Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Mai 2011 - II ZR 32/10

bei uns veröffentlicht am17.05.2011
vorgehend
Landgericht Hannover, 32 O 76/08, 17.03.2009
Oberlandesgericht Celle, 4 U 68/09, 10.02.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 32/10
vom
17. Mai 2011
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Mai 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Bergmann, den Richter Dr. Strohn, die Richterinnen
Caliebe und Dr. Reichart und den Richter Sunder
einstimmig beschlossen:
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt , die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 10. Februar 2010 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen. Streitwert: 100.000,00 €

Gründe:

1
Zulassungsgründe liegen nicht vor; die Revision der Beklagten hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
2
1. Die Frage, wann der Aufsichtsrat gemäß § 112 AktG (unmittelbar oder analog) die Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied gerichtlich und außergerichtlich vertritt, ist in der Rechtsprechung des Senats durch eine Vielzahl von Entscheidungen geklärt (siehe nur BGH, Urteil vom 26. Juni 1995 - II ZR 122/94, BGHZ 130, 108, 111 f.; Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 364/02, ZIP 2005, 348, 349; Urteil vom 16. Oktober 2006 - II ZR 7/05, ZIP 2006, 2213, 2214; Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 282/07, ZIP 2009, 717, 718 jew. m.w.N.). Es geht vorliegend entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht um die Klärung der grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 112 AktG, sondern um die Anwendung der zu § 112 AktG entwickelten Leitlinien des Senats auf den konkreten Einzelfall.
3
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
4
Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu Recht einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der restlichen Vergütung für die Vorstandstätigkeit des O. M. zugesprochen.
5
a) Der Aufsichtsrat ist nach § 84 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit Satz 1, § 87, § 112 AktG zuständig für die Entscheidung über die Vergütung des Vorstands und für den Abschluss der die Vergütung betreffenden Verträge, deren Scheincharakter das Berufungsgericht zu Recht verneint hat.
6
b) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht einen Verstoß der Vergütungsvereinbarung gegen § 76 und § 93 Abs. 1 AktG abgelehnt. Weisungsbefugnisse der Klägerin gegenüber Herrn M. bestanden wegen der der Be- klagten bekannten Umstände der Vertragsschlüsse nicht. Die „Betriebsinterna“ ergaben sich bereits aus der vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten unterzeichneten Vergütungsvereinbarung.
Bergmann Strohn Caliebe Reichart Sunder
Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 17.03.2009 - 32 O 76/08 -
OLG Celle, Entscheidung vom 10.02.2010 - 4 U 68/09 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 552a Zurückweisungsbeschluss


Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf

Aktiengesetz - AktG | § 93 Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder


(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung v

Aktiengesetz - AktG | § 76 Leitung der Aktiengesellschaft


(1) Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten. (2) Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen. Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Euro hat er aus mindestens zwei Pe

Aktiengesetz - AktG | § 112 Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern


Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. § 78 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

Aktiengesetz - AktG | § 87 Grundsätze für die Bezüge der Vorstandsmitglieder


(1) Der Aufsichtsrat hat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds (Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen, anreizorientierte Vergütungszusagen wie zum Beispiel Aktienbezug

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Bundesgerichtshof Urteil, 29. Nov. 2004 - II ZR 364/02

bei uns veröffentlicht am 29.11.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 364/02 Verkündet am: 29. November 2004 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG

Bundesgerichtshof Urteil, 16. Okt. 2006 - II ZR 7/05

bei uns veröffentlicht am 16.10.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES II ZR 7/05 URTEIL Verkündet am: 16. Oktober 2006 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AktG § 1

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Das Revisionsgericht weist die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision durch einstimmigen Beschluss zurück, wenn es davon überzeugt ist, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und die Revision keine Aussicht auf Erfolg hat. § 522 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. § 78 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 364/02 Verkündet am:
29. November 2004
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Eine KGaA wird gegenüber ihren Komplementären durch den Aufsichtsrat
vertreten. Das gilt auch gegenüber ehemaligen Komplementären, unabhängig
davon, ob sie eine andere Funktion in der Gesellschaft übernommen
haben, etwa diejenige eines Aufsichtsratsmitglieds.

b) Ein Verhalten kann nur dann als Genehmigung eines Vertragsschlusses
ausgelegt werden, wenn sich der Handelnde der Genehmigungsbedürftigkeit
bewußt ist.

c) Die Genehmigung eines Vertragsschlusses durch den Aufsichtsrat kann nicht
durch einen Beschluß der Hauptversammlung der KGaA ersetzt werden.
BGH, Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 364/02 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. h.c. Röhricht und die Richter Prof. Dr. Goette, Kraemer, Dr. Strohn und
Caliebe

