Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Juni 2019 - I ZR 91/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Juni 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Feddersen und die Richterin Dr. Schmaltz
beschlossen:
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 40.000 € festgesetzt.
Gründe:
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- I. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision wirksam auf die vom Landgericht ausgesprochenen Verbote gemäß den Urteilsaussprüchen des Landgerichts zu den Ziffern I.2.1., I.2.2., I.2.3.1., I.2.4.1., I.2.5.1., I.2.5.2., I.2.7., I.2.8., I.2.10. und I.2.11.2. beschränkt. Soweit die Revision der Beklagten das Berufungsurteil darüber hinaus angreift, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (§ 552 ZPO).
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- 1. Die Revision ist vom Berufungsgericht nur eingeschränkt zugelassen worden.
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- a) Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält zwar keine Beschränkung der Revisionszulassung. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch anerkannt, dass sich eine Eingrenzung der Zulassung der Revision auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (st. Rspr., etwa BGH, Urteil vom 12. November 2003 - XII ZR 109/01, NJW 2004, 1324 [juris Rn. 7]; Urteil vom 17. Januar 2008 - IX ZR 172/06, WM 2008, 748 Rn. 8; Urteil vom 12. Mai 2010 - VIII ZR 96/09, NJW 2010, 3015 Rn. 18; Versäumnisurteil vom 10. Mai 2012 - IX ZR 143/11, WM 2012, 1451 Rn. 4; Urteil vom 29. Januar 2013 - II ZR 91/11, WM 2013, 468 Rn. 8; Beschluss vom 19. November 2015 - I ZR 58/14, NJOZ 2016, 1580 Rn. 2, jeweils mwN). Der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit, wonach es für die Parteien zweifelsfrei zu erkennen sein muss, welches Rechtsmittel für sie in Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. BVerfGE 108, 341, 349 [juris Rn. 25]), verlangt jedoch, dass eine Eingrenzung der Zulassung der Revision zweifelsfrei geschehen muss. Die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht grundsätzlich nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (BGH, Urteil vom 27. März 2013 - I ZR 9/12, GRUR 2013, 1213 Rn. 14 = WRP 2013, 1620 - SUMO; Urteil vom 9. Oktober 2014 - I ZR 162/13, GRUR 2015, 498 Rn. 12 = WRP 2015, 569 – Combiotik, jeweils mwN). Von einer beschränkten Zulassung der Revision ist aber auszugehen, wenn die Zulassung wegen einer bestimmten Rechtsfrage ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs erheblich sein kann (BGH, WM 2008, 748 Rn. 8; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2009 - VIII ZR 164/08, WuM 2009, 733 Rn. 11; Urteil vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Urteil vom 17. April 2012 - II ZR 152/10, juris Rn. 13; BGH, NJOZ 2016, 1580 Rn. 2, BGH, Urteil vom 7. März 2019 - I ZR 195/17, GRUR 2019, 522 Rn. 9 = WRP 2019, 749SAM , jeweils mwN).
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- b) Im Streitfall ergibt sich aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils , dass die Zulassung der Revision nur die Zurückweisung der Berufung der Beklagten in Bezug auf solche Verbotsaussprüche des Landgerichts umfasst, die allein auf der Annahme eines Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (nachfolgend VO (EG) Nr. 1924/2006) beruhen. Nicht umfasst sind diejenigen Verbotsaussprüche, die das Berufungsgericht - entweder ausschließlich oder selbständig tragend - auf andere Verbotstatbestände der VO (EG) Nr. 1924/2006 gestützt hat.
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- Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Zulassung der Revision beruhe auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO, weil es mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Anwendbarkeit von Art. 10 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1924/2006 vor der vollständigen Erstellung der Listen zugelassener gesundheitsbezogener Angaben nach Art. 13 oder Art. 14 dieser Verordnung abweiche. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision ist damit eindeutig so zu verstehen, dass das Berufungsgericht die Revision nur auf die Verbotsaussprüche beschränkt hat, die entscheidungserheblich auf der Anwendung von Art. 10 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1924/2006 beruhen.
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- 2. Die Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam.
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- a) Die Zulassung der Revision kann zwar nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente beschränkt werden, wohl aber auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs , auf den auch die Partei selbst ihre Revision beschränken könnte (BGH, Urteil vom 12. November 2004 - V ZR 42/04, NJW 2005, 894, 895 [juris Rn. 7], insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 161, 115; Urteil vom 27. September 2011 - XI ZR 182/10, WM 2011, 2268 Rn. 8, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 191, 119; Beschluss vom 16. Oktober 2012 - XI ZR 368/11, juris Rn. 14, jeweils mwN). Dafür reicht es aus, dass der von der Zulassungsbeschränkung betroffene Teil des Streits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden kann und kein Widerspruch zwischen dem noch zur Entscheidung stehenden und dem unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (BGH, Urteil vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232, 2233 [juris Rn. 7]; Urteil vom 13. November 2012 - XI ZR 334/11, WM 2013, 24 Rn. 9; Beschluss vom 15. Januar 2013 - XI ZR 400/11, juris Rn. 8, jeweils mwN). Es muss sich dabei nicht um einen eigenen Streitgegenstand handeln, der betroffene Teil des Streitstoffs auf der Ebene der Berufungsinstanz muss zudem nicht teilurteilsfähig sein; zulässig ist auch eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 39/15, GRUR 2017, 702 Rn. 17 = WRP 2017, 962 - PC mit Festplatte I, mwN; Beschluss vom 21. September 2017 - I ZR 230/16, ZUM 2018, 182 Rn. 10; Beschluss vom 10. April 2018 - VIII ZR 247/17, WRP 2018, 710 Rn. 20 f.; Urteil vom 31. Oktober 2018 - I ZR 73/17, GRUR 2019, 82 Rn. 14 = WRP 2019, 68 - Jogginghosen ). Für die Frage, ob die Beschränkung der Revisionszulassung nach diesen Grundsätzen wirksam ist, kommt es aus Gründen der Rechtsmittelklarheit auf den Zeitpunkt der beschränkten Zulassung der Revision an. Die Frage, ob eine Partei gegen ihre Verurteilung Revision einlegen kann, darf nicht - nachträglich - davon abhängen, ob gegen die Entscheidung von ihr oder einer anderen Partei Revision eingelegt worden ist (BGH, ZUM 2018, 182 Rn. 12; GRUR 2019, 82 Rn. 15 - Jogginghosen).
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- b) Diese Voraussetzungen einer wirksamen Beschränkung der Revision sind vorliegend erfüllt. Bei sämtlichen Verbotsaussprüchen, die allein auf einer Anwendung von Art. 10 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1924/2006 beruhen, handelt es sich um eigene Streitgegenstände und damit um selbständige Teile des Gesamtstreitstoffs.
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- c) Nicht von der Revisionszulassung umfasst ist zudem die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zurückweisung der Berufung der Beklagten hinsichtlich deren Verurteilung zur Erstattung von Abmahnkosten gemäß dem Urteilsausspruch zu Ziffer II. des Landgerichts.
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- Dabei ist es unerheblich, ob die dem Erstattungsanspruch zugrundeliegende Abmahnung der Klägerin auch solche Verstöße umfasste, die nach dem Vorstehenden Gegenstand der Revisionszulassung sind. Zwar kann nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen nur verlangt werden, soweit die Abmahnung berechtigt ist. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um die Erstattung der Abmahnkostenpauschale eines Verbandes. Diese ist auch dann in voller Höhe geschuldet, wenn die Abmahnung nur teilweise berechtigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 - I ZR 149/07, GRUR 2010, 744 Rn. 51 = WRP 2010, 1023 - Sondernewsletter, mwN; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 12 Rn. 23; Bornkamm in Köhler /Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl., § 12 Rn. 1.122). Es kommt deshalb für die vom Berufungsgericht angenommene Begründetheit des Antrags auf Erstattung der Abmahnkostenpauschale in Höhe von 178,50 € nicht entschei- dungserheblich darauf an, ob die Abmahnung auch in Bezug auf die von der Revisionszulassung umfassten Beanstandungen berechtigt war.
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- II. Soweit die Revision vom Berufungsgericht nicht zugelassen worden ist, ist sie auch nicht auf die von der Beklagten hilfsweise eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen nicht durchgreifen und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch im Übrigen nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.
Feddersen Schmaltz
Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 24.08.2017 - 7 O 121/16 -
OLG Celle, Entscheidung vom 24.04.2018 - 13 U 124/17 -
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Annotations
(1) Das Revisionsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Revision an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Revision als unzulässig zu verwerfen.
(2) Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen.
(1) Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden.
(2) Ist auf Grund dieses Gesetzes Klage auf Unterlassung erhoben worden, so kann das Gericht der obsiegenden Partei die Befugnis zusprechen, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen, wenn sie ein berechtigtes Interesse dartut. Art und Umfang der Bekanntmachung werden im Urteil bestimmt. Die Befugnis erlischt, wenn von ihr nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft Gebrauch gemacht worden ist. Der Ausspruch nach Satz 1 ist nicht vorläufig vollstreckbar.
(3) Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. Die Anordnung hat zur Folge, dass
- 1.
die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat, - 2.
die begünstigte Partei, soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten hat und - 3.
der Rechtsanwalt der begünstigten Partei, soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben kann.
(4) Der Antrag nach Absatz 3 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.