Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juni 2017 - AK 27/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 14. Juni 2017 gemäß §§ 121, 122 StPO beschlossen:
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.
Gründe:
I.
- 1
- Der Beschuldigte wurde am 22. November 2016 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 31. Oktober 2016 (5 BGs 368/16) festgenommen. Er befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe in der Zeit vom Juli 2013 bis Dezember 2014 die außereuropäische terroristische Vereinigung "Ahrar al-Sham" durch mindestens sechs Lieferungen von technischen Geräten, Ferngläsern, Bargeld und Fahrzeugen unterstützt.
II.
- 2
- Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.
- 3
- 1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.
- 4
- a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
- 5
- aa) Die Vereinigung Ahrar al-Sham
- 6
- (1) Die Ahrar al-Sham ist aus den im Jahr 2011 gegründeten "Kata'ib Ahrar al-Sham" ("Brigaden der Freien von Großsyrien") hervorgegangen, die sich Ende des Jahres 2012 dem Bündnis "Al-Jabha al-Islamiya as-Suriya" ("Syrisch-Islamische Front") anschloss. Nach der damaligen Verlautbarung war Ziel der Organisation der Sturz des Assad-Regimes; mit militärischen und zivilen Mitteln sollte eine islamische Gesellschaft entstehen, die gemäß den Regeln der Sharia regiert werden sollte. Nicht-Muslime wurden indes nicht als Feinde bezeichnet, in der militärischen Auseinandersetzung sollten Zivilisten geschont werden.
- 7
- Ende Januar 2013 schlossen sich die "Kata'ib Ahrar al-Sham" mit drei anderen Gruppierungen zur Ahrar al-Sham zusammen. In dem dazu veröffentlichten Video mit dem Titel "Gründungserklärung der Harakat Ahrar al-Sham al-Islamiya" wurde nunmehr eine streng islamische Ausrichtung der Organisation betont. Ende November 2013 löste sich die "Syrisch-Islamische Front" auf und gab zugleich die Gründung eines neuen, umfassenderen Bündnisses mit dem Namen "Islamische Front" bekannt, als dessen Ziele der Sturz des Assad-Regimes und die Gründung eines "rechtgeleiteten islamischen Staates" unter der Geltung der Sharia in ihrer radikal-islamistischen Ausrichtung benannt wurden. Die Ahrar al-Sham wurde in der Erklärung als Gründungsmit- glied bezeichnet; sie blieb als eigenständige Vereinigung innerhalb des Bündnisses gleichwohl bestehen.
- 8
- (2) Ziel der Ahrar al-Sham ist nach wie vor in erster Linie der Sturz des Assad-Regimes. Im Gegensatz zu früheren Verlautbarungen, in denen von Toleranz gegenüber Andersdenkenden und -gläubigen die Rede war, wird nunmehr eine salafistische Ausrichtung der Organisation betont, die den Schutz des Islam und die Errichtung einer Gesellschaftsordnung unter dem Gesetz der Sharia als weitere Ziele definiert. Korrespondierend mit den teilweise engen Bindungen der Ahrar al-Sham zu etwa der Jabhat al-Nusra und zum Teil auch dem Al-Qaida-Netzwerk sind die Ziele der Ahrar al-Sham von denen dieser jihadistisch ausgerichteten Gruppierungen nicht klar abzugrenzen: So akzeptiert die Ahrar al-Sham die derzeitigen Grenzen des syrischen Staates nicht und beabsichtigt dementsprechend, den islamischen Staat, dessen Errichtung sie anstrebt, über die Grenzen des heutigen Syriens hinaus auszudehnen. Eine politische Lösung des Konflikts lehnt die Organisation ab, der bewaffnete Kampf wird als einzige Möglichkeit angesehen. Das politische System des zu schaffenden Staates soll auf der Basis der Sharia autoritär geprägt sein, Säkularismus und Demokratie sieht die Ahrar al-Sham als Übel an, die in ihrem Staat keinen Platz hätten. Dem allgemeinen Ziel der Al-Qaida, einen transnationalen islamischen Staat zu schaffen, stimmt die Vereinigung zu, wenn sie auch die Auffassung vertritt, dass bei der Erreichung dieses Ziels Realismus und Geduld von Nöten seien.
- 9
- (3) Im Lauf des Jahres 2013 wurde die Ahrar al-Sham mit 10.000 bis 20.000 Kämpfern zur stärksten Gruppierung innerhalb des syrischen Aufstands. Sie setzt im Kampf gegen das Assad-Regime in erster Linie militärische Mittel und Einsatztaktiken ein. Selbstmordattentate lehnt sie zwar ab, arbeitete aber bei Operationen mit der Jabhat al-Nusra zusammen, deren Kämpfer dabei Selbstmordanschläge begingen. Bereits seit dem Jahr 2012 war sie bzw. ihre Vorgängerorganisation - häufig in enger Zusammenarbeit mit Gruppierungen der späteren Islamischen Front - an fast allen wichtigen Operationen der syrischen Aufständischen beteiligt, insbesondere an der Offensive in der Stadt Aleppo im Juli 2012, der Einnahme der Provinzhauptstadt Raqqa im März 2013, in Zusammenarbeit mit der Jabhat al-Nusra, dem "Islamischen Staat im Irak und Syrien" und anderen jihadistischen Gruppierungen ab dem 4. August 2013 an der Offensive gegen alawitische Dörfer im Gebirge in der Provinz Latakia, bei der zahlreiche Zivilisten ermordet wurden, sowie im Februar 2014 an dem Angriff auf das Zentralgefängnis von Aleppo, an dem wiederum auch die Jabhat al-Nusra und weitere jihadistische Vereinigungen teilnahmen. Seit März 2015 besteht ein dauerhaftes militärisches Zweckbündnis mit der Jabhat al-Nusra.
- 10
- (4) An der Spitze der Organisation stand bis September 2014 als politischer Führer Hassan Abboud, der im Juni 2013 in einem Interview mit dem Nachrichtensender Al-Jazeera an die Öffentlichkeit trat und sich ausführlich zur Ahrar al-Sham und ihren Zielen äußerte. Nachdem Abboud mit anderen Führungspersönlichkeiten der Vereinigung am 9. September 2014 getötet worden war, setzte der Shura-Rat der Organisation bereits am Tag nach seinem Tod mit Hashim al Sheikh (Kampfname: Abu Dschabir) einen Nachfolger für ihn ein und mit Abu Salih Tahhan den Nachfolger für den ebenfalls getöteten bisherigen Militärverantwortlichen Abu Talha. Seit September 2015 führt AbuYahia al-Hamawi (alias Mohannad al-Masri) die Ahrar al-Sham. Die zentrale Führung der Ahrar al-Sham besteht aus einem Shura-Rat sowie Büros für Militär, Religion , Finanzen, humanitäre Aktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit. Die Organisation verfügt nach eigenen Angaben über ein eigenes Medienbüro, das die diversen Videoveröffentlichungen erstellt; Verlautbarungen sowie Bekenner- und Propagandavideos werden sowohl über soziale Netzwerke, als auch über die eigene Internetpräsenz verbreitet. Als weitere Führungsebene fungieren die Anführer in den einzelnen syrischen Provinzen. Die Mitglieder der Vereinigung stammen überwiegend aus Syrien, in einigen Fällen auch aus anderen Ländern. Die Kampfeinheiten sind überwiegend mit erbeuteten ehemaligen Beständen der syrischen Armee bewaffnet. Die Organisation verfügt über koordinierende Befehlsstrukturen ; die Anweisungen und Planungen der höheren Ebenen werden durch die nachgeordneten Teile umgesetzt.
- 11
- bb) Die Tathandlungen des Beschuldigten
- 12
- Der Beschuldigte unterstützte die Ahrar al-Sham in Kenntnis der Ziele und Methoden der Organisation in der Zeit von Juli 2013 bis Dezember 2014 durch mindestens sechs Lieferungen von technischen Geräten, Ferngläsern, Bargeld und Fahrzeugen wie folgt:
- 13
- (1) Zwischen dem 28. Juli 2013 und dem 7. August 2013 transportierte der Beschuldigte zwei Ferngläser und ein nicht näher bezeichnetes optisches Gerät sowie 1.000 € Bargeld nach Syrien zu " O. " als Vertreter der Ahrar al-Sham, nachdem der Mitbeschuldigte A. die erforderlichen Kontakte zu Mitgliedern dieser Vereinigung hergestellt hatte.
- 14
- (2) Mitte August 2013 transportierte der Beschuldigte zwei Pick-Ups im Auftrag der Ahrar al-Sham von Deutschland nach Syrien, die er zuvor in Deutschland erworben hatte; der Kaufpreis wurde ihm durch die Ahrar al-Sham erstattet.
- 15
- (3) Am 12. Dezember 2013 übergab der Mitbeschuldigte A. dem Beschuldigten in der Nähe von Erlangen zwei Ferngläser, eine quadratische Antenne mit Kabel, zwei Router, einen Laptop sowie Antennen, die dieser mit einem Krankenwagen zum Büro der Ahrar al-Sham an einem türkisch-syrischen Grenzübergang transportierte, wo die Geräte am 20. Dezember 2013 eintrafen.
- 16
- (4) Im Januar und Februar 2014 finanzierte der Mitbeschuldigte H. im Zusammenwirken mit dem Mitbeschuldigten A. den Ankauf von fünf Funkscannern im Gesamtwert von 2.000 € bei der Firma T. , die im Frühjahr 2014 unter Beteiligung des Beschuldigten nach Syrien zur Ahrar al-Sham transportiert wurden.
- 17
- (5) Im Sommer 2014 beschaffte der Beschuldigte in Berlin einen Krankenwagen , den " Ah. " im Auftrag des Beschuldigten in der Zeit vom 4. bis zum 12. August 2014 über Italien, Griechenland und die Türkei zur Ahrar al-Sham in Syrien verbrachte.
- 18
- (6) Im November 2014 wirkten die Mitbeschuldigten A. und Sa. bei der Beschaffung und Lieferung von zehn Ferngläsern und einem Leistungsmesser zusammen, indem Sa. die von A. beschafften Sachen aufbewahrte und an einen Dritten weitergab, der sie in die Türkei transportierte. Der Beschuldigte wirkte dabei durch die Weitergabe von Informationen und die Bekanntgabe der Telefonnummer seines Vaters in der Türkei mit, von wo die Gegenstände im Dezember 2014 nach Syrien zur Ahrar al-Sham gebracht wurden.
- 19
- Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 31. Oktober 2016 Bezug genommen.
- 20
- b) Der dringende Tatverdacht folgt, soweit er die Vereinigung Ahrar al-Sham betrifft, aus öffentlich zugänglichen Quellen und den vorliegenden Strukturerkenntnissen zu dieser Organisation. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen insbesondere auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. St. vom 19. Februar 2015 und vom 21. März 2016 (vorläufige SA Bd. 1, Fach "Struktur der Ahrar al-Sham") und den Auswertebericht des Bundeskriminalamts vom 1. November 2015 (vorläufige SA Bd. 1, Fach "Struktur der Ahrar al-Sham").
- 21
- Betreffend die Tathandlungen des Beschuldigten S. ergibt sich der dringende Tatverdacht aus der Auswertung der durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung gestellten Audio-Files aus vorangegangenen Maßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (vorläufige SA Bde. 3 bis 5, Inhalte aus G-10-Maßnahmen; Zusammenfassender Bericht des Bayerischen Landeskriminalamts vom 18. Juni 2015, vorläufige SA Bd. 1 Fach Verfahrensgang) sowie den bei dem Beschuldigten und bei Mitbeschuldigten sichergestellten Datenträgern und Notizen , deren Auswertung andauert.
- 22
- Der Beschuldigte hat in der richterlichen Vernehmung vom 23. November 2016 (vorläufige SA Bd. 2, Bl. 220-229) bestritten, zu Personen der Ahrar al-Sham Kontakte zu haben. Er hat angegeben, dass er seit 2012 Hilfslieferungen bis zur syrischen Grenze organisiert habe und eingeräumt, Mitte 2013 auf Bitte des Mitbeschuldigten A. ein bis zwei Mal Gegenstände in einem Koffer oder Karton in die Türkei gebracht zu haben, wo sie von Freunden des Mitbeschuldigten abgeholt worden seien. Er habe nur Tagesferngläser, jedoch keine Nachtgläser oder militärische Ferngläser transportiert; auch seien in einem Päckchen von A. zum Beispiel ein Konverter und Batterien gewesen. 2013 sei er auch einmal mit einem Gebrauchtfahrzeug in die Türkei gefahren, um es dort zu verkaufen. Zum Vorwurf der Lieferung von Funkscannern hat er erklärt, dass der Beschuldigte A. damit die Kommunikation von Krankenwagen untereinander ermöglichen wollte. Dieser Verwendungszweck liegt indes schon deshalb fern, weil die Geräte nach Angaben des Zeugen Th. (Vernehmung vom 10. März 2017; vorläufige SA Bd. 6, Bl. 73-74) allein zum Empfang, nicht aber zum Senden geeignet sind. Auf Bitte seines Cousins Sa. habe er an einer Hilfslieferung nach Syrien mitgewirkt, die in den Machtbereich der Ahrar al-Sham gelangt sei. Diese Organisation beherrsche die Grenze zur Türkei und habe angeboten, den Hilfstransporter einstweilen zu lagern. Später seien die Hilfsgüter, von denen einige gestohlen worden seien, an einem anderen als dem Bestimmungsort verteilt worden.
- 23
- Er hat weiter eingeräumt, dass Abu Ahmad einen Krankenwagen nach Syrien gefahren habe; da die Ahrar al-Sham 100 Dollar für die Einfuhr eines Krankenwagens forderte, habe er Ah. am Telefon mitgeteilt, dass dieser angeben solle, es handele sich um eine Lieferung von " Ch. " (dem Emir der Ahrar al-Sham), der die Einfuhr organisiert habe. Damit hat er den ihm angelasteten Sachverhalt zumindest in objektiver Hinsicht in Teilen bestätigt.
- 24
- Weitere belastende Hinweise folgen aus den Angaben der Mitbeschuldigten H. (Vernehmung vom 22. November 2016, vorläufige SA Bd. 2 Fach Vernehmungen) und Ha. , der in seiner richterlichen Vernehmung am 22. November 2016 (vorläufige SA Bd. 2, Bl. 207-209) u.a. einge- räumt hat, vier von ihm zunächst über das Internet bezogene Ferngläser an den Mitbeschuldigten A. verkauft zu haben.
- 25
- Aus den Auswertungen der bei den Beschuldigten sichergestellten Gegenständen ergeben sich zusätzliche Hinweise: So wurden handschriftliche Notizen des Mitbeschuldigten A. mit Auflistungen der Ausgaben für Tagesund Nachtferngläser sowie Zahlungen der mutmaßlichen Empfänger sichergestellt ; neben dem Namen eines Empfängers bei der Ahrar al-Sham fand sich das Wort "Scharfschützenfernglas". Hinsichtlich des Beschuldigten und des Mitbeschuldigten H. zeigen sich aus der Asservatenauswertung Anhaltspunkte für zahlreiche Transporte von Ausrüstungsgegenständen nach Syrien, die teilweise unter falschem Namen beschafft worden waren.
- 26
- 2. Es besteht nach alledem der dringende Tatverdacht, dass sich der Beschuldigte in sechs Fällen wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB strafbar gemacht hat.
- 27
- a) Die Gruppierung Ahrar al-Sham stellt sich nach den vorliegenden Erkenntnissen dar als auf gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlen, mithin als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216, 221 mwN). Ihre Zwecke und ihre Tätigkeit sind darauf gerichtet, Mord und Totschlag (§§ 211, 212 StGB) zu begehen, wobei die Opfer nicht nur Soldaten des von ihr bekämpften Assad-Regimes sind, sondern - wie etwa die Massaker in alawitischen Dörfern zeigen - auch Zivilisten zu ihren Zielen gehören.
- 28
- Selbst eine angenommene Ausrichtung allein auf die Bekämpfung der syrischen Regierungstruppen würde nichts an dieser Einordnung ändern, da weder völkervertragsrechtliche noch völkergewohnheitsrechtliche Grundsätze Kampfhandlungen gegen deren Soldaten zu rechtfertigen vermögen.
- 29
- Abweichende ausländische Bewertungen der Vereinigung sprechen entgegen der Ansicht der Verteidigung nicht gegen den Verdacht, dass der Beschuldigte vorsätzlich handelte. Anhaltspunkte dafür, dass er im Zeitpunkt der Handlungen keine hinreichende Kenntnis von den relevanten tatsächlichen Umständen hatte (§ 16 StGB) oder sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB befand, sind nicht ersichtlich. Dass die Vereinigung gegen die Regierungstruppen kämpft, war dem Beschuldigten nach den bisherigen Ermittlungen bekannt.
- 30
- b) Der Beschuldigte hat diese Vereinigung durch die Lieferung von Ausrüstungsgegenständen unterstützt.
- 31
- c) Deutsches Strafrecht ist anwendbar (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.).
- 32
- d) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern der Ahrar al-Sham, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 25. Juli 2014 erteilt (Aktenzeichen II B 1 4030 E [1027] 21 1158/2013).
- 33
- 3. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Haftvollzug kann der Zweck der Untersuchungshaft nach wie vor nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO).
- 34
- Die Gesamtwürdigung der Umstände des Falles macht es wahrscheinlicher , dass sich der Beschuldigte - würde er aus der Haft entlassen - dem Strafverfahren entzieht, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde. Der Beschuldigte ist aufgrund der bisherigen Ermittlungen in mindestens sechs Fällen bei der Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen für die Ahrar al-Sham tätig geworden; jeder Einzelfall ist mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht (§ 129a Abs. 5 Satz 1 StGB). Er hat daher mit einer empfindlichen Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen, die einen hohen Fluchtanreiz bietet.
- 35
- Fluchthemmende Umstände, die geeignet sind, dem von der zu erwartenden Freiheitsstrafe ausgehenden Fluchtanreiz hinreichend entgegenzuwirken , liegen nicht vor: Der Beschuldigte schloss sein 2011 begonnenes Studium an der technischen Hochschule in Hannover nicht ab und arbeitete bis Anfang 2016 im Sicherheitsgewerbe. Im Juni 2016 übernahm er als Geschäftsführer eine renovierungsbedürftige Bäckerei in Berlin, für die kein Gewerberegistereintrag vorliegt; der Betrieb wurde in Bäckerei "I. " umbenannt (vorläufige SA Bd. 1, Bl. 222, 229) - offenbar nach dem Namen der Geburtsstadt des Beschuldigten in Syrien, die von islamistischen Gruppen, unter anderem der Ahrar al-Scham kontrolliert wird. Die Eltern des Beschuldigten leben in der Türkei; er hält sich "immer wieder mal", auch für längere Zeiträume, dort auf, um diese zu unterstützen (vorläufige SA Bd. 2, Bl. 225). Ausweislich überwachter Gespräche , zuletzt vom 21. September 2016, plant er, in die Türkei umzusiedeln (vorläufige SA Bd. 1, Bl. 222). Seine beruflichen und familiären Bindungen in Deutschland reichen vor diesem Hintergrund nicht aus, ihn von der Flucht ab- zuhalten, zumal der Beschuldigte nicht nur enge Verwandte in der Türkei hat, sondern nach den Ermittlungsergebnissen Kontakte zu Mitgliedern und Unterstützern der Ahrar al-Sham pflegt, die bei einer Flucht behilflich sein könnten. Die genannten Umstände begründen die Gefahr, dass die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat ohne die weitere Inhaftierung des Beschuldigten vereitelt werden könnte.
- 36
- Unter den gegebenen Umständen vermögen Maßnahmen nach § 116 Abs. 1 StPO nicht die Erwartung zu begründen, dass auch durch sie der Zweck der Untersuchungshaft erreicht werden kann.
- 37
- 4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Der Umfang der Ermittlungen und ihre besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:
- 38
- Das komplexe Ermittlungsverfahren richtet sich gegen insgesamt fünf Beschuldigte; der Tatzeitraum erstreckt sich über mehrere Jahre und umfasst zahlreiche Lieferungen der Beschuldigten nach Syrien, die auf ihren Bezug zur Ahrar al-Sham zu überprüfen sind. Die Auswertung der bei der Durchsuchung von zehn Objekten am 22. November 2016 sichergestellten umfangreichen Beweismittel dauert an. Neben zahlreichen CDs sind neun Tablet-Computer, 26 Laptops, 35 USB-Speichergeräte, 33 Mobiltelefone und 108 Festplatten auszuwerten; allein die dem Beschuldigten A. zugeordneten Speichermedien umfassen etwa zwei Terabyte Daten, die auch in gelöschten Speicherbereichen ausgewertet werden müssen. Die technische Sicherung der Speichermedien ist zwischenzeitlich nahezu vollständig durchgeführt. Die inhaltliche Auswertung ist indes noch nicht beendet; sie wird dadurch erschwert, dass zahlreiche Inhalte in arabischer Sprache abgefasst sind. Trotz des Einsatzes von regelmäßig zwei Dolmetschern dauert deren Auswertung noch an. Die Auswertung der mobilen Endgeräte ist weitgehend abgeschlossen; bislang wurden 35 Geräte entschlüsselt, technisch gesichert und inhaltlich gesichtet. Bei der Auswertung der Mobiltelefone, die mit Ausnahme eines Gerätes beendet ist, wurden bisher 690.000 Mediendateien (unter anderem Bilder, Videos und Audiodateien) gesichtet (Sachstandsbericht des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 12. Mai 2017, Bl. 28). Bei 12 Geräten sind noch weitere Dolmetschertätigkeiten erforderlich, bei 16 Geräten noch abschließende Ermittlungen und Bewertungen.
- 39
- 5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht zu den gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwürfen nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2017 - StB 6/17, juris Rn. 34-36).
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(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.
(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.
(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.
(1) In den Fällen des § 121 legt das zuständige Gericht die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor, wenn es die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich hält oder die Staatsanwaltschaft es beantragt.
(2) Vor der Entscheidung sind der Beschuldigte und der Verteidiger zu hören. Das Oberlandesgericht kann über die Fortdauer der Untersuchungshaft nach mündlicher Verhandlung entscheiden; geschieht dies, so gilt § 118a entsprechend.
(3) Ordnet das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, so gilt § 114 Abs. 2 Nr. 4 entsprechend. Für die weitere Haftprüfung (§ 117 Abs. 1) ist das Oberlandesgericht zuständig, bis ein Urteil ergeht, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt. Es kann die Haftprüfung dem Gericht, das nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständig ist, für die Zeit von jeweils höchstens drei Monaten übertragen. In den Fällen des § 118 Abs. 1 entscheidet das Oberlandesgericht über einen Antrag auf mündliche Verhandlung nach seinem Ermessen.
(4) Die Prüfung der Voraussetzungen nach § 121 Abs. 1 ist auch im weiteren Verfahren dem Oberlandesgericht vorbehalten. Die Prüfung muß jeweils spätestens nach drei Monaten wiederholt werden.
(5) Das Oberlandesgericht kann den Vollzug des Haftbefehls nach § 116 aussetzen.
(6) Sind in derselben Sache mehrere Beschuldigte in Untersuchungshaft, so kann das Oberlandesgericht über die Fortdauer der Untersuchungshaft auch solcher Beschuldigter entscheiden, für die es nach § 121 und den vorstehenden Vorschriften noch nicht zuständig wäre.
(7) Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung zuständig, so tritt dieser an die Stelle des Oberlandesgerichts.
(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
- 1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder - 2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b - 3.
(weggefallen)
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
- 1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen, - 2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1, - 3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3, - 4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder - 5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.
(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.
(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).
(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.
(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(1) Wer bei Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich. Die Strafbarkeit wegen fahrlässiger Begehung bleibt unberührt.
(2) Wer bei Begehung der Tat irrig Umstände annimmt, welche den Tatbestand eines milderen Gesetzes verwirklichen würden, kann wegen vorsätzlicher Begehung nur nach dem milderen Gesetz bestraft werden.
Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Die §§ 129 und 129a gelten auch für Vereinigungen im Ausland. Bezieht sich die Tat auf eine Vereinigung außerhalb der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, so gilt dies nur, wenn sie durch eine im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes ausgeübte Tätigkeit begangen wird oder wenn der Täter oder das Opfer Deutscher ist oder sich im Inland befindet. In den Fällen des Satzes 2 wird die Tat nur mit Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz verfolgt. Die Ermächtigung kann für den Einzelfall oder allgemein auch für die Verfolgung künftiger Taten erteilt werden, die sich auf eine bestimmte Vereinigung beziehen. Bei der Entscheidung über die Ermächtigung zieht das Ministerium in Betracht, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind und bei Abwägung aller Umstände als verwerflich erscheinen.
(2) In den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 1, ist § 74a anzuwenden.
(1) Die Untersuchungshaft darf gegen den Beschuldigten angeordnet werden, wenn er der Tat dringend verdächtig ist und ein Haftgrund besteht. Sie darf nicht angeordnet werden, wenn sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis steht.
(2) Ein Haftgrund besteht, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen
- 1.
festgestellt wird, daß der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält, - 2.
bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen werde (Fluchtgefahr), oder - 3.
das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er werde - a)
Beweismittel vernichten, verändern, beiseite schaffen, unterdrücken oder fälschen oder - b)
auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverständige in unlauterer Weise einwirken oder - c)
andere zu solchem Verhalten veranlassen,
und wenn deshalb die Gefahr droht, daß die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde (Verdunkelungsgefahr).
(3) Gegen den Beschuldigten, der einer Straftat nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 oder § 13 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder § 129a Abs. 1 oder Abs. 2, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, oder nach den §§ 176c, 176d, 211, 212, 226, 306b oder 306c des Strafgesetzbuches oder, soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, nach § 308 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches dringend verdächtig ist, darf die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach Absatz 2 nicht besteht.
(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich
- 1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden, - 2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen, - 3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen, - 4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.
(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.
(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.
(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn
- 1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt, - 2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder - 3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.
(1) Wer eine Vereinigung (§ 129 Absatz 2) gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
- 1.
Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder - 2.
Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b - 3.
(weggefallen)
(2) Ebenso wird bestraft, wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
- 1.
einem anderen Menschen schwere körperliche oder seelische Schäden, insbesondere der in § 226 bezeichneten Art, zuzufügen, - 2.
Straftaten nach den §§ 303b, 305, 305a oder gemeingefährliche Straftaten in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 313, 314 oder 315 Abs. 1, 3 oder 4, des § 316b Abs. 1 oder 3 oder des § 316c Abs. 1 bis 3 oder des § 317 Abs. 1, - 3.
Straftaten gegen die Umwelt in den Fällen des § 330a Abs. 1 bis 3, - 4.
Straftaten nach § 19 Abs. 1 bis 3, § 20 Abs. 1 oder 2, § 20a Abs. 1 bis 3, § 19 Abs. 2 Nr. 2 oder Abs. 3 Nr. 2, § 20 Abs. 1 oder 2 oder § 20a Abs. 1 bis 3, jeweils auch in Verbindung mit § 21, oder nach § 22a Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder - 5.
Straftaten nach § 51 Abs. 1 bis 3 des Waffengesetzes
(3) Sind die Zwecke oder die Tätigkeit der Vereinigung darauf gerichtet, eine der in Absatz 1 und 2 bezeichneten Straftaten anzudrohen, ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(4) Gehört der Täter zu den Rädelsführern oder Hintermännern, so ist in den Fällen der Absätze 1 und 2 auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(5) Wer eine in Absatz 1, 2 oder Absatz 3 bezeichnete Vereinigung unterstützt, wird in den Fällen der Absätze 1 und 2 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in den Fällen des Absatzes 3 mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Wer für eine in Absatz 1 oder Absatz 2 bezeichnete Vereinigung um Mitglieder oder Unterstützer wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(6) Das Gericht kann bei Beteiligten, deren Schuld gering und deren Mitwirkung von untergeordneter Bedeutung ist, in den Fällen der Absätze 1, 2, 3 und 5 die Strafe nach seinem Ermessen (§ 49 Abs. 2) mildern.
(7) § 129 Absatz 7 gilt entsprechend.
(8) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2).
(9) In den Fällen der Absätze 1, 2, 4 und 5 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).
(1) Der Richter setzt den Vollzug eines Haftbefehls, der lediglich wegen Fluchtgefahr gerechtfertigt ist, aus, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß der Zweck der Untersuchungshaft auch durch sie erreicht werden kann. In Betracht kommen namentlich
- 1.
die Anweisung, sich zu bestimmten Zeiten bei dem Richter, der Strafverfolgungsbehörde oder einer von ihnen bestimmten Dienststelle zu melden, - 2.
die Anweisung, den Wohn- oder Aufenthaltsort oder einen bestimmten Bereich nicht ohne Erlaubnis des Richters oder der Strafverfolgungsbehörde zu verlassen, - 3.
die Anweisung, die Wohnung nur unter Aufsicht einer bestimmten Person zu verlassen, - 4.
die Leistung einer angemessenen Sicherheit durch den Beschuldigten oder einen anderen.
(2) Der Richter kann auch den Vollzug eines Haftbefehls, der wegen Verdunkelungsgefahr gerechtfertigt ist, aussetzen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden. In Betracht kommt namentlich die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keine Verbindung aufzunehmen.
(3) Der Richter kann den Vollzug eines Haftbefehls, der nach § 112a erlassen worden ist, aussetzen, wenn die Erwartung hinreichend begründet ist, daß der Beschuldigte bestimmte Anweisungen befolgen und daß dadurch der Zweck der Haft erreicht wird.
(4) Der Richter ordnet in den Fällen der Absätze 1 bis 3 den Vollzug des Haftbefehls an, wenn
- 1.
der Beschuldigte den ihm auferlegten Pflichten oder Beschränkungen gröblich zuwiderhandelt, - 2.
der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt oder sich auf andere Weise zeigt, daß das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war, oder - 3.
neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen.
(1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet.
(3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung.
(4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach den §§ 120 oder 120b des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof.
(1) Wer einen Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet oder dabei fördert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ist der Täter als Amtsträger oder als für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter gehalten, das Entweichen des Gefangenen zu verhindern, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Einem Gefangenen im Sinne der Absätze 1 und 2 steht gleich, wer sonst auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird.