Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Juli 2014 - 5 StR 227/14
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen Betruges in 24 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine Revision führt mit der Sachrüge zu einer Korrektur des Schuldspruchs und zum Wegfall von sechs Einzelstrafen, bleibt indes im Übrigen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
- 2
- 1. Die Verfahrensrüge ist jedenfalls unbegründet. Der Senat teilt die Auf- fassung des Generalbundesanwalts, dass ein „Verständigungsgespräch“ (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2014 – 5 StR 217/14) auch nach dem Revisionsvorbringen bezüglich der hier geführten Vorbesprechung nicht belegt ist. Abgesehen davon läge ein Beruhen der Verurteilung auf einem Informationsdefizit des Gerichts angesichts der von der Revision selbst vorgetragenen Unterrichtung des Angeklagten durch seinen Verteidiger denkbar fern (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. April 2014 – 3 StR 89/14 Rn. 15).
- 3
- 2. Die Strafkammer ist in den Fällen 5 bis 11 der Urteilsgründe zu Unrecht vom Vorliegen von Tatmehrheit ausgegangen. Nach den Urteilsfeststellungen treffen die genannten sieben Einzeltaten tateinheitlich in einer Betrugstat zusammen, weil der Angeklagte mit dem gutgläubigen Zeugen S. eine einzige Vereinbarung im Hinblick auf von diesem durchzuführende Werbegespräche mit dem Ziel des Abschlusses von Anlageverträgen durch den Angeklagten getroffen hat (vgl. dazu Fischer, StGB, 61. Aufl., vor § 52 Rn. 11, 11a mwN). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil ausgeschlossen ist, dass sich der Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
- 4
- Infolge dessen setzt der Senat für die sieben Fälle eine Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten fest. Sie entspricht der höchsten vom Landgericht verhängten Einzelstrafe (Fall 7) in den Fällen 5 bis 11; die weiteren Einzelstrafen entfallen. Der Senat schließt angesichts des Schuldgehalts aller sieben Fälle und in der Gesamtschau sämtlicher Betrugstaten aus, dass das Landgericht eine niedrigere Einzelfreiheitsstrafe sowie Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
Dölp König
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt und angeordnet, dass von dieser Strafe sechs Monate Freiheitsstrafe als verbüßt gelten. Darüber hinaus hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen und Verfall von Wertersatz angeordnet. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
- 2
- Die Rüge der Revision, der Vorsitzende der Strafkammer habe seiner Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht im gebotenen Maße entsprochen , greift durch.
- 3
- 1. Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
- 4
- Am ersten Hauptverhandlungstag fand während einer Sitzungsunterbrechung ein Gespräch zwischen dem Vorsitzenden der Strafkammer, dem Berichterstatter , dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger statt, bei dem Möglichkeiten besprochen wurden, „den Prozessstoff zu begrenzen und die Verhandlung durch ein Geständnis zu verkürzen“. Dabei wurden auch Auffassungen über die mögliche Strafhöhe bei geständiger Einlassung ausgetauscht. Danach wurde die Hauptverhandlung fortgesetzt. Der Vorsitzende teilte lediglich mit, „dass ein Rechtsgespräch geführt wurde, das zu keinem Ergebnis geführt habe“.
- 5
- Am fünften Hauptverhandlungstag fand – wiederum in Abwesenheit des Angeklagten – ein weiteres Verständigungsgespräch statt, bei dem zwischen den Berufsrichtern, der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft für den Fall eines glaubhaften Geständnisses jeweils konkretisierte Straferwartungen und Vorstellungen hinsichtlich einer Begrenzung des Verfahrensgegenstands gemäß § 154 Abs. 2 StPO ausgetauscht wurden. Das Gespräch führte zu keinem Ergebnis. In der danach wieder fortgesetzten Hauptverhandlung berichtete der Vorsitzende, „dass ein Rechtsgespräch mit einem offenen Ergebnis stattgefunden hat“.
- 6
- 2. Diese Mitteilungen des Vorsitzenden entsprachen nicht den Anforderungen des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO. Der Generalbundesanwalt hat insoweit ausgeführt: „Nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO ist jedes Bemühen um eine Verständigung ungeachtet des Ergebnisses der Intervention mitteilungsbedürftig (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2013 1 StR 200/13 in NStZ 2014, 221, 222; weiterführend KK-Schneider, StPO, 7. Aufl., § 243 Rdnr. 39). Es ist zumindest bekanntzugeben, welchen Standpunkt die Gesprächsteilnehmer vertreten und wie sie sich zu den Ansichten der übrigen verhalten haben (vgl. statt aller: BGH, Urteil vom 10. Juli 2013 2 StR 195/12 in NStZ 2013, 667, 668 m. w. N.). Daran fehlt es hier. Die Mitteilung allein eines negativen Ergebnisses verständigungsbezogener Erörterungen genügt den Anforderungen des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht. … Ein Beruhen des Urteils auf diesem Verfahrensfehler kann nicht ausgeschlossen werden (siehe dazu auch BVerfG, NJW 2013, 1058, 1067). Dem Verfahren mangelt es an der durch das Bundesverfassungsgericht geforderten Transparenz. Der Angeklagte war an den verständigungsbezogenen Erörterungen außerhalb der Hauptverhandlung nicht beteiligt. Er hatte daher aus eigener Anschauung keine Kenntnis vom wesentlichen Inhalt der Gespräche. In einem derartigen Fall lässt sich nicht gemeinhin ausschließen, dass sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung anders als geschehen verteidigt hätte, wenn er vom Vorsitzenden über die in seiner Abwesenheit abgehandelten Umstände einer Verständigung unterrichtet worden wäre (vgl. BVerfG, NJW 2013, 1058, 1067; BGH NStZ 2013, 667, 668; Mosbacher, NZWiSt 2013, 201, 205 f.). Ein anerkannter Ausnahmefall, der der Annahme des Beruhens entgegenstehen könnte, liegt nicht vor. Der Angeklagte hat insbesondere nicht von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Deshalb kann auch hier nicht ausgeschlossen wer- den, dass das Verteidigungsverhalten des Angeklagten, der sich teilweise geständig zur Sache eingelassen hatte, durch das Informationsdefizit beeinflusst war (vgl. BVerfG, a. a. O.; BGH NStZ 2014, 221, 222 f.).“
- 7
- Dem folgt der Senat.
Dölp König
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.