Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Nov. 2018 - 5 StR 486/18

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:061118B5STR486.18.0
bei uns veröffentlicht am06.11.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 486/18
vom
6. November 2018
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
ECLI:DE:BGH:2018:061118B5STR486.18.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 6. November 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 5. Juni 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit ihrer Revision beanstandet die Angeklagte die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das Rechtsmittel hat bereits mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg. Auf die weiteren Rügen kommt es daher nicht mehr an.
2
1. Der Verfahrensbeanstandung liegt folgendes Geschehen zugrunde:
3
In der Hauptverhandlung vom 5. Juni 2018 regte der Vorsitzende nach Verlesung der Anklageschrift, der Belehrung der Angeklagten über ihre Aussagefreiheit und nach der Erklärung ihrer Aussagebereitschaft ein Rechtsge- spräch an. Über das während einer Verhandlungspause geführte Gespräch zwischen den Kammermitgliedern, der Vertreterin der Staatsanwaltschaft und der Verteidigerin teilte der Vorsitzende in der fortgesetzten Verhandlung aus- weislich des Hauptverhandlungsprotokolls mit, es habe „im Ergebnis eine vom Vorsitzenden angeregte Verständigung nach § 257c StPO ergeben, wonach die Kammer der Angeklagten im Falle eines glaubhaften Geständnisses im Sinne der Anklage die Zusage gibt, auf eine Freiheitsstrafe von nicht weniger als drei Jahren und zwei Monaten und höchsten drei Jahren und acht Monaten zu er- kennen“. Sodann stimmten die Vertreterin der Staatsanwaltschaft, die Verteidi- gerin und die Angeklagte dem Verständigungsvorschlag zu. Anschließend belehrte der Vorsitzende die Angeklagte (§ 257c Abs. 5 StPO i.V.m. § 257c Abs. 4 StPO), die danach den Anklagevorwurf im Wesentlichen einräumte. Maßgeblich hierauf stützte die Strafkammer die noch am selben Hauptverhandlungstag erfolgte Verurteilung der Angeklagten (UA S. 8 f.).
4
2. Die Revision rügt zu Recht eine fehlerhafte Anwendung der Vorschrift des § 257c Abs. 5 StPO, da die Belehrung über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts verspätet erteilt worden ist.
5
a) § 257c Abs. 5 StPO wird dahingehend verstanden, dass ein Angeklagter vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen der nach § 257c Abs. 4 StPO möglichen Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Damit soll die Fairness des Verständigungsverfahrens gesichert und zugleich die Autonomie des Angeklagten in weitem Umfang geschützt sowie einer Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit vorgebeugt werden, die mit der Aussicht auf eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze und der dadurch begründeten Anreiz- und Verlockungs- situation einhergehen kann. Der grundlegenden Bedeutung der Belehrungspflicht für die Fairness des Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit ist nur dann Rechnung getragen, wenn der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung , deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist (vgl. BVerfGE 133, 168, 224 f., 237; BGH, Beschlüsse vom 19. August 2010 – 3 StR 226/10, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 1, und vom 21. März 2017 – 5 StR 73/17, NStZ-RR 2017, 151 mwN).
6
Hier hat der Vorsitzende der Strafkammer die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO nicht im Anschluss an den Verständigungsvorschlag des Gerichts erteilt, sondern erst nach der Verständigung. Eine solche kommt – wie ausweislich der hierzu im Hauptverhandlungsprotokoll getroffenen Feststellung offenbar verkannt worden ist – nicht erst mit der Belehrung zustande, sondern bereits durch die Zustimmungserklärungen gemäß § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO. Eine Heilung des Verstoßes ist nicht erfolgt (vgl. zu deren Voraussetzungen BGH, Beschluss vom 21. März 2017 – 5 StR 73/17, aaO).
7
b) Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO). Insbesondere bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der nur geringfügig vorbestraften Angeklagten auch ohne entsprechende Belehrung durch das Gericht bekannt gewesen sein könnte, wann die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 1 StR 563/12, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 2), oder dass die Angeklagte ihr Geständnis auch bei ordnungsgemäßer Belehrung abgegeben hätte (BVerfGE aaO, 238; BVerfG, NJW 2014, 3506, 3507).
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 257c Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten


(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt. (2) Gegenstand dieser Verstä

Strafprozeßordnung - StPO | § 337 Revisionsgründe


(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

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bei uns veröffentlicht am 08.08.2019

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 73/17
vom
21. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:210317B5STR73.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 4 StPO am 21. März 2017 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 3. November 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Urkun- denfälschung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg.
2
1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
3
In der Hauptverhandlung unterrichtete die Vorsitzende der Strafkammer von einem zuvor erfolgten Verständigungsgespräch sowie dem den Verfah- rensbeteiligten übermittelten Verständigungsvorschlag der Berufsrichter. Ferner gab die Vorsitzende bekannt, dass das Gericht, nunmehr einschließlich der Schöffen, an seinem Verständigungsvorschlag festhalte. Nach Belehrung über die Aussagefreiheit eines Angeklagten erklärte der Verteidiger, der Angeklagte räume die Tatvorwürfe ein. Nachdem sich dieser die Erklärung seines Verteidigers ausdrücklich zu eigen gemacht hatte und Gutachten verlesen worden waren , versicherten der Angeklagte, sein Verteidiger sowie der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft abermals, dass sie dem Verständigungsvorschlag zustimmen. Für die Zeit nach einer Sitzungsunterbrechung weist das Hauptver- handlungsprotokoll Folgendes aus: „Die Vorsitzendeholt die versehentlich unterlassene Belehrung gemäß § 257c StPO nach und weist zusätzlich klarstellend darauf hin, dass die Kammer sich nach dem bereits erfolgten Geständnis weiterhin an den zugesagten Strafrahmen gebunden fühlt. Alle Verfahrensbeteiligten halten an der Zustimmung zum Verständigungsvorschlag fest.“
4
2. Danach rügt die Revision die Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO zu Recht.
5
Der Generalbundesanwalt hat sich in seiner Antragsschrift auf die Senatsentscheidung vom 7. August 2013 (5 StR 253/13, siehe auch BVerfG, Beschluss vom 25. August 2014 – 2 BvR 2048/13) bezogen, in der es u.a. heißt: „§ 257c Abs. 5 StPO sieht vor, dass der Angeklagte vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen der nach § 257c Abs. 4 StPO möglichen Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Fairness des Verständigungsverfahrens sichern und zugleich die Autonomie des Angeklagten in weitem Umfang schützen. Unter anderem durch die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO soll ferner einer Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit Rechnung getragen werden, die mit der Aussicht auf eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze und der dadurch begründeten Anreiz- und Verlockungssituation einhergeht (BVerfG NJW 2013, 1058 Rn. 99; BGH, Beschlüsse vom 19. August 2010 – 3 StR 226/10, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 1, und vom 11. April 2013 – 1 StR 563/12, StraFo 2013, 286). Mit dem Grundsatz des fai- ren Verfahrens ist eine Verständigung regelmäßig nur dann zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Der grundlegenden Bedeutung der Belehrungspflicht für die Fairness des Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit ist nur dann Rechnung getragen, wenn der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist. Nur so ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt (BVerfG aaO, Rn. 125). Eine Heilung des Verstoßes ist nicht eingetreten. Sie hätte hier eine rechtsfehlerfreie Wiederholung des von dem Verfahrensfehler betroffenen Verfahrensabschnitts vorausgesetzt. Dafür hätte es … eines ausdrücklichen Hinweises auf den Fehler und auf die daraus folgende gänzliche Unverbindlichkeit der Zustimmung des Angeklagten bedurft sowie einer Nachholung der versäumten Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO und der erneuten Einholung einer nunmehr verbindlichen Zustimmungserklärung. Dem entspräche eine von der Verteidigung in Erwägung gezogene qualifizierte Belehrung.“
6
Der Generalbundesanwalt führt sodann weiter aus: „Diese Erwägungen müssen im Ergebnis auch hier gelten. Eine qualifizierte Belehrung des Angeklagten nach Maßgabe der vorgenannten Entscheidung ist nicht erfolgt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte wusste, dass er nunmehr wieder autonom darüber entscheiden konnte, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, Gebrauch macht (‚gänzliche Unverbindlichkeit der Zustimmung‘), bestehen nicht.
Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat wird die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen können. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt.“
7
Dem schließt sich der Senat an.

Sander Schneider Dölp
König Berger

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 73/17
vom
21. März 2017
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:210317B5STR73.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 4 StPO am 21. März 2017 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 3. November 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, mit Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Urkun- denfälschung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg.
2
1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
3
In der Hauptverhandlung unterrichtete die Vorsitzende der Strafkammer von einem zuvor erfolgten Verständigungsgespräch sowie dem den Verfah- rensbeteiligten übermittelten Verständigungsvorschlag der Berufsrichter. Ferner gab die Vorsitzende bekannt, dass das Gericht, nunmehr einschließlich der Schöffen, an seinem Verständigungsvorschlag festhalte. Nach Belehrung über die Aussagefreiheit eines Angeklagten erklärte der Verteidiger, der Angeklagte räume die Tatvorwürfe ein. Nachdem sich dieser die Erklärung seines Verteidigers ausdrücklich zu eigen gemacht hatte und Gutachten verlesen worden waren , versicherten der Angeklagte, sein Verteidiger sowie der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft abermals, dass sie dem Verständigungsvorschlag zustimmen. Für die Zeit nach einer Sitzungsunterbrechung weist das Hauptver- handlungsprotokoll Folgendes aus: „Die Vorsitzendeholt die versehentlich unterlassene Belehrung gemäß § 257c StPO nach und weist zusätzlich klarstellend darauf hin, dass die Kammer sich nach dem bereits erfolgten Geständnis weiterhin an den zugesagten Strafrahmen gebunden fühlt. Alle Verfahrensbeteiligten halten an der Zustimmung zum Verständigungsvorschlag fest.“
4
2. Danach rügt die Revision die Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO zu Recht.
5
Der Generalbundesanwalt hat sich in seiner Antragsschrift auf die Senatsentscheidung vom 7. August 2013 (5 StR 253/13, siehe auch BVerfG, Beschluss vom 25. August 2014 – 2 BvR 2048/13) bezogen, in der es u.a. heißt: „§ 257c Abs. 5 StPO sieht vor, dass der Angeklagte vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen der nach § 257c Abs. 4 StPO möglichen Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis zu belehren ist. Hiermit wollte der Gesetzgeber die Fairness des Verständigungsverfahrens sichern und zugleich die Autonomie des Angeklagten in weitem Umfang schützen. Unter anderem durch die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO soll ferner einer Gefährdung der Selbstbelastungsfreiheit Rechnung getragen werden, die mit der Aussicht auf eine das Gericht bindende Zusage einer Strafobergrenze und der dadurch begründeten Anreiz- und Verlockungssituation einhergeht (BVerfG NJW 2013, 1058 Rn. 99; BGH, Beschlüsse vom 19. August 2010 – 3 StR 226/10, BGHR StPO § 257c Abs. 5 Belehrung 1, und vom 11. April 2013 – 1 StR 563/12, StraFo 2013, 286). Mit dem Grundsatz des fai- ren Verfahrens ist eine Verständigung regelmäßig nur dann zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist. Der grundlegenden Bedeutung der Belehrungspflicht für die Fairness des Verfahrens und die Selbstbelastungsfreiheit ist nur dann Rechnung getragen, wenn der Angeklagte vor dem Eingehen einer Verständigung, deren Bestandteil das Geständnis ist, vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung informiert ist. Nur so ist gewährleistet, dass er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, (weiterhin) Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt (BVerfG aaO, Rn. 125). Eine Heilung des Verstoßes ist nicht eingetreten. Sie hätte hier eine rechtsfehlerfreie Wiederholung des von dem Verfahrensfehler betroffenen Verfahrensabschnitts vorausgesetzt. Dafür hätte es … eines ausdrücklichen Hinweises auf den Fehler und auf die daraus folgende gänzliche Unverbindlichkeit der Zustimmung des Angeklagten bedurft sowie einer Nachholung der versäumten Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO und der erneuten Einholung einer nunmehr verbindlichen Zustimmungserklärung. Dem entspräche eine von der Verteidigung in Erwägung gezogene qualifizierte Belehrung.“
6
Der Generalbundesanwalt führt sodann weiter aus: „Diese Erwägungen müssen im Ergebnis auch hier gelten. Eine qualifizierte Belehrung des Angeklagten nach Maßgabe der vorgenannten Entscheidung ist nicht erfolgt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte wusste, dass er nunmehr wieder autonom darüber entscheiden konnte, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, Gebrauch macht (‚gänzliche Unverbindlichkeit der Zustimmung‘), bestehen nicht.
Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat wird die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen können. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt.“
7
Dem schließt sich der Senat an.

Sander Schneider Dölp
König Berger

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe.

(2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 563/12
vom
11. April 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. April 2013 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 1. Juni 2012 gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tatmehrheit mit schwerem sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit seiner Revision beanstandet der Angeklagte die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
1. Die Revision des Angeklagten ist zulässig erhoben. Zwar reicht zur Wahrung einer Rechtsmittelfrist die Einreichung einer in fremder Sprache (hier: englischer Sprache) gehaltenen Rechtsmittelschrift an sich nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1981 - 1 StR 815/80, BGHSt 30, 182 unter Hinweis auf § 184 GVG). Bei dem am 8. Juni 2012 bei Gericht eingegangenen und nur aus wenigen Zeilen bestehenden Schreiben des Angeklagten vom 5. Juni 2012 ist jedoch bereits der Betreffzeile zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Angeklagte das gegen ihn am 1. Juni 2012 ergangene Urteil des Landgerichts München I mit dem dafür zulässigen Rechtsmittel (vgl. § 300 StPO) anfechten will (§ 341 Abs. 1 StPO). Dies genügte hier zur wirksamen Einlegung der Revision. Sie wurde vom Verteidiger des Angeklagten in deutscher Sprache begründet.
3
2. Die Revision des Angeklagten hat bereits mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg. Auf die weiteren Rügen kommt es daher nicht mehr an.
4
a) Der Verfahrensbeanstandung liegt folgendes Geschehen zugrunde:
5
Dem Urteil des Landgerichts ging eine Verständigung gemäß § 257c StPO voraus. Darin sicherte das Landgericht dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als drei Jahren und neun Monaten zu. Eine Belehrung im Sinne des § 257c Abs. 5 StPO wurde dem Angeklagten nicht erteilt. Im Hinblick auf die getroffene Verfahrensabsprache räumte der Angeklagte die ihm - nach Teileinstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO noch - zur Last liegenden Tatvorwürfe vollumfänglich ein. Das Landgericht erachtete das Geständnis des Angeklagten insbesondere deshalb für glaubhaft, weil es sich mit den Angaben des Tatopfers, eines Kindes , die dieses im Ermittlungsverfahren und anlässlich einer richterlichen Videovernehmung gemacht hatte, im Kernbereich deckte (UA S. 13). Die Strafkammer hielt sich an die Verständigung und verhängte gegen den Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten.
6
b) Mit seiner Revision macht der Angeklagte nun geltend, ihm sei zu Unrecht vor der Verständigung keine Belehrung über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis der Verständigung nach § 257c Abs. 4 StPO erteilt worden. Dies habe Auswirkungen auf sein Prozessverhalten gehabt. Wäre er gemäß § 257c Abs. 5 StPO belehrt worden, hätte er „in anderer Weise“ (als durch ein Geständnis) auf die Beweisaufnahme eingewirkt und eventuell weitere Beweisanträge gestellt.
7
Der Umstand, dass sich das Landgericht an die Verständigung gehalten habe, lasse ein Beruhen des Urteils auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 5 StPO nicht entfallen; denn bei einem Angeklagten, dem nicht bewusst sei, dass das Gericht von dem in der Verständigung in Aussicht gestellten Ergebnis unter den Voraussetzungen des § 257c Abs. 4 StPO abweichen darf, liege es nahe, dass er als Risiko seines Handelns - insbesondere seines Geständnisses - nur eine Verurteilung im Rahmen der gerichtlichen Zusage einkalkuliere. Die „Abwägungsentscheidung“, ob ein Angeklagter ein Geständnis ablege, könne aber anders ausfallen, wenn dieser die Voraussetzungen kenne, unter denen die Bindung des Gerichts an die Verständigung entfalle.
8
c) Der vom Angeklagten geltend gemachte Rechtsfehler liegt vor. Die Belehrung gemäß § 257c Abs. 5 StPO ist eine wesentliche Förmlichkeit, die in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen gewesen wäre (vgl. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO). Da es hieran fehlt, ergibt sich im Hinblick auf die negative Beweiskraft des Protokolls (§ 274 Satz 1 StPO), dass der Angeklagte nicht gemäß § 257c Abs. 5 StPO darüber belehrt wurde, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Folgen das Gericht von dem in Aussicht gestellten Ergebnis abweichen kann. Der Angeklagte wurde daher vom Gericht nicht in die Lage versetzt, eine autonome Entscheidung über seine Mitwirkung an der Verständigung zu treffen (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 Bv2 BvR 2883/10 und 2 BvR 22 BvR 2155/11 - Rn. 99, NJW 2013, 1058, 1067).
9
d) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil. Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus- nahmsweise ein Beruhen des Urteils auf der Verletzung der Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 5 StPO ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfG aaO Rn. 99), liegen nicht vor. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem nicht vorbestraften Angeklagten auch ohne entsprechende Belehrung durch das Gericht - etwa aus anderen Strafverfahren oder Gesprächen mit seinem Verteidiger - bekannt gewesen sein könnte, wann die Bindung des Gerichts an eine Verständigung entfällt.
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Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der Verstoß gegen die Belehrungspflicht aus § 257c Abs. 5 StPO hier in der Weise ursächlich auf das Prozessverhalten des Angeklagten ausgewirkt hat, dass er kein Geständnis abgelegt und sich vielmehr gegen den Tatvorwurf verteidigt hätte, wenn er ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Solches liegt zwar im Hinblick auf die Beweislage bei Anklageerhebung nicht nahe, ist aber angesichts des Umstandes, dass ohne das Geständnis des Angeklagten letztlich im Wesentlichen die Frage der Glaubhaftigkeit der Angaben eines Kindes zu den Vorwürfen an ihm begangener Taten (schweren) sexuellen Missbrauchs gemäß §§ 176, 176a StGB für den Tatnachweis ausschlaggebend sein könnte, auch nicht lediglich eine entfernte Möglichkeit. Insoweit in Betracht kommende Beweisanträge liegen auf der Hand. Der Umstand, dass die Bindung des Gerichts an die Verständigung hier nicht gemäß § 257c Abs. 4 StPO entfallen ist und das Landgericht die zugesagte Strafobergrenze eingehalten hat, schließt das Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensverstoß nicht aus (vgl. BVerfG aaO Rn. 127).
Rothfuß Graf Jäger Cirener Radtke

(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.

(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.

(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.

(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.