Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2005 - 5 StR 520/05

13.12.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 520/05

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 13. Dezember 2005
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2005

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19. Juli 2005 nach § 349 Abs. 4 StPO im gesamten Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen sonstiger Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind, in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe und Besitz eines Totschlägers sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und einem Monat verurteilt und den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 850 Euro angeordnet. Die dagegen mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat hinsichtlich des gesamten Strafausspruches Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat folgendes festgestellt: Der damals 21 Jahre alte Angeklagte verkaufte im Juli 2003 in seiner Wohnung 1201 Ecstasytabletten, die später sichergestellt wurden, mit einem Gehalt von 63 g MDMA Base gewinnbringend für 1200 Euro. Dabei befand sich der Angeklagte im Besitz eines auf zwei Türrahmen abgelegten TunfaSchlagstockes und – in einem Karton im Wohnzimmerschrank deponiert – einer ungeladenen Softair-Pistole, einer Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalpistole sowie eines solchen Revolvers mit drei Reizstoffkartuschen, zwei Sportsocken mit eingeknoteten Billardkugeln und zweier Teleskopschlagstöcke. Der Angeklagte verwahrte diese dem Waffengesetz unterfallenden Gegenstände in dem Bewusstsein, sich ihrer auch im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelhandel jederzeit bedienen zu können. Am 7. März 2005 befand sich der Angeklagte ferner im Besitz von 1,5 g Marihuana, 1,36 g MDMA-haltigem Gemenge, Streckmittel und Criptütchen.
2. Die vom Landgericht für das Verbrechen des bewaffneten Betäubungsmittelhandels dem Regelstrafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG entnommene Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe hat keinen Bestand.
Das Landgericht hat in seiner Gesamtwürdigung „Vorstrafen“ des Angeklagten einbezogen (UA S. 28), obwohl er im Rechtssinn unbestraft ist. Die Feststellungen (UA S. 4 f.) weisen nämlich aus, dass zwischen 1998 und 2003 – allesamt nicht einschlägige – zwei Verfahren von Staatsanwaltschaften und vier von Amtsgerichten, davon in zwei Fällen nach Erbringung von Arbeitsleistungen, eingestellt worden sind. Zwar ist der Angeklagte am 13. April 2000 vom Amtsgericht Hamburg wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung in zwei Fällen, gemeinschaftlichen Raubes und Diebstahls mit Waffen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und mit Wirkung vom 6. Mai 2002 erlassen worden ist. Diese Verurteilung durfte aber nach Ablauf der sich aus § 46 Abs. 1 Nr. 1 lit. c BZRG ergebenden Tilgungsfrist von fünf Jahren nach § 51 Abs. 1 BZRG nicht mehr zum Nachteil des Angeklagten verwendet werden (vgl. BGH StV 2003, 444).
Daneben begegnet die Wertung des Landgerichts, alle Waffen des Angeklagten seien ihrer Art nach besonders gefährlich (UA S. 28, 29), durchgreifenden Bedenken. Diese Würdigung verstößt gegen die sich aus den Strafrahmen der §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 und Abs. 3 WaffG ergebende Abstufung der Gefährlichkeit der von diesen Vorschriften jeweils erfassten Waffen. Danach unterfallen die Waffen des Angeklagten, wie es auch das Landgericht zutreffend annimmt, lediglich der mildesten Strafvorschrift. Solches verbietet es aber dann bei der Strafzumessung, diese Waffen als besonders gefährlich zu bewerten.
3. Die Strafe wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist demnach neu zu bestimmen. Daraus folgt, dass auch die Gesamtfreiheitsstrafe nicht bestehen bleiben kann. Der Senat hebt ferner auch die für den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln festgesetzte Geldstrafe von 60 Tagessätzen (bei unterlassener Bestimmung der Tagessatzhöhe) auf. Es ist nicht auszuschließen, dass auch deren Bestimmung von den für den Angeklagten nachteiligen Erwägungen beeinflusst worden ist. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es bei den hier vorliegenden Wertungsfehlern nicht. Der neue Tatrichter wird die Strafen auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen, die lediglich durch solche Feststellungen ergänzt werden dürfen, die den bisherigen nicht widersprechen, neu festzusetzen haben. Auf § 63 BZRG wird hingewiesen.
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

Bundeszentralregistergesetz - BZRG | § 51 Verwertungsverbot


(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden. (

Bundeszentralregistergesetz - BZRG | § 63 Entfernung von Eintragungen


(1) Eintragungen im Erziehungsregister werden entfernt, sobald die betroffene Person das 24. Lebensjahr vollendet hat. (2) Die Entfernung unterbleibt, solange im Zentralregister eine Verurteilung zu Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe

Waffengesetz - WaffG 2002 | § 51 Strafvorschriften


(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer entgegen § 2 Absatz 3 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nummer 1.2.1.1 oder 1.2.1.2, eine dort genannte Schusswaffe zum Verschießen von Patronenmunition nach Anlage 1 A

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Ist die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden oder ist sie zu tilgen, so dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden.

(2) Aus der Tat oder der Verurteilung entstandene Rechte Dritter, gesetzliche Rechtsfolgen der Tat oder der Verurteilung und Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden, die im Zusammenhang mit der Tat oder der Verurteilung ergangen sind, bleiben unberührt.

(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer entgegen § 2 Absatz 3 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nummer 1.2.1.1 oder 1.2.1.2, eine dort genannte Schusswaffe zum Verschießen von Patronenmunition nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 erwirbt, besitzt, überlässt, führt, verbringt, mitnimmt, herstellt, bearbeitet, instand setzt oder damit Handel treibt.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Straftaten verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitgliedes handelt.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.

(4) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.

(1) Eintragungen im Erziehungsregister werden entfernt, sobald die betroffene Person das 24. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Die Entfernung unterbleibt, solange im Zentralregister eine Verurteilung zu Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung eingetragen ist.

(3) Die Registerbehörde kann auf Antrag oder von Amts wegen anordnen, daß Eintragungen vorzeitig entfernt werden, wenn die Vollstreckung erledigt ist und das öffentliche Interesse einer solchen Anordnung nicht entgegensteht. § 49 Abs. 3 ist anzuwenden.

(4) Die §§ 51, 52 gelten entsprechend.