Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Apr. 2006 - IV ZA 17/05

26.04.2006
vorgehend
Landgericht Köln, 24 O 104/01, 05.08.2004
Oberlandesgericht Köln, 9 U 156/04, 28.10.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZA 17/05
vom
26. April 2006
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke
am 26. April 2006

beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Senatsbeschluss vom 22. März 2006 wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von Versicherungsleistungen aus einer bei ihr gehaltenen Hausratversicherung wegen eines Brandes in ihrem Hotelgebäude in Anspruch genommen. Nachdem sie in den Vorinstanzen mit ihrem Klagebegehren erfolglos geblieben war, hat sie beim Bundesgerichtshof Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. In einem weiteren beim Senat anhängigen Verfahren hat die Klägerin gegen die dortige Beklagte Ansprüche aus einer Gebäudeversicherung wegen desselben Schadenereignisses geltend gemacht und mit diesem Begehren im Berufungsrechtszug Erfolg gehabt. Dagegen wendet sich der dort beklagte Versicherer mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Der Senat hat der Klägerin daraufhin dort gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO, also ohne Prüfung der Erfolgsaussichten, Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts bewilligt. Den Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sieht die Klägerin darin, dass der Senat ihren Prozesskostenhilfe-Antrag im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 22. März 2006 mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen hat, ohne ihre Beschwerdeerwiderung in dem Parallel-Rechtsstreit abzuwarten.
2
II. 1. Die statthafte und auch fristgerecht erhobene Anhörungsrüge hat in der Sache keinen Erfolg. Ob ihre Begründung den Zulässigkeitsanforderungen des § 321a Abs. 2 Satz 5 Halbs. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO genügt und die Klägerin einen Fall entscheidungserheblicher Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hinreichend dargelegt hat, kann deshalb offen bleiben.
3
2. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet die Berücksichtigung von Parteivortrag nur im Rahmen der jeweiligen verfahrensrechtlichen Ausgestaltung (BVerfGE 107, 395, 409; BVerfG NJW 2005, 1768). Danach war der Senat nicht verpflichtet, zur Wahrung des rechtlichen Gehörs der Klägerin mit der Entscheidung über ihr Prozesskostenhilfegesuch bis zum Eingang ihrer Beschwerdeerwiderung in dem Parallel-Rechtsstreit zuzuwarten.
4
a) Zum einen ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin in der Begründung ihrer Anhörungsrüge nicht behauptet, dass das im Parallelverfahren beabsichtigte Vorbringen auf Grund gesetzlicher Vorschriften , etwa wegen Vorgreiflichkeit im Sinne des § 148 ZPO, beachtlich sein könnte und der Senat diesen Vortrag deshalb auch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen hätte.

5
b) Eine solche Pflicht ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Vorschriften des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Prozesskostenhilfe. Dem Beschwerdeführer wird die gemäß § 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO erforderliche substantiierte Darlegung der Zulassungsgründe nur im Hinblick auf die angefochtene Entscheidung abverlangt (BGHZ 152, 182, 187 ff. und ständig). Daher kann sich die Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfe-Verfahren nur auf das Beschwerdevorbringen im zu entscheidenden Fall beziehen, nicht aber auf gehaltenen oder gar erst beabsichtigten Vortrag in einem ParallelRechtsstreit , denn die Erfolgsaussicht der Beschwerde hängt entscheidend davon ab, ob im vorliegenden Verfahren Zulassungsgründe gegeben sind. Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zudem für jeden Rechtszug gesondert zu erfolgen. Schon deshalb kann der Rechtsuchende auch unter Be- rücksichtigung des Gewährleistungsgehalts von Art. 103 Abs. 1 GG nicht erwarten, dass sein Vorbringen in einem anderen Rechtsstreit in die Prüfung der Erfolgsaussichten einbezogen wird.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 05.08.2004 - 24 O 104/01 -
OLG Köln, Entscheidung vom 28.10.2005 - 9 U 156/04 -

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 148 Aussetzung bei Vorgreiflichkeit


(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde

Zivilprozessordnung - ZPO | § 119 Bewilligung


(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders. In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn d

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(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders. In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.

(2) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen umfasst alle Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt für jeden Rechtszug besonders. In einem höheren Rechtszug ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.

(2) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen umfasst alle Vollstreckungshandlungen im Bezirk des Vollstreckungsgerichts einschließlich des Verfahrens auf Abgabe der Vermögensauskunft und der eidesstattlichen Versicherung.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.