Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2007 - IV ZR 321/05

published on 21/11/2007 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2007 - IV ZR 321/05
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Landgericht Rottweil, 3 O 173/04, 15/02/2005
Oberlandesgericht Stuttgart, 10 U 66/05, 29/11/2005

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 321/05
vom
21. November 2007
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke
am 21. November 2007

beschlossen:
Die Anhörungsrüge gegen das Urteil des Senats vom 26. September 2007 wird auf Kosten der Beklagten verworfen.

Gründe:


1
I. Die Beklagte macht mit der Anhörungsrüge geltend, der Senat habe spätestens in der mündlichen Verhandlung darauf hinweisen müssen , dass die Klauseln in ihren Bedingungen der fondsgebundenen Rentenversicherung über den Rückkaufswert bei Kündigung und die Verrechnung der Abschlusskosten nach dem Zillmerungsverfahren (§§ 12 Abs. 3, 24 Abs. 1 AVB) wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sein könnten und nach Maßgabe des Senatsurteils vom 12. Oktober 2005 (BGHZ 164, 297) ein Anspruch auf einen Mindestrückkaufswert in Betracht käme. Wäre der Hinweis erteilt worden, hätte sie auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg (VersR 2007, 1354) hingewiesen sowie Vertagung beantragt, um über den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ein umfassendes Rechtsgutachten einzuholen.

2
Die II. gemäß § 321a ZPO statthafte und fristgerecht eingelegte Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.
3
1. Sie ist bereits als unzulässig zu verwerfen, weil es ihr an der gesetzlich vorgeschriebenen Form fehlt (§ 321a Abs. 4 Sätze 1 und 2 i.V. mit Abs. 2 Satz 5 Halbs. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Danach ist die Entscheidungserheblichkeit des gerügten Gehörsverstoßes darzulegen. Demgemäß hätte die Beklagte ausführen müssen, mit welchen rechtlichen Argumenten sie der Rechtsansicht des Senats entgegengetreten und weshalb die Entscheidung ohne die Gehörsverletzung möglicherweise anders ausgefallen wäre. Das ist nicht geschehen. Der Hinweis auf den (nach der mündlichen Verhandlung vor dem Senat veröffentlichten) Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg (aaO) genügt schon deshalb nicht, weil diesem Beschluss der genaue Inhalt der dortigen Klauseln über den Rückkaufswert bei Kündigung und die Verrechnung der Abschlusskosten nicht zu entnehmen ist. Auch der Hinweis, es wäre Vertagung beantragt worden, um über den GDV ein umfassendes Rechtsgutachten einzuholen, besagt zur Entscheidungserheblichkeit des gerügten Gehörsverstoßes nichts. Es wäre Sache der anwaltlich vertretenen Beklagten gewesen, ihre rechtliche Argumentation auf den hier zu entscheidenden Fall bezogen vorzutragen.
4
2. Die Anhörungsrüge ist auch nicht begründet, weil ein Gehörsverstoß nicht vorliegt.
5
a) Auf eine mögliche Unwirksamkeit der §§ 12 Abs. 3, 24 Abs. 1 AVB wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot brauchte der Senat nicht hinzuweisen. Die Frage der Transparenz dieser Klauseln war von Anfang an zentraler Gegenstand des Rechtsstreits. Die Beklagte hat dazu in der Revisionsbegründung umfassend Stellung genommen. Der Senat hat die Klauseln nicht wegen fehlender Garantiewerte, sondern deshalb für unwirksam erklärt, weil § 12 Abs. 3 AVB keinen Hinweis auf die für den Versicherungsnehmer mit der Kündigung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile enthält. Auf die mit der Verrechnung der Abschlusskosten nach dem Zillmerungsverfahren verbundenen Nachteile ist der Versicherungsnehmer nicht nur bei der herkömmlichen kapitalbildenden Lebensversicherung hinzuweisen, sondern auch bei der - ebenfalls kapitalbildenden - fondsgebundenen Lebensversicherung, bei der es keine garantierten Rückkaufswerte und demgemäß keine entsprechenden Tabellen gibt. Der Nachteil der fehlenden oder nur geringen Kapitalbildung in den Anfangsjahren der Versicherung ist bei beiden Formen der Lebensversicherung ersichtlich gleich.
6
aa) b) Dieser Umstand lässt es für einen gewissenhaften und rechtskundigen Prozessbeteiligten (vgl. BVerfG NJW 2003, 3687) als auf der Hand liegend erscheinen, dass der durch den Transparenzmangel bewirkte wirtschaftliche Nachteil bei der fondsgebundenen Lebensversicherung ebenso wie bei der herkömmlichen kapitalbildenden Lebensversicherung nach den Grundsätzen des Senatsurteils vom 12. Oktober 2005 (aaO) zu kompensieren sein könnte. Eventuell verbliebene Zweifel mussten spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Februar 2006 (VersR 2006, 489) beseitigt sein, die der Verrechnung hoher Abschlusskosten mit der Prämie nach dem Zillmerungsverfahren - möglicherweise weitergehend als das Senatsurteil vom 12. Oktober 2005 - ebenfalls Grenzen setzt. Schließlich war bereits lange vor der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekannt, dass der Gesetzgeber des Versicherungsvertragsgesetzes 2008 auch für die fondsgebundene Lebensversicherung einen Mindestrückkaufswert vorgesehen hat (§ 169 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 i.V. mit Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2).
7
bb) Im Übrigen hat der Senatsvorsitzende in der mündlichen Verhandlung - im Protokoll nicht vermerkt - darauf hingewiesen, dass die fraglichen Klauseln unwirksam sein dürften und der Kläger Anspruch auf einen Mindestrückkaufswert entsprechend dem Senatsurteil vom 12. Oktober 2005 haben könnte. Dem hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht widersprochen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Rottweil, Entscheidung vom 15.02.2005 - 3 O 173/04 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 29.11.2005 - 10 U 66/05 -
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Annotations

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.