 328 f.). Dafür war es unerheblich, ob, wann und in welchem Umfang der Kläger noch eine weitere Beschäftigung ausgeübt und welche Vergütung er erhalten hatte. Für die Einschätzung des Versicherungsrisikos war entscheidend, ob der Kläger nur Freizeitfußballer war oder beruflich als Vertragsamateur Fußball spielte.
- 10
- Selbst wenn dem Beklagten ein Aufklärungsbedarf hätte zugebilligt werden können, wäre der Rücktritt verspätet, weil der Beklagte die Aufklärung nachlässig betrieben hat. Denn er hat nach dem bei ihm am 27. November 2000 eingegangenen, für unzureichend gehaltenen Schreiben des Klägers vom 23. November 2000 bis zum 5. Februar 2001 keinen weiteren Aufklärungsversuch unternommen. Jedenfalls diese mehr als die doppelte Rücktrittsfrist betragende Untätigkeit führt dazu, dass der danach erklärte Rücktritt verspätet ist.
- 11
- Welche 2. Bedeutung der Einkommensdifferenz bei der Verweisung zukommt, ist durch die Senatsrechtsprechung geklärt (vgl. Urteile vom 17. Juni 1998 - IV ZR 215/97 - VersR 1998, 1537 unter II und vom 22. Oktober 1997 - IV ZR 259/96 - VersR 1998, 42 unter 4). Es ist nicht ersichtlich, dass die einzelfallbezogene Betrachtung des Berufungsgerichts Rechtsfehler enthält.
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 07.05.2002 - 7 O 490/01 -
KG Berlin, Entscheidung vom 03.02.2004 - 6 U 128/02 -
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Annotations
Auf das weitere Verfahren sind die im ersten Rechtszuge für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit sich nicht Abweichungen aus den Vorschriften dieses Abschnitts ergeben. Einer Güteverhandlung bedarf es nicht.
(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.
(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.
(3) Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.
(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.
(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
(1) Jede Partei hat in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht.
(2) Anträge sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die der Gegner voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, sind vor der mündlichen Verhandlung durch vorbereitenden Schriftsatz so zeitig mitzuteilen, dass der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag.
(3) Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, hat der Beklagte gleichzeitig und vor seiner Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen. Ist ihm vor der mündlichen Verhandlung eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt, so hat er die Rügen schon innerhalb der Frist geltend zu machen.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.
(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.
(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
Wird der Vertrag von einem Vertreter des Versicherungsnehmers geschlossen, sind bei der Anwendung des § 19 Abs. 1 bis 4 und des § 21 Abs. 2 Satz 2 sowie Abs. 3 Satz 2 sowohl die Kenntnis und die Arglist des Vertreters als auch die Kenntnis und die Arglist des Versicherungsnehmers zu berücksichtigen. Der Versicherungsnehmer kann sich darauf, dass die Anzeigepflicht nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt worden ist, nur berufen, wenn weder dem Vertreter noch dem Versicherungsnehmer Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.