Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Nov. 2001 - 5 StR 54/01

bei uns veröffentlicht am26.11.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 54/01

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. November 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. November 2001

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Januar 2000 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch den Nebenklägern entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Zur Rüge der Verletzung des § 60 Nr. 2 StPO bemerkt der Senat: Der Vorsitzende hat in der sich über fast vier Jahre erstreckenden Hauptverhandlung den Zeugen V zweimal vereidigt, nachdem er zuvor jeweils gefragt hatte, ob der Zeuge unvereidigt bleiben könne und der Verteidiger jedesmal mitgeteilt hatte, er gebe hierzu keine Erklärung ab. Zu Recht macht die Revision geltend, daß nach § 60 Nr. 2 StPO der Zeuge nicht hätte vereidigt werden dürfen, weil er wegen Beihilfe zu der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat rechtskräftig verurteilt ist. Ein solcher Verstoß nötigt jedoch nicht ohne weiteres zur Aufhebung des Urteils. Zwar ist im allgemeinen anzunehmen , daß das Landgericht bei der Beweiswürdigung den Aussagen eines Zeugen, der unvereidigt hätte bleiben müssen, um der Vereidigung willen größere Glaubwürdigkeit beigemessen hat, als es dies sonst getan hätte (vgl. BGHSt 4, 255, 257; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 60 Rdn. 34). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist aber anerkannt , daß die Umstände des Einzelfalls eine andere Beurteilung rechtfertigen können (vgl. BGHR StPO § 60 Nr. 2 Vereidigung 4 und 5 sowie Strafvereitelung , versuchte 8; BGH, Urt. vom 13. Mai 1998 – 3 StR 566/97, inso- weit in NStZ 1998, 583 nicht abgedruckt; NStZ-RR 2001, 18; BGH, Beschl. vom 22. November 2000 – 1 StR 375/00; Senge in KK 4. Aufl. § 60 Rdn. 42). So liegt es hier. Der Generalbundesanwalt hat zu Recht darauf hingewiesen, daû sich das Urteil an keiner Stelle auf die Vereidigung des Zeugen stützt, sondern allein auf dessen schlüssige Angaben, die von anderen Zeugen und dem Mitangeklagten sowie zusätzlichen Sachbeweisen bestätigt wurden. Auch hat das Landgericht die Beteiligung des Zeugen an der Tat bedacht und seine deshalb erfolgte Verurteilung mehrfach ausdrücklich in seine Beweiswürdigung einbezogen. Der Senat kann ausschlieûen, daû das Landgericht zu einer anderen Überzeugung gelangt wäre, wenn es den Zeugen nicht vereidigt hätte.
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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 60 Vereidigungsverbote


Von der Vereidigung ist abzusehen 1. bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinde

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Nov. 2000 - 1 StR 375/00

bei uns veröffentlicht am 22.11.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 375/00 vom 22. November 2000 in der Strafsache gegen wegen Untreue u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2000 beschlossen : Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgericht
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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2002 - 1 StR 553/01

bei uns veröffentlicht am 16.05.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 553/01 vom 16. Mai 2002 in der Strafsache gegen wegen Mordes Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2002 gemäß § 206a Abs. 1 StPO beschlossen: Das Verfahren wird eingestellt. Die Staatskasse trä

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Von der Vereidigung ist abzusehen

1.
bei Personen, die zur Zeit der Vernehmung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung vom Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben;
2.
bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Datenhehlerei, Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 375/00
vom
22. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. November 2000 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 9. Februar 2000 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Die Frage der Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten war vom Landgericht
im Wege des Freibeweises zu prüfen (BGH StV 1992, 553; vgl. auch
BGH NStZ 1996, 242); die Vorschrift des § 244 Abs. 4 StPO gilt für den Freibeweis
nicht (Herdegen in KK 4. Aufl. § 244 Rdn. 12). Die – gleichfalls freibeweisliche
(BGH NStZ 1993, 141) – revisionsgerichtliche Überprüfung ergibt,
daß der Angeklagte verhandlungsfähig war.
2. Bezüglich des Zeugen Z. bestand kein Vereidigungsverbot. Der
dem Tatrichter zuzugestehende Ermessensspielraum bei der Beurteilung des
Teilnahmeverdachts (BGHSt 39, 199; BGH NStZ 1998, 583) ist nicht überschritten.
Im übrigen hat Z. die Angaben des Angeklagten, denen das
Landgericht ohnehin gefolgt ist, lediglich bestätigt (UA S. 103).
3. Ob bei dem Zeugen S. ein Teilnahmeverdacht bestand, kann
offen bleiben. Immerhin wurde der Zeuge nach § 55 StPO belehrt, so daß die
Annahme fern liegt, das Landgericht habe § 60 Nr. 2 StPO übersehen. Das
Urteil beruht jedenfalls nicht auf einem eventuellen Verfahrensverstoß. Der Senat
kann ausschließen, daß das Landgericht zu einer anderen Überzeugung
gelangt wäre, wenn es S. nicht vereidigt hätte. Zwar hat es seine Überzeugung
, der Angeklagte habe P. eine Beteiligung an der Firma K.
zugesagt, auch auf die Angaben des S. gestützt. Es hat aber bedacht
, daß S. im “Lager des Angeklagten” stand, und es hat seine Feststellungen
zu diesem Punkt auch auf weitere Beweismittel (Memo des Angeklagten
vom 8. November 1997, seinen Angaben im Ermittlungsverfahren und
den Zeugen H. , J. , So. und Z. ) gestützt.
4. Der Senat kann offen lassen, ob die den Mangel enthaltenden Tatsachen
vollständig angegeben sind, soweit gerügt wurde, das Landgericht hätte
beim Angeklagten beschlagnahmte Dateien – für den früheren Verteidiger bestimmte
und offenbar auch abgesandte Schreiben – als Verteidigungsunterlagen
nicht verwerten dürfen. Die Revision hat nämlich nicht vorgetragen, daß
bei dem früheren Verteidiger wegen des Verdachts der Beihilfe (§ 97 Abs. 2
Satz 3 StPO) zu der hier abgeurteilten (noch nicht beendeten) Untreue Handakten
beschlagnahmt worden waren, die auch Beweismittel im vorliegenden
Verfahren waren (vgl. BGHSt 37, 245, 248). Die Revision teilt auch nicht mit,
ob der – gewichtige (BGH NJW 1973, 2035) – Beteiligungsverdacht gegen den
früheren Verteidiger erst nach der Beschlagnahme beim Angeklagten entstanden
ist (vgl. dazu einerseits BGHSt 18, 227, 228, 229; 25, 168, 169; BGH NStZ
1983, 85 und andererseits Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 97
Rdn. 20). Mithin kommt in Betracht, daß die beim Angeklagten beschlagnahm-
ten Dateien – oder auch beim früheren Verteidiger beschlagnahmte Schreiben
– verwertbar waren.
Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Zwar ist die im Beschluß des Landgerichts
vom 7. Oktober 1999 geäußerte Rechtsauffassung unrichtig, beim Angeklagten
verbliebene Dateien von an seinen Verteidiger übersandten schriftlichen
Mitteilungen seien keine beschlagnahmefreien Verteidigungsunterlagen
und unterlägen deshalb keinem Verwertungsverbot (vgl. BGHSt 44, 46). Auf
diesen Schriftstücken beruht das Urteil aber nicht.

a) Das verlesene Schreiben des Angeklagten vom 4. Februar 1998 wird
nur im Zusammenhang mit der Frage gewürdigt, ob die Übertragung der Anteile
an der österreichischen Gesellschaft grundsätzlich vereinbart worden war.
Das aber hat der Angeklagte unabhängig davon glaubhaft gestanden und auch
in weiteren Schreiben bestätigt (UA S. 97, 108).

b) Durch den Inhalt des “erörterten” Memos vom 14. Februar 1998, der
den Untreuevorwurf allenfalls am Rande betrifft, wird die ohnehin für glaubhaft
gehaltene Einlassung des Angeklagten lediglich bestätigt.

c) Daß das Schreiben des Angeklagten vom 13. April 1998 bei dem Urteil
Berücksichtigung fand, ist nicht ersichtlich.

d) Es ist nicht bewiesen, daß die Feststellungen auf UA S. 70 zu dem
am 16. Februar 1998 erfolgten Einigungsversuch maßgeblich auf das verlesene
Memo des Angeklagten von diesem Tag gestützt sind. Immerhin handelte
es sich bei der in dem Memo festgehaltenen Einigungsgrundlage um einen bei
dem Treffen gemachten Vorschlag des GesprächsteilnehmersH. . Dieser
wurde in der Hauptverhandlung gehört, so daß es naheliegend erscheint,
daß die Feststellungen auf dessen zeugenschaftlichen Bekundungen beruhen.
Zwar ist bei der Beweiswürdigung (UA S. 106) ausgeführt, daß die Diskussionspunkte
des Gesprächs durch das “erörterte Memo ... im einzelnen belegt”
worden seien. Aber auch das muß nicht bedeuten, daß das Landgericht seine
Überzeugung vom genauen Inhalt der Einigungsgrundlage auf die verlesene
Urkunde gestützt hat, denn auch andere Teilnehmer des Treffens wurden als
Zeugen gehört und haben den dort gemachten Vorschlag H. s bestätigt.
5. Die mit der Sachrüge angegriffene Schadensberechnung weist keinen
Rechtsfehler auf. Darauf, ob nach Handelsrecht eine Rückstellung für Schadensersatzforderungen
der DeTe Medien erfolgen mußte, kommt es bei dem
für die Untreue maßgeblichen wirtschaftlichen Schadensbegriff schon deshalb
nicht an, weil sich das Landgericht rechtsfehlerfrei davon überzeugt hat, daß
der Angeklagte mit der Gründung der ausländischen Gesellschaft gerade bezweckte
, den Schadensersatzanspruch zu vereiteln. Auch sonst hat das Landgericht
den Vermögensnachteil rechtsfehlerfrei bewertet; immerhin bezifferte
der Angeklagte selbst den Wert der Gesellschaft wesentlich höher als vom
Landgericht angenommen (ca. 4 Millionen DM); für seinen eigenen Anteil (von
einem Viertel) verlangte er noch am 6. November 1997 4 Millionen DM.
Schäfer Nack Boetticher
Hebenstreit Schaal