Bundesgerichtshof Beschluss, 14. März 2012 - 5 StR 28/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und wegen Körperverletzung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und im Adhäsionsausspruch auf eine Zahlung an die Nebenklägerin in Höhe von 20.000 € nebst Zinsen erkannt. Die Revision er- zielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
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- 1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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- a) Es kam zu sieben gewaltsamen Übergriffen des unbestraften Angeklagten zum Nachteil seiner Ehefrau, der Nebenklägerin:
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- Im Herbst 2007 schlug der Angeklagte der Nebenklägerin zweimal mit der flachen Hand ins Gesicht (Fälle 6 und 7 – vorsätzliche Körperverletzung: je 60 Tagessätze Geldstrafe). Anlässlich eines Streits um einen vom Angeklagten vermuteten Liebhaber im August 2008 misshandelte der Angeklagte die Nebenklägerin wiederholt erheblich (Fälle 1 und 2 – vorsätzliche Körperverletzung : je 6 Monate Freiheitsstrafe). Aus gleichem Anlass warf er zwei Tage später einen Holzstuhl in Richtung der Nebenklägerin, dem sie ausweichen konnte (Fall 3 – versuchte gefährliche Körperverletzung: 60 Tagessätze Geldstrafe). Anschließend prügelte er auf sie ein, würgte sie und drohte, sie umzubringen (Fall 4 – gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung : 10 Monate Freiheitsstrafe). Nach Schlichtungsversuchen Dritter warf der Angeklagte der Nebenklägerin ein Schlüsselbund ins Gesicht (Fall 5 – gefährliche Körperverletzung: 6 Monate Freiheitsstrafe).
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- In allen Fällen dieser Tatserie hat das Landgericht seine Feststellungen neben den Angaben der Nebenklägerin auf weitere Beweismittel stützen können.
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- b) Nach dem letzten Vorfall trennte sich die Nebenklägerin von dem Angeklagten. In dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren berief sie sich im August 2008 auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Sie hatte sich während des Tatzeitraums zu den einzelnen Vorfällen Notizen gemacht und hieraus auf den Rat des sie damals behandelnden Psychologen Schriftstücke erstellt. Nachdem der Angeklagte die Nebenklägerin bei jedem Kontakt im Rahmen des von ihm wahrgenommenen Umgangsrechts mit der ehelichen Tochter beleidigt und bedroht hatte, erkundigte sie sich im Jahr 2010 bei der Polizei, „was sie tun könne“. Die Nebenklägerin entschloss sich, Angaben zu ma- chen, und vereinbarte mit dem Vernehmungsbeamten, dass sie die Vorfälle aufschreiben werde. Die bei der Vernehmung schließlich verwendeten Schriftstücke hatte sie gemeinsam mit ihrem späteren Lebensgefährten unter Verwendung ihrer während des Tatzeitraums gefertigten Notizen erstellt. Auf der Grundlage alleiniger Angaben der Nebenklägerin zum jeweiligen Kerngeschehen hat sich das Landgericht insoweit von drei Vergewaltigungen durch den Angeklagten überzeugt:
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- Am Abend des Rosenmontags 2004 oder 2005 oder 2006 weigerte sich die Nebenklägerin, dem Angeklagten aus der Garage Bier zu holen. Der Angeklagte schubste sie zu Boden, trat und schlug mehrfach auf sie ein. Später riss ihr der mit einer Reitgerte ausgestattete Angeklagte im Schlafzimmer das Nachthemd auf und packte sie schmerzhaft an den Brüsten. Er drang mit einem Finger – ihr Schmerzen verursachend – in ihre Scheide ein und verlangte Befriedigung mit der Hand. Aus Angst vor weiteren Schlägen kam sie dem nach. Der Angeklagte drückte sie an den Schultern auf den Rücken und vollzog den vaginalen Geschlechtsverkehr, unterbrochen von mehrfachem Oralverkehr. Nach vergeblichen Versuchen, den Geschlechtsverkehr von hinten auszuüben, drehte der Angeklagte seine Ehefrau auf den Rücken, spreizte ihre Beine und schob den Griff der Reitgerte in ihre Scheide. Er bewegte die Gerte vor und zurück und zog sie wieder heraus. Nach vom Angeklagten verlangtem Eincremen seines Gliedes und der Scheide seiner Frau mit Vaseline vollzog er den vaginalen Geschlechtsverkehr von hinten und schlug mit der Reitgerte mehrfach auf den Rücken der Nebenklägerin (Fall 10 – besonders schwere Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung: 6 Jahre Freiheitsstrafe).
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- Am Abend des 9. März 2005 sagte der Angeklagte nach einer vorangegangenen tätlichen Auseinandersetzung im Bett zu seiner Frau, er werde ihr zeigen, was passiere, wenn sie „aufmüpfig“ sei. Er drehte sie gewaltsam auf den Rücken, zog ihr den Schlüpfer aus, spreizte ihre Beine und vollzog an ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss, obgleich sie immer wieder sagte, er solle aufhören. Anschließend schlug er ihr ins Gesicht (Fall 9 – Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung : 2 Jahre und 9 Monate Freiheitsstrafe).
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- Am 25. Juni 2006 verlangte der stark alkoholisierte Angeklagte von seiner Frau, mit der Hand befriedigt zu werden. Als sie sich weigerte, drohte er ihr Schläge an. Nach Ausbleiben einer Erektion packte er sie an den Haaren , zog ihren Kopf zwischen seine Beine und verlangte den Oralverkehr. Er drückte sein Glied derart weit in ihren Mund, dass sie würgen musste. Anschließend schlug er ihr unkontrolliert mit der Hand ins Gesicht. Er fiel dann plötzlich um und schlief ein (Fall 8 – Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung: 2 Jahre Freiheitsstrafe).
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- 2. Die Revision ist hinsichtlich der Körperverletzungsfälle (Fälle 1 bis 7 der Urteilsgründe) offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die auf Verletzung der §§ 250, 256 StPO gestützte Verfahrensrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 2010 – 3 StR 402/10, StV 2011, 715; ferner BGH, Beschluss vom 21. September 2011 – 1 StR 367/11, NJW 2012, 694), die der Senat (gegen BGH, Beschluss vom 5. März1990 – 5 StR 63/90; vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. August 1999 – 3 StR 277/99, NStZ 2000, 49, 50) für zulässig erachtet, greift aus den vom Generalbundesanwalt benannten Gründen in der Sache nicht durch.
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- 3. In den Vergewaltigungsfällen ist der Schuldspruch schon aufgrund der Sachrüge wegen durchgreifender Rechtsmängel aufzuheben (vgl. BGH, Urteile vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, NJW 2007, 384, 387, insoweit in BGHSt 51, 144 nicht abgedruckt, und vom 24. Januar 2012 – 5 StR 433/11).
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- a) Das Landgericht hat es unterlassen, das sich nach den Feststellungen aufdrängende Falschbelastungsmotiv einer wahrheitswidrigen Mehrbe- lastung hinsichtlich der Vergewaltigungen – für die es keine weiteren Beweismittel gab – in die Erörterung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerin unter mehreren Aspekten einzubeziehen (vgl. Brause, NStZ 2007, 505, 507).
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- Anlass der belastenden Angaben war das Bestreben der Nebenklägerin , Beleidigungen und Bedrohungen durch den Angeklagten im Zusammenhang mit seinen Kontakten bei Ausübung des Besuchsrechts zu unterbinden. Diese Interessenlage barg ein erhöhtes Risiko einer fälschlichen Mehrbelastung. Die hierzu im weiteren Zusammenhang angestellte Erwägung des Landgerichts, die Nebenklägerin habe ihre Aussage zu keinem Zeitpunkt zum Anlass genommen, den Umgang des Angeklagten mit seiner Tochter zu beschränken, so dass die Streitigkeiten bezüglich des Besuchsumfangs als Belastungsmotiv entfielen (UA S. 13), entkräftet die Gefahr einer interessengeleiteten Mehrbelastung nicht maßgeblich.
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- Soweit das Landgericht festgestellt hat, die Nebenklägerin habe ein regelrechtes Martyrium erleiden müssen (UA S. 24), wäre zudem „Rache“ als mögliches Motiv für eine wahrheitswidrige Mehrbelastung in den Blick zu nehmen gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 – 5 StR 433/11).
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- b) Das Landgericht hat es ferner unterlassen, einen Qualitätsmangel argumentativ zu entkräften, der sich nach der Genese der Anzeige aufdrängt.
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- Die Nebenklägerin war unmittelbar nach ihrem Entschluss, den Angeklagten zu belasten, keinen Nachfragen in einer Vernehmungssituation ausgesetzt. Vielmehr hat sie das Geschehen zunächst in einer häuslichen schriftlichen Ausarbeitung sogar unter Hilfestellung ihres neuen Lebensgefährten dargelegt. Wie sich die gefertigten Schriftstücke zu den Notizen der Nebenklägerin und zu den von ihr auf Anraten ihres Psychologen erstellten Aufzeichnungen verhalten, wird genauso wenig dargestellt wie die Art der Verarbeitung der nach Absprache mit der Polizei erstellten Ausarbeitungen in der Anzeige.
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- c) Die Bewertung der Erinnerungslücken der Nebenklägerin hinsichtlich des Verbrechens der besonders schweren Vergewaltigung weist nach den Erwägungen des Landgerichts ein nicht aufgelöstes Spannungsverhältnis auf, das Anlass hätte geben müssen zu prüfen, ob hierdurch die belastende Aussage nicht insgesamt entwertet wird (vgl. Brause, aaO, S. 511 mwN). Die Strafkammer hat einerseits die Erklärung der Nebenklägerin für ihre grundsätzlich gute Erinnerung an die einzelnen Vorfälle, die Fertigung von Notizen während des Tatzeitraums und die spätere Erstellung der Schriftstücke, akzeptiert. Andererseits hat sie die weitgehend fehlende Erinnerung der Nebenklägerin an den Zeitpunkt der Haupttat, des einzigen qualifizierten Verbrechens, als nachvollziehbare Erinnerungslücke in Anbetracht des langen Zeitablaufs bewertet. Dies ist angesichts des mit einer solchen Tat verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die Persönlichkeit der Nebenklägerin und der hierdurch zwangsläufig aufkommenden Belastungen für das Familienleben schwer nachvollziehbar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 2002 – 5 StR 136/02 – und vom 12. Juli 2006 – 5 StR 236/06, StraFo 2006, 411).
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- Im Zusammenhang damit hätte dieses die Nebenklägerin besonders erniedrigende Verbrechen dem Landgericht Anlass geben müssen, im Rahmen der Glaubhaftigkeitsprüfung zu erwägen, warum sie nach dieser Tat die Beziehung zum Angeklagten nicht beendet hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 – 5 StR 433/11). Auch vor dem Hintergrund der später vollzogenen Trennung aus weitaus geringerem Anlass wird die – vom Landgericht im Zusammenhang mit der Offenbarung sexueller Übergriffe nachvollzogene – Erklärung der Nebenklägerin, sie habe sich geschämt und nicht gewollt, dass die Kinder etwas erfahren, dem Gewicht des sich infolge eines derart belastenden Verbrechens entstehenden Impulses zum Verlassen des Täters kaum gerecht (vgl. BGH aaO).
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- 4. Die Sache bedarf demnach hinsichtlich der Vergewaltigungsvorwürfe neuer Aufklärung und Bewertung. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, wird im Fall 9 einer erneuten Verurteilung wegen Körperverletzung das Verfolgungshindernis der Verjährung entgegenstehen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so ist diese in der Hauptverhandlung zu vernehmen. Die Vernehmung darf nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer Erklärung ersetzt werden.
(1) Verlesen werden können
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die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen - a)
öffentlicher Behörden, - b)
der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowie - c)
der Ärzte eines gerichtsärztlichen Dienstes mit Ausschluss von Leumundszeugnissen,
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unabhängig vom Tatvorwurf ärztliche Atteste über Körperverletzungen, - 3.
ärztliche Berichte zur Entnahme von Blutproben, - 4.
Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers, die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich seiner Rückrechnung, - 5.
Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben und - 6.
Übertragungsnachweise und Vermerke nach § 32e Absatz 3.
(2) Ist das Gutachten einer kollegialen Fachbehörde eingeholt worden, so kann das Gericht die Behörde ersuchen, eines ihrer Mitglieder mit der Vertretung des Gutachtens in der Hauptverhandlung zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen.