Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2007 - IV ZR 101/04

published on 16/05/2007 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2007 - IV ZR 101/04
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Landgericht Köln, 24 O 149/02, 22/05/2003
Oberlandesgericht Köln, 9 U 110/03, 23/03/2004

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 101/04
vom
16. Mai 2007
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch
am 16. Mai 2007

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. März 2004 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Streitwert: Bis 140.000 €

Gründe:


1
Beschwerde Die ist zurückzuweisen, weil ein Zulassungsgrund nicht dargelegt ist (§§ 543 Abs. 2 Satz 1, 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
2
1. Haftpflichtfall Dr. G.
3
Das Berufungsgericht hat - wie schon das Landgericht - im Ergebnis rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Beklagte wegen vorsätzlicher Verletzung der Anzeigeobliegenheit nach §§ 5 Nr. 2 Abs. 4, 6 Nr. 1 Satz 1 AVB von der Leistungspflicht frei ist, weil die Klägerin die gegen sie im Oktober 1998 erhobene Klage der Beklagten unstreitig weder unverzüglich noch überhaupt angezeigt hat.
4
a) Die Beschwerde meint, die Beklagte dürfe sich auf Leistungsfreiheit nicht berufen, weil sie ihre Deckungsablehnung nach Erhalt der Schreiben der Klägerin vom 22. Mai 2000 und vom 29. Januar 2001 nicht unverzüglich erklärt habe. Sie beruft sich hierfür auf das Senatsurteil vom 19. März 2003 (IV ZR 139/01 - NJW 2003, 1936 unter 2) zur Rechtsschutzversicherung. Entsprechendes müsse - insoweit habe die Sache grundsätzliche Bedeutung - auch hier gelten.
5
Dieser Vergleich ist schon wegen der unterschiedlichen Regelung in den Versicherungsbedingungen verfehlt. Die Beschwerde zeigt im Übrigen nicht auf, dass ihre Rechtsansicht auch sonst in der Rechtsprechung oder der Literatur vertreten wird und demzufolge umstritten ist, worauf die Beschwerdeerwiderung mit Recht hinweist. Im Übrigen könnte eine vertragswidrige Verzögerung der Entscheidung des Haftpflichtversicherers über die Deckungspflicht nur Auswirkungen für das künftige Verhalten des Versicherungsnehmers in der Haftpflichtangelegenheit haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Februar 2007 - IV ZR 149/03 - unter II 1, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Hier liegt der Verstoß gegen die Anzeigeobliegenheit nach § 5 Nr. 2 Abs. 4 AVB aber vor dem von der Klägerin als Schadensanzeige gewerteten Schreiben vom 22. Mai 2000.
6
b) Weiter meint die Beschwerde, § 5 Nr. 2 Abs. 1 AVB sei nach § 9 AGBG unwirksam, weil die Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung so zu verstehen sei, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall zu einem Zeitpunkt schriftlich anzuzeigen habe, zu dem er davon im Regelfall noch keine Kenntnis habe. Dies führe entgegen §§ 153, 33 VVG dazu, dass der Versicherungsnehmer darlegen und beweisen müsse, wann er erstmals vom Eintritt des Versicherungsfalls Kenntnis erlangt habe.
7
Darauf kommt es schon deshalb nicht an, weil die Klägerin jedenfalls die Obliegenheit nach § 5 Nr. 2 Abs. 4 AVB zur unverzüglichen Anzeige der Klageerhebung vom Oktober 1998 verletzt hat. Davon abgesehen setzt die Anzeigeobliegenheit nach § 5 Nr. 2 Abs. 1 AVB nach ständiger Rechtsprechung des Senats die positive Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Eintritt des Versicherungsfalls voraus (vgl. Senatsurteil vom 27. November 2002 - IV ZR 159/01 - VersR 2003, 187 unter III 3 b aa).
8
c) Entgegen der Ansicht der Beschwerde betrifft die im Oktober 1998 u.a. gegen die Klägerin erhobene und später insoweit zurückgenommene Klage in Bezug auf die Klägerin denselben Versicherungsfall, der Gegenstand der Klage vom Dezember 2000 und der anschließenden rechtskräftigen Verurteilung der Klägerin ist. Dr. G. hat mit der ersten wie der zweiten Klage von der jetzigen Klägerin mit identischer Begründung Schadensersatz wegen der ihr als Versicherungsmaklerin obliegenden Aufklärungs- und Beratungspflichten geltend gemacht. Die Rücknahme der ersten Klage ändert daran schon deshalb nichts, weil Dr. G. der Klägerin zuvor im Termin vom 4. Februar 1999 den Streit verkündet hatte, wie sich aus den von den Parteien in Bezug genommenen Akten jenes Rechtsstreits ergibt.
9
Auf die im August 1997 erfolgte Zahlung der 100.000 DM durch die Klägerin an Dr. G. kommt es danach nicht an. Die Beschwerde beanstandet allerdings zu Recht, dass das Berufungsgericht den durch Urkunden belegten Vortrag der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen hat, die Zahlung sei auf die Kaskoentschädigung und nicht auf eine ihr gegenüber erhobene Haftpflichtforderung geleistet worden. Ebenso ist unerheblich, ob das Schreiben der Klägerin vom 22. Mai 2000 als Anzeige i.S. von § 5 Nr. 2 Abs. 1 AVB zu werten ist sowie ob die Klägerin nach der Zahlungsaufforderung vom 6. September 2000, deren Zugang sie - was das Berufungsgericht übergangen hat - bestritten hat, und der Zustellung der Klage vom Dezember 2000 erneut ihre Anzeigeobliegenheit verletzt hat.
10
d) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die Vorsatzvermutung (§ 6 Nr. 1 Satz 1 AVB, § 6 Abs. 3 Satz 1 VVG) nicht ausgeräumt , ist rechtsfehlerfrei, soweit es um die unterbliebene Anzeige der Klageerhebung vom Oktober 1998 geht. Die Beschwerde macht geltend, es sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin in jenem Rechtsstreit stets anwaltlich vertreten gewesen und seitens ihrer Anwälte eine Unterrichtung der Beklagten nicht für erforderlich gehalten worden sei, darauf habe die Klägerin vertrauen dürfen. Dieser Vortrag ist unsubstantiiert und im Übrigen neu und damit in der Revisionsinstanz unbeachtlich. Die Klägerin hat in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen, hinsichtlich der Klage vom Oktober 1998 von ihren Anwälten entsprechend beraten worden zu sein. Von einem anwaltlichen Rat, eine Anzeige an die Beklagte nicht vorzunehmen, ist unter Bezugnahme auf ein Anwaltsschreiben an die Beklagte vom 10. April 2001 nur die Rede im Fall der Klage des Flugsportvereins R. B. , worauf die Beklagte im Schriftsatz vom 1. Dezember 2003 zutreffend hingewiesen hat. Auf die bereits erwähnten fehlerhaften Ausführungen des Berufungsgerichts zum Zweck der Zahlung der 100.000 DM im August 1997 kommt es auch hier nicht an.
11
2. Haftpflichtfall M.
12
Beschwerde Die zeigt keine zulassungsrelevanten Rechtsfehler auf.
13
Berufungsgericht Das hat die rechtlichen Voraussetzungen der Leistungsfreiheit wegen wissentlicher Pflichtverletzung nach § 4 Nr. 5 AVB unter Hinweis auf die Senatsrechtsprechung zutreffend gesehen. Seine tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin verkennt, dass es nicht darum geht, ob ein Versicherungsnotstand vorlag, ob die Bußgeldbescheide zu Recht ergangen waren , welche Kenntnisse sie über das Regulierungsverhalten des Kaskoversicherers bei der Vertragsverlängerung im Mai 1998 hatte und ob sie mit einer Schädigung des Kunden M. gerechnet hatte. Die Pflichtverletzung bestand darin, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, dass sie den Kunden über die Bedenken und das seit April 1997 laufende Ermittlungsverfahren der Aufsichtsbehörde nicht aufgeklärt hatte.
14
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 22.05.2003 - 24 O 149/02 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.03.2004 - 9 U 110/03 -
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu

(1) Dem Versicherungsnehmer steht eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen; die Überschussbeteiligung kann
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published on 27/11/2002 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 159/01 Verkündet am: 27. November 2002 Heinekamp Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _______________
published on 19/03/2003 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 139/01 Verkündet am: 19. März 2003 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein _____________________
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(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Dem Versicherungsnehmer steht eine Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven (Überschussbeteiligung) zu, es sei denn, die Überschussbeteiligung ist durch ausdrückliche Vereinbarung ausgeschlossen; die Überschussbeteiligung kann nur insgesamt ausgeschlossen werden.

(2) Der Versicherer hat die Beteiligung an dem Überschuss nach einem verursachungsorientierten Verfahren durchzuführen; andere vergleichbare angemessene Verteilungsgrundsätze können vereinbart werden. Die Beträge im Sinn des § 268 Abs. 8 des Handelsgesetzbuchs bleiben unberücksichtigt.

(3) Der Versicherer hat die Bewertungsreserven jährlich neu zu ermitteln und nach einem verursachungsorientierten Verfahren rechnerisch zuzuordnen. Bei der Beendigung des Vertrags wird der für diesen Zeitpunkt zu ermittelnde Betrag zur Hälfte zugeteilt und an den Versicherungsnehmer ausgezahlt; eine frühere Zuteilung kann vereinbart werden. Aufsichtsrechtliche Regelungen zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen, insbesondere die §§ 89, 124 Absatz 1, § 139 Absatz 3 und 4 und die §§ 140 sowie 214 des Versicherungsaufsichtsgesetzes bleiben unberührt.

(4) Bei Rentenversicherungen ist die Beendigung der Ansparphase der nach Absatz 3 Satz 2 maßgebliche Zeitpunkt.

(1) Der Versicherungsnehmer hat eine einmalige Prämie oder, wenn laufende Prämien vereinbart sind, die erste Prämie unverzüglich nach Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins zu zahlen.

(2) Ist die Prämie zuletzt vom Versicherer eingezogen worden, ist der Versicherungsnehmer zur Übermittlung der Prämie erst verpflichtet, wenn er vom Versicherer hierzu in Textform aufgefordert worden ist.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.