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 4. Dezember 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die beklagte KGaA (Beklagte zu 1) beschäftigt sich - teilweise über Tochtergesellschaften - mit dem Erwerb, der Verwaltung und der Verwertung von Immobilien, Wertpapieren und Unternehmensbeteiligungen sowie mit sonstigen Dienstleistungen auf dem Kapitalmarkt. Sie geht auf eine Gründung durch den Kläger zurück, der zunächst auch persönlich haftender Gesellschafter war. Da er diese Funktion wegen seines Amtes als Wirtschaftsprüfer nicht ausüben durfte, schied er auf Druck der Wirtschaftsprüferkammer aus der beklagten Gesellschaft aus. Am 4. Juli 1997 wurde er in den Aufsichtsrat berufen und dort zum Vorsitzenden gewählt. Mit Vertrag vom 27. Oktober 1997 gründete er eine stille Gesellschaft mit der Beklagten zu 1. Der Vertrag wurde unter-
schrieben von ihm und von zwei persönlich haftenden Gesellschaftern der Beklagten zu 1, nämlich den Beklagten zu 2 und 3. Nach der Präambel des Vertrages sollte ihm "eine wirtschaftlich gleichwertige Position" eingeräumt werden, entsprechend seiner vorherigen Stellung als persönlich haftender Gesellschafter. Dementsprechend sah der Vertrag eine Mindestlaufzeit von 30 Jahren, eine Beteiligung an Gewinn und Verlust i.H.v. 50,1 %, eine entsprechende persönliche Haftung und Mitwirkungsrechte an der Geschäftsführung wie bei einem persönlich haftenden Gesellschafter vor. Nach § 8 Abs. 5 des Vertrages sollte der Kläger einen Anspruch auf einen ergebnisunabhängigen Vorabgewinn i.H.v. 1.022.040,00 DM pro Jahr haben, zahlbar in zwölf Monatsraten.
Am 28. Januar 1999 stimmte die Hauptversammlung der Beklagten zu 1 auf Vorschlag des Aufsichtsrats einer Reihe von stillen Gesellschaftsverträgen - als Teilgewinnabführungsverträgen - zu, u.a. dem mit dem Kläger geschlossenen. Am 10. März 2000 wurden die Verträge in das Handelsregister eingetragen. Zugleich schieden die bisherigen persönlich haftenden Gesellschafter aus und wurden durch eine GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin ersetzt.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten zu 1 als seiner Vertragspartnerin - vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin - und den Beklagten zu 2 - 5 als den damaligen persönlich haftenden Gesellschaftern Zahlung der Vorabgewinnrate für Juli 2001 i.H.v. 85.170,00 DM = 43.546,73 €. Das Berufungsgericht hat die Klage in bezug auf die Beklagte zu 1 als unzulässig, im übrigen als unbegründet abgewiesen. Dagegen richtet sich die von dem Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat die gegen die Beklagte zu 1, vertreten durch ihre persönlich haftende Gesellschafterin, gerichtete Klage für unzulässig gehalten mit der Begründung, eine KGaA werde gegenüber ihren Komplementären - auch nach deren Ausscheiden - nicht durch die übrigen Komplementäre, sondern durch den Aufsichtsrat vertreten und dieser habe sich an dem Rechtsstreit nicht beteiligt. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1. Wer zur Vertretung einer KGaA berufen ist, bestimmt sich nach § 278 AktG. Nach dessen Abs. 2 sind grundsätzlich die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die KG anwendbar, so daß nach § 161 Abs. 2, §§ 125, 170 HGB die Komplementäre Vertreter der Gesellschaft sind. Das gilt aber dann nicht, wenn die Gesellschaft gegenüber den Komplementären vertreten werden muß. Dann ist der Aufsichtsrat zur Vertretung berufen (ebenso Hüffer, AktG 6. Aufl. § 278 Rdn. 16; Sethe, AG 1996, 289, 298 f.; Wichert, AG 2000, 268, 273 f.; a.A. Mertens in Kölner Komm.z.AktG 1. Aufl. § 287 Rdn. 11 f.: Vertretungsbefugnis auch der Komplementäre). Das ergibt sich aus § 278 Abs. 3, § 112 AktG. Die für die AG geltende Regelung des § 112 AktG, wonach die Gesellschaft den Vorstandsmitgliedern gegenüber durch den Aufsichtsrat vertreten wird, verfolgt den Zweck, eine unbefangene, von möglichen Interessenkollisionen und darauf beruhenden sachfremden Erwägungen freibleibende Vertretung der Gesellschaft sicherzustellen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gesellschaft im Einzelfall nicht auch von dem Vorstand angemessen vertreten werden könnte. Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr auf eine typisierende Betrachtungsweise abzustellen (BGHZ 103, 213, 216; 130, 108, 111 f.;
Sen.Urt. v. 28. April 1997 - II ZR 282/95, ZIP 1997, 1108; v. 14. Juli 1997 - II ZR 168/96, ZIP 1997, 1674; ebenso BAG NZG 2002, 392, 393 f.). Die dieser gesetzlichen Regelung zugrundeliegende Gefahr einer Interessenkollision ist ebenso gegeben, wenn eine KGaA bei einem Geschäft mit einem ihrer Komplementäre vertreten werden soll. Auch dann kann es aufgrund einer falschen Rücksichtnahme zu einer Vernachlässigung der Gesellschaftsinteressen kommen , wenn die übrigen Komplementäre für die Gesellschaft tätig werden. Deshalb erscheint es angemessen, auch bei der KGaA den § 112 AktG - für die Vertretung gegenüber den Komplementären - anzuwenden. Entgegen der Meinung der Revision verstößt das nicht gegen § 278 Abs. 2 AktG. Die danach geltenden Regeln des Handelsgesetzbuchs sehen zwar eine Mitwirkung des Aufsichtsrats nicht vor. Sie werden gemäß § 278 Abs. 3 AktG aber ergänzt durch die Bestimmungen des ersten Buchs des Aktiengesetzes, und damit ist § 112 AktG auch nach der Gesetzessystematik anwendbar.
Die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats besteht auch gegenüber ehemaligen Komplementären, unabhängig davon, ob sie eine andere Funktion in der Gesellschaft übernommen haben, insbesondere diejenige eines Aufsichtsratsmitglieds. Im Recht der AG entspricht es gefestigter Rechtsprechung, die Regelung des § 112 AktG auch in bezug auf die aus dem Amt ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder anzuwenden (BGH, Urt. v. 9. Oktober 1986 - II ZR 284/85, ZIP 1986, 1381, 1382; v. 7. Juli 1993 - VIII ZR 2/92, AG 1994, 35; v. 28. April 1997 - II ZR 282/95, ZIP 1997, 1108). Das gilt auch dann, wenn das betreffende Vorstandsmitglied in den Aufsichtsrat gewechselt ist (Mertens in Großkomm.z.AktG 2. Aufl. § 112 Rdn. 10; MünchKommAktG/Semler 2. Aufl. § 112 Rdn. 27). Für die KGaA kann in bezug auf die Komplementäre nichts anderes gelten. Zwar können Interessenkonflikte bei einem Wechsel des Komplementärs in den Aufsichtsrat auch bei den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern
entstehen. Das rechtfertigt aber schon aus Gründen der Rechtsklarheit keine Rückverlagerung der Vertretungskompetenz auf die Komplementäre, an deren möglicher Befangenheit sich im übrigen nichts geändert hat, die durch die Aufsichtsratszugehörigkeit des Vertragspartners sogar noch verstärkt worden sein kann.
2. War somit - nur - der Aufsichtsrat der Beklagten zu 1 für den Abschluß des Vertrages über die stille Gesellschaft zur Vertretung befugt, gilt das auch für die darauf bezogene Prozeßführung. Der Aufsichtsrat ist trotz des Hinweises des Berufungsgerichts nicht in den Rechtsstreit eingetreten (vgl. dazu Sen.Urt. v. 21. Juni 1999 - II ZR 27/98, NJW 1999, 3263). Damit ist die Klage in bezug auf die Beklagte zu 1 unzulässig.
II. Unbegründet ist die Klage, soweit sie sich gegen die Beklagten zu 2 - 5 richtet.
1. Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt: Die Beklagten zu 2 - 5 würden zwar nach § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 161 Abs. 2, §§ 128, 160 Abs. 1 HGB für die etwaige Schuld der Beklagten zu 1 aus dem Vertrag über die stille Gesellschaft persönlich haften, weil sie bei Abschluß des Vertrages Komplementäre der Beklagten zu 1 gewesen seien. Der Vertrag sei aber aus den schon in bezug auf die Prozeßführung gegenüber der Beklagten zu 1 aufgezeigten Gründen unwirksam. Offen bleiben könne, ob der Verstoß gegen § 278 Abs. 3, § 112 AktG gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages führe oder ob der Vertragsschluß gemäß § 177 BGB von dem Aufsichtsrat genehmigt werden könne. Denn jedenfalls habe der Aufsichtsrat eine Genehmigung nicht erteilt. Die Genehmigung des Aufsichtsrats sei auch nicht durch die Zustimmung der Hauptversammlung der Beklagten zu 1 ersetzt worden. Auf den Vertrag über die stille
Gesellschaft seien somit die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft anwendbar. Danach habe die Beklagte zu 1 den Gesellschaftsvertrag kündigen können, was sie auch getan habe. Der Gewinnanspruch des Klägers sei damit nur noch ein unselbständiger Rechnungsposten bei der Errechnung des Auseinandersetzungsguthabens , der nicht mehr selbständig geltend gemacht werden könne.
2. Auch dagegen ist aus Rechtsgründen nichts einzuwenden.

a) Ob die Zuweisung des Vertretungsrechts in § 112 AktG gemäß § 134 BGB ein gesetzliches Verbot der entgegen dieser Zuweisung abgeschlossenen Rechtsgeschäfte darstellt oder ob es sich dabei allein um eine Vertretungsregelung handelt mit der Folge, daß ein dagegen verstoßendes Handeln nach § 177 BGB von dem Aufsichtsrat genehmigt werden kann, ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und im Schrifttum umstritten (zum Meinungsstand s. Hüffer, AktG 6. Aufl. § 112 Rdn. 7 und MünchKommAktG/Semler 2. Aufl. § 112 Rdn. 70 ff.). Der Bundesgerichtshof hat die Frage bislang offen gelassen (Urt. v. 7. Juli 1993 - VIII ZR 2/92, AG 1994, 35). Sie bedarf auch hier keiner Entscheidung , weil der Vertragsschluß zwischen der Beklagten zu 1 und dem Kläger - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht wirksam genehmigt worden ist.
aa) Die Revision sieht eine schlüssige Genehmigung des Aufsichtsrats in dessen Vorschlag an die Hauptversammlung der Beklagten zu 1, dem Vertrag gemäß § 293 AktG zuzustimmen. Dem ist nicht zu folgen.
Ein Verhalten kann nur dann als Genehmigung eines Vertragsschlusses ausgelegt werden, wenn sich der Handelnde der Genehmigungsbedürftigkeit
bewußt ist (Sen.Urt. v. 16. November 1987 - II ZR 92/87, NJW 1988, 1199, 1200; v. 19. Dezember 1988 - II ZR 74/88, NJW 1989, 1928, 1929). Daß die Mitglieder des Aufsichtsrats der Beklagten zu 1 hier ein solches Bewußtsein hatten, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Im Gegenteil waren sie offenbar der Meinung, der Vertrag mit dem Kläger sei von dem dafür zuständigen Gesellschaftsorgan geschlossen worden und bedürfe nur noch der Zustimmung der Hauptversammlung.
bb) Die Genehmigung des Aufsichtsrats ist auch nicht durch die Zustimmung der Hauptversammlung ersetzt worden.
Nach § 112 AktG ist der Aufsichtsrat bei Vertragsschlüssen mit den Vorstandsmitgliedern allein zur Vertretung befugt. Deshalb kann auch nur er allein eine Genehmigung nach § 177 BGB erteilen. Nicht dagegen kann diese Genehmigung von der Hauptversammlung ersetzt werden. Entgegen der Ansicht der Revision gilt für die KGaA nichts anderes. Insbesondere ergibt sich nicht aus § 287 Abs. 1 AktG, daß die Hauptversammlung eine dem Aufsichtsrat kraft Gesetzes zustehende Kompetenz an sich ziehen kann. Danach führt der Aufsichtsrat die Beschlüsse der Kommanditaktionäre aus. Das ändert nichts daran, daß er das handelnde Organ ist und sein Handeln nicht durch einen Beschluß der Hauptversammlung ersetzt wird.
Eine andere Frage ist, ob der Aufsichtsrat verpflichtet gewesen wäre, dem Vertragsschluß zuzustimmen, wenn die Hauptversammlung ihn dazu angewiesen hätte. Diese Frage braucht indessen nicht entschieden zu werden. Denn es fehlt schon an einer solchen Anweisung. Der von den Organen der Beklagten zu 1 als Teilgewinnabführungsvertrag qualifizierte Vertrag über die Gründung der stillen Gesellschaft (vgl. BGHZ 156, 38, 43) - ob diese Qualifizie-
rung angesichts des § 292 Abs. 2 AktG zutreffend war, ist nicht zu entscheiden - war der Hauptversammlung lediglich zur Zustimmung nach § 292 Abs. 1 Nr. 2, § 293 Abs. 1 AktG vorgelegt worden. Die Frage, ob der Vertrag auf einer Willensentschließung des dafür zunächst zuständigen Organs, nämlich des Aufsichtsrats , beruhte, stand nicht zur Debatte. Die in der Hauptversammlung anwesenden oder vertretenen Kommanditaktionäre konnten also davon ausgehen , daß der Vertrag - ebenso wie die zahlreichen anderen zur Zustimmung anstehenden Verträge - bis auf die noch ausstehende Zustimmung und Handelsregistereintragung alle Wirksamkeitserfordernisse erfüllte. Das aber war gerade nicht der Fall. Ob die Hauptversammlung bei dieser Sachlage auch dann einen Beschluß über den Vertrag gefaßt hätte, wenn den Kommanditaktionären bewußt gewesen wäre, daß der Vertrag von einem dafür nicht vertretungsbefugten Organ geschlossen worden war, ist nicht festgestellt und kann auch nicht unterstellt werden.
Damit verhalten sich die Beklagten zu 2 - 5 entgegen der Auffassung der Revision auch nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB, indem sie sich trotz der Zustimmung der Hauptversammlung auf die Unwirksamkeit des Vertrages berufen.

b) Der Vertrag über die stille Gesellschaft ist somit nicht wirksam zustande gekommen. Dennoch ist er nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft , die auch auf die stille Gesellschaft zur Anwendung kommen (Sen.Urt. v. heutigen Tage - II ZR 6/03 m.w.Nachw.), als wirksam zu behandeln. Er kann nur für die Zukunft beendet werden. Die Voraussetzung dafür hat die Beklagte zu 1 dadurch geschaffen, daß sie die Gesellschaft gekündigt hat. Nach der damit erfolgten Auflösung der Gesellschaft ist der Anspruch des Klägers nicht mehr selbständig durchsetzbar. Er ist als unselbständiger Rech-
nungsposten in die Auseinandersetzungsrechnung der stillen Gesellschaft einzustellen (BGHZ 37, 299, 304).
In dem gegen die Beklagten zu 2 - 5 gerichteten Zahlungsantrag ist im Zweifel nicht auch der Antrag enthalten festzustellen, daß der streitige Anspruch in die Auseinandersetzungsrechnung nach § 235 HGB einzustellen sei. Eine solche Auslegung ist nach der Rechtsprechung des Senats dann geboten, wenn sich die Klage gegen die Gesellschaft - im Falle der stillen Gesellschaft gegen den Inhaber des Handelsgeschäfts - richtet (Sen.Urt. v. 24. Oktober 1994 - II ZR 231/93, NJW 1995, 188, 189; v. 18. März 2002 - II ZR 103/01, NZG 2002, 519). Hier richtet sie sich, soweit sie zulässig ist, nur gegen die früheren Komplementäre des Inhabers des Handelsgeschäfts. Diesen obliegt es nicht, die Auseinandersetzungsrechnung aufzustellen. Im übrigen ist zwischen den Parteien nicht streitig, daß auf den Vertrag die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft zur Anwendung kommen und der Gewinnanspruch des Klägers daher in die Auseinandersetzungsrechnung einzustellen ist.
3. Ohne Erfolg meint die Revision schließlich, nach § 179 Abs. 1 BGB würden jedenfalls die Beklagten zu 2 und 3 haften, weil sie den Vertrag als Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossen hätten.
Dabei kann offen bleiben, ob die Vorschrift des § 179 BGB auf einen Vertragsschluß , der gegen § 112 AktG verstößt und der nach den Grundsätzen über die fehlerhafte Gesellschaft für die Vergangenheit als wirksam zu behandeln ist, überhaupt zur Anwendung kommt. Jedenfalls ist eine Vertreterhaftung gemäß § 179 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Danach haftet der Vertreter nicht, wenn der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder kennen mußte. Hier ist - ohne daß zusätzliche Feststellungen des Berufungsgerichts
erforderlich wären - von einem Kennenmüssen in der Person des Klägers auszugehen. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Aufsichtsratsmitglied , zuvor war er Komplementär gewesen. In diesen Funktionen mußte ihm die Regelung des § 112 AktG und ihre von der herrschenden Meinung angenommene Anwendbarkeit auch auf die KGaA bekannt sein. Zumindest hätte er sich entsprechend informieren müssen. Insoweit unterscheidet sich der Fall von dem Sachverhalt, den der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit dem Urteil vom 10. Mai 2001 (III ZR 111/99, NJW 2001, 2626) zu entscheiden hatte. Dort ging es um eine verbandsinterne Vertretungsregelung, die einem außenstehenden Dritten nicht bekannt sein mußte. Hier war der Kläger dagegen kein außenstehender Dritter, sondern selbst Organ des Verbandes.
Röhricht Goette Kraemer
Strohn Caliebe

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
II ZR 7/05 URTEIL
Verkündet am:
16. Oktober 2006
Boppel
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
In dem Rechtsstreit um die Erfüllung einer Versorgungszusage, den die Witwe
eines Vorstandsmitglieds gegen die Gesellschaft führt, wird diese nicht durch
ihren Vorstand, sondern ausschließlich durch ihren Aufsichtsrat vertreten.
BGH, Urteil vom 16. Oktober 2006 - II ZR 7/05 - OLG Hamm
LG Essen
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 16. Oktober 2006 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Kraemer, Prof. Dr. Gehrlein und
Caliebe

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. November 2004 aufgehoben und das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 9. Dezember 2003 teilweise abgeändert.
Die Klage wird insgesamt als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist die Witwe des früheren Vorstandsmitglieds H. der K. AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Der Ehemann der Klägerin hatte nach § 11 Abs. 1 seines Dienstvertrages einen Anspruch auf Ruhegehalt in Höhe von 50 % des zuletzt bezogenen Jahresgehalts; nach § 14 des Vertrages steht der Klägerin eine Witwen- rente in Höhe von 60 % des zuletzt gezahlten Ruhegehalts zu. Nach dem Tod des Ehemannes im Januar 2001 zahlte die Beklagte zunächst die vertraglich vereinbarte Witwenrente, stellte die Zahlungen jedoch im Juli 2002 ein und widerrief mehrfach - erstmals im Januar 2003 - die Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage.
2
Die Klägerin hat gegen die Beklagte "gesetzlich vertreten durch den Vorstand" Klage auf Zahlung rückständiger und zukünftiger Witwenrente erhoben. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben, das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt unter Aufhebung bzw. teilweiser Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen zur Abweisung der Klage als unzulässig.
4
1. Die Beklagte ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten (§ 547 Nr. 4 ZPO). Vertreter der Beklagten war gemäß § 112 AktG ihr Aufsichtsrat. Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall eines Prozesses der Gesellschaft mit der Witwe eines früheren Vorstandsmitglieds um Ansprüche aus einer Versorgungszusage bzw. um die Zulässigkeit ihres Widerrufs.
5
a) Gesetzlicher Zweck des § 112 AktG ist es, eine unbefangene Vertretung der Gesellschaft sicherzustellen, welche von sachfremden Erwägungen unbeeinflusst ist und sachdienliche Gesellschaftsbelange wahrt. Im Interesse der Rechtssicherheit ist dabei auf eine typisierende Betrachtung abzustellen (st. Rspr. des Senats: BGHZ 130, 108, 111 f.; Urt. v. 22. April 1991 - II ZR 151/90, ZIP 1991, 796, 797; zuletzt Urt. v. 29. November 2004 - II ZR 364/02, ZIP 2005, 348, 349 jew. m.w.Nachw.). Dieser Zweck erfordert, wie der Senat in den angeführten Entscheidungen wiederholt ausgesprochen hat, eine Anwendung des § 112 AktG nicht nur auf Rechtsstreitigkeiten mit noch im Amt befindlichen Vorstandsmitgliedern , sondern auch auf Prozesse, die mit Vorstandsmitgliedern einer Rechtsvorgängerin der jetzigen Gesellschaft oder mit ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern geführt werden.
6
b) Die - abstrakte - Gefahr einer Interessenkollision, die die Anwendung des § 112 AktG erfordert, ist gleichermaßen in einem Fall wie dem vorliegenden gegeben, in dem die Witwe des Vorstandsmitglieds Rentenansprüche geltend macht, die nicht anders als die Ruhegehaltsansprüche des verstorbenen Ehemannes auf dessen früherer Vorstandstätigkeit beruhen (ebenso Hüffer, AktG 7. Aufl. § 112 Rdn. 2; Semler in MünchKommAktG, 2. Aufl. § 112 Rdn. 32 m.w.Nachw.). Darüber hinaus gewährleistet die Einbeziehung von Ansprüchen, die von Angehörigen des Vorstandsmitglieds geltend gemacht werden und die aus dem Vorstandsverhältnis hergeleitet werden, in die alleinige Vertretungszuständigkeit des Aufsichtsrats, dass über alle aus dem Anstellungsverhältnis resultierenden Ansprüche einheitlich durch den Aufsichtsrat entschieden wird (so zutreffend Semler aaO; ebenfalls auf den Kontinuitätsgedanken abstellend BGHZ 103, 212, 218).
7
2. Der Vertretungsmangel, der auch ohne die Rüge der Beklagten in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten ist (Sen.Urt. v. 5. März 1990 - II ZR 86/89, WM 1990, 630, 631; v. 28. April 1997 - II ZR 282/95, ZIP 1997, 1108, 1109), ist nicht geheilt worden (vgl. Sen.Urt. v. 8. September 1997 - II ZR 55/96, WM 1998, 308, 309). Der Aufsichtsrat der Beklagten hat die Prozessführung des Vorstands nicht genehmigt.
8
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte auf das nach Erhebung der Klage verfasste Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 9. Dezember 2002, in dem sie gebeten worden ist, sich "direkt an den Vorstand zu wenden, da dieses ausschließlich vom Vorstand entschieden werden kann". Ihm ist schon seinem Inhalt nach nicht zu entnehmen, dass der Aufsichtsrat die - im Übrigen zu diesem Zeitpunkt gerade erst und ohne inhaltliche Stellungnahme aufgenommene - Prozessführung durch den Vorstand genehmigen wollte. Erst recht kann ihm nicht entnommen werden, dass dieser Erklärung ein Beschluss des Aufsichtsrats als Gesamtorgan (§ 108 Abs. 1 AktG) zugrunde gelegen hat. Darauf, dass eine Bevollmächtigung des Vorstands durch den Aufsichtsrat durchgreifenden Bedenken begegnete (Semler in MünchKommAktG 2. Aufl. § 112 Rdn. 66; vgl. Hüffer, AktG 7. Aufl. § 112 Rdn. 4 f.), kommt es danach nicht an.
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3. Das Verbot der reformatio in peius steht der Abweisung der Klage als unzulässig in dritter Instanz nicht entgegen (Sen.Urt. v. 5. März 1990 aaO).

Goette Kurzwelly Kraemer
Gehrlein Caliebe
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 09.12.2003 - 18 O 27/03 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 29.11.2004 - 8 U 42/04 -

Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. § 78 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Der Aufsichtsrat hat bei der Festsetzung der Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds (Gehalt, Gewinnbeteiligungen, Aufwandsentschädigungen, Versicherungsentgelte, Provisionen, anreizorientierte Vergütungszusagen wie zum Beispiel Aktienbezugsrechte und Nebenleistungen jeder Art) dafür zu sorgen, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds sowie zur Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen. Die Vergütungsstruktur ist bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten. Variable Vergütungsbestandteile sollen daher eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben; für außerordentliche Entwicklungen soll der Aufsichtsrat eine Begrenzungsmöglichkeit vereinbaren. Satz 1 gilt sinngemäß für Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art.

(2) Verschlechtert sich die Lage der Gesellschaft nach der Festsetzung so, dass die Weitergewährung der Bezüge nach Absatz 1 unbillig für die Gesellschaft wäre, so soll der Aufsichtsrat oder im Falle des § 85 Absatz 3 das Gericht auf Antrag des Aufsichtsrats die Bezüge auf die angemessene Höhe herabsetzen. Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art können nur in den ersten drei Jahren nach Ausscheiden aus der Gesellschaft nach Satz 1 herabgesetzt werden. Durch eine Herabsetzung wird der Anstellungsvertrag im übrigen nicht berührt. Das Vorstandsmitglied kann jedoch seinen Anstellungsvertrag für den Schluß des nächsten Kalendervierteljahrs mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen kündigen.

(3) Wird über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und kündigt der Insolvenzverwalter den Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds, so kann es Ersatz für den Schaden, der ihm durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entsteht, nur für zwei Jahre seit dem Ablauf des Dienstverhältnisses verlangen.

(4) Die Hauptversammlung kann auf Antrag nach § 122 Absatz 2 Satz 1 die nach § 87a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 festgelegte Maximalvergütung herabsetzen.

Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. § 78 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten.

(2) Der Vorstand kann aus einer oder mehreren Personen bestehen. Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Euro hat er aus mindestens zwei Personen zu bestehen, es sei denn, die Satzung bestimmt, daß er aus einer Person besteht. Die Vorschriften über die Bestellung eines Arbeitsdirektors bleiben unberührt.

(3) Mitglied des Vorstands kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein. Mitglied des Vorstands kann nicht sein, wer

1.
als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unterliegt,
2.
aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt,
3.
wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten
a)
des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung),
b)
nach den §§ 283 bis 283d des Strafgesetzbuchs (Insolvenzstraftaten),
c)
der falschen Angaben nach § 399 dieses Gesetzes oder § 82 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung,
d)
der unrichtigen Darstellung nach § 400 dieses Gesetzes, § 331 des Handelsgesetzbuchs, § 346 des Umwandlungsgesetzes oder § 17 des Publizitätsgesetzes,
e)
nach den §§ 263 bis 264a oder den §§ 265b bis 266a des Strafgesetzbuchs zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr
verurteilt worden ist; dieser Ausschluss gilt für die Dauer von fünf Jahren seit der Rechtskraft des Urteils, wobei die Zeit nicht eingerechnet wird, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.
Satz 2 Nummer 2 gilt entsprechend, wenn die Person in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einem vergleichbaren Verbot unterliegt. Satz 2 Nr. 3 gilt entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit den in Satz 2 Nr. 3 genannten Taten vergleichbar ist.

(3a) Besteht der Vorstand bei börsennotierten Gesellschaften, für die das Mitbestimmungsgesetz, das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 801-2, veröffentlichten bereinigten Fassung – Montan-Mitbestimmungsgesetz – oder das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 801-3, veröffentlichten bereinigten Fassung – Mitbestimmungsergänzungsgesetz – gilt, aus mehr als drei Personen, so muss mindestens eine Frau und mindestens ein Mann Mitglied des Vorstands sein. Eine Bestellung eines Vorstandsmitglieds unter Verstoß gegen dieses Beteiligungsgebot ist nichtig.

(4) Der Vorstand von Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, legt für den Frauenanteil in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands Zielgrößen fest. Die Zielgrößen müssen den angestrebten Frauenanteil an der jeweiligen Führungsebene beschreiben und bei Angaben in Prozent vollen Personenzahlen entsprechen. Legt der Vorstand für den Frauenanteil auf einer der Führungsebenen die Zielgröße Null fest, so hat er diesen Beschluss klar und verständlich zu begründen. Die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Entscheidung zugrunde liegen. Liegt der Frauenanteil bei Festlegung der Zielgrößen unter 30 Prozent, so dürfen die Zielgrößen den jeweils erreichten Anteil nicht mehr unterschreiten. Gleichzeitig sind Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die Fristen dürfen jeweils nicht länger als fünf Jahre sein.

(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, haben sie Stillschweigen zu bewahren.

(2) Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast. Schließt die Gesellschaft eine Versicherung zur Absicherung eines Vorstandsmitglieds gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft ab, ist ein Selbstbehalt von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds vorzusehen.

(3) Die Vorstandsmitglieder sind namentlich zum Ersatz verpflichtet, wenn entgegen diesem Gesetz

1.
Einlagen an die Aktionäre zurückgewährt werden,
2.
den Aktionären Zinsen oder Gewinnanteile gezahlt werden,
3.
eigene Aktien der Gesellschaft oder einer anderen Gesellschaft gezeichnet, erworben, als Pfand genommen oder eingezogen werden,
4.
Aktien vor der vollen Leistung des Ausgabebetrags ausgegeben werden,
5.
Gesellschaftsvermögen verteilt wird,
6.
(weggefallen)
7.
Vergütungen an Aufsichtsratsmitglieder gewährt werden,
8.
Kredit gewährt wird,
9.
bei der bedingten Kapitalerhöhung außerhalb des festgesetzten Zwecks oder vor der vollen Leistung des Gegenwerts Bezugsaktien ausgegeben werden.

(4) Der Gesellschaft gegenüber tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluß der Hauptversammlung beruht. Dadurch, daß der Aufsichtsrat die Handlung gebilligt hat, wird die Ersatzpflicht nicht ausgeschlossen. Die Gesellschaft kann erst drei Jahre nach der Entstehung des Anspruchs und nur dann auf Ersatzansprüche verzichten oder sich über sie vergleichen, wenn die Hauptversammlung zustimmt und nicht eine Minderheit, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen, zur Niederschrift Widerspruch erhebt. Die zeitliche Beschränkung gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird.

(5) Der Ersatzanspruch der Gesellschaft kann auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden, soweit sie von dieser keine Befriedigung erlangen können. Dies gilt jedoch in anderen Fällen als denen des Absatzes 3 nur dann, wenn die Vorstandsmitglieder die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzt haben; Absatz 2 Satz 2 gilt sinngemäß. Den Gläubigern gegenüber wird die Ersatzpflicht weder durch einen Verzicht oder Vergleich der Gesellschaft noch dadurch aufgehoben, daß die Handlung auf einem Beschluß der Hauptversammlung beruht. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so übt während dessen Dauer der Insolvenzverwalter oder der Sachwalter das Recht der Gläubiger gegen die Vorstandsmitglieder aus.

(6) Die Ansprüche aus diesen Vorschriften verjähren bei Gesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, in zehn Jahren, bei anderen Gesellschaften in fünf Jahren.