Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2019 - 4 StR 589/18

published on 29/01/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Jan. 2019 - 4 StR 589/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 589/18
vom
29. Januar 2019
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:290119B4STR589.18.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 29. Januar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 6. Juli 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte in den Fällen II. 1., 2., 5., 9., 10., 11. und 13. der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
b) in den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 11.400 Euro. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen sowie wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in weiteren sechs Fällen“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung eines Mobiltelefons und „die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 11.400 Euro“ angeordnet. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen betrieb der rechtskräftig Verurteilte B. , der Cousin des Angeklagten, einen schwunghaften Handel mit Kokain im Kilogrammbereich. Das Kokain bezog B. von verschiedenen Lieferanten; er veräußerte es an einen festen Stamm von Großabnehmern in Mengen von 50 bis 100 Gramm, in Ausnahmefällen in Mengen von 25 Gramm, zu einem Preis von 38,00 Euro pro Gramm. Zeit- und Treffpunkte für die Übergabe des Kokains vereinbarte B. mit seinen Abnehmern per SMS; die jeweiligen Liefermengen wurden ebenfalls vorab vereinbart. Im Tatzeitraum lagerte B. das Kokain in zwei Bunkerfahrzeugen. Vorden Betäubungsmittelverkäufen begab er sich zu dem jeweiligen Fahrzeug; er entnahm das dort gelagerte Kokain und portionierte es in der Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin, in der er auch die Einnahmen aus den Betäubungsmittelverkäufen aufbewahrte.
3
In den als Beihilfe abgeurteilten Fällen begleitete der Angeklagte den B. , wenn dieser das Kokain aus den Bunkerfahrzeugen holte (Fälle II. 3., 4., 6., 7., 8. und 12. der Urteilsgründe). In den als Mittäterschaft bewerteten Fällen II. 1., 2., 5., 9., 11. und 13. der Urteilsgründe lieferte er das Rauschgift – zumTeil neben weiteren Tätigkeiten – auf Weisung B. s an dessen ihm oftmals unbekannte Abnehmer aus, in einem der vorgenannten Fälle in dessen Begleitung. In den Fällen II. 2., 5. und 11. nahm er jeweils auch den Kaufpreis für das Kokain entgegen und leitete ihn an B. weiter. Im Fall II. 10. portionierte der Angeklagte 100 Gramm Kokain in zwei Teilmengen und überbrachte das Rauschgift B. , der es in einem Shisha-Cafe einem seiner Abnehmer übergab. Im Gegenzug für seine Tätigkeiten finanzierte B. weitgehend den Lebensunterhalt des Angeklagten und die im Tatzeitraum von beiden genutzte Wohnung; auch übergab er ihm unregelmäßig kleinere Geldbeträge. Einen (umsatzabhängigen) Festbetrag erhielt der Angeklagte für seine Beteiligung an den Betäubungsmittelgeschäften hingegen nicht.
4
2. Der Schuldspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit das Landgericht den Angeklagten wegen (mit-)täterschaftlich begangenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verurteilt hat. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt: „a) Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (BGH, Urteil vom 28. Februar 2007 – 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 221 ff.; Beschluss vom 7. August 2007 – 3 StR 326/07, NStZ 2008, 40; Urteil vom 5. Mai 2011 – 3 StR 445/10, StV 2012, 287, 288; Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 272/12, NStZ-RR 2012, 375). Erschöpft sich die Tätigkeit im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, besteht in der Regel selbst dann keine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit, wenn Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports verbleiben, sodass von einer Beihilfe auszugehen ist. Anderes kann nur gelten, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Betei- ligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll (Senat, Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 272/12, NStZ-RR 2012, 375 mwN.).

b) Nach diesen Maßstäben wird die nicht näher begründete Wertung des Landgerichts, der Angeklagte sei in den Fällen II. 1., 2., 5., 9., 10., 11. und 13. der Urteilsgründe jeweils als Täter des unerlaubten Handeltreibens mit Kokain anzusehen, von den Feststellungen nicht getragen. Der Angeklagte entfaltete keine erheblichen, über die Vermittlung der Übergabe der Betäubungsmittel und den reinen Transport des Kaufgeldes hinausgehenden Tätigkeiten. Ihm kam im Rahmen des Gesamtgeschäfts vielmehr im Wesentlichen die Rolle eines Boten (‚Läufers‘) zu. In das eigentliche Umsatzgeschäft war er hingegen nach den Feststellungen nicht eingebunden; täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten standen ihm insoweit nicht zu. Die Handlungen des Angeklagten erschöpften sich mithin in untergeordneten , weisungsgebundenen Tätigkeiten, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht die Annahme (mit-)täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, sondern nur die Annahme der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu begründen vermögen.

c) Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass weitere, ergänzende Feststellungen dazu getroffen werden können, ob der Angeklagte neben dem Tatbestand der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch zugleich (tateinheitlich) den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verwirklicht hat, sofern er während des Transports des Rauschgifts aufgrund der von ihm zurückgelegten Wegstrecke ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis über die Betäubungsmittel hatte (vgl. dazu Weber, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 1349 mwN.). Aus diesem Grund scheidet in den unter 2. b) genannten Fällen eine bloße Schuldspruchänderung vom täterschaftlichen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus.“
5
Dem tritt der Senat bei.
6
Er hebt – über den Antrag des Generalbundesanwalts hinausgehend – auch die zu diesen Fällen getroffenen Feststellungen auf, um dem Tatrichter insoweit umfassende und widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.
7
3. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs sowie des Ausspruchs über die „Einziehung eines Geldbetrages“ in Höhe von 11.400 Euro (richtig: Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB) nach sich.
8
4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch die Annahme von Tatmehrheit zwischen den Fällen II. 3. und 7. der Urteilsgründe begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Bei der Datumsangabe „11.11.2017“ im Fall II. 3. auf UA 8 – dem Tag der Begehung der Tat im Fall II. 7. der Urteilsgründe – handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen. Tatsächlich wollte die Strafkammer eine Tatbegehung am 11. Oktober 2017 feststellen. Dies ergibt sich eindeutig aus der chronologischen Reihenfolge der in zeitlicher Ordnung festgestellten Einzelfälle sowie aus der Datumsangabe in der Anklageschrift vom 5. März 2018, welche der Senat von Amts wegen zur Kenntnis genommen hat.
Sost-Scheible Cierniak Bender
Feilcke Paul
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.