Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Okt. 2004 - III ZR 205/03

28.10.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZR 205/03
Verkündet am:
28. Oktober 2004
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
HeimG § 8 Abs. 3, 5, 7 (F: 5. November 2001)

a) Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Begründung der Kündigung (§ 8 Abs. 5
HeimG) hat die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge.

b) Die Pflicht, dem Heimbewohner bei einer Kündigung des Heimvertrags
nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2 HeimG eine angemessene anderweitige
Unterkunft und Betreuung nachzuweisen (§ 8 Abs. 7 HeimG), wird durch
eine wirksame Kündigung ausgelöst. Ihre Erfüllung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung
für die Kündigung.

c) Die Erfüllung der Nachweispflicht nach § 8 Abs. 7 HeimG ist materielle
Voraussetzung für den Räumungsanspruch und seine Titulierung.
BGH, Beschluß vom 28. Oktober 2004 - III ZR 205/03 - LG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Oktober 2004 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die
Richter Streck, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

beschlossen:
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen.
Der Streitwert wird auf 32.768,88 € festgesetzt.

Gründe


I.


Die im Jahr 1910 geborene Beklagte - Leistungsempfänge rin der gesetzlichen Pflegeversicherung - wohnte seit Dezember 2000 in einem von der Klägerin betriebenen Altenheim. Der Heimvertrag wurde von der Klägerin am 21. Dezember 2000 und von dem Betreuer der Beklagten am 25. Juni 2001 unterzeichnet. Die Klägerin kündigte den Heimvertrag am 21. September 2001 mit einer von ihrem Heimleiter unterzeichneten Erklärung fristlos. Die Kündigung wurde auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustands der Beklagten gestützt, der ihre angemessene Versorgung und Betreuung nicht mehr möglich mache. Sinngemäß wurde ausgeführt, das Heim sei als offene Einrichtung nicht in der Lage, den mit Gefährdungen ihrer Person verbundenen Weg-
lauftendenzen der Beklagten und ihrem aggressiven Verhalten gegenüber Mitbewohnern zu begegnen.
Die von der Klägerin erhobene Klage auf Räumung und Herausgabe des Heimplatzes, die während des Verfahrens erster Instanz vorsorglich und hilfsweise auf eine weitere fristlose Kündigung vom 2. Oktober 2002 gestützt wurde , hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision hat die Beklagte die Abweisung der Klage begehrt. Die Beklagte hat aufgrund der von der Klägerin eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen den Heimplatz geräumt und hält sich seit Oktober 2003 in einem anderen Heim auf. Mit Rücksicht hierauf haben die Parteien in der mündlichen Revisionsverhandlung die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.

II.


Nach der übereinstimmenden Erledigungserklärung ist übe r die Kosten des Rechtstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 ZPO). Da die Voraussetzungen für eine Kündigung des Heimvertrags vorlagen und nur noch die vom Berufungsgericht nicht geprüfte Frage im Raum stand, ob die Klägerin ihrer Pflicht nachgekommen war, der Beklagten eine angemessene anderweitige Unterkunft und Betreuung nachzuweisen, hält es der Senat, der von der Wahrscheinlichkeit der Erfüllung dieser Pflicht ausgeht, für billig, der Beklagten 2/3 und der Klägerin 1/3 der Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
1. Das Berufungsgericht, das seiner Beurteilung die Kündigung vom 2. Oktober 2002 zugrunde gelegt hat, hat die nach § 8 Abs. 5 Halbs. 2 HeimG vorgeschriebene Begründung in der Bezugnahme auf die Kündigung vom 21. September 2001 und den Akteninhalt gesehen. In der Sache hat es angenommen, daß die Kündigung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 HeimG gerechtfertigt sei, weil sich der Gesundheitszustand der Beklagten so verändert habe, daß ihre fachgerechte Betreuung in dem Heim nicht mehr möglich sei. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

a) Nach § 8 Abs. 5 HeimG in der Fassung des zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Dritten Gesetzes zur Änderung des HeimG esetzes vom 5. November 2001 (BGBl. I S. 2960; Neufassung S. 2970) - nach § 4b Abs. 5 HeimG a.F. galt nichts anderes - bedarf die Kündigung durch den Träger der schriftlichen Form; sie ist zu begründen. Insoweit hat die Vorschrift eine striktere Fassung erhalten, als es in bezug auf die Begründungspflicht in § 564a Abs. 1 Satz 2 BGB in der bis zum 31. August 2001 geltenden Fassung für das Mietverhältnis bestimmt war: Danach war die Begründungspflicht nur als Sollvorschrift ausgestaltet. Aus dem unterschiedlichen Wortlaut und den im Gesetzgebungsverfahren angestellten Erwägungen, den Bewohner in die Lage zu versetzen , die Berechtigung der Kündigung zu überprüfen, ist zu schließen, daß ein Verstoß gegen die Begründungspflicht die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat (vgl. BT-Drucks. 11/5120, S. 13 zu § 4b Abs. 5 HeimG a.F.; in diesem Sinne auch Kunz/Butz/Wiedemann, HeimG, 10. Aufl. 2004, § 8 Rn. 19; Gitter/Schmitt, HeimG, § 8 Anm. VII).
Die im Schriftsatz vom 2. Oktober 2002 ausgesprochene Künd igung wird diesen Begründungsanforderungen gerecht. Der Schriftsatz enthält zwar für
sich genommen in erster Linie punktuelles Vorbringen, mit dem auf Fragen des anhängigen Rechtsstreits eingegangen wird. Soweit die Kündigung ausgesprochen wird, bezieht er sich jedoch ausdrücklich auf die Kündigung vom 21. September 2001 und den Akteninhalt des laufenden Prozesses. Es bestehen gegen eine solche Bezugnahme keine Bedenken, wenn die in Bezug genommene Erklärung dem Kündigungsempfänger zugegangen ist und ihrerseits der Begründungspflicht genügt. Dabei reicht es aus, wenn - wie hier in der Kündigungserklärung vom 21. September 2001 - die maßgebenden Elemente angesprochen sind. Soweit die Revision beanstandet, es werde nicht hinreichend dargelegt, weshalb es der Klägerin nicht möglich sei, den nach ihrer Ansicht erhöhten Betreuungsbedarf der Beklagten zu befriedigen, überspannt sie die Anforderungen.

b) Soweit es für die Berechtigung der Kündigung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 HeimG auf eine Veränderung des Gesundheitszustands ankommt, hat das Berufungsgericht weitgehend auf Entwicklungen abgestellt, die ab dem Sommer 2001, also erst nach der Vertragsunterzeichung durch den Betreuer der Beklagten, eingetreten sind, aber auch die seit Februar 2001 einsetzenden Weglauftendenzen in die Beurteilung einbezogen. Seine Feststellungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Das Schwergewicht der vom Berufungsgericht festgestellten Ausprägungen des Gesundheitszustands der Beklagten ist erst im Sommer 2001 hervorgetreten. Insoweit kam es auf die von der Revision als grundsätzlich angesehene Frage, ob die Veränderung der Gesundheit in bezug auf die Aufnahme in das Heim oder in bezug auf die Vertragsunterzeichnung festzustellen sei, nicht entscheidend an. Denn zu den in hohem Maße mit Selbstgefährdungen verbundenen Weglauftendenzen der Beklagten, die schon
bundenen Weglauftendenzen der Beklagten, die schon bald nach ihrer Aufnahme in das Heim offenbar geworden sind, sind ab dem Sommer 2001 aggressive Verhaltensweisen gegenüber den Mitbewohnern hinzugetreten, die das Heim unbeschadet des Umstands, daß die Beklagte aufgrund ihres Gesundheitszustands hierfür nicht verantwortlich gemacht werden kann, schon wegen seiner Bindungen gegenüber den Mitbewohnern, die von ihm die Beachtung ihrer Würde sowie ihrer Interessen und Bedürfnisse (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 HeimG) erwarten dürfen, nicht hinnehmen kann und inakzeptabel sind. Der Rüge der Revision, es fehlten hinsichtlich einer Veränderung des Gesundheitszustands hinreichende Feststellungen, kann nicht gefolgt werden. Denn es kommt nicht entscheidend darauf an, ob die Beklagte möglicherweise bereits bei ihrer Aufnahme oder recht sicher auch bei der Vertragsunterzeichnung durch ihren Betreuer unter einer Demenzerkrankung litt; vielmehr ist in bezug auf die prinzipiell vom Heim zu erbringende fachgerechte Betreuung auch zu berücksichtigen, welche Wirkungen sich aus der gesundheitlichen Verfassung nach außen ergeben, die - wie die Revision selbst nicht verkennt - von den Pflegekräften aufgefangen werden müssen. Unter diesem Gesichtspunkt sind die Vorinstanzen mit Recht von einer relevanten Veränderung des Gesundheitszustands der Beklagten ausgegangen.

c) Zu Unrecht hat die Revision die Feststellung des Beruf ungsgerichts als ungenügend gerügt, der Klägerin sei wegen einer Veränderung des Gesundheitszustands der Beklagten deren fachgerechte Betreuung nicht mehr möglich gewesen. Der Revision ist zuzugeben, daß bei der Beantwortung dieser Frage auch die Pflicht des Trägers nach § 6 Abs. 1 Satz 1 HeimG zu berücksichtigen ist, seine Leistungen einem erhöhten oder verringerten Betreuungsbedarf anzupassen und die hierzu erforderlichen Änder ungen des Heim-
vertrags anzubieten. Die Anpassungspflicht besteht jedoch nicht unbegrenzt, sondern unterliegt, wie der Gesetzgeber mit der Formulierung "soweit ihm dies möglich ist" deutlich gemacht hat, Einschränkungen (vgl. Kunz/Butz/Wiedemann aaO § 6 Rn. 2; Gitter/Schmitt aaO § 6 Anm. III 1; Igl, in: Dahlem/Giese/ Igl/Klie, HeimG, Lieferung Oktober 2002, § 6 Rn. 5; Richter, in: LPK-HeimG, 2004, § 6 Rn. 5). Der Rahmen des dem Heimträger hiernach Möglichen wird dabei maßgeblich von der jeweiligen Ausstattung des Heims bestimmt; insbesondere ist zu berücksichtigen, ob der Heimträger die zur veränderten Betreuung erforderlichen Leistungen bereits vorhält. Das wird etwa dann in der Regel ohne weiteres zu bejahen sein, wenn es lediglich darum geht, daß ein Bewohner mit seinem Betreuungsbedarf in eine andere Pflegestufe der gesetzlichen Pflegeversicherung einzuordnen ist. Wo im übrigen die Grenzen zu ziehen sind, innerhalb deren dem Heimträger eine Anpassung seiner Leistungen möglich und zumutbar ist, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall. Das Berufungsgericht hat dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten des SachverständigenDr. P. entnommen, daß die Unterbringung in einem geeigneten - auf gerontopsychiatrische Patienten eingestellten - Heim voraussichtlich auf Dauer erforderlich sein werde. Um den festgestellten Gefahren begegnen zu können, sei - neben einer Unterbringung - die Verlegung in eine andere, als geeigneter anzusehende Pflegeeinrichtung erforderlich. Wenn auch nicht zu verkennen ist, daß das Gutachten des Sachverständigen in einem aufgrund der Vorfälle im Sommer und Herbst 2001 eingeleiteten Unterbringungsverfahren eingeholt worden ist, bei dem im Mittelpunkt des Interesses nicht die augenblickliche Betreuung im Heim der Klägerin stand, sondern die - im Ergebnis verneinte - Frage, ob die Beklagte nach den landesrechtlichen Vorschriften untergebracht werden müsse, um eine Eigen- oder Fremdgefährdung abzuwenden, so durfte ihm das Berufungsgericht doch die Wertung
entnehmen, daß der Betreuungsbedarf der Beklagten im Heim der Klägerin nicht sichergestellt ist. Es durfte auch eine Anpassungspflicht der Klägerin verneinen , in ihrem Heim eine gerontopsychiatrische Abteilung einzurichten, die neben dem Einsatz sachlicher Mittel auch die Einstellung von Pflegekräften mit einer auf Bewohner dieser Art zugeschnittenen besonderen Ausbildung erfordert hätte. Es war daher nicht rechtsfehlerhaft, daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer Kündigung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BGB bejaht hat.
2. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt, ohne dem Umstand Bedeutung beizumessen, daß die Klägerin keine auf den Zeitpunkt der Kündigung vom 2. Oktober 2002 bezogene anderweitige Unterkunfts- und Betreuungsmöglichkeit im Sinn des § 8 Abs. 7 HeimG nachgewiesen hatte. Auf einen späteren Nachweis in der Berufungserwiderung vom 25. April 2003 ist es nicht eingegangen. Es hat ausgeführt, der fehlende Nachweis stehe der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Dieser Umstand könne allenfalls zu Schadensersatzansprüchen führen. Dieser Beurteilung kann nicht in jeder Hinsicht gefolgt werden.

a) § 8 Abs. 7 HeimG, der der Vorgängerregelung in § 4b Abs. 7 HeimG a.F. im wesentlichen entspricht, sieht vor, daß der Träger im Fall einer Kündigung nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 und 2 HeimG der Bewohnerin oder dem Bewohner eine angemessene anderweitige Unterkunft und Betreuung nachweist. Die Nachweispflicht betrifft damit besondere Fälle, in denen der Heimträger der Erwartung seines Vertragspartners nicht gerecht werden kann, ihm einen angemessenen Platz für seinen Lebensabend verschafft zu haben. Dies gilt etwa in Fällen, in denen der Betrieb des Heims eingestellt, wesentlich eingeschränkt
oder in seiner Art verändert wird oder in denen - wie hier - eine fachgerechte Betreuung wegen einer Veränderung des Gesundheitszustands nicht mehr möglich ist. Demgegenüber trifft den Heimträger in den Fällen der Nummern 3 und 4 in § 8 Abs. 3 Satz 2 HeimG eine solche Nachweispflicht nicht. Ob eine Nachweispflicht ferner in Fällen zu verneinen ist, in denen der Heimträger nach der Grundregel des § 8 Abs. 3 Satz 1 HeimG wegen eines wichtigen Grundes - außerhalb der Regelbeispiele in Satz 2 - kündigt, etwa, weil ein Bewohner aufgrund eines aggressiven Verhaltens für die Mitbewohner untragbar geworden ist, bedarf hier keiner Entscheidung, weil sich die Klägerin von Anfang an auf den in § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 HeimG angeführten Kündigungsgrund bezogen hat.
Mit der Nachweispflicht ist damit eine substantielle Besse rstellung des hiervon betroffenen Bewohners verbunden. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Erfüllung der Nachweispflicht - wie die Revision meint - ihrerseits Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung wäre. Hiergegen spricht schon der Wortlaut des § 8 Abs. 7 Satz 1 HeimG, dem man ein zeitliches Element ("Hat der Träger … gekündigt") entnehmen kann. Auch der systematische Aufbau des § 8 HeimG spricht hiergegen, der in den Absätzen 2 und 3 die Kündigungsgründe aufzählt, in Absatz 4 Unwirksamkeitsgründe der Kündigung für einen Sonderfall und in Absatz 5 weitere materielle Voraussetzungen für eine Kündigung regelt. Demgegenüber geht es in den Absätzen 6 und 7 um verschiedene Wirkungen, die sich aus einer (wirksamen) Kündigung ergeben. Danach ist die Nachweispflicht des § 8 Abs. 7 Satz 1 HeimG als eine nachwirkende Pflicht anzusehen, die erst durch eine wirksame Kündigung ausgelöst wird (vgl. Kunz/Butz/Wiedemann, aaO § 8 Rn. 21; Gitter/Schmitt aaO § 8 Anm. IX 1) und die die durch die Aufnahme des Bewohners diesem gegenüber übernom-
mene allgemeine Obhutspflicht (vgl. hierzu BT-Drucks. 11/5120, S. 13 zu § 4b Abs. 7) über das Vertragsende hinaus erstreckt. Wird die Wirksamkeit der Kündigung durch die Erfüllung der Nachweispflicht nicht berührt, bestehen auch keine Bedenken, daß der Heimträger dieser Verpflichtung erst zeitlich nach der Erklärung der Kündigung nachkommt. Dies wird mit Rücksicht auf § 8 Abs. 6 Satz 2 HeimG bei einer Kündigung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 HeimG ohnehin naheliegen. Soweit sich die Revision auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 2003 (VIII ZR 276/02 und VIII ZR 311/02 - NJW 2003, 2604, 2605) bezieht, wonach eine Eigenbedarfskündigung wegen Rechtsmißbrauchs unwirksam ist, wenn der Vermieter dem Mieter nicht eine vergleichbare, im selben Haus oder in derselben Wohnanlage ihm zur Verfügung stehende Wohnung , die vermietet werden soll, zur Anmietung anbietet, handelt es sich um eine Fallgestaltung, die mit der hier zu beurteilenden nicht ohne weiteres zu vergleichen ist. Insbesondere steht der Übernahme dieser Rechtsprechung entgegen, daß die Nachweispflicht nach § 8 Abs. 7 HeimG hinreichend klar als nachvertragliche Pflicht ausgestaltet ist.

b) Anders als das Berufungsgericht meint, ist die Erfüll ung der Nachweispflicht jedoch Voraussetzung für den Räumungsanspruch. Die Verletzung der Nachweispflicht kann nicht nur, wie das Berufungsgericht gemeint hat, Schadensersatzansprüche auslösen. Die eigentliche Zielrichtung der Nachweispflicht geht vielmehr dahin, dem Bewohner eigene Bemühungen um Beschaffung eines von ihm nutzbaren Heimplatzes zu zumutbaren Bedingungen zu ersparen und einen nahtlosen Übergang in eine neue Unterkunft mit adäquater Betreuung zu ermöglichen. Müßte sich ein Bewohner etwa nach einer wirksamen Kündigung aus vorübergehenden gesundheitlichen Gründen in stationäre Krankenhausbehandlung begeben, wäre der Heimträger, der seiner
Nachweispflicht noch nicht nachgekommen ist, trotz Wirksamkeit der Kündigung verpflichtet, diesen Bewohner nach Entlassungsreife aus dem Krankenhaus wieder in seine Einrichtung aufzunehmen.

c) Hing danach die Verpflichtung der Beklagten, den He implatz zu räumen , davon ab, ob ihr eine angemessene anderweitige Unterkunft und Betreuung zu zumutbaren Bedingungen nachgewiesen war, bedarf noch die Frage einer Beantwortung, welchen Einfluß die Nichterfüllung der Nachweispflicht auf den Räumungsanspruch und seine Durchsetzung hat. Zum einen kommt das Recht des Heimbewohners in Betracht, sich bis zum Erhalt eines Nachweises auf ein Zurückbehaltungsrecht zu berufen, so daß er zur Räumung nur Zug um Zug gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung verurteilt werden könnte (§§ 273, 274 Abs. 1 BGB). Zum anderen ist daran zu denken, daß der Räumungsanspruch nach wirksamer Kündigung erst dann fällig wird, wenn die Nachweispflicht erfüllt ist. Geht man davon aus, der Heimbewohner sei auf die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts beschränkt, müßten der Gerichtsvollzieher nach § 756 ZPO oder das Vollstreckungsgericht im Verfahren nach § 766 ZPO darüber befinden, ob der Nachweispflicht Genüge getan ist. Hängt hingegen die Fälligkeit des Räumungsanspruchs von der Erfüllung der Nachweispflicht ab, wäre die materielle Überprüfung der gegebenen Nachweise dem Prozeßgericht vorbehalten. Der Bestimmung des § 8 Abs. 7 HeimG läßt sich nicht unmittelbar entnehmen, welchen Einfluß die Erfüllung der Nachweispflicht auf den Räumungsanspruch des Heimträgers hat. Der Senat hält es im Interesse des Heimbewohners, dessen Stellung durch § 8 Abs. 7 HeimG gestärkt werden soll, aber auch im Interesse des Heimträgers, der zeitnah zu einer Erfüllung seiner Pflichten angehalten ist, für vorzugswürdig, wenn das Prozeßgericht vor einer Titulierung der Räumungsverpflichtung prüft, ob der Heim-
träger seiner Nachweispflicht nachgekommen ist. Dies beruht vor allem auf der Komplexität der Fragen, die sich im Zusammenhang mit einer Kündigung nach § 8 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 HeimG stellen. Häufig wird die Frage einer gesundheitlichen Veränderung und der Möglichkeit einer fachgerechten Betreuung nicht ohne sachverständige Hilfe zu beantworten sein. Dieselben Gesichtspunkte müssen auch bei dem Nachweis einer angemessenen anderweitigen Unterkunft und Betreuung geprüft werden, wobei zusätzlich in den Blick zu nehmen ist, ob die mit der nachgewiesenen Gelegenheit verbundenen Bedingungen für den Heimbewohner zumutbar sind. Abgesehen davon, daß eine Entscheidung der letztgenannten Fragen durch das Vollstreckungsgericht zu einer unerwünschten Verdoppelung der Verfahren führen würde, ist es seiner Funktion nach auf die Klärung solch komplexer Vorgänge nicht eingerichtet. Nach der hier bevorzugten Lösung, daß sich das Prozeßgericht der Frage eines hinreichenden Nachweises annimmt, ist zwar nicht auszuschließen, daß ein im Zeitpunkt der Kündigung zumutbarer und erreichbarer Nachweis wegen des eingetretenen Zeitablaufs nicht mehr ausgenutzt werden kann. Wehrt sich jedoch ein Bewohner zu Unrecht gegen die Wirksamkeit der Kündigung und macht deshalb von einem zumutbaren Nachweis keinen Gebrauch, muß er die Folgen dieses Entschlusses selbst tragen. Der Räumungsanspruch wird dann hiervon nicht mehr berührt.
Schlick Streck Kapsa
Dörr Galke

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 273 Zurückbehaltungsrecht


(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweiger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 766 Erinnerung gegen Art und Weise der Zwangsvollstreckung


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 756 Zwangsvollstreckung bei Leistung Zug um Zug


(1) Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Ver

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 274 Wirkungen des Zurückbehaltungsrechts


(1) Gegenüber der Klage des Gläubigers hat die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nur die Wirkung, dass der Schuldner zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung (Erfüllung Zug um Zug) zu verurteilen ist. (2) Auf Grund einer so

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 8 Wohnsitz nicht voll Geschäftsfähiger


Wer geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, kann ohne den Willen seines gesetzlichen Vertreters einen Wohnsitz weder begründen noch aufheben.

Heimgesetz - HeimG | § 2 Zweck des Gesetzes


(1) Zweck des Gesetzes ist es, 1. die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen vor Beeinträchtigungen zu schützen,2. die Selbständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohnerinnen u

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(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Zweck des Gesetzes ist es,

1.
die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen vor Beeinträchtigungen zu schützen,
2.
die Selbständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohnerinnen und Bewohner zu wahren und zu fördern,
3.
die Einhaltung der dem Träger des Heims (Träger) gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern obliegenden Pflichten zu sichern,
4.
die Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner zu sichern,
5.
eine dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechende Qualität des Wohnens und der Betreuung zu sichern,
6.
die Beratung in Heimangelegenheiten zu fördern sowie
7.
die Zusammenarbeit der für die Durchführung dieses Gesetzes zuständigen Behörden mit den Trägern und deren Verbänden, den Pflegekassen, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung sowie den Trägern der Sozialhilfe zu fördern.

(2) Die Selbständigkeit der Träger in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben bleibt unberührt.

Wer geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, kann ohne den Willen seines gesetzlichen Vertreters einen Wohnsitz weder begründen noch aufheben.

(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).

(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.

(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.

(1) Gegenüber der Klage des Gläubigers hat die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts nur die Wirkung, dass der Schuldner zur Leistung gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung (Erfüllung Zug um Zug) zu verurteilen ist.

(2) Auf Grund einer solchen Verurteilung kann der Gläubiger seinen Anspruch ohne Bewirkung der ihm obliegenden Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgen, wenn der Schuldner im Verzug der Annahme ist.

(1) Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat, sofern nicht der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

(2) Der Gerichtsvollzieher darf mit der Zwangsvollstreckung beginnen, wenn der Schuldner auf das wörtliche Angebot des Gerichtsvollziehers erklärt, dass er die Leistung nicht annehmen werde.

(1) Über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Vollstreckungsgericht. Es ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen.

(2) Dem Vollstreckungsgericht steht auch die Entscheidung zu, wenn ein Gerichtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsauftrag zu übernehmen oder eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß auszuführen, oder wenn wegen der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten Erinnerungen erhoben werden.