Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 56/07
vom
22. März 2007
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. März 2007 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Münster vom 29. September 2006 im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat zum Maßregelausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung kann nicht bestehen bleiben. Zwar hat das Landgericht die formellen und materiellen Vorraussetzungen der Unterbringung nach § 66 Abs. 1 StGB rechtsfehlerfrei bejaht. Ebenso hat es - sachverständig beraten - von einer Unterbringung gemäß § 64 StGB wegen deren Aussichtslosigkeit abgese- hen. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet aber die Entscheidung, von einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB abzusehen, die nach den Grundsätzen des § 72 StGB die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entbehrlich machen kann (vgl. BGHSt 42, 306, 308; BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 4 StR 530/06).
3
Das Landgericht hat die Voraussetzungen einer Unterbringung des Angeklagten gemäß § 63 StGB deshalb verneint, weil die für beide Taten angenommene erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) jeweils durch die hochgradige Tatzeit-Alkoholisierung des Angeklagten (3,0 ‰ bei Begehung der gefährlichen Körperverletzung) bewirkt wurde. Das schloss eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB indes noch nicht von vornherein aus. Zwar kommt die Anwendung des § 63 StGB nur bei Personen in Betracht, deren Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch einen länger andauernden und nicht nur vorübergehenden Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB hervorgerufen worden ist (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 27). In Fällen, in denen die Verminderung der Schuldfähigkeit letztlich auf Alkoholgenuss zurückzuführen ist, kann § 63 StGB aber ausnahmsweise angewendet werden, wenn der Täter an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist (st. Rspr.; BGHSt 34, 313, 314; BGHR StGB § 63 Zustand 9). Nichts anderes gilt bei einer Politoxikomanie, die auf einer krankhaften Sucht beruht. Das Landgericht hätte sich deshalb mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob bei dem Angeklagten eine krankhafte Sucht nach Alkohol und anderen Drogen vorliegt.
4
Anhaltspunkte dafür ergeben sich aus dem festgestellten Verlauf des Alkohol - und Drogenmissbrauchs, der bereits im Jahre 1995 zur Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB führte, die - mit mehreren Unterbrechungen infolge des Entweichens des Angeklagten - von Mitte 1996 bis Mitte Juli 1998 dauerte und im Ergebnis erfolglos blieb. Der Angeklagte setzte danach seinen Alkohol- und Drogenmissbrauch (Heroin, Marihuana, Amphetamine, Kokain und Medikamente) fort. Er befand sich im März 2006 einige Tage in stationärer Entzugsbehandlung und kurz danach nochmals in stationärer Behandlung in einer psychiatrischen Klinik. Dort wurden eine akute Intoxikation mit multiplen Substanzen sowie eine Politoxikomanie diagnostiziert. Damit liegen Umstände vor, die üblicherweise mit dem Begriff einer Sucht verbunden werden.
5
Die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen einer die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigenden krankhaften Sucht nach Alkohol und anderen Drogen war hier nicht etwa deshalb entbehrlich, weil das Landgericht - auch darin dem Sachverständigen folgend - das Vorliegen eines überdauernden psychischen Sachverhalts, der als krankhaft seelische Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB einzuordnen wäre, und ebenso eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne dieser Vorschriften ausgeschlossen hat. Soweit es letzteres Kriterium betrifft, hat das Landgericht ausgeführt, es bestünden "zwar viele Auffälligkeiten in der Persönlichkeit des Angeklagten", insoweit handele es sich aber bei dem Angeklagten lediglich um eine "dissoziale" Persönlichkeit. Auch wenn diese Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten in ihrer Ausprägung noch nicht den Grad erreicht hat, der bereits für sich genommen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geführt hat, die vom Landgericht sicher angenommene Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten letztlich erst durch seine jeweils akute Alkoholintoxikation - möglicherweise in Verbindung mit der Wirkung auch anderer Drogen - herbeigeführt worden ist, kann darin nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Zustand gesehen werden, der die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB zu rechtfertigen vermag (vgl. BGHSt 44, 338; 44, 369; Senatsbeschluss vom 18. Januar 2000 - 4 StR 583/99 - NZV 2000, 213).
6
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht - wäre es davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten nach § 63 StGB vorliegen - von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgesehen hätte. Zwar ist die Unterbringung nach § 63 StGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein "geringeres“, sondern ein "anderes“ Übel als die Sicherungsverwahrung , zumal beide Maßregeln zeitlich unbegrenzt sind. Jedoch erweist sich die Unterbringung nach § 63 StGB schon deshalb regelmäßig als die weniger beschwerende Maßregel, weil ihr Vollzug grundsätzlich vor dem Vollzug der Strafe stattfindet und auf die Strafe angerechnet wird (§ 67 Abs. 1 und 4 StGB). Auch aus diesem Grund ist - und zwar unabhängig von der Frage der Therapierbarkeit - der Maßregelanordnung nach § 63 StGB in der Regel gegenüber der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung der Vorrang einzuräumen (BGHSt 42, 306, 308; BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2006 - 4 StR 530/06).
7
Der Maßregelausspruch bedarf mithin insgesamt neuer Prüfung und Entscheidung.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


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Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus


Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und

Strafgesetzbuch - StGB | § 66 Unterbringung in der Sicherungsverwahrung


(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn 1. jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die a) sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die per

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen. (2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vol

Strafgesetzbuch - StGB | § 72 Verbindung von Maßregeln


(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am we

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. März 2007 - 4 StR 56/07 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Sind die Voraussetzungen für mehrere Maßregeln erfüllt, ist aber der erstrebte Zweck durch einzelne von ihnen zu erreichen, so werden nur sie angeordnet. Dabei ist unter mehreren geeigneten Maßregeln denen der Vorzug zu geben, die den Täter am wenigsten beschweren.

(2) Im übrigen werden die Maßregeln nebeneinander angeordnet, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt.

(3) Werden mehrere freiheitsentziehende Maßregeln angeordnet, so bestimmt das Gericht die Reihenfolge der Vollstreckung. Vor dem Ende des Vollzugs einer Maßregel ordnet das Gericht jeweils den Vollzug der nächsten an, wenn deren Zweck die Unterbringung noch erfordert. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 ist anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 530/06
vom
19. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 28. Juni 2006 im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Maßregelausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
2. Dagegen kann die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung nicht bestehen bleiben. Zwar hat das Landgericht sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen der Unterbringung nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB rechtsfehlerfrei bejaht. Ebenso hat es - sachverständig beraten - eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg in einer Entziehungsanstalt verneint und deshalb von einer Unterbringung nach § 64 StGB abgesehen. Jedoch hat die Schwurgerichtskammer versