Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2006 - I ZB 77/05

bei uns veröffentlicht am19.01.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 77/05 vom
19. Januar 2006
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die IR-Marke 758 255
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Januar 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg,
Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Schaffert

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des 27. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 24. Mai 2005 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Widersprechenden entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Widersprechende ist Inhaberin der für „Bekleidungsstücke und Schuhe“ eingetragenen nationalen Marke 396 30 087 Rossi Auf ihren Widerspruch hat das Deutsche Patent- und Markenamt der prioritätsjüngeren , u.a. für classe 18: Cuir et imitations du cuir, produits en ces matières non compris dans d’autres classes; sacs à main; malles et valises; parapluies , parasols et cannes. classe 25: Vêtements, chaussures, chapellerie.
international registrierten Bildmarke 758 255 ROSSI den Schutz für „Vêtements, chaussures, chapellerie“ versagt. Hinsichtlich der Waren der Klasse 18 hat das Amt eine Verwechslungsgefahr verneint.
2
Hiergegen hat sich die Widersprechende mit der Beschwerde gewandt, mit der sie die Schutzversagung der angegriffenen Marke auch für die Waren der Klasse 18 sowie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr begehrt hat. Hilfsweise hat sie beantragt, mündliche Verhandlung anzuberaumen. Auf Rückfrage des Berichterstatters , ob der Hilfsantrag sich auch auf den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr beziehe – sei dies der Fall, müsse mündlich verhandelt werden , auch wenn die Beschwerde in der Sache Erfolg habe –, hat die Widersprechende den Hilfsantrag in der Weise eingeschränkt, dass er sich nicht auf den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr beziehe.
3
Mit Beschluss vom 24. Mai 2005 hat das Bundespatentgericht der Beschwerde teilweise stattgegeben und der angegriffenen Marke auch für die Waren „Cuir et imitations du cuir, produits en ces matières non compris dans d’autres classes; sacs à main; malles et valises“ den Schutz versagt. Die weitergehende Beschwerde, mit der die Widersprechende die Schutzversagung auch für die Waren „parapluies, parasols et cannes“ begehrt hatte, hat das Bundespatentgericht zurückgewiesen; den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr hat es abgewiesen.
4
Gegen diesen Beschluss richtet sich die – vom Bundespatentgericht nicht zugelassene – Rechtsbeschwerde der Widersprechenden.
5
II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
6
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft. Das Bundespatentgericht hat sie zwar nicht zugelassen. Ihre Statthaftigkeit folgt jedoch daraus, dass die Widersprechende insoweit einen im Gesetz aufgeführten, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnenden Verfahrensmangel – die Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) – gerügt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 2.10.2002 – I ZB 27/00, GRUR 2003, 546 = WRP 2003, 655 – TURBOTABS , m.w.N.). Dies hat sie im Einzelnen begründet.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Widersprechende in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).
8
a) Nach § 69 Nr. 1 MarkenG findet eine mündliche Verhandlung über die Beschwerde statt, wenn sie von einem Beteiligten beantragt worden ist. Im Streitfall hat die Widersprechende einen solchen Antrag (hilfsweise) gestellt. Dass das Bundespatentgericht ohne mündliche Verhandlung zum Nachteil der Widersprechenden entschieden hat, ist mit dem Verfahrensrecht nicht in Einklang zu bringen.
9
In diesem Verfahrensverstoß liegt auch eine Versagung des rechtlichen Gehörs. Denn die Widersprechende konnte – nicht zuletzt aufgrund der Verfügung des Berichterstatters – davon ausgehen, dass zu ihrem Nachteil in der Sache keine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen würde. Sie konnte annehmen , dass sie vor einer für sie nachteiligen Entscheidung in der Sache vor oder spätestens in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit haben werde, ergänzend vorzutragen und Rechtsausführungen zu machen. Darin, dass ihr diese Möglichkeit abgeschnitten worden ist, liegt eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. BGH, Beschl. v. 28.8.2003 – I ZB 5/00, GRUR 2003, 1067, 1068 – BachBlüten Ohrkerze , m.w.N.).
10
b) Die angefochtene Entscheidung des Bundespatentgerichts beruht auch auf der Versagung des rechtlichen Gehörs (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 30.1.1997 – I ZB 3/95, GRUR 1997, 637, 638 f. = WRP 1997, 762 – Top Selection), auch wenn die Widersprechende in ihrer Rechtsbeschwerde nicht dargelegt hat, was sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht über ihr Vorbringen in der schriftlichen Beschwerdebegründung hinaus noch vorgetragen hätte. Der Ablauf einer mündlichen Verhandlung lässt sich nicht im Einzelnen vorhersehen. Der Vortrag eines Verfahrensbeteiligten hängt vielmehr maßgeblich vom Verlauf der Verhandlung, insbesondere von Äußerungen von Seiten der Richterbank , ab. In einem derartigen Fall braucht derjenige, der sich auf die Versagung rechtlichen Gehörs beruft, nicht darzulegen, was er im Einzelnen vor oder in der mündlichen Verhandlung zur weiteren Begründung seines Schutzversagungsantrags vorgetragen hätte (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.1999 – I ZB 15/97, GRUR 2000, 512, 514 = WRP 2000, 542 – COMPUTER ASSOCIATES).
11
III. Die Begründetheit der Rüge nach § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit das Beschwerdegericht zum Nachteil der Widersprechenden entschieden hat, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht (§ 89 Abs. 4 MarkenG).
Ullmann HerrDr.v.Ungern-Sternberg Bornkamm ist in Urlaub und an der Unterschriftverhindert. Ullmann
Pokrant Schaffert
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.05.2005 - 27 W(pat) 242/04 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2006 - I ZB 77/05

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2006 - I ZB 77/05

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2006 - I ZB 77/05 zitiert 4 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Markengesetz - MarkenG | § 83 Zugelassene und zulassungsfreie Rechtsbeschwerde


(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 66 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschl

Markengesetz - MarkenG | § 89 Entscheidung über die Rechtsbeschwerde


(1) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluß. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung getroffen werden. (2) Der Bundesgerichtshof ist bei seiner Entscheidung an die in dem angefochtenen Beschluß getroffenen tatsächli

Markengesetz - MarkenG | § 69 Mündliche Verhandlung


Eine mündliche Verhandlung findet statt, wenn 1. einer der Beteiligten sie beantragt,2. vor dem Bundespatentgericht Beweis erhoben wird (§ 74 Abs. 1) oder3. das Bundespatentgericht sie für sachdienlich erachtet.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2006 - I ZB 77/05 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2006 - I ZB 77/05 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Okt. 2002 - I ZB 27/00

bei uns veröffentlicht am 02.10.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 27/00 Verkündet am: 2. Oktober 2002 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Rechtsbeschwerdesache betreffend die Markenanmeldung Nr. 397 37 329.5 Nach

Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Aug. 2003 - I ZB 5/00

bei uns veröffentlicht am 28.08.2003

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 5/00 vom 28. August 2003 in der Rechtsbeschwerdesache betreffend die angegriffene Marke Nr. 394 08 851 Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ____ ja BachBlüten Ohrkerze MarkenG § 69 Nr. 1, § 83 Abs
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2006 - I ZB 77/05.

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2006 - XII ZB 9/04

bei uns veröffentlicht am 29.11.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 9/04 vom 29. November 2006 in dem Rechtsstreit Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. November 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Fuchs, Dr. Ahlt, die Richterin Dr. Vézina un

Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Apr. 2008 - I ZB 4/07

bei uns veröffentlicht am 30.04.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS I ZB 4/07 vom 30. April 2008 in der Rechtsbeschwerdesache betreffend die Marke Nr. 396 06 139 Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja alphaCAM GG Art. 103 Abs. 1; MarkenG § 69 Nr. 1, § 83 Abs. 3 Nr. 3 Hat nur

Referenzen

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 66 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat. Die Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht, wenn gerügt wird,

1.
daß das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
daß bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
daß einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
daß ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
daß der Beschluß aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
daß der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 27/00 Verkündet am:
2. Oktober 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung Nr. 397 37 329.5
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
TURBO-TABS

a) Hat die mündliche Verhandlung vor dem Bundespatentgericht nicht
zu einer Sachentscheidung geführt und hat das Gericht mit Zustimmung der
Beteiligten eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren getroffen (§ 82 Abs. 1
MarkenG, § 128 Abs. 2 ZPO), ist ein nach der mündlichen Verhandlung erfolgter
Richterwechsel auch unter der Geltung des Markengesetzes grundsätzlich
unschädlich. Leidet das mit Zustimmung der Parteien angeordnete
schriftliche Verfahren an Verfahrensmängeln (hier: keine Bestimmung des
Zeitpunkts, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und eines
Verkündungstermins sowie ein Zeitraum von mehr als drei Monaten zwischen
der Zustimmung der Beteiligten zum schriftlichen Verfahren und der Entscheidung
), so können diese nicht mit der Besetzungsrüge nach § 83 Abs. 3 Nr. 1
MarkenG geltend gemacht werden.

b) Läßt das Bundespatentgericht die Rechtsbeschwerde nach § 83
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 MarkenG nicht zu, ist es letztinstanzliches Gericht i.S.
des Art. 234 Abs. 3 EG. Ob eine Verletzung der Vorlagepflicht an den Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EG durch das Bundespatentgericht
wegen Entzugs des gesetzlichen Richters mit der (zulassungsfreien
gerügt werden kann, kann offenbleiben, wenn gegen eine Pflicht zur Vorlage
jedenfalls nicht in unhaltbarer Weise verstoßen worden ist.
BGH, Beschl. v. 2. Oktober 2002 - I ZB 27/00 - Bundespatentgericht
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Oktober 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Starck, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin gegen den Beschluß des 24. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 11. April 2000 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 festgesetzt.

Gründe:


I. Die Anmelderin hat mit ihrer am 6. August 1997 eingereichten Anmeldung die Eintragung des nachfolgend abgebildeten Zeichens als farbige (blau, gelb, rot, grün und weiß) Wort-/Bildmarke für die Waren
"Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke; Seifen, Waschund Bleichmittel, Mittel zum Spülen von Geschirr und Wäsche, Putz- und Poliermittel, chemische Mittel zum Reinigen von Holz, Metall, Glas, Kunststoff, Stein, Porzellan und Textilien"
beantragt:

Die zuständige Markenstelle des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Anmelderin ist erfolglos geblieben.
Dagegen wendet sich die Anmelderin mit der (nicht zugelassenen) Rechtsbeschwerde, mit der sie die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des beschließenden Senats des Bundespatentgerichts sowie die Versagung rechtlichen Gehörs rügt und geltend macht, der angefochtene Beschluß sei nicht mit Gründen versehen.
II. Das Bundespatentgericht hat das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft für gegeben erachtet und dazu ausgeführt:

Das angemeldete Zeichen beschränke sich auf beschreibende Hinweise zu einer möglichen Darreichungsform für die im Warenverzeichnis genannten Waren und entwickele auch in der Kombination der Wort- und Bildelemente keine Eigentümlichkeit oder Originalität, die das Gesamtzeichen unterscheidungskräftig machten. Das Wort "TURBO" komme als übliches Wortelement in der Bedeutung von "schnell, leistungsstark" und "wirksam" vor. "Tabs" werde als Ausdruck für gepreßtes Pulver in Tablettenform seit mehreren Jahren gebraucht. "2-Phasen" weise auf verschiedene Wirkungen der "Tabs" hin. Die Bildelemente beschrieben das Aussehen der "Tabs" und den Auflösungsprozeß im Wasser. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die angesprochenen Verkehrskreise die Farbgestaltung von "Tabs" als Herkunftshinweis auf bestimmte Unternehmen auffaßten. Den von der Anmelderin geltend gemachten ausländischen Voreintragungen komme keine Indizwirkung zu; für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sei ausschließlich die Auffassung der inländischen Verkehrskreise maßgeblich.
III. Die Rechtsbeschwerde der Anmelderin hat keinen Erfolg.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft. Das Bundespatentgericht hat sie zwar nicht zugelassen. Ihre Statthaftigkeit folgt jedoch daraus, daß im Gesetz aufgeführte, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnende Verfahrensmängel gerügt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 20.1.2000 - I ZB 50/97, GRUR 2000, 894 = WRP 2000, 1166 - Micro-PUR; Beschl. v. 24.1.2002 - I ZB 18/01, Mitt. 2002, 186, 187 - steuertip). Die Anmelderin hat ihre Ansicht zu einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des beschließenden Gerichts (§ 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG), einer Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG) und fehlender Gründe des angefochtenen Beschlusses (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG) im einzelnen begründet.
Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an (BGH GRUR 2000, 894 - Micro-PUR).
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die gerügten Verfahrensmängel sind nicht gegeben.

a) Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Besetzungsrüge nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG greift nicht durch. Entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde war der beschließende Senat des Bundespatentgerichts vorschriftsmäßig besetzt.
aa) Von einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts i.S. von § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG wegen eines Verstoßes gegen den senatsinternen Geschäftsverteilungsplan ist nur auszugehen, wenn die Abweichung auf Willkür beruht (vgl. BVerfGE 76, 93, 96 f.; 87, 282, 284 f.; BGHZ 85, 116, 118 - Auflaufbremse ; Kissel, GVG, 3. Aufl., § 16 Rdn. 51; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 83 Rdn. 14). Für das Vorliegen von Willkür bei der Besetzung des beschließenden Senats des Bundespatentgerichts ist nichts ersichtlich.
Nach Abschnitt 2 des zum Zeitpunkt der Beschlußfassung am 11. April 2000 gemäß § 82 Abs. 1 MarkenG, § 21g Abs. 1 Satz 1 GVG maßgeblichen senatsinternen Geschäftsverteilungsplans bestimmte sich die Besetzung in mehreren noch nicht abgeschlossenen Verfahren über gleiche Rechts- und/ oder Tatfragen (Parallelverfahren) in allen Sachen nach dem Verfahren mit dem niedrigsten (ältesten) Aktenzeichen. Eine derartige Regelung in einem Geschäftsverteilungsplan eines Spruchkörpers ist mit der Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar (vgl. BVerfGE 95, 322, 332). Parallelverfahren im Sinne dieser Regelung des senatsinternen Geschäftsverteilungsplans mit dem niedrigsten (ältesten) Aktenzeichen war zu
dem vorliegenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht das weitere dort anhängige Beschwerdeverfahren mit dem Aktenzeichen 24 W(pat) 84/99.
Zu Unrecht sieht die Rechtsbeschwerde in jener Sache kein Parallelverfahren zum vorliegenden Verfahren. Denn in der Sache 24 W(pat) 84/99 begehrte die Anmelderin für mit der vorliegenden Anmeldung zum Teil identische Waren die Eintragung einer farbigen Bildmarke, die die Ware ("Tabs") mit aufsteigenden Bläschen darstellte. Diese Ähnlichkeit der Bildmarke mit dem Bildbestandteil der im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden Wort-/Bildmarke bei teilweiser Warenidentität, für die Schutz beansprucht wird, rechtfertigt ohne weiteres die Annahme einer Parallelsache im Sinne von Abschnitt 2 des senatsinternen Geschäftsverteilungsplans des Bundespatentgerichts.
Maßgeblich für die Beurteilung der Senatsbesetzung war danach nicht das Aktenzeichen des Beschwerdeverfahrens in der vorliegenden Sache, sondern das Aktenzeichen 24 W(pat) 84/99 des ältesten Parallelverfahrens. Die in dem maßgeblichen Geschäftsverteilungsplan vom 5. Januar 2000 für das Verfahren 24 W(pat) 84/99 vorgesehene Besetzung des Senats des Bundespatentgerichts ist bei der Beschlußfassung im vorliegenden Verfahren eingehalten.
bb) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, der Senat des Bundespatentgerichts sei bei der Entscheidung über die Beschwerde auch deshalb nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, weil an der Beschlußfassung ein Richter (Richter Dr. H. statt Richter Ho.) mitgewirkt habe, der an der mündlichen Verhandlung vom 16. November 1999 nicht teilgenommen habe.
Im Streitfall beruht die Entscheidung nicht auf der mündlichen Verhandlung. Die Vorschrift des § 78 Abs. 3 MarkenG ist daher nicht einschlägig. Die angefochtene Entscheidung des Bundespatentgerichts ist vielmehr mit Zustimmung der Anmelderin im schriftlichen Verfahren (§ 82 Abs. 1 MarkenG, § 128 Abs. 2 ZPO) ergangen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist anerkannt, daß ein Richterwechsel unschädlich ist, wenn - wie vorliegend - die mündliche Verhandlung nicht zu einer Sachentscheidung geführt hat und später im schriftlichen Verfahren eine Entscheidung getroffen wird (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.1973 - X ZB 15/72, GRUR 1974, 294, 295 - Richterwechsel II; Beschl. v. 9.4.1987 - I ZB 4/86, GRUR 1987, 515, 516 - Richterwechsel III; vgl. auch Fezer aaO § 78 Rdn. 6; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 78 Rdn. 4; Althammer/ Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 78 Rdn. 13; MünchKomm./Peters, ZPO, 2. Aufl., § 128 Rdn. 35; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 128 Rdn. 11; Musielak/ Stadler, ZPO, 3. Aufl., § 128 Rdn. 18).
Die Zulässigkeit des Richterwechsels wird, anders als die Rechtsbeschwerde meint, auch nicht davon berührt, daß das Bundespatentgericht entgegen § 82 Abs. 1 MarkenG i.V. mit § 128 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 ZPO weder einen Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, noch einen Verkündungstermin bestimmt hat und zwischen der Zustimmung der Anmelderin zum schriftlichen Verfahren und der ohne mündliche Verhandlung getroffenen Entscheidung mehr als drei Monate vergangen sind. Diese Verfahrensmängel können nicht mit der Besetzungsrüge nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG geltend gemacht werden (vgl. zu § 551 Nr. 1 ZPO a.F.: BGH, Urt. v. 4.6.1986 - IVb ZR 45/85, NJW 1986, 3080; Urt. v. 28.4.1992 - XI ZR 165/91, NJW 1992, 2146, 2147).

b) Ohne Erfolg beanstandet die Rechtsbeschwerde eine Verletzung des Gebots der Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).

aa) Sie macht geltend, das Bundespatentgericht hätte zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 lit. b MarkenRL das Verfahren aussetzen und gemäß Art. 234 Abs. 3 EG den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anrufen müssen.
Damit dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch. Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, daß sie Gelegenheit haben , sich zu dem der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, und daß das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BVerfGE 86, 133, 144). Dies ist vorliegend geschehen. Das Bundespatentgericht hat sich in der angefochtenen Entscheidung mit der Frage einer Vorlage der Sache an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften auseinandergesetzt.
bb) Die Rechtsbeschwerde rügt weiter, dem angefochtenen Beschluß sei nicht zu entnehmen, ob das Bundespatentgericht den Vortrag der Anmelderin im Schriftsatz vom 14. Februar 2000 zur Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte beachtet habe. Daraus ergibt sich jedoch keine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs. Das Bundespatentgericht brauchte auf diesen Vortrag nicht ausdrücklich einzugehen. Der in Bezug genommenen Entscheidung des Landgerichts Mannheim vom 3. August 1998 ließ sich zum Vorliegen des Schutzhindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nichts entnehmen. Die Anmelderin hat Gegenteiliges auch nicht aufgezeigt. Das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 24. Juni 1998 ist nur auszugsweise vorgelegt und verhält sich ebenfalls nicht zur fehlenden Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
3. Die Rechtsbeschwerde hat im Rahmen der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs auch geltend gemacht, das Bundespatentgericht hätte das
Beschwerdeverfahren aussetzen und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften einholen müssen. Dieser Vortrag verhilft der Rechtsbeschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg.
Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob die Rüge der Verletzung der Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 Abs. 3 EG nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des angerufenen Gerichts oder nach § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG wegen Versagung des rechtlichen Gehörs den Weg der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde überhaupt eröffnen kann.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist gesetzlicher Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.8.1991 - 2 BvR 276/90, NJW 1992, 678; Beschl. v. 9.1.2001 - 1 BvR 1036/99, NJW 2001, 1267, 1268 = MarkenR 2001, 118, jeweils m.w.N.).
Die auf die Entziehung des gesetzlichen Richters wegen unterlassener Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gestützte Rechtsbeschwerde könnte erfolgreich nur erhoben werden, wenn die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG in unhaltbarer Weise verletzt worden ist. Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.
Das Bundespatentgericht ist allerdings letztinstanzliches Gericht i.S. des Art. 234 Abs. 3 EG, wenn es die Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 MarkenG nicht zuläßt (vgl. Althammer/Ströbele aaO § 83 Rdn. 58; Steinbeck, MarkenR 2002, 273, 279 f.). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sind nationale Gerichte, deren Entscheidungen nach Zulassung des Rechtsmittels durch ein oberstes Gericht angefochten werden können, nicht zur Vorlage nach Art. 234 Abs. 3 EG ver-
pflichtet. Kann ein Rechtsmittel zu einem obersten nationalen Gericht zugelas- sen werden, ist eine weitere Überprüfung durch dieses Gericht möglich, das Fragen zu der Auslegung oder der Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht seinerseits dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EG vorlegen kann (vgl. EuGH, Urt. v. 4.6.2002 - Rs. C-99/00, MarkenR 2002, 239, 240 f. Tz. 16-19). Anders als im Falle der Möglichkeit der Zulassung des Rechtsmittels durch das oberste Gericht verhält es sich bei der Rechtsbeschwerde des § 83 MarkenG gegen Entscheidungen des Bundespatentgerichts, bei der die Zulässigkeit des Rechtsmittels und die Überprüfung in der Sache durch den Bundesgerichtshof, von den in § 83 Abs. 3 MarkenG aufgeführten schweren Verfahrensmängeln abgesehen, allein von der Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Bundespatentgericht abhängt, ohne daß - wie für die Revision in § 544 ZPO - die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde eröffnet ist.
Eine Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen eines Verstoßes gegen die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG setzt voraus, daß die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften willkürlich unterblieben ist, weil sie bei Würdigung der das Grundgesetz bestimmenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfG NJW 1992, 678). Das Bundespatentgericht hat sich mit der Frage der Vorlagepflicht im einzelnen befaßt. Dafür, daß die Erwägungen unhaltbar sind, ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Gegenteiliges macht die Rechtsbeschwerde auch nicht geltend.
4. Die Rüge der Anmelderin, der Beschluß sei nicht mit Gründen versehen (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG), greift ebenfalls nicht durch.
Die Rechtsbeschwerde meint, dem Beschluß fehle eine nachvollziehbare Begründung; diese sei auf formelhafte Wendungen beschränkt. Die Gründe seien unklar, verworren und widersprüchlich. Das Bundespatentgericht habe nicht berücksichtigt, daß die Wortbestandteile des angemeldeten Zeichens phantasievoll seien. Auch der im Bildbestandteil enthaltene Begriff "Tabs" sei ausreichend unterscheidungskräftig. Jedenfalls verfüge das Zeichen in der Verbindung der Wort- und Bildbestandteile und der Farbgestaltung über die erforderliche Unterscheidungskraft i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Mit diesem Vorbringen kann die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg haben.
Die Vorschrift des § 83 Abs. 3 Nr. 6 MarkenG soll allein den Begründungszwang sichern. Es kommt deshalb darauf an, ob erkennbar ist, welcher Grund - mag dieser tatsächlich vorgelegen haben oder nicht, mag er rechtsfehlerhaft beurteilt worden sein oder nicht - für die Entscheidung über die einzelnen Ansprüche und Verteidigungsmittel maßgebend gewesen ist; dies kann auch bei lückenhafter und unvollständiger Begründung der Fall sein. Dem Erfordernis einer Begründung ist deshalb schon dann genügt, wenn die Entscheidung zu jedem selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel Stellung nimmt, das ein Verfahrensbeteiligter vorgetragen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 24.4.1997 - I ZB 1/96, GRUR 1997, 636, 637 = WRP 1997, 761 - Makol; Beschl. v. 1.7.1999 - I ZB 48/96, GRUR 2000, 53, 54 - SLICK 50). Diesen Anforderungen an den Begründungszwang genügt der angefochtene Beschluß. Das Bundespatentgericht hat sich mit der Frage der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG im einzelnen auseinandergesetzt. Die Gründe lassen erkennen, welche Annahmen für die Entscheidung des Bundespatentgerichts maßgeblich gewesen sind. Sie sind weder widersprüchlich noch verworren. Ob die Entscheidung des Bundespatentgerichts rechtsfehlerhaft ist, ist ohne Belang.
IV. Danach war die Rechtsbeschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.
Ullmann Starck Pokrant
Büscher Schaffert

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 66 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat. Die Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht, wenn gerügt wird,

1.
daß das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
daß bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
daß einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
daß ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
daß der Beschluß aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
daß der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

Eine mündliche Verhandlung findet statt, wenn

1.
einer der Beteiligten sie beantragt,
2.
vor dem Bundespatentgericht Beweis erhoben wird (§ 74 Abs. 1) oder
3.
das Bundespatentgericht sie für sachdienlich erachtet.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 5/00
vom
28. August 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die angegriffene Marke Nr. 394 08 851
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ____ ja
BachBlüten Ohrkerze
Hat ein Beteiligter eine mündliche Verhandlung beantragt, so wird ihm das
rechtliche Gehör versagt, wenn das Gericht – ohne zuvor diese Absicht mitzuteilen
– ohne mündliche Verhandlung entscheidet.
BGH, Beschluß vom 28. August 2003 – I ZB 5/00 – Bundespatentgericht
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. August 2003 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg,
Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und Dr. Büscher

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß des 25. Senats (Marken-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 13. Januar 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 esetzt.

Gründe:


I. Gegen das am 7. Dezember 1995 für „Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Ohrkerzen, bestehend aus Bienenwachs und Leinenstoff, angereichert mit Essenzen der Bachblüte“, eingetragene Zeichen
hat die Inhaberin der prioritätsälteren Marken 1 114 987 „Bach“ und 1 099 376 „Bach-Blüten-Konzentrate“ Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarken sind für „Präparate für die Gesundheitspflege“ eingetragen.
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch aus den beiden Marken mit der Begründung zurückgewiesen, es bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die Nichtbenutzungseinrede des Markeninhabers hat es ungeprüft gelassen.
Gegen diesen Beschluß hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und beantragt, Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen. Eine schriftliche Begründung der Beschwerde hat die Widersprechende nicht eingereicht. Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Die Widersprechende habe – so hat das Bundespatentgericht ausgeführt – eine Benutzung der Widerspruchsmarken nicht dargetan. Ein gerichtlicher Aufklärungshinweis sei nicht veranlaßt gewesen, nachdem der Markeninhaber die Nichtbenutzungseinrede erhoben habe und von der Markenstelle ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, daß diese Einrede Gegenstand eines möglichen Beschwerdeverfahrens sein werde. Das Gericht sei auch nicht gehalten, den Beteiligten Äußerungsfristen zu setzen oder einen beabsichtigten Entscheidungstermin mitzuteilen. In den zehn Monaten zwischen Eingang der Beschwerde und Entscheidung habe hinreichend Zeit zur Verfügung gestanden, die bestrittene Benutzung der Widerspruchsmarken glaubhaft zu machen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die – vom Bundespatentgericht nicht zugelassene – Rechtsbeschwerde der Widersprechenden.
II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft. Das Bundespatentgericht hat sie zwar nicht zugelassen. Ihre Statthaftigkeit folgt jedoch daraus, daß ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 2.10.2002 – I ZB 27/00, GRUR 2003, 546 = WRP 2003, 655 – TURBO-TABS, m.w.N.). Hier beruft sich die Rechtsbeschwerde auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG). Dies hat sie im einzelnen begründet. Darauf, ob die Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde nicht an.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Verfahren vor dem Bundespatentgericht verletzt die Widersprechende in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).

a) Nach § 69 Nr. 1 MarkenG findet eine mündliche Verhandlung über die Beschwerde statt, wenn sie von einem Beteiligten beantragt worden ist. Im Streitfall hat die Widersprechende einen solchen Antrag gestellt. Daß das Bundespatentgericht ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist mit dem Verfahrensrecht nicht in Einklang zu bringen.
Allerdings liegt nicht in jeder Entscheidung, die verfahrensfehlerhaft ohne mündliche Verhandlung ergeht, ein Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den an einem Rechtsstreit Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu den in Rede stehenden Sach- und Rechtsfragen zu geben. Daraus folgt nicht, daß das rechtliche Gehör in einer bestimmten Form gewährt werden muß. Erhalten die Verfahrensbeteiligten in dem erforderlichen Umfang Gelegenheit zur Stellungnahme, ist, auch wenn die
im Gesetz vorgeschriebene mündliche Verhandlung nicht stattfindet, nicht das Grundrecht, sondern allein das Verfahrensrecht verletzt (BGHZ 102, 338, 341 f.).
Anders verhält es sich aber, wenn ein Verfahrensbeteiligter davon ausgehen kann, eine Entscheidung werde – dem Verfahrensrecht entsprechend – nicht ohne mündliche Verhandlung ergehen. So liegt der Streitfall. Eine Frist für die – verfahrensrechtlich nicht gebotene (vgl. nur Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 66 Rdn. 68) – Begründung der Beschwerde bestand nicht. Die Widersprechende konnte daher annehmen, daß sie vor oder spätestens in der mündlichen Verhandlung hinreichend Gelegenheit haben werde, ergänzend vorzutragen und Rechtsausführungen zu machen. Darin, daß ihr diese Möglichkeit abgeschnitten worden ist, liegt eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.1999 – I ZB 15/97, GRUR 2000, 512, 513 = WRP 2000, 542 – COMPUTER ASSOCIATES; Ströbele aaO § 69 Rdn. 23; vgl. ferner BGH, Beschl. v. 12.12.1996 – I ZB 8/96, GRUR 1997, 223 = WRP 1997, 560 – Ceco).

b) Die angefochtene Entscheidung des Bundespatentgerichts beruht auch auf der Versagung des rechtlichen Gehörs (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 30.1.1997 – I ZB 3/95, GRUR 1997, 637, 638 f. = WRP 1997, 762 – Top Selection). Ungeachtet der Frage, ob die Rüge des § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG in einem Fall wie dem vorliegenden eine Darlegung dessen erfordert, was vor oder in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden wäre (vgl. BGH GRUR 2000, 512, 514 – COMPUTER ASSOCIATES), hat die Rechtsbeschwerde im einzelnen dargelegt, was sie zur Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarken vorgebracht hätte. Es ist nicht auszuschließen, daß die Entscheidung des Bundespatentgerichts bei Berücksichtigung dieses Vorbringens anders ausgefallen wäre.
III. Die Begründetheit der Rüge nach § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht (§ 89 Abs. 4 MarkenG).
Eine Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses auf sonstige Verstöße gegen das formelle oder gegen das materielle Recht findet – anders als bei der zugelassenen Rechtsbeschwerde (§ 83 Abs. 2 MarkenG) – bei Begründetheit einer zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nicht statt (vgl. BGH GRUR 1997, 637, 639 – Top Selection, m.w.N.).
Ullmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Büscher

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 66 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat. Die Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde bedarf es nicht, wenn gerügt wird,

1.
daß das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
daß bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
daß einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
daß ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
daß der Beschluß aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
daß der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluß. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.

(2) Der Bundesgerichtshof ist bei seiner Entscheidung an die in dem angefochtenen Beschluß getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Rechtsbeschwerdegründe vorgebracht sind.

(3) Die Entscheidung ist zu begründen und den Beteiligten von Amts wegen zuzustellen.

(4) Im Falle der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen. Das Bundespatentgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.