Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2015 - 5 StR 296/15
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Diebstahl, Amtsanmaßung und Fahren ohne Fahrerlaubnis schuldig gesprochen und ihn unter Auflösung einer Gesamtfreiheitsstrafe aus einem näher bezeichneten Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. Dezember 2014 sowie unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus diesem Urteil und aus den in dieses wiederum einbezogenen Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. November 2012 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt, von denen ein Monat als Kompensation für rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung als vollstreckt gilt. Darüber hinaus hat es einen Adhäsionsausspruch getroffen. Die Revision des Angeklagten ist lediglich im Umfang der Beschlussformel erfolgreich; überwiegend ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- Entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts ist der Gesamtstrafenausspruch aufzuheben. Dieser kann keinen Bestand haben, weil das Landgericht die gesondert verhängte Geldstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. November 2012 zur Bildung der Gesamtfreiheitsstrafe herangezogen hat. Dies ist rechtsfehlerhaft; denn dadurch wird dem Angeklagten unter Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot, das auch bei § 55 StGB gilt (vgl. Rissing-van Saan in LK, StGB, 12. Aufl., § 55 Rdn. 44), ein Rechtsvorteil genommen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2009 – 3 StR 463/09). Das Verbot der reformatio in peius gilt ungeachtet dessen, dass die gesonderte Verhängung einer Geldstrafe durch das Landgericht Berlin für den am 18. Juni 2011 begangenen Diebstahl rechtsfehlerhaft war, da die durch Strafbefehl des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 19. Juli 2011 verhängte Geldstrafe zum Zeitpunkt dieses Urteils bereits erledigt war und keine Zäsurwirkung mehr entfalten konnte (vgl. UA S. 34).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 1. Juni 2007 wegen Betruges unter Einbeziehung der durch Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 19. Mai 2004 ( KLs Js ) erkannten Strafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 27. März 2008 das Urteil im Strafausspruch aufgehoben, die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten, im Umfang der Aufhebung die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgericht zurückverwiesen sowie die weitergehende Revision verworfen. Grund für die Aufhebung des Strafausspruchs war, dass das Landgericht die festgestellte Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung in einer der inzwischen geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 52, 124) nicht gerecht werdenden Weise kompensiert hatte.
- 2
- Nach der neuen Verhandlung hat das Landgericht gegen den Angeklagten unter Einbeziehung der durch Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 19. Mai 2004 erkannten Strafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verhängt und ausgesprochen, dass ein Jahr und sieben Monate der Strafe als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts.
- 3
- Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zu der wegen Betruges verhängten Einzelstrafe aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
- 4
- Das Urteil kann jedoch im Gesamtstrafenausspruch keinen Bestand haben. Hierzu hat der Generalbundesanwalt ausgeführt: "Die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB begegnet hingegen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe hat die Strafkammer davon abgesehen , von § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB Gebrauch zu machen und hat die aus dem Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 19. Mai 2004 einzubeziehende Gesamtgeldstrafe in Höhe von 360 Tagessätzen nicht gesondert bestehen lassen. Da die Einbeziehung der Geldstrafe zu einer Erhöhung der Gesamtfreiheitsstrafe führt, begründet dies einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (BGH NStZ - RR 1998, 136 m.w.N.; Fischer StGB, 56. Aufl. § 55 Rdnr. 8). Jede Erhöhung einer Freiheitsstrafe - selbst bei Wegfall der Geldstrafe - ist als das schwerere Übel anzusehen (Senat, Urteil vom 21. Mai 1975 - 3 StR 71/75 (S))."
- 5
- Dem schließt sich der Senat an. Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer