Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Dez. 2011 - 5 StR 122/11

bei uns veröffentlicht am15.12.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 122/11

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 15. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Subventionsbetruges u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2011

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 4. Oktober 2010, soweit es ihn betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben
a) in den Fällen III.3 a bis m (Anwaltsrechnungen) sowie III. (Betrug zum Nachteil H. S. GmbH) mit den jeweils zugrundeliegenden Feststellungen,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und
c) über das Berufsverbot.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten E. sowie die Revision des Angeklagten C. werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Der Angeklagte C. hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten E. , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten E. – unter Freisprechung im Übrigen – wegen Subventionsbetruges in Tateinheit mit Untreue in sechs Fällen, wegen Untreue in fünfzehn Fällen, wegen Betruges sowie wegen Verletzung der Buchführungspflicht in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt sowie für die Dauer von zwei Jahren die Ausübung eines Berufs als Rechtsanwalt verboten. Von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe hat es zur Kompensation überlanger Verfahrensdauer acht Monate als vollstreckt erklärt. Den Angeklagten C. hat das Landgericht – unter Freisprechung im Übrigen – des Subventionsbetruges , des Betruges in vier tateinheitlichen Fällen, der Insolvenzverschleppung sowie der Verletzung der Buchführungspflicht in drei Fällen schuldig gesprochen und eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verhängt. Deren Vollstreckung hat es zur Bewährung ausgesetzt und zur Kompensation überlanger Verfahrensdauer zwei Monate als vollstreckt erklärt.
2
Der Revision des Angeklagten C. bleibt aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Erfolg versagt (§ 349 Abs. 2 StPO). Die auf Sach- und Verfahrensrügen gestützte Revision des Angeklagten E. hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
1. Soweit der Angeklagte E. unter III.3 lit. a bis m der Urteilsgründe wegen Untreue in 13 Fällen verurteilt worden ist, hält dies sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Strafkammer legt dem Beschwerdeführer jeweils zur Last, dass er als Rechtsanwalt gegenüber der von ihm als Mitgesellschafter gehaltenen C. GmbH Gebühren in Rechnung gestellt hat, jedoch dabei keine anwaltliche Tätigkeit, sondern „größtenteils … seine Tätigkeit als faktischer Geschäftsführer“ entlohnen wollte (UA S. 39). Das Landgericht hat ferner eine Vielzahl einzelner Abrechnungen lediglich an- hand ihres jeweiligen Aktenzeichens und des Vorgangsnamens nicht aber auch mit Beschreibungen der damit verbundenen Tätigkeit des Angeklagten dargestellt. Hierdurch bleibt dem Senat die revisionsgerichtliche Überprüfung der tatgerichtlichen Bewertung verschlossen, ob von sämtlichen Abrechnungsvorgängen keine anwaltliche Tätigkeit umfasst war. Näherer Darlegung der konkret in Rechnung gestellten Tätigkeit bedurfte es insbesondere des- halb, weil die Strafkammer selbst zugrunde gelegt hat, dass nur „größtenteils“ Tätigkeiten vergütet wurden (UA S. 39), die nicht Gegenstand anwaltli- cher Tätigkeit waren. Überdies lassen die unzulänglichen Feststellungen besorgen , dass – wie etwa der mit 185,38 € berechneten Einspruchseinlegung beim Finanzamt Freital (UA S. 115 f., 42) – auch anwaltliche Tätigkeiten, naheliegend im Zuge eines zur C. GmbH bestehenden Mandatsverhältnisses, durch den Angeklagten abgerechnet wurden.
4
2. Auch die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Betruges zum Nachteil der H. S. GmbH (Fall III.) begegnet bereits wegen unklarer Feststellungen zur Täuschungshandlung des Angeklagten durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken. Dass der Angeklagte „eine Abschlags- zahlung in Höhe von 50.000 € veranlasste“, „um die H. S. GmbH zur Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit“, nämlich der Erbringung von Werkleistungen , „zu bewegen“, belegt – auch in der Zusammenschau der Urteils- gründe – keine nachvollziehbare Täuschungshandlung.
5
3. Wegen des Wegfalls dieser Schuldsprüche, die vom Landgericht für die angeordnete Maßregel eines Berufsverbots als „Symptomtaten“ (UA S. 147) bewertet wurden, hat auch die Maßregelanordnung keinen Bestand.
6
4. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen tragen allerdings den Schuldspruch wegen (vorsätzlicher) Verletzung der Buchführungspflicht in drei Fällen gemäß § 283b Abs. 1 Nr. 1 und 3 lit. b StGB. Danach unterließen es die Beschwerdeführer E. (als faktischer Geschäftsführer ) und C. (als bestellter Geschäftsführer) „willentlich“ (UA S. 47), die Handelsbücher der C. GmbH zu führen sowie die Eröffnungsbilanz aufzustellen und einen Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2003 zu erstellen. Mit Blick auf die ebenfalls festgestellte und ausgeurteilte zweckwidrige Verwendung gewährter Subventionsmittel sowie die von beiden Beschwerdeführern begangenen Untreuehandlungen zum Nachteil von C. GmbH verstand es sich hier allerdings nicht von selbst, dass die Angeklagten nicht ausschließlich aus eigennützigen Motiven heraus handelten.
7
a) Eine Strafbarkeit könnte angesichts dessen namentlich bei Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Interessentheorie zweifelhaft sein (vgl. hierzu nur BGH, Urteile vom 20. Mai 1981 – 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128 f., vom 6. November 1986 – 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223). Nach den Grundsätzen dieser – vom 3. Strafsenat im Rahmen eines Anfrageverfahrens jüngst in Frage gestellten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2011 – 3 StR 118/11; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 1. September 2009 – 1 StR 301/09, BGHR StGB § 283 Abs. 1 Geschäftsführer 4) – Rechtsprechung ist für die Strafbarkeit des Vertreters einer juristischen Person nach § 283 StGB erforderlich, dass er zumindest auch im Interesse des Geschäftsherrn handelt (vgl. § 14 StGB); liegen hingegen beim Vertreter ausschließlich eigennützige Motive vor, so scheidet eine Bestrafung wegen Bankrotts neben einer möglichen Strafbarkeit wegen Untreue aus (vgl. nur Fischer, StGB, 58. Aufl., § 283 Rn. 4d mwN).
8
Die Rechtsprechung vermittelt zur Frage der Anwendung der Interessentheorie auf Buchführungs- und Bilanzdelikte nach § 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 8, § 283b StGB kein einheitliches Bild. Teilweise wird die Frage auch bei diesen Delikten bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 1982 – 3 StR 68/82, wistra 1982, 148, 149, Beschluss vom 14. Dezember 1999 – 5 StR 520/99, NStZ 2000, 206, 207; vgl. ferner BGH, Urteil vom 11. Oktober 1960 – 5 StR 155/60), teilweise wird sie hingegen ausdrücklich (vgl. BGH, Be- schluss vom 24. März 2009 – 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636) oder still- schweigend (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Januar 1995 – 2 StR 693/94, wistra 1995, 146, 147) verneint.
9
Unabhängig von den im Anfrageverfahren vom 3. Strafsenat angestellten grundsätzlichen Erwägungen (aaO) neigt der Senat dazu, die von der Rechtsprechung namentlich für Vermögensverschiebungen in der unternehmerischen Krise entwickelte Interessentheorie jedenfalls auf Buchführungsund Bilanzdelikte (§ 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 8, § 283b StGB) nicht anzuwenden. Gegen eine Übernahme spricht – worauf auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist – der in diesen Konstellationen objektiv eindeutige Bezug zum übertragenen Aufgabenbereich. Diese gesetzlich vermittelte Pflichtenstellung kann letztlich nicht unter dem Vorbehalt einer inneren Tendenz des Organs stehen. Für die Erfüllung von handelsrechtlichen Pflichten der juristischen Person durch ihre Organe erscheint es deshalb bedeutungslos, ob ein Handeln im Interesse des Vertretenen vorliegt (Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26; Tiedemann in LK, 12. Aufl., Vor § 283 Rn. 84). Zudem schützen diese Strafvorschriften neben den Gläubigerinteressen die Sicherheit des Geschäftsverkehrs als solchen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2001 – 4 StR 421/00, NStZ 2001, 485, 486; Tiedemann aaO, § 283 Rn. 7; Fischer aaO, Vor § 283 Rn. 3; Lackner /Kühl, StGB, 27. Aufl., § 283 Rn. 1).
10
b) Einer Entscheidung dieser Rechtsfrage bedarf es allerdings nicht. Denn das Fehlen ausdrücklicher Feststellungen zur Motivlage oder deren Erörterung in den Urteilsgründen stellt hier noch keinen durchgreifenden Rechtsmangel dar. Der Senat entnimmt nämlich dem Zusammenhang der Urteilsgründe, dass die Angeklagten mit ihrem vorsätzlichen Verstoß gegen die ihnen obliegenden Buchführungs- und Bilanzierungspflichten zumindest nicht – ausschließlich – erstrebten, die zweckwidrigen und vermögensschädigenden Mittelverwendungen zu verschleiern (UA S. 45 ff., 66 ff., 127 ff., 145 f.). Ersichtlich lag dem allein ein besonderes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber den kaufmännischen Pflichten zugrunde.
11
5. In der rechtsfehlerhaften Annahme der Strafkammer, der Beschwerdeführer habe in sämtlichen Fällen ausgeurteilter Untreue den Missbrauchstatbestand erfüllt (§ 266 Abs. 1 Variante 1 StGB), liegt keine Beschwer. Soweit in einigen Fällen als Tathandlung keine rechtsgeschäftlichen Verfügungen oder Verpflichtungen (vgl. Fischer aaO, § 266 Rn. 24), sondern eine tatsächliche Vermögensverfügung festgestellt wurde, haben die Angeklagten jedenfalls den Treubruchstatbestand (§ 266 Abs. 1 Variante 2 StGB) erfüllt. Die Tathandlungen des § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB (zweckwidrige Verwendung der Subvention) und des § 266 Abs. 1 StGB (Entzug der Mittel zu Lasten des durch die Subvention begünstigten Unternehmens) fallen dabei in einer Handlung zusammen. Beide Tatbestände stehen deshalb im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB) zueinander.
12
6. Aufrechterhalten bleibt die Entscheidung über die Kompensation für die eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung; der neue Tatrichter ist nicht gehindert, gegebenenfalls weiter entstehende Verzögerungen zu berücksichtigen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 118/11
vom
15. September 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Beihilfe zum Bankrott u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 15. September 2011 beschlossen:
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Schafft der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft Bestandteile des Gesellschaftsvermögens beiseite, so ist er auch dann wegen Bankrotts strafbar, wenn er hierbei nicht im Interesse der Gesellschaft handelt.
2. Der Senat fragt bei den anderen Strafsenaten an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

Gründe:


I.

1
1. Das Landgericht hatte die Angeklagten in einem ersten Urteil wegen Beihilfe zum Bankrott zu Geldstrafen verurteilt. Dieses Urteil hat der Senat wegen unzureichender Feststellungen aufgehoben (Beschluss vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225). Nunmehr hat das Landgericht die Angeklagten wegen Beihilfe zur Untreue in Tateinheit mit Beihilfe zum Bankrott zu Geldstrafen in Höhe von 300 Tagessätzen (Angeklagter S. ) und 200 Tagessätzen (Angeklagte L. ) verurteilt. Hiergegen wenden sich die Revisionen der Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlichrechtlichen Beanstandungen.
2
2. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten zu nahezu gleichen Teilen an der nach dem Tode des Vaters übernommenen G. S. Gruppe beteiligt. Der Angeklagte C. S. war Geschäftsführer der G. S. GmbH mit Sitz in E. . Diese Gesellschaft war Komplementärin der am selben Ort ansässigen G. S. GmbH & Co. KG (im Folgenden: S. KG), deren alleinige Kommanditisten der Angeklagte S. zu 51% und die Angeklagte L. , geborene S. , zu 49% waren. Die S. KG fungierte als Besitzgesellschaft und hielt die Anteile an der in N. ansässigen G. S. GmbH (im Folgenden: S. GmbH) sowie an der ebenfalls in N. ansässigen Se. Zucht- und Mastenten GmbH (im Folgenden: Se. GmbH), die wiederum die Anteile an weiteren Produktionsgesellschaften hielt. Der Angeklagte S. war auch in der S. GmbH und der Se. GmbH jeweils Geschäftsführer, der Angeklagten L. war Prokura erteilt.
3
Die Angeklagten betrieben bis zum Jahr 2002 mit wirtschaftlichem Erfolg u.a. unter der Marke "B. Enten" die Entenzucht und den weltweiten Vertrieb von Entenprodukten. Ein Umsatzeinbruch führte im Frühjahr 2003 zu einem erhöhten Kreditbedarf. Die beiden Hausbanken drängten auf die Einschaltung einer Unternehmensberatung, die nach einer Analyse der Firmengruppe angesichts weiter zu erwartender Verluste von knapp 4 Mio. € bis Ende 2003 neben betrieblichen Änderungen die Suche nach einem strategischen Partner für unbedingt erforderlich hielt. Das Angebot der Banken, weitere Kredite zu vergeben , sofern die Angeklagten teilweise dafür auch persönlich bürgten und den Banken einen Auftrag zur Anbahnung einer Fusion oder Übernahme erteilten, nahmen die Angeklagten nicht an, da sie befürchteten, das Interesse der Banken sei in erster Linie auf eine Übernahme ihrer Unternehmen durch einen Konkurrenten gerichtet. Sie bemühten sich in der Folgezeit unter Einschaltung externer Berater bei drei Bankhäusern vergeblich um eine Umfinanzierung.
4
Am 11. Februar 2004 meldeten die Angeklagten gegenüber ihren Haus- banken einen Verlust für 2003 von 4,6 Mio. € und kündigten einen über die be- stehenden Kredite und über einen ab Juni 2004 erwarteten Kredit zur Überbrückung saisonaler Absatzschwankungen hinausgehenden Kreditbedarf von 4,25 Mio. € an. Nach einem Gespräch mit den Banken am 13. Februar 2004, bei dem den Kreditwünschen nicht entsprochen wurde, erkannten die Angeklagten, dass der Bestand ihres Unternehmens ernsthaft in Gefahr war. Sie bemühten sich daraufhin erneut um eine Umschuldung und die Gewinnung eines weiteren Gesellschafters, blieben damit aber erfolglos.
5
In dieser Situation bestellten die Angeklagten zum 1. März 2004 den ehemaligen Mitangeklagten K. zum Geschäftsführer der G. S. GmbH in E. sowie der S. GmbH und der Se. GmbH. Der Angeklagte S. schied als Geschäftsführer aus, die Prokura der Angeklagten L. wurde widerrufen. Da der neue Geschäftsführer über keine Erfahrung in der Branche verfügte, blieben die Angeklagten weiter für die Gesellschaften tätig, wofür sie vom neuen Geschäftsführer pauschal jeweils 250.000 € erhalten sollten. Wegen der angespannten Liquiditätslage der Gesellschaften vereinbarten die Angeklagten mit dem früheren Mitangeklagten eine rein erfolgsabhängige Geschäftsführervergütung. Es kam indes nur zu einem nach dieser Vereinbarung provisionspflichtigen Geschäftsabschluss mit einem Volu- men von 1,67 Mio. €, weitere in Aussicht genommene Verträge kamen nicht zustande.
6
In einem Gespräch mit Bankvertretern am 8. März 2004 kündigte K. an, zur Verbesserung der Liquidität Reserven aufzulösen. Die Bankvertreter untersagten ihm daraufhin weitere Verfügungen über den Banken zustehendes Sicherungsgut ohne deren Zustimmung, weil sie befürchteten, K. wolle Waren oder Güter verschleudern. Tatsächlich hatte K. zusammen mit dem Angeklagten S. schon am 27. Februar 2004 1.475 Tonnen Entenfleisch zum Gesamtpreis von 1,67 Mio. € - und damit erheblich unter den Gestehungskosten - verkauft und dabei die Bezahlung mit LZB-Schecks vereinbart, die sodann nicht bei den Hausbanken, sondern bei anderen Banken eingelöst wurden. Die Hausbanken wurden davon nicht informiert, der Gegenwert der Schecks wurde nicht an diese abgeführt. Dies verstieß sowohl hinsichtlich der Preisgestaltung als auch hinsichtlich der Entgegennahme des Kaufpreises gegen die mit den Banken bestehende Globalzessionsabrede. Ab 1. März 2004 ließ sich K. eingehende Schecks vorlegen und brachte die Schecks unter Umgehung der Buchhaltung auf neu eröffneten Konten gut. Insgesamt reichte er in den folgenden Wochen Schecks im Wert von rund 3 Mio. € bei anderen Banken ein. In Absprache mit den Angeklagten, die auch sonst über alle wesentlichen Vorgänge informiert waren, verlagerte K. ab Ende März 2004 das operative Geschäft auf die "LM. GmbH". Diese Gesellschaft, eine 100-prozentige Tochter der Ne. GmbH, war die einzige innerhalb der S. -Firmengruppe, die keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen zu den Hausbanken hatte.
7
Mit Schreiben vom 9. März 2004 verlangten die Hausbanken binnen drei Tagen u.a. die Vorlage eines Liquiditätsstatus und eine Übersicht über bereits veräußertes Sicherungsgut und drohten für den Fall des fruchtlosen Verstreichens der Frist mit der außerordentlichen Kündigung des Kreditengagements. K. vertröstete sie auf den 23. März 2004. Die Banken kündigten daraufhin am 15. März 2004 und am 23. März 2004 die gesamte Geschäftsverbindung und setzten für die bestehenden Verbindlichkeiten aller Gesellschaften, insgesamt fast 23 Mio. €, eine Zahlungsfrist bis zum 2. April 2004. Weder dieS. GmbH noch die S. -Gruppe in ihrer Gesamtheit waren in der Lage, diese Forderung bei Fälligkeit oder in den folgenden drei Wochen zu begleichen.
8
Um im Falle einer Insolvenz weiter im Entengeschäft verbleiben zu können , erwarben die Angeklagten am 25. März 2004 von der Ne. GmbH zu je 17.000 € die Anteile an der "LM. GmbH". Am 31. März 2004 erwarben sie von der S. GmbH für 464.000 € die Rechte an der Marke "B. Enten".
9
In der Zeit vom 31. März bis zum 7. April 2004 stellte K. in Absprache und nach Vereinbarung mit den Angeklagten der S. GmbH und derSe. GmbH drei Rechnungen über insgesamt fast 2 Mio. €, die nunmehr - entgegen der ursprünglichen Vereinbarung - auch eine erfolgsunabhängige Vergütung sowie Erfolgshonorare für tatsächlich nicht zustande gekommene Geschäfte zum Gegenstand hatten, und vereinnahmte diesen Betrag aus dem Vermögen der S. GmbH. Nach der ursprünglichen Vereinbarung hätte ihm ein Anspruch in Höhe von allenfalls knapp 200.000 € zugestanden. Die Ange- klagten waren einverstanden, weil sie sich aus den Beträgen, die K. erhielt, ihrerseits je 250.000 € erwarteten und mit Hilfe dieser Summe zusammen mit der erworbenen Gesellschaft "LM. GmbH" und der Marke "B. Enten" einen Neustart des Familienunternehmens schaffen wollten. Sie kannten die fehlende Berechtigung der Forderungen, wussten zum Zeitpunkt ihrer Zustimmung um die wirtschaftliche Lage der Unternehmensgruppe , insbesondere, dass eine infolge der Kündigungen erforderliche fristgerechte Zahlung der bei den Banken bestehenden Verbindlichkeiten nicht geleis- tet werden konnte und sich die S. -Gruppe daher im Zustand der drohenden Zahlungsunfähigkeit befand. K. zahlte aus dem entnommenen Betrag an die beiden Angeklagten insgesamt 500.000 €. Über das Vermögen der S. GmbH und der Se. GmbH wurde auf Antrag der Banken das Insolvenzverfahren eröffnet.
10
3. DasLandgericht hat das Verhalten des früheren Mitangeklagten K. - die Entnahme von mehr als 1,77 Mio. €, auf die ein Rechtsanspruch nicht bestand - als Untreue zum Nachteil der S. GmbH gewertet. Das Einverständnis der Angeklagten hat das Landgericht wegen der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Gesellschaft durch die Entnahme als unwirksam angesehen. Zugleich hat es das Verhalten als Bankrotthandlung nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB gewertet. Zwar habe K. nicht im Interesse der S. GmbH, sondern eigennützig gehandelt, hierauf komme es indes nicht an. Das Verhalten der Angeklagten hat das Landgericht als Beihilfe zu den Taten des früheren Mitangeklagten K. beurteilt.

II.

11
Die gegen das Urteil von beiden Angeklagten übereinstimmend erhobenen Verfahrensrügen sind im Ergebnis unbegründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, die sich zur Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit auf zahlreiche wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen stützt (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 1993 - 3 StR 474/92, BGHR StGB § 283 Abs. 1 Zahlungsunfähigkeit 3 mwN), hält sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Auch die rechtliche Würdigung des Landgerichts enthält nach Auffassung des Senats keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten.
12
1. Für die Annahme einer Untreue (§ 266 StGB) durch den früheren Mitangeklagten K. gilt Folgendes: Dieser handelte bei der Überweisung von mehr als 1,77 Mio. € als Geschäftsführer der S. GmbH. Das Einverständnis der Angeklagten, die als alleinige Kommanditisten der Besitzgesellschaft S. KG und - wie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen ist - als alleinige Gesellschafter der Komplementärin, der G. S. GmbH in E. , Inhaber des zu betreuenden Vermögens waren, ändert an der Pflichtwidrigkeit seines Handelns nichts. Zwar können der Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Zustimmung ihrer Gesellschafter grundsätzlich Vermögenswerte entzogen werden, weil sie gegenüber ihren Gesellschaftern keinen Anspruch auf ihren ungeschmälerten Bestand hat. Ein Einverständnis der Gesellschafter ist allerdings unwirksam und die Vermögensverfügung des Geschäftsführers deshalb missbräuchlich, wenn - wie hier - unter Verstoß gegen Gesellschaftsrecht die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet wird, etwa durch Beeinträchtigung des Stammkapitals entgegen § 30 GmbHG, durch Herbeiführung oder Vertiefung einer Überschuldung oder durch Gefährdung der Liquidität (BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 - 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 157 ff.; Beschluss vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2227; Beschluss vom 31. Juli 2009 - 2 StR 95/09, BGHSt 54, 52, 57 ff.; Beschluss vom 30. August 2011 - 3 StR 228/11).
13
2. Zutreffend hat das Landgericht auch angenommen, dass sich der frühere Mitangeklagte K. wegen Bankrotts strafbar gemacht hat, obwohl er allein eigennützig und zum Schaden der Gesellschaft, der S. GmbH, handelte.
14
a) Die Vorschrift des § 283 StGB stellt ein Sonderdelikt dar, dessen Täter nur der Schuldner sein kann, also die (natürliche oder juristische) Person, die für die Erfüllung einer Verbindlichkeit haftet. Ist der Schuldner - wie hier - eine juristische Person, die nur durch ihre Organe/Vertreter handeln kann, so gilt § 14 StGB. Diese Vorschrift setzt für die strafrechtliche Zurechnung voraus, dass die handelnde Person "als" Organ oder Vertreter (Abs. 1) bzw. "auf Grund dieses Auftrags" (Abs. 2) agiert. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der wohl herrschenden Auffassung in der Literatur ist es danach für eine Strafbarkeit des Vertreters nach § 283 StGB erforderlich, dass er zumindest auch im Interesse des Geschäftsherrn handelt. Liegen ausschließlich eigennützige Motive vor, so kann eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 StGB in Betracht kommen; eine Verurteilung wegen Bankrotts scheidet hingegen aus (sog. Interessentheorie - vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128 f.; Urteil vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223; Urteil vom 17. Dezember 1991 - 5 StR 361/91, BGHR StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3; Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 5 StR 520/99, NStZ 2000, 206, 207; zustimmend LK/Schünemann, StGB, 12. Aufl., § 14 Rn. 50; im Ergebnis auch NK-StGB-Kindhäuser, 3. Aufl., vor § 283 Rn. 56; aA LK/Tiedemann, StGB, 12. Aufl., vor § 283 Rn. 85; SKStGB /Hoyer, § 283 Rn. 103 f. [Stand: März 2002];S/S-Perron StGB, 28. Aufl., § 14 Rn. 26; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 283 Rn. 4d; differenzierend MünchKommStGB /Radtke, vor § 283 Rn. 55).
15
b) Die von der Rechtsprechung entwickelte Interessentheorie ist in der Literatur auf Ablehnung gestoßen, weil sie für die Insolvenzdelikte nur einen geringen Anwendungsbereich lässt, wenn Schuldner im Sinne des § 283 StGB eine Handelsgesellschaft ist (LK/Tiedemann aaO vor § 283 Rn. 80; SKStGB /Hoyer aaO § 283 Rn. 103; MünchKommStGB/Radtke aaO vor § 283 Rn. 55; Labsch, wistra 1985, 1, 6 ff.; jeweils mwN). Dieser Kritik ist zuzugeben, dass die in § 283 StGB aufgezählten Bankrotthandlungen ganz überwiegend dem wirtschaftlichen Interesse der Gesellschaft widersprechen und der vom Gesetzgeber intendierte Gläubigerschutz in der wirtschaftlichen Krise insbesondere von Kapitalgesellschaften bei Anwendung der Interessentheorie weitgehend leerläuft (vgl. Winkler, jurisPR-StrafR 16/2009 Anm. 1). Besonders augenfällig wird dies in Fällen der Ein-Mann-GmbH, in denen der Gesellschafter /Geschäftsführer der Gesellschaft angesichts der drohenden Insolvenz zur Benachteiligung der Gläubiger Vermögen entzieht und auf seine privaten Konten umleitet, nach wirtschaftlicher Betrachtung also aus eigennützigen Motiven handelt. Nach der Interessentheorie ist er nicht des Bankrotts schuldig, obwohl er die Insolvenz gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127, 128 f.; kritisch dazu LK/Tiedemann aaO vor § 283 Rn. 80, 85).
16
Während Einzelkaufleute in vergleichbaren Fällen regelmäßig wegen Bankrotts strafbar sind, entstehen so Strafbarkeitslücken für Vertreter oder Organe von Kapitalgesellschaften. Angesichts der besonderen Insolvenzanfälligkeit von in der Rechtsform der GmbH betriebenen Unternehmen wird der Schutzzweck der Insolvenzdelikte dadurch konterkariert (vgl. SK-StGB/Hoyer aaO; MünchKommStGB/Radtke aaO). Dies gilt insbesondere, wenn man die Interessenformel konsequent auch auf die Bankrotthandlungen anwendet, die die Verletzung von Buchführungs- oder Bilanzierungspflichten sanktionieren (§ 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB): Entfällt wegen des fehlenden Interesses der Gesellschaft die Bankrottstrafbarkeit, scheitert eine Verurteilung wegen Untreue regelmäßig am nicht festzustellenden oder nicht nachzuweisenden Vermögensschaden der Gesellschaft (vgl. Arloth, NStZ 1990, 570, 572; LK/Tiedemann aaO vor § 283 Rn. 84). Über diese nicht gerechtfertigte Privilegierung von GmbH-Geschäftsführern gegenüber Einzelkaufleuten hinaus wird der Zweck der § 283 Abs. 1 Nr. 5-7, § 283b StGB unterlaufen, der Verstöße gegen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften wegen der besonderen Gefahr von Fehleinschätzungen mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen als eigenständiges Unrecht erfassen will (vgl. Arloth, NStZ 1990, 570, 572).
17
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Interessentheorie bei Vertretern von Personengesellschaften für die praktisch relevanten Fälle, dass die Gesellschafter der Bankrotthandlung zustimmen (vgl. dazu Labsch, wistra 1985, 1, 7), zudem nicht durchgehalten worden; ein Handeln, das aus wirtschaftlicher Sicht im vollständigen Widerstreit zu den Interessen der vertretenen Gesellschaft steht, soll etwa bei der Kommanditgesellschaft gleichwohl von dem durch das Einverständnis erweiterten Auftrag des Schuldners - also der Gesellschaft - gedeckt sein, wenn der Komplementär zustimmt (BGH, Urteil vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 223 f. = BGH StV 1988, 14, 15 m. Anm. Weber). Die Einschränkung der Interessentheorie sei insbesondere aus Gründen des Gläubigerschutzes geboten (BGH, Urteil vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221, 224). Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in der Folge auch auf Fälle der GmbH & Co. KG erstreckt, in denen der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH die Bankrotthandlungen mit Zustimmung der Gesellschafter dieser Kapitalgesellschaft und damit der Komplementärin vorgenommen hatte (BGH, Urteil vom 12. Mai 1989 - 3 StR 55/89, wistra 1989, 264, 267; aA BGH, Urteil vom 29. November 1983 - 5 StR 616/83, wistra 1984, 71; BGH, Urteil vom 17. März 1987 - 5 StR 272/86, JR 1988, 254, 255 f. m. abl. Anm. Gössel; offen gelassen von BGH, Urteil vom 3. Mai 1991 - 2 StR 613/90, NJW 1992, 250, 252). Der Gläubigerschutz hat aber bei den in der Rechtsform der GmbH betriebenen Gesellschaften kein geringeres Gewicht als bei Personengesellschaften oder insbesondere der Mischform der GmbH & Co. KG, so dass mit dieser Argumentation nicht nachvollziehbar erscheint, warum die Zustimmung der Gesellschaf- ter einer Komplementär-GmbH den Auftrag des Geschäftsführers erweitern kann, das Einverständnis der Gesellschafter bei einer reinen Kapitalgesellschaft für die Frage, ob der Geschäftsführer als Organ oder im Auftrag der Gesellschaft handelt, hingegen bedeutungslos sein soll.
18
Der Senat will deshalb von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit eines Vertreters wegen Bankrotts abweichen und die Abgrenzung zwischen den Insolvenzdelikten der §§ 283 ff. StGB und insbesondere der Untreue nach § 266 StGB, aber auch den Eigentumsdelikten gemäß §§ 242, 246 StGB nicht mehr nach der Interessenformel vornehmen, zumal das Abstellen auf das Interesse des Vertretenen und damit auf ein subjektives Element vom Wortlaut des § 14 StGB nicht gefordert wird (Arloth, NStZ 1990, 570, 574; LK/Tiedemann aaO vor § 283 Rn. 84). Er will vielmehr für die Zurechnung der Schuldnereigenschaft im Sinne der §§ 283 ff. StGB maßgeblich daran anknüpfen, ob der Vertreter im Sinne des § 14 StGB im Geschäftskreis des Vertretenen tätig geworden ist. Dies wird bei rechtsgeschäftlichem Handeln zu bejahen sein, wenn der Vertreter entweder im Namen des Vertretenen auftritt oder letzteren wegen der bestehenden Vertretungsmacht jedenfalls im Außenverhältnis die Rechtswirkungen des Geschäfts unmittelbar treffen (vgl. MünchKommStGB/Radtke vor § 283 Rn. 58; Radtke, GmbHR 2009, 875, 876; Radtke, JR 2010, 233, 237; S/S-Perron aaO § 14 Rn. 26; Labsch, wistra 1985, 59, 60). Gleiches gilt, wenn sich der Vertretene zur Erfüllung seiner außerstrafrechtlichen , aber gleichwohl strafbewehrten Pflichten (vgl. § 283 Abs. 1 Nr. 5-7 StGB) eines Vertreters bedient (LK/Tiedemann aaO vor § 284 Rn. 84, S/S-Perron aaO; MünchKommStGB/Radtke vor § 283 Rn. 58; Arloth, NStZ 1990, 570, 572; Winkelbauer, JR 1988, 33, 34). Bei faktischem Handeln muss die Zustimmung des Vertretenen - unabhängig von der Rechtsform, in der dieser agiert - ebenfalls dazu führen, dass der Vertreter in seinem Auftrag handelt und ihm die Schuldnerstellung zugerechnet wird (MünchKommStGB/Radtke, vor § 283 Rn. 58; SK-StGB/Hoyer aaO § 283 Rn. 106).
19
Bei Beachtung dieser Grundsätze kann die trotz gleichartiger Verhaltensweisen mit der Interessentheorie verbundene Ungleichbehandlung zwischen Einzelkaufleuten und GmbH-Geschäftsführern ebenso vermieden werden (vgl. Radtke aaO) wie Strafbarkeitslücken bei Verstoß gegen Buchführungs - und Bilanzierungspflichten, wodurch der Gläubigerschutz verbessert wird (vgl. Schwarz, HRRS 2009, 341, 343;Floeth, EWiR 2009, 589, 590; Link, NJW 2009, 2228; Bittmann, wistra 2010, 8). Soweit der Vertreter eigennützig handelt, wird häufiger als bisher eine Verurteilung wegen Bankrotts in Tateinheit mit Untreue oder einem Eigentumsdelikt in Betracht kommen, insbesondere wenn die Zustimmung der Gesellschafter (oder des alleinigen Gesellschafters /Geschäftsführers) einer GmbH wegen des damit verbundenen existenzgefährdenden Eingriffs in das Gesellschaftsvermögen kein tatbestandsausschließendes Einverständnis mit der nachteiligen Vermögensverfügung darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 24. August 1988 - 3 StR 232/88, BGHSt 35, 333; BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 - 5 StR 73/03, BGHSt 49, 147, 158; BGH, Urteil vom 11. September 2003 - 5 StR 524/02, wistra 2003, 457, 460; BGH, Urteil vom 22. März 2006 - 5 StR 475/05, wistra 2006, 265). Dieses Ergebnis ist jedoch gerechtfertigt, weil in diesen Fällen durch dieselbe Handlung unterschiedliche Rechtsgüter - der Schutz der Gläubiger einerseits und das Vermögen bzw. das Eigentum der Gesellschaft andererseits - beeinträchtigt werden.
20
Der Senat gibt deshalb seine entgegenstehende Rechtsprechung (Urteil vom 20. Mai 1981 - 3 StR 94/81, BGHSt 30, 127) auf.
21
c) Der beabsichtigten Verwerfung der Revision stehen jedoch Entscheidungen anderer Strafsenate des Bundesgerichtshofs entgegen (u.a. 1. Strafsenat: Beschluss vom 21. Oktober 1980 - 1 StR 407/80; Urteil vom 6. November 1986 - 1 StR 327/86, BGHSt 34, 221; 2. Strafsenat: Urteil vom 3. Mai 1991 - 2 StR 613/90, NJW 1992, 250; 4. Strafsenat: Beschluss vom 10. Juli 1979 - 4 StR 270/79; 5. Strafsenat: Urteil vom 29. November 1983 - 5 StR 616/83, wistra 1984, 71; Urteil vom 17. Dezember 1991 - 5 StR 361/91, BGHR StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3; Beschluss vom 14. Dezember 1999 - 5 StR 520/99, NStZ 2000, 206). Der Senat fragt an, ob an der diesen und gegebenenfalls weiteren Entscheidungen zugrundeliegenden Rechtsansicht festgehalten wird.
Becker Pfister Schäfer
RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Menges

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 301/09
vom
1. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. September 2009 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Mannheim vom 13. März 2009 wird als unbegründet verworfen, da
die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§
349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Hinsichtlich der Tat vom 18. Februar 1999 (Fall II 4 der Urteilsgründe)
ist keine Strafverfolgungsverjährung eingetreten. Denn die Verjährung ruhte
gemäß § 78b Abs. 4 i.V.m. § 266 Abs. 2 und § 263 Abs. 3 StGB seit Eröffnung
des Hauptverfahrens am 12. Januar 2009. Die Verurteilung des Angeklagten
wegen Untreue erfolgte somit zu Recht.
Ob der Angeklagte in diesem Fall - ebenso wie in den Fällen II 5 bis 41
der Urteilsgründe - neben Untreue zum Nachteil der von ihm als Geschäftsführer
geleiteten GmbH auch wegen tateinheitlich begangenen Bankrotts gemäß
§ 283 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 8 StGB zu verurteilen gewesen wäre, bedarf daher
keiner Entscheidung mehr. Denn der Angeklagte ist in diesen Fällen durch die
Verurteilung allein wegen Untreue nicht beschwert. Allerdings geben die Ausführungen
des Landgerichts zur Anwendbarkeit des Straftatbestands des Bank-
rotts (§ 283 StGB) auf Geschäftsführer einer GmbH Anlass zu folgenden Bemerkungen
:
Die Strafkammer hat die Verwirklichung des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB
verneint, weil der Angeklagte eigennützig gehandelt habe. Sie ist dabei der bisherigen
Auffassung des Bundesgerichtshofs gefolgt, dass nach § 283 StGB
Voraussetzung für die Strafbarkeit eines Vertreters ist, dass er zumindest auch
im Interesse des Geschäftsherrn gehandelt hat. Liegen ausschließlich eigennützige
Motive vor, so kann nach dieser Auffassung zwar Untreue nach § 266
StGB in Betracht kommen; eine Verurteilung wegen Bankrotts scheidet hingegen
aus (sog. Interessentheorie; vgl. nur BGHSt 30, 127, 128 f.; 34, 221, 223;
BGHR StGB § 283 Abs. 1 Konkurrenzen 3; BGH NStZ 2000, 206, 207).
Mit Beschluss vom 10. Februar 2009 im Verfahren 3 StR 372/08 hat nun
der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs gewichtige Argumente angeführt, die
für ein Abweichen der Rechtsprechung von der „Interessentheorie“ sprechen
könnten (BGH NStZ 2009, 437, 439). Namentlich im Hinblick auf die bei Anwendung
der Interessentheorie entstehende Ungleichbehandlung von Einzelkaufleuten
und GmbH-Geschäftsführern sowie auf den Umstand, dass die Anwendung
der „Interessenformel“ zu einer dem Schutzzweck zuwiderlaufenden
Zurückdrängung der Delikte des Insolvenzstrafrechts bei vermögensschädigenden
und damit in der Regel masseschmälernden Verhaltensweisen zum Nachteil
von Handelsgesellschaften führt (vgl. Radtke GmbHR 2009, 875), hat auch
der Senat Bedenken gegen die weitere Anwendung der „Interessenformel“ zur
Bestimmung des Anwendungsbereichs des Bankrotttatbestands bei Handelsgesellschaften.
Der Senat neigt daher ebenfalls dazu, von der bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Strafbarkeit eines Vertreters wegen
Bankrotts abzuweichen und die Abgrenzung zwischen den Insolvenzdelik-
ten der §§ 283 ff. StGB und insbesondere der Untreue nach § 266 StGB, aber
auch den Eigentumsdelikten gemäß §§ 242, 246 StGB nicht mehr nach der Interessenformel
vorzunehmen (zu alternativen Abgrenzungskriterien vgl. Radtke
aaO).
2. Der Senat kann trotz der vom Generalbundesanwalt - im Hinblick auf
die von ihm angenommene Strafverfolgungsverjährung im Fall II 4 der Urteilsgründe
- beantragten Änderung des Schuldspruchs gemäß § 349 Abs. 2 StPO
durch Beschluss entscheiden. Denn der Generalbundesanwalt hat nur die Änderung
des Schuldspruchs, nicht aber die Aufhebung des Strafausspruchs beantragt
(BGH NJW 2007, 2647).
Nack Kolz Elf
Jäger Sander

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

(1) Handelt jemand

1.
als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,
2.
als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder
3.
als gesetzlicher Vertreter eines anderen,
so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.

(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebs oder einem sonst dazu Befugten

1.
beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder
2.
ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebs obliegen,
und handelt er auf Grund dieses Auftrags, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Strafbarkeit begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebs vorliegen. Dem Betrieb im Sinne des Satzes 1 steht das Unternehmen gleich. Handelt jemand auf Grund eines entsprechenden Auftrags für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist Satz 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
2.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung er nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
3.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen.

(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 oder 3 fahrlässig handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) § 283 Abs. 6 gilt entsprechend.

5 StR 353/08
(alt: 5 StR 412/03)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 24. März 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Bankrotts u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2009

beschlossen:
1. Auf Antrag des Generalbundesanwalts wird das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Bankrotts in vier Fällen und wegen Betrugs zu Lasten der Arbeitnehmer Ka. und S. sowie zu Lasten des Arbeitnehmers F. verurteilt worden ist; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 30. Oktober 2007 demgemäß nach § 349 Abs. 4 StPO dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Betrugs und wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die Konkursantragspflicht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
4. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen, wegen (vorsätzlichen) Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht (richtig: Konkursantragspflicht) und wegen Bankrotts in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Dabei waren die der Verurteilung wegen Betrugs zugrunde liegenden Fälle bereits Gegenstand des Senatsbeschlusses vom 7. Juli 2004 – 5 StR 412/03 (wistra 2004, 429) gewesen. Die Vorwürfe der Steuerhinterziehung, die ebenfalls Gegenstand des vorgenannten Senatsbeschlusses gewesen waren , sind im neuen Rechtsgang nach § 154 Abs. 2 StPO aus dem Verfahren ausgeschieden worden. Nach weiterer Teileinstellung im Revisionsverfahren ist auf die mit Verfahrensrügen und der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten die Gesamtfreiheitsstrafe auf neun Monate herabzusetzen. Das weitergehende Rechtsmittel ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Zur Verfahrenseinstellung haben folgende Erwägungen Anlass gegeben :
3
a) Bezüglich der Verurteilung nach § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB teilt der Senat die Bedenken des Generalbundesanwalts, der insoweit ursprünglich Freispruch beantragt hat, zwar nicht. Um jedoch eine hier in Betracht zu ziehende Zurückverweisung zu vermeiden, ist dieser Fall einzustellen.
4
aa) Es ist durchaus erwägenswert, die Veräußerung der Geschäftsanteile an der A. I. K. G. (AIG), die Umfirmierung, die Sitzverlegung und das Abberufen des Angeklagten vom Amt als Geschäftsführer am 22. Dezember 1998 unter die Vorschrift des § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative, gegebenenfalls vorrangig unter § 283 Abs. 1 Nr. 4 StGB zu subsumieren. Der Begriff der „geschäftlichen Verhältnisse“ ist bislang vom Bundesgerichtshof nicht ausgelegt worden. Vor allem soll dieses Tatbestandsmerkmal Umstände erfassen, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit (Bonität) des in der Krise befindlichen Schuldners erheblich sind (Hoyer in SK-StGB 7. Aufl. [März 2002] § 283 Rdn. 94; Tiede- mann in LK 11. Aufl. § 283 Rdn. 172; Radtke in MünchKomm-StGB § 283 Rdn. 67). Der Auffangtatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB ist jedenfalls mit Blick auf die Gläubigerinteressen auszulegen: Bei der Tathandlung des Verheimlichens muss der Täter die Gläubiger oder den Insolvenzverwalter über Zugriffsmöglichkeiten auf das Schuldnervermögen in Unkenntnis setzen oder halten; bei der Tathandlung des Verschleierns geht es um die unrichtige Darstellung insbesondere der Vermögensverhältnisse.
5
Hier hat sich der Angeklagte eine Option auf Rückkauf der Gesellschaftsanteile an der AIG einräumen lassen; darüber hinaus war er aufgrund einer Vollmacht zur umfassenden Vertretung der umbenannten GmbH weiterhin befugt. Dies könnte dafür sprechen, dass es sich bei der Abtretung der Anteile und dem Wechsel in der Geschäftsführung um Scheingeschäfte (§ 117 BGB) handelte; solches würde zumindest die Annahme einer Treuhänderschaft sowie einer faktischen Geschäftsführung nahe legen. Sofern der Angeklagte damit tatsächlich weiterhin bestimmenden Einfluss auf die in I. GmbH umfirmierte AIG nahm, könnte er die Fremdgläubiger über die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse und die faktisch ausgeübte Geschäftsführung einschließlich des Firmensitzes getäuscht haben. Dies hätte zwar keine verbesserte Darstellung der Bonität der AIG zur Folge. Gleichwohl wird durch diese „Firmenbestattung“ die Position der Gläubiger verschlechtert (vgl. Raik Kilper, „Firmenbestattung“, Hamburg, 2009). Diese könnten durch die verschleiernden Maßnahmen davon abgehalten worden sein, in Vermögensgegenstände der AIG zu vollstrecken oder gar den Angeklagten wegen der Konkursverschleppung etwa nach § 826 BGB in Regress zu nehmen. Die sogenannte Interessentheorie dürfte auf § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative StGB keine Anwendung finden (vgl. allerdings BGH wistra 2000, 136 für § 283 Abs. 1 Nr. 8 erste Alternative StGB; vgl. auch Ogiermann, wistra 2000, 250, 251).
6
Von § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative StGB könnten sogar auch solche im Rahmen der „Firmenbestattung“ vorgenommenen Rechtsgeschäfte erfasst sein, bei denen die Rechtsfolgen von den Beteiligten tatsächlich gewollt sind. Die Übertragung der Anteile und das Abberufen vom Amt des Geschäftsführers wären dann zwar nicht als Scheingeschäfte (§ 117 BGB) zu werten. Gleichwohl könnten die Rechtsgeschäfte wegen der beabsichtigten Gläubigerbenachteiligung und der Umgehung der insolvenzrechtlichen Pflicht zur Antragstellung zivilrechtlich unwirksam sein (BGHR StGB § 266a Abs. 1 Vorsatz 2, insoweit in BGHSt 48, 307 nicht abgedruckt; vgl. auch § 15a Abs. 3 InsO n.F.). Dann hätte der bisherige Geschäftsführer sein Amt behalten und die Fremdgläubiger wären über die tatsächlichen geschäftlichen Verhältnisse der Gesellschaft getäuscht worden.
7
bb) Einer Verurteilung könnte indes entgegenstehen, dass – ungeachtet noch pfändbarer (allerdings geringer) Bankguthaben – nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe für Dezember 1998 von Zahlungseinstellung (§ 283 Abs. 6 StGB) auszugehen sein könnte. Jedenfalls für die Verletzung der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses ist entschieden, dass der Tatbestand des Bankrotts nicht mehr verwirklicht werden kann, wenn – was dann näherer Auklärung bedürfte – die objektive Bedingung der Strafbarkeit bereits eingetreten ist (BGHR StGB § 283 Abs. 1 Nr. 7b Zeit 1 m.w.N.). Entsprechendes könnte für § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB gelten. Diese wie auch die vorgenannten Fragen bedürfen wegen der Verfahrenseinstellung nicht der Vertiefung.
8
b) Bei den drei übrigen Bankrottdelikten stehen die Schuldsprüche in Frage, weil das Landgericht etwaige Auswirkungen einer Durchsuchung und Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen im Juni 1997 auch mit Blick auf die damals anhängigen Ermittlungsverfahren nicht weiter aufgeklärt hat. Zudem fehlt es ebenso wie bei zwei Betrugsfällen an der nach § 47 Abs. 1 StGB gebotenen Begründung für die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen. Mit Blick auf die lange Verfahrensdauer erscheint die Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO als angemessene Verfahrenserledigung. Dies ermöglicht, das Verfahren nunmehr rechtskräftig abzuschließen.
9
2. Das Urteil hält in dem nach Teileinstellung verbleibenden Umfang der rechtlichen Nachprüfung stand.
10
a) Soweit der Angeklagte wegen Betrugs verurteilt worden ist, werden die Feststellungen des Landgerichts den Vorgaben aus dem Senatsbeschluss vom 7. Juli 2004 (vgl. auch BGHSt 1, 262, 264; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 39; BGH wistra 1986, 170) gerecht. Dem Urteil ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass der geschädigten Arbeitnehmerin R. im Dezember 1998 die Vollstreckung in ein Bankguthaben in Höhe von rund 11.600 DM noch möglich gewesen wäre und sie sich – wie auch die übrigen Arbeitnehmer – nur deswegen von der Beitreibung der Forderung hat abhalten lassen, weil sie auf die Erfüllung der Stundungs- und Ratenzahlungsvereinbarung vertraute, zumal der Angeklagte persönlich mit der Bürgschaft einzustehen versprach. Eines weiteren Eingehens auf die subjektive Tatseite bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.
11
b) Im Rahmen der Konkursverschleppung (§ 84 Abs. 1 Nr. 2, 64 Abs. 1 GmbHG a.F.; jetzt, insoweit ohne inhaltliche Änderungen, § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 InsO n.F., § 2 Abs. 2, Abs. 3 StGB), die nicht verjährt ist (vgl. dazu insbesondere BGH wistra 2009, 117, 119, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), belegen die Feststellungen sowohl die Überschuldung als auch die Zahlungsunfähigkeit der AIG. Insoweit bemerkt der Senat ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts zur Aufklärungsrüge des Beschwerdeführers, die den etwaigen, angeblich vom Sachverständigen nicht berücksichtigten Rangrücktritt des Angeklagten zum Gegenstand hat (S. 25 bis 41 aus der Revisionsbegründung vom 12. Februar 2008):
12
Die – auch in der Sache insbesondere hinsichtlich des Konkursgrundes der Zahlungsunfähigkeit ersichtlich aussichtslose – Aufklärungsrüge ist bereits deswegen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil sie keine konkret bestimmten aufklärungsbedürftigen Tatsachen bezeichnet. Es wird nur in den Raum gestellt, dass der Angeklagte in Höhe seiner Gesellschafterforderung von rund 11,6 Mio. DM einen Rangrücktritt erklärt habe, ohne dies nach Ort, Zeit und den weiteren Umständen zu konkretisieren. Einer solchen Präzisierung hätte es insbesondere auch deswegen bedurft, weil die AIG Zinszahlungen auf das Gesellschafterdarlehen leistete, was eindeutig gegen einen Rangrücktritt spricht.
13
c) Der Senat schließt aus, dass die für die Konkursverschleppung verhängte Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten und die für den Betrugsfall zu Lasten der Arbeitnehmerin R. verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten durch die Straffindung in den übrigen Fällen beeinflusst worden sein könnten. Auch führt der Umstand, dass das Landgericht Art und Ausmaß der von ihm festgestellten rechtsstaatswidrigen Verzögerung rechtsfehlerhaft nicht bestimmt hat, hier zu keinem durchgreifenden Strafzumessungsfehler. Noch mildere Einzelfreiheitsstrafen hätte das Landgericht angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte im Dezember 1998 die eine „Firmenbestattung“ betrieb und die Geschädigte R. als langjährige vertraute Angestellte über Jahre hinweg von dem Einfordern ihrer Lohnforderungen abhielt , ersichtlich nicht verhängt. Dass es die Einzelstrafen nach der so genannten mittlerweile überholten (BGHSt [GS] 52, 124) Strafabschlagslösung gemindert hat, beschwert den Angeklagten nicht (vgl. BGH wistra 2008, 348,

349).


14
3. Der Senat hat – entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts – die erneut erforderliche Gesamtstrafenbildung selbst vorgenommen, indem er die Einsatzstrafe um einen Monat erhöht hat. Eine noch geringere Erhöhung nach Wochen kam ersichtlich nicht in Betracht. Die so gebildete Gesamtfreiheitsstrafe berücksichtigt unter Beachtung der einer Verfahrensrüge zu entnehmenden für die Verfahrensverzögerung maßgeblichen Anknüpfungstatsachen und angesichts der bereits vom Landgericht gewährten Strafabschläge sowie der Verfahrenseinstellungen in weit ausreichendem Maße die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung. Ein „echter“ Härte- ausgleich mit Blick auf die Erledigung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 17. September 1998 war bereits deswegen nicht zu gewähren, weil insoweit für die verbliebenen abgeurteilten Taten zu keinem Zeitpunkt, insbesondere nicht im hierfür maßgeblichen ersten Urteil vom 23. Dezember 2002, eine Gesamtstrafenkonstellation (§ 55 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB) vorlag. Die Konkursverschleppung war jedenfalls nicht vor dem 22. Dezember 1998 beendet (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Begehung 1; BGH NJW 1997, 750, 751, insoweit in BGHSt 42, 268 nicht abgedruckt ; BGH wistra 1996, 144, 145); der Betrug zu Lasten der Arbeitnehmerin R. begann sogar erst Ende Oktober 1998.
15
Das Tatgericht wird über den gegenstandslos gewordenen Bewährungszeit - und Pflichtenbeschluss (§ 268a StPO) neu zu befinden haben.
Basdorf Raum Brause Schaal Dölp

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer bei Überschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

1.
Bestandteile seines Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
2.
in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
3.
Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.
Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
5.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
6.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
7.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.
in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.

(2) Ebenso wird bestraft, wer durch eine der in Absatz 1 bezeichneten Handlungen seine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit herbeiführt.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(5) Wer in den Fällen

1.
des Absatzes 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder die drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit wenigstens fahrlässig nicht kennt oder
2.
des Absatzes 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 2, 5 oder 7 fahrlässig handelt und die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wenigstens leichtfertig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterläßt oder so führt oder verändert, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
2.
Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung er nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
3.
entgegen dem Handelsrecht
a)
Bilanzen so aufstellt, daß die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
b)
es unterläßt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen.

(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 oder 3 fahrlässig handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) § 283 Abs. 6 gilt entsprechend.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
einer für die Bewilligung einer Subvention zuständigen Behörde oder einer anderen in das Subventionsverfahren eingeschalteten Stelle oder Person (Subventionsgeber) über subventionserhebliche Tatsachen für sich oder einen anderen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für ihn oder den anderen vorteilhaft sind,
2.
einen Gegenstand oder eine Geldleistung, deren Verwendung durch Rechtsvorschriften oder durch den Subventionsgeber im Hinblick auf eine Subvention beschränkt ist, entgegen der Verwendungsbeschränkung verwendet,
3.
den Subventionsgeber entgegen den Rechtsvorschriften über die Subventionsvergabe über subventionserhebliche Tatsachen in Unkenntnis läßt oder
4.
in einem Subventionsverfahren eine durch unrichtige oder unvollständige Angaben erlangte Bescheinigung über eine Subventionsberechtigung oder über subventionserhebliche Tatsachen gebraucht.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz oder unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege für sich oder einen anderen eine nicht gerechtfertigte Subvention großen Ausmaßes erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung mißbraucht.

(3) § 263 Abs. 5 gilt entsprechend.

(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 ist der Versuch strafbar.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 leichtfertig handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Nach den Absätzen 1 und 5 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß auf Grund der Tat die Subvention gewährt wird. Wird die Subvention ohne Zutun des Täters nicht gewährt, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Gewähren der Subvention zu verhindern.

(7) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer Straftat nach den Absätzen 1 bis 3 kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2). Gegenstände, auf die sich die Tat bezieht, können eingezogen werden; § 74a ist anzuwenden.

(8) Subvention im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil
a)
ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird und
b)
der Förderung der Wirtschaft dienen soll;
2.
eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach dem Recht der Europäischen Union, die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird.
Betrieb oder Unternehmen im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 ist auch das öffentliche Unternehmen.

(9) Subventionserheblich im Sinne des Absatzes 1 sind Tatsachen,

1.
die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind oder
2.
von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich oder nach dem Subventionsvertrag abhängig ist.

(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.