Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Dez. 2019 - I ZR 94/19

bei uns veröffentlicht am19.12.2019
vorgehend
Landgericht München I, 1 HKO 6182/18, 30.10.2018
Oberlandesgericht München, 29 U 3963/18, 14.03.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 94/19
vom
19. Dezember 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:191219BIZR94.19.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke, die Richter Feddersen und Odörfer

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. März 2019 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Streitwert: 15.000 €

Gründe:

1
I. Die Beklagte, ein Automobilhersteller, warb am 19. Februar 2018 in ihrem Facebook-Auftritt mit einem Landschaftsbild ohne Fahrzeug und der Überschrift "Welchen Hochleistungssportler suchen wir?" sowie den Angaben "451 KW DIE LUFT VIBRIERT", "750 NM DER ASPHALT BEBT" und "3,4 SEK (0-100 KM/H) DER PULS STEIGT". Am 20. Februar 2018 löste die Beklagte dieses Rätsel auf und veröffentlichte auf ihrem Facebook-Auftritt die Angabe "Auflösung: Die BMW M 5 Limousine" sowie einen mit einem Link unterlegten "Hinweis nach § 5 Pkw-EnVKV: … mehr anzeigen", nach dessen Anklicken die Angaben zum Kraftstoffverbrauch und den CO2-Emissionen erschienen.
2
Die Klägerin, ein Umwelt- und Verbraucherschutzverband, der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen ist, hält die Angaben zum Kraftstoffverbrauch und den CO2Emissionen für unzureichend und hat die Beklagte vorgerichtlich abgemahnt.
3
Auf Antrag der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verurteilt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für neue Personenkraftwagen BMW M 5 Limousine, 441 kW im Internet zu werben, ohne die gemäß § 5 Abs. 1 und 2 Pkw-ENVKV in Verbindung mit Anlage 4 Abschnitt II Ziffer 2 und 3 erforderlichen Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen des beworbenen Fahrzeugs automatisch in dem Augenblick zu machen, in dem erstmalig Motorisierungsangaben angezeigt werden, wenn dies geschieht wie am 19. Februar 2018 auf der Facebook-Seite https://www.facebook.com/BMWDeutschland und wiedergegeben in der Anlage K 2.
4
Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
5
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der von der Beklagten mit einer Revision geltend zu machenden Beschwer zwanzigtausend Euro nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
6
1. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung des Urteils. Wendet sich - wie hier - die beklagte Partei mit der Revision gegen die in den Vorinstanzen zu ihren Lasten titulierte Unterlassungspflicht, so richtet sich der Wert der Beschwer nach ihrem gemäß § 3 ZPO grundsätzlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessenden Interesse an der Beseitigung dieser Verpflichtung. Der so zu bemessende Wert der Beschwer entspricht zwar nicht zwangsläufig, aber doch regelmäßig dem nach dem Interesse der klagenden Partei an dieser Verurteilung zu bemessenden Streitwert. Denn das Interesse des Klägers an einer Unterlassung ist pauschalierend und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers, Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers, wie etwa dem Verschuldensgrad, zu bewerten. Auf eine höhere Beschwer im Fall der Verurteilung hat die beklagte Partei deshalb schon in den Vorinstanzen hinzuweisen. Einer beklagten Partei, die weder die Streit- wertfestsetzung in den Vorinstanzen beanstandet noch sonst glaubhaft gemacht hat, dass für die Festlegung des Streitwerts maßgebliche Umstände, die bereits dort vorgebracht worden sind, nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, ist es regelmäßig versagt, sich erstmals im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde noch auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erreichenden Wert zu berufen (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019 - I ZR 159/18, juris Rn. 5, mwN).
7
2. Nach diesen Grundsätzen beträgt der Beschwerdewert für den in Re- de stehenden Unterlassungsantrag 15.000 €.
8
a) Die Beschwerde macht geltend, die Parteien seien in der ersten Instanz übereinstimmend davon ausgegangen, dass auf die geltend gemachten Verstöße jeweils ein Einzelstreitwert von 30.000 € entfalle. Die Beklagte sei durch das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot nach dem Antrag zu 2 in Höhe von mindestens 30.000 € beschwert. Social Media wie Facebook und Instagram gehörten zu den derzeit wichtigsten Kanälen zur Kundenansprache und seien für die Beklagte von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung. Allein auf Facebook habe die Beklagte über 1,3 Millionen Abonnenten. Das erlassene Verbot schränke die Möglichkeiten solcher Werbung stark ein, weil der Werbetreibende eine von geheimen Algorithmen der Social-Media-Plattformen vorgenommene Kürzung seines Beitrags auf einzelnen Anzeigegeräten der Verbraucher nicht vorhersehen und im Grunde nur verhindern könne, wenn er von entsprechenden Beiträgen gänzlich absehe. Eine derart weitgehende Einschränkung der Werbemöglichkeiten belaste die Beklagte mit nicht weniger als 30.000 €. Das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen die ihm obliegende Hinweispflicht erst nach der Streitwertfestsetzung auf seine Sichtweise zur Aufteilung des einheitlichen Unterlassungsantrags in zwei gesondert zu bewertende Streitgegenstände hingewiesen.
9
b) Damit hat die Beschwerde keinen Erfolg.
10
aa) Das Landgericht hat den Streitwert erster Instanz, in der noch ein weiterer, vom Landgericht zugesprochener Unterlassungsantrag Gegenstand war, auf insgesamt 60.000 € festgesetzt. Das Berufungsgericht hat den Streitwert für die Berufungsinstanz, deren Gegenstand der vom Landgericht abge- wiesene Unterlassungsantrag war, auf 30.000 € festgesetzt.In der mündlichen Berufungsverhandlung hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es in dem Unterlassungsbegehren zwei gesondert angegriffene Beanstandungen und Lebenssachverhalte sehe: zum einen den Facebook-Eintrag vom 19. Februar 2018 mit der Rätselfrage, zum anderen den Facebook-Beitrag mit der Auflösung des Rätsels. Danach entfällt auf die beiden mit dem in die Berufungsinstanz gelangten Unterlassungsantrag geltend gemachten, etwa gleichwertigen Streitgegenstände jeweils ein Streitwert von 15.000 €. Diesem Wert entspricht die von der Beklagten geltend zu machende Beschwer in der Revisionsinstanz.
11
bb) Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, auf eine höhere Beschwer schon in der Berufungsinstanz hingewiesen zu haben. Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, das Berufungsgericht habe die aus § 139 Abs. 4 Satz 1 ZPO folgende Hinweispflicht verletzt, indem es erst nach der Streitwertfestsetzung auf seine Sichtweise zur Aufteilung des einheitlichen Unterlassungsantrags in zwei gesondert zu bewertende Streitgegenstände hingewiesen habe.
12
Wie dem Protokoll der mündlichen Berufungsverhandlung zu entnehmen ist, hat das Berufungsgericht zunächst den Streitwert der Berufungsinstanz auf 30.000 € festgesetzt und sodann darauf hingewiesen, dass es vomVorliegen zweier Streitgegenstände ausgehe. Daraufhin hat die Klägerin die Berufung gegen die Abweisung dieses Unterlassungsantrags, soweit auf den ersten dieser beiden Streitgegenstände gestützt, zurückgenommen. Aus dieser Sachlage ging hinreichend deutlich hervor, dass auf den verbliebenen Streitgegenstand nur ein Bruchteil des festgesetzten Streitwerts entfallen konnte, so dass die Beklagte hinreichend Anlass und auch Gelegenheit hatte, noch in der mündlichen Verhandlung eine den Betrag von 20.000 € übersteigende Beschwer geltend zu machen.
13
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Koch Löffler Schwonke Feddersen Odörfer
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 30.10.2018 - 1 HKO 6182/18 -
OLG München, Entscheidung vom 14.03.2019 - 29 U 3963/18 -

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

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Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

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(1) Hersteller und Händler, die Werbeschriften erstellen, erstellen lassen, weitergeben oder auf andere Weise verwenden, haben sicherzustellen, dass in den Werbeschriften Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifisch

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Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Juni 2019 - I ZR 159/18

bei uns veröffentlicht am 06.06.2019

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZR 159/18 vom 6. Juni 2019 in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2019:060619BIZR159.18.0 Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juni 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die Richter Prof. Dr. Sch

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(1) Hersteller und Händler, die Werbeschriften erstellen, erstellen lassen, weitergeben oder auf andere Weise verwenden, haben sicherzustellen, dass in den Werbeschriften Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen nach Maßgabe von Abschnitt I der Anlage 4 gemacht werden.

(2) Absatz 1 Satz 1 gilt entsprechend für

1.
in elektronischer Form verbreitetes Werbematerial,
2.
Werbung durch elektronische, magnetische oder optische Speichermedien;
hiervon ausgenommen sind Hörfunkdienste und audiovisuelle Mediendienste nach Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), (ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1). Die Angaben müssen nach Maßgabe der Abschnitte II und III der Anlage 4 erfolgen.

(3) Die Verpflichtungen der Hersteller nach § 3 Abs. 3 gelten entsprechend für Angaben, die erforderlich sind, um Werbeschriften, zur Verbreitung in elektronischer Form bestimmtes Werbematerial und elektronische, magnetische oder optische Speichermedien nach den Absätzen 1 und 2 zu erstellen.

(1) Das Bundesamt für Justiz führt eine Liste der qualifizierten Einrichtungen und veröffentlicht sie in der jeweils aktuellen Fassung auf seiner Internetseite. Es übermittelt die Liste mit Stand zum 1. Januar und zum 1. Juli eines jeden Jahres an die Europäische Kommission unter Hinweis auf Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie 2009/22/EG.

(2) Ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Interessen der Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung wahrzunehmen, wird auf seinen Antrag in die Liste eingetragen, wenn

1.
er mindestens drei Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder mindestens 75 natürliche Personen als Mitglieder hat,
2.
er zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens einem Jahr im Vereinsregister eingetragen ist und ein Jahr seine satzungsmäßigen Aufgaben wahrgenommen hat,
3.
auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit sowie seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung gesichert erscheint, dass er
a)
seine satzungsgemäßen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht erfüllen wird und
b)
seine Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen wird, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen,
4.
den Mitgliedern keine Zuwendungen aus dem Vereinsvermögen gewährt werden und Personen, die für den Verein tätig sind, nicht durch unangemessen hohe Vergütungen oder andere Zuwendungen begünstigt werden.
Es wird unwiderleglich vermutet, dass Verbraucherzentralen sowie andere Verbraucherverbände, wenn sie überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, diese Voraussetzungen erfüllen.

(3) Über die Eintragung wird durch einen schriftlichen Bescheid entschieden, der dem antragstellenden Verein zuzustellen ist. Auf der Grundlage eines wirksamen Bescheides ist der Verein unter Angabe des Namens, der Anschrift, des zuständigen Registergerichts, der Registernummer und des satzungsmäßigen Zwecks in die Liste einzutragen.

(4) Auf Antrag erteilt das Bundesamt für Justiz einer qualifizierten Einrichtung, die in der Liste eingetragen ist, eine Bescheinigung über ihre Eintragung.

(1) Hersteller und Händler, die Werbeschriften erstellen, erstellen lassen, weitergeben oder auf andere Weise verwenden, haben sicherzustellen, dass in den Werbeschriften Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen nach Maßgabe von Abschnitt I der Anlage 4 gemacht werden.

(2) Absatz 1 Satz 1 gilt entsprechend für

1.
in elektronischer Form verbreitetes Werbematerial,
2.
Werbung durch elektronische, magnetische oder optische Speichermedien;
hiervon ausgenommen sind Hörfunkdienste und audiovisuelle Mediendienste nach Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste), (ABl. L 95 vom 15.4.2010, S. 1). Die Angaben müssen nach Maßgabe der Abschnitte II und III der Anlage 4 erfolgen.

(3) Die Verpflichtungen der Hersteller nach § 3 Abs. 3 gelten entsprechend für Angaben, die erforderlich sind, um Werbeschriften, zur Verbreitung in elektronischer Form bestimmtes Werbematerial und elektronische, magnetische oder optische Speichermedien nach den Absätzen 1 und 2 zu erstellen.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 159/18
vom
6. Juni 2019
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:060619BIZR159.18.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juni 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Richter Feddersen
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 4. September 2018 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen, weil der Wert der von der Beklagten mit einer Revision geltend zu machenden Beschwer zwanzigtausend Euro nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO, §§ 544, 97 Abs. 1 ZPO). Streitwert: 20.000 €

Gründe:

I. Die Beklagte befasst sich mit der Herstellung und dem Vertrieb des
1
Lebensmittels A. Vitalkost. Die Beklagte warb für ihr Produkt in einem als "Anzeige" gekennzeichneten werblichen Beitrag in der Ausgabe Nr. 16 der Zeitschrift "I.", welcher mit "Abnehmen mit A. Der Weg zum Wunschgewicht" überschrieben war und folgende Angabe enthielt: Hochwertiges Soja und probiotischer Magermilchjoghurt versorgen den Körper - die Muskeln - mit wertvollem Eiweiß.
2
Das Berufungsgericht hat die Beklagte - soweit für das vorliegende Verfahren noch von Bedeutung - unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für das Erzeugnis "A. Vitalkost" mit der Angabe zu werben: "probiotischer", sofern dies geschieht wie folgt [Einblendung der Anzeige].
3
Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. II. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Wert der von der Beklagten
4
mit einer Revision geltend zu machenden Beschwer zwanzigtausend Euro nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO, §§ 544, 97 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht ist im Hinblick auf den in Rede stehenden Unterlassungsantrag von einem Streitwert von 20.000 € ausgegangen. Dieser Wert entspricht der mit der von der Beklagten angestrebten Revision geltend zu machenden Beschwer. 1. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer be5 misst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung des Urteils. Wendet sich - wie hier - die beklagte Partei mit der Revision gegen die in den Vorinstanzen zu ihren Lasten titulierte Unterlassungspflicht, so richtet sich der Wert der Beschwer nach ihrem gemäß § 3 ZPO grundsätzlich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessenden Interesse an der Beseitigung dieser Verpflichtung. Der so zu bemessende Wert der Beschwer entspricht zwar nicht zwangsläufig, aber doch regelmäßig dem nach dem Interesse der klagenden Partei an dieser Verurteilung zu bemessenden Streitwert. Denn das Interesse des Klägers an einer Unterlassung ist pauschalierend und unter Berücksichtigung von Bedeutung, Größe und Umsatz des Verletzers, Art, Umfang und Richtung der Verletzungshandlung sowie subjektiven Umständen auf Seiten des Verletzers, wie etwa dem Verschuldensgrad, zu bewerten. Auf eine höhere Beschwer im Fall der Verurteilung hat die beklagte Partei deshalb schon in den Vorinstanzen hinzuweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2018 - I ZR 11/18, GRUR 2018, 655 Rn. 8 f. mwN). Einer beklagten Partei, die weder die Streitwertfestsetzung in den Vorinstanzen beanstandet noch sonst glaubhaft gemacht hat, dass für die Festlegung des Streitwerts maßgebliche Umstände, die bereits dort vorgebracht worden sind, nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, ist es regelmäßig versagt, sich erstmals im Verfahren der Nichtzulas- sungsbeschwerde noch auf einen höheren, die erforderliche Rechtsmittelbeschwer erreichenden Wert zu berufen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2012 - I ZR 160/11, juris Rn. 4; Beschluss vom 9. Dezember 2014 - VIII ZR 160/14, juris Rn. 7; Beschluss vom 5. März 2015 - I ZR 161/14, juris Rn. 5, jeweils mwN). Der Beschwerdeführer muss, um dem Revisionsgericht die Prüfung der in § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO geregelten Wertgrenze von 20.000 € zu ermögli- chen, bereits innerhalb der laufenden Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (auch) darlegen und glaubhaft machen, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, abändern lassen will (BGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 - VIII ZR 277/17, GRUR 2019, 662 Rn. 16 = WRP 2019, 485 mwN).
2. Nach diesen Grundsätzen beträgt der Beschwerdewert für den noch in
6
Rede stehenden Unterlassungsantrag 20.000 €.

a) Die Beschwerde macht geltend, im Streitfall sei unabhängig von der
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erst- und zweitinstanzlichen Streitwertfestsetzung jedenfalls das Interesse der Beklagten an der Aufhebung ihrer Verurteilung mit weit mehr als 20.000 € zu bewerten. Die Beklagte vertreibe das Produkt "A. Vitalkost" in einer mit dem Produktnamen bedruckten und durch einen Deckel verschlossenen Dose. Unterhalb des Deckels befinde sich ein Beileger, in dessen Text bislang unter anderem das Wort "probiotisch" verwendet worden sei. Am 18. September 2018 hätten sich im Lager der Beklagten mit diesem Beileger ausgestattete "A. Vitalkost"-Produkte im Gesamtwert von 10.202.000 € befunden. Allein das Entfernen dieser Einleger hätte Kosten in Höhe von 74.400 € verursacht. Weitere bereits gedruckte, aber noch nicht in die Dosen gepackte 300.000 Einleger sei- en bereits zu Kosten in Höhe von 11.500 € entsorgt worden. Zur Glaubhaftma- chung der Richtigkeit dieser Angaben hat die Beschwerde die eidesstattliche Versicherung des bei der Beklagten als "Chief Operating Officer" in leitender Funktion tätigen Mitarbeiters sowie ein Exemplar des den Dosen beigefügten Beilegers vorgelegt.
8
b) Damit hat die Beschwerde keinen Erfolg.
aa) Die Beschwerde hat ihren Vortrag bereits nicht - wie geboten (vgl.
9
BGH, Beschluss vom 9. Februar 2012 - I ZR 142/11, juris Rn. 6; Beschluss vom 17. Juli 2013 - I ZR 31/13, juris Rn. 8; BGH, GRUR 2018, 655 Rn. 12) - hinreichend glaubhaft gemacht. Zwar hat die Beschwerde eine eidesstattliche Versicherung des "Chief Operating Officer" der Beklagten zu den Akten gereicht. Dort wird aber lediglich pauschal behauptet, die noch nicht den Dosen beigefügten 300.000 Einleger seien zu Kosten in Höhe von 11.500 € entsorgt worden und das Entfernen der Einleger bei dem aktuellen Lagerbestand würde Kosten in Höhe von 74.000 € verursachen. Wie beide Beträge sich zusammensetzen, also welche Positionen zu welchem Preis eingesetzt wurden, ist jedoch nicht dargelegt worden. Die Behauptungen sind damit nicht einlassungsfähig und nicht nachvollziehbar.
bb) Die Beschwerde hat zudem nicht dargelegt, dass die Beklagte be10 reits in den Instanzen einen entsprechenden Vortrag gehalten hat. Sie hat vielmehr nach der Berufungsverhandlung mit anderer Begründung eineErhöhung des Streitwerts für die nach teilweiser Klagerücknahme nur noch im Streit ste- hende Angabe "probiotisch" auf 25.000 € und damit auf einen weit niedrigeren Betrag beantragt.
11
cc) Zudem ist das zur Begründung einer Abänderung der Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts gehaltene Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde unergiebig.
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Maßgeblich für die Wertfestsetzung ist das Interesse des Unterlassungsschuldners an der Beseitigung der in Rede stehenden Verpflichtung. Dafür ist nach den dargelegten Grundsätzen unter anderem Umfang und Richtung der Verletzungshandlung maßgebend. Der Beklagten ist die Werbung für das Erzeugnis "A. Vitalkost" mit der Angabe "probiotischer" untersagt worden, sofern dies geschieht wie in der im Tenor des Berufungsurteils abgedruckten Anzeigenwerbung. Die Beschwerde macht jedoch eine Beschwer geltend, die sich nicht aus dem Verbot einer Anzeigenwerbung, sondern aus dem Verbot der Verwendung von bereits hergestellten Produktverpackungen ergibt. Das Verbot von Angaben auf Produktverpackungen verursacht jedoch für den Unterlassungsschuldner regelmäßig einen ungleich größeren wirtschaftlichen Schaden als ein bloßes Werbeverbot in Anzeigen, weil nicht lediglich - schwer messbare - Umsatzverluste infolge erreichbarer, tatsächlich aber nicht erreichter Leserkontakte in Rede stehen, sondern bereits konkret getätigte verlorene Aufwendungen für die Produktion der Verpackung, Kosten für die Entsorgung dieser Altpackungen, neue Investitionen für Entwurf und Produktion geänderter Packungen sowie konkret messbare Umsatzausfälle für die Zwischenzeit. Der Angriff von Angaben auf Verpackungen kommt deshalb der Sache nach zumindest teilweise einem Vertriebsverbot gleich und verursacht mithin erheblich größere wirtschaftliche Belastungen als das Verbot einer Anzeigenwerbung. Nur Letzteres hat der Kläger jedoch begehrt, indem er nicht ein Schlechthinverbot der Angabe "probiotischer" beantragt hat, sondern das Verbot dieser Angabe "wie geschehen" in der dem Antrag konkret beigefügten Anzeige. Wegen der Eingrenzung des Klageantrags auf die konkrete Verletzungsform kann nicht davon ausgegangen werden, er habe sich generell gegen die beanstandete Angabe wenden und damit das Prozesskostenrisiko eingehen wollen, welches mit dem Verbot der Produktverpackung einhergeht.
Koch Schaffert Löffler Schwonke Feddersen
Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 22.02.2018 - 7 O 79/17 -
OLG Celle, Entscheidung vom 04.09.2018 - 13 U 37/18 -

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)