Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2000 - 5 StR 74/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Aussageerpressung in drei Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist, verurteilt. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Insbesondere ist Strafverfolgungsverjährung nicht eingetreten.
I.
Im Frühjahr 1955 vernahm der Angeklagte im Range eines Oberleutnants der Hauptabteilung IX des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR mehrfach den damaligen Beschuldigten und Untersuchungsgefangenen G wegen des Vorwurfs geheimdienstlicher Tätigkeit. An zwei Tagen schlug der Angeklagte den damaligen Beschuldigten mit der offenen Hand mehrfach und heftig gegen den Kopf. Hierdurch wollte der Angeklagte erreichen , daß der Beschuldigte Vernehmungsprotokolle unterschrieb, obwohl er mit deren unrichtigem Inhalt nicht einverstanden war. Aus Schmerz und
Furcht vor neuen Schlägen und durch die anstrengenden Vernehmungen physisch und psychisch erschöpft, unterschrieb der Beschuldigte schließlich die Protokolle. Er wurde aufgrund seines Geständnisses durch Urteil des Bezirksgerichts Frankfurt (Oder) vom 25. Juni 1955 wegen Spionage zu neun Jahren Zuchthaus verurteilt und befand sich in dieser Sache bis 1963 in Strafhaft.
Im Herbst 1964 oder im Jahr 1965 nahm der Angeklagte im Rang eines Majors als Abteilungsleiter in der genannten Hauptabteilung an einer von dem Zeugen B geleiteten Vernehmung des damaligen Beschuldigten und Untersuchungsgefangenen S wegen des Vorwurfs der Spionage im schweren Fall und der versuchten Republikflucht teil. Da sich der damalige Beschuldigte zunächst weigerte, eine Spionage zu gestehen und andere Personen der Spionage zu bezichtigen, drohte der Angeklagte ihm an, daß er in das sogenannte „U-Boot“ in der Haftanstalt Hohenschönhausen kommen werde, wenn er nicht gestehe. Bei dem sogenannten „U-Boot“ handelte es sich um einen fensterlosen, feuchten und kalten Kellerraumtrakt, dessen Türbeleuchtungen immer eingeschaltet waren. Aus Angst vor einer dortigen Unterbringung gab der damalige Beschuldigte das gewünschte Geständnis ab. Aufgrund dieses Geständnisses wurde er am 23. Dezember 1965 durch das Oberste Gericht der DDR wegen fortgesetzter Spionage im schweren Fall zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Er wurde am 30. Juli 1981 in die Bundesrepublik Deutschland abgeschoben.
II.
In Fällen der Aussageerpressung gegen Beschuldigte, die politischer Straftaten nach dem Strafrecht der DDR beschuldigt wurden, hat die Verjährung in der DDR aufgrund eines quasigesetzlichen Verfolgungshindernisses geruht.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hatte die Staatspraxis der DDR, Straftaten aus politischen oder sonst mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbaren Gründen generell nicht zu verfolgen, grundsätzlich die Wirkung eines gesetzlichen Verfolgungshindernisses im Sinne des § 83 Nr. 2 StGB-DDR (vgl. – deklaratorisch – Art. 1 des [1.] Verjährungsgesetzes vom 26. März 1993, BGBl I 392). Entsprechend wird das Ruhen der Verjährung angenommen für Schüsse an der innerdeutschen Grenze, für von Angehörigen der DDR-Justiz in politischen Strafsachen begangene Rechtsbeugungen und damit tateinheitlich zusammentreffende Delikte, für vom MfS veranlaßte Verschleppungen von Bundesbürgern in die DDR, für Freiheitsberaubungen durch politische Denunziationen, für Körperverletzungen an Gefangenen durch Strafvollzugsbedienstete der DDR und für die systematische Vergabe schädlicher Dopingmittel an uneingeweihte minderjährige Sportler (BGHR StGB § 78b Abs. 1 – Ruhen 8 zusammenfassend m.N.).
2. Diese Grundsätze gelten auch für Straftaten der vorliegenden Art.
a) Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, daß solche Taten nach dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen der Staats- und Parteiführung der DDR aus politischen Gründen nicht geahndet worden wären.
b) Alledem steht auch nicht entgegen, daß – wie von der Revision vorgetragen wird – das Stadtbezirksgericht Berlin-Lichtenberg den früheren Leiter der Kreisdienststelle Malchin des MfS am 28. Februar 1958 wegen fortgesetzter Aussageerpressung und fortgesetzter Tierquälerei zu einem Jahr und sechs Monaten Zuchthaus verurteilt hat. Sollte es sich um einen Fall mit politischem Hintergrund handeln, liegt offenbar ein besonderer Ausnahmefall vor (vgl. BGHR StGB § 78b Abs. 1 – Ruhen 2).
3. Das besonders lange Zurückliegen der beiden ersten, im Jahr 1955 begangenen Taten und das relativ geringe Maß der dabei begangenen Kör-
perverletzungen stehen einer Anwendung der oben genannten Grundsätze nicht entgegen. Denn zum einen wurden diese Taten gegen einen hilflosen Untersuchungsgefangenen unter den Umständen einer Aussageerpressung begangen, die nach dem zur Tatzeit in der DDR geltenden § 343 RStGB mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bedroht war. Zum anderen kann nicht außer Betracht bleiben, daß der Angeklagte sein Tatverhalten mit der dritten Tat in den Jahren 1964/1965 einschlägig fortgesetzt hat.
III.
Das Zwischenrecht (§ 243 StGB-DDR) ist nicht milder, weil es im Gegensatz zu § 343 StGB die Verhängung einer Freiheitsstrafe bei Aussetzung ihrer Vollstreckung zur Bewährung nicht ermöglicht (zur entsprechenden Situation bei der Rechtsbeugung vgl. BGHSt 41, 247, 277).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer ein bestimmtes hochverräterisches Unternehmen gegen den Bund vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Wer ein bestimmtes hochverräterisches Unternehmen gegen ein Land vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(1) Die Verjährung ruht
- 1.
bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres des Opfers bei Straftaten nach den §§ 174 bis 174c, 176 bis 178, 182, 184b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, auch in Verbindung mit Absatz 2, §§ 225, 226a und 237, - 2.
solange nach dem Gesetz die Verfolgung nicht begonnen oder nicht fortgesetzt werden kann; dies gilt nicht, wenn die Tat nur deshalb nicht verfolgt werden kann, weil Antrag, Ermächtigung oder Strafverlangen fehlen.
(2) Steht der Verfolgung entgegen, daß der Täter Mitglied des Bundestages oder eines Gesetzgebungsorgans eines Landes ist, so beginnt die Verjährung erst mit Ablauf des Tages zu ruhen, an dem
- 1.
die Staatsanwaltschaft oder eine Behörde oder ein Beamter des Polizeidienstes von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt oder - 2.
eine Strafanzeige oder ein Strafantrag gegen den Täter angebracht wird (§ 158 der Strafprozeßordnung).
(3) Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein Urteil des ersten Rechtszuges ergangen, so läuft die Verjährungsfrist nicht vor dem Zeitpunkt ab, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.
(4) Droht das Gesetz strafschärfend für besonders schwere Fälle Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren an und ist das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet worden, so ruht die Verjährung in den Fällen des § 78 Abs. 3 Nr. 4 ab Eröffnung des Hauptverfahrens, höchstens jedoch für einen Zeitraum von fünf Jahren; Absatz 3 bleibt unberührt.
(5) Hält sich der Täter in einem ausländischen Staat auf und stellt die zuständige Behörde ein förmliches Auslieferungsersuchen an diesen Staat, ruht die Verjährung ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Ersuchens beim ausländischen Staat
- 1.
bis zur Übergabe des Täters an die deutschen Behörden, - 2.
bis der Täter das Hoheitsgebiet des ersuchten Staates auf andere Weise verlassen hat, - 3.
bis zum Eingang der Ablehnung dieses Ersuchens durch den ausländischen Staat bei den deutschen Behörden oder - 4.
bis zur Rücknahme dieses Ersuchens.
(6) In den Fällen des § 78 Absatz 3 Nummer 1 bis 3 ruht die Verjährung ab der Übergabe der Person an den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat bis zu ihrer Rückgabe an die deutschen Behörden oder bis zu ihrer Freilassung durch den Internationalen Strafgerichtshof oder den Vollstreckungsstaat.
(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält, - 2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist, - 3.
gewerbsmäßig stiehlt, - 4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient, - 5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist, - 6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder - 7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.
(1) Wer als Amtsträger, der zur Mitwirkung an
- 1.
einem Strafverfahren, einem Verfahren zur Anordnung einer behördlichen Verwahrung, - 2.
einem Bußgeldverfahren oder - 3.
einem Disziplinarverfahren oder einem ehrengerichtlichen oder berufsgerichtlichen Verfahren
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.