5 StR 370/06
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 25. Oktober 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Nötigung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. Oktober 2006 beschlossen
:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 9. Mai 2006 gemäß § 349
Abs. 4
StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1 Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchter Nötigung in
zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, Bedrohung in
fünf Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beleidigung, sowie wegen
Beleidigung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und
drei Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus angeordnet.
2 Die Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
3 Nach den Feststellungen des Landgerichts bedrohte und beleidigte die
Angeklagte die Modeschöpferin S. sowie deren Lebensgefährtin im Zeitraum
von Oktober 2004 bis März 2005 durch eine Vielzahl von Telefonanrufen.
Zwei dieser mit Drohungen verknüpften Telefonate – einmal wendete
sich die Angeklagte an eine Zeitungsredakteurin – hat das Landgericht zudem
als versuchte Nötigungen gewertet. In Frau S. hatte sich die Angeklagte
aus der Ferne in dem Wahn verliebt, diese sei an ihr sexuell interessiert.
4 In Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Sachverständigen hat
das Landgericht bei der Angeklagten eine anhaltende wahnhafte Störung
angenommen. Differentialdiagnostisch könne es sich auch um eine paranoide
Schizophrenie handeln. Im Rahmen des Krankheitsbildes zeigten sich bei
der Angeklagten ein Liebes-, Verfolgungs- und Beziehungswahn. Die Angeklagte
leide an Störungen des formalen Gedankenganges und eventuell an
akustischen Halluzinationen. Sie habe die Taten in einem Zustand der wachsenden
inneren Angst und Bedrängnis gegenüber der von ihr erlebten Verfolgung
sowie in einem Zustand zunehmender Aggressivität angesichts der
Frustration nicht erwiderter Liebe begangen. „Ihr Denken sei ganz durch ihr
Wahnsystem bestimmt worden und sie habe keine Handlungsalternativen
mehr gesehen.“ Mit dem Sachverständigen hat die Kammer aufgrund dieser
Diagnose eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung
angenommen, eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit jedoch ohne
nähere Begründung ausgeschlossen.
5 Angesichts dieser Diagnose und der von Wahnerleben geprägten Taten
ist ein Ausschluss der Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung nicht tragfähig
begründet. Dies muss zur Aufhebung des Urteils führen.
6 Der neue Tatrichter wird – auch unter Beachtung der Ausführungen in
der Antragsschrift der Bundesanwaltschaft – bei erneuter Prüfung der Voraussetzungen
des
§ 63 StGB naheliegend nicht nur die früheren therapeutischen
Interventionen, sondern auch die jüngste Entwicklung der Verhältnisse
der Angeklagten hinreichend zu beachten haben. Zudem ist wegen der be-
sonders schwerwiegenden Folgen einer solchen Maßregel eine sorgfältige
Auseinandersetzung mit dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger schwerer
Störungen des Rechtsfriedens erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom
26. Mai 1992 – 5 StR 203/92).
Häger Gerhardt Raum
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