Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Jan. 2017 - II ZR 223/15

bei uns veröffentlicht am17.01.2017
vorgehend
Landgericht Aurich, 6 O 1041/13, 09.01.2015
Oberlandesgericht Oldenburg, 6 U 24/15, 17.07.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 223/15
vom
17. Januar 2017
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2017:170117BIIZR223.15.0

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Januar 2017 durch die Richter Prof. Dr. Strohn, Wöstmann, Prof. Dr. Drescher, Born und Dr. Bernau
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. Juli 2015 wird auf ihre Kosten verworfen. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe:

1
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Mindestbeschwer nicht erreicht wird. Die Beklagten haben nicht glaubhaft gemacht, dass der Wert des Beschwerdegegenstands für das beabsichtigte Revisionsverfahren über 15.000 € liegt und den Wert von 20.000 € übersteigt.
2
a) Das Berufungsgericht hat in der Ladungsverfügung zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 12. Mai 2015 den Streitwert vorläufig mit 15.000 € angegeben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2015 hat das Berufungsgericht sodann den Streitwert auf diesen Betrag festgesetzt. Hiergegen haben die Beklagten im Berufungsverfahren nichts eingewandt. Die vom Berufungsgericht ausgeurteilte Feststellung beschwert die Beklagten nicht mehr als die vom Kläger im Berufungsverfahren verteidigte erstinstanzliche Verurteilung der Beklagten zur Auftragserteilung, auf die sich der Streitwertbeschluss des Berufungsgerichts bezieht. Nunmehr machen die Beklagten geltend, dass die Höhe des geltend gemachten Zahlungsanspruchs des Klägers von mindestens 1.272.061,12 € für die Streitwertbemessung und ihre Beschwer maßgeblich sei.
3
Hat das Berufungsgericht den Streitwert für das Berufungsverfahren auf der Grundlage der von einer Partei gemachten tatsächlichen Angaben nicht über 20.000 € festgesetzt, ist diese Partei gehindert, im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit neuem Vortrag die in den Tatsacheninstanzen gemachten Angaben zum Wert zu korrigieren, um die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO zu überschreiten (BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2015 - II ZR 13/15 Rn. 6 mwN).
4
b) Der Einwand, die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche betrügen 1.272.061,12 €, rechtfertigt keine höhere Wertfestsetzung als im Berufungsverfahren.
5
Das Interesse des Rechtsmittelklägers an einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung bemisst sich bei einem rechtsmittelführenden Beklagten nach dessen materieller Beschwer und damit nach der Frage, inwieweit die Entscheidung seine Rechtsposition beeinträchtigt oder seinen Pflichtenkreis erweitert (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2015 - III ZR 333/14 Rn. 5; Beschluss vom 25. September 2013 - VII ZB 26/11, NJW-RR 2014, 110 Rn. 10). Bei einer Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung ist das wirtschaftliche Interesse an dem Nichteintritt der mit der Erklärung verbundenen Folgen maßgeblich und nach § 3 ZPO zu schätzen (BGH, Beschluss vom 10. November 2011 - V ZR 247/10, Grundeigentum 2012, 558 Rn. 2). Lediglich mittelbare wirtschaftliche Folgen sind bei der Streitwertbemessung und auch bei der Bemessung der Beschwer nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2011 - V ZR 11/14, Grundeigentum 2015, 252 Rn. 4). Für das Rechtsmittel des im Rahmen einer Stufenklage zur Auskunft verurteilten Beklagten ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass dessen Interesse, die Durchsetzung des Hauptanspruchs zu verhindern, über den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung hinausgeht und deshalb bei der Festsetzung des Beschwerdewerts außer Betracht zu bleiben hat (st. Rspr. BGH, Beschluss vom 24. November 1994 - GSZ 1/94, BGHZ 128, 85, 89).
6
Im vorliegenden Fall betrifft der ausgeurteilte Feststellungstenor die Beklagten unmittelbar nur insoweit, als das vom Kläger eingeholte Gutachten mit dem darin gewählten Stichtag zur Ermittlung des Abfindungsguthabens geeignet ist. Das Berufungsgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sonstige Einwendungen hinsichtlich eines Abfindungsanspruchs des Klägers unberührt bleiben. Das Interesse der Beklagten, die Durchsetzung des Abfindungsanspruchs des Klägers zu verhindern, stellt sich als lediglich wirtschaftliches, mittelbares Interesse dar, das deshalb bei der Bemessung der Beschwer nicht zu berücksichtigen ist.
7
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre im Übrigen auch unbegründet, weil keine der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen.
Strohn Wöstmann Drescher Born Bernau
Vorinstanzen:
LG Aurich, Entscheidung vom 09.01.2015 - 6 O 1041/13 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 17.07.2015 - 6 U 24/15 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

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Hat das Berufungsgericht den Streitwert für das Berufungsverfahren auf der Grundlage der von einer Partei gemachten tatsächlichen Angaben auf nicht über 20.000 € festgesetzt, ist diese Partei gehindert, im Nichtzulassungsbe- schwerdeverfahren mit neuem Vortrag die in den Tatsacheninstanzen gemachten Angaben zum Wert zu korrigieren, um die Wertgrenze des § 26 Nr. 8 EGZPO zu überschreiten (BGH, Beschluss vom 24. September 2013 - II ZR 117/11, juris Rn. 3 f.; Beschluss vom 24. Juni 2014 - II ZR 195/13, juris Rn. 4; Beschluss vom 29. Juli 2014 - II ZR 73/14, juris Rn. 10; Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14, juris Rn. 7; Beschluss vom 5. März 2015 - I ZR 161/14, Magazindienst 2015, 415 Rn. 5; Beschluss vom 19. Februar 2015 - VII ZR 176/14, BauR 2015, 1009 Rn. 7).
5
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Die (materielle) Beschwer einer beklagten Partei, gegen die eine Amtshaftungsklage wegen des Bestehens einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB abgewiesen wurde, kann sich nicht nach dem vollen Wert der Klagforderung richten, da sie dann genauso bemessen werden würde, als ob die Partei zur Zahlung verurteilt worden wäre. Hierfür spielt es keine Rolle, ob die Klage bereits in 1. oder erst in 2. Instanz als zur Zeit unbegründet abgewiesen wird. Vielmehr muss maßgeblich der nach § 3 ZPO zu bemessende "Minderwert" der nur vorübergehenden statt endgültigen Klagabweisung sein. Insoweit geht der Senat auch nicht - wie die Gegenvorstellung meint - von einem "Regel"abschlag von 80% aus. Der Senat hat vielmehr berücksichtigt, dass sich die Beklagte nur dann einem neuen Verfahren stellen muss, wenn die Klage im Parallelprozess gegen alle fünf dort Beklagten erfolglos bleibt. Ferner hätte eine neue Klage nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Klageabweisung aus einem Grund erfolgt, der für eine erneute Klage gegen das Land ohne Bedeutung ist. Angesichts dessen erscheint eine erneute Inanspruchnahme des beklagten Landes eher fernliegend , abgesehen davon, dass eine erneute Inanspruchnahme auch nicht gleichbedeutend mit einer Verurteilung ist. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat keine Veranlassung, die Beschwer des Landes höher als mit 10.000 € zu veranschlagen. Dies führt, da die gemäß § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 20.000 € nicht erreicht wird, zur Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

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Die Beschwerde ist gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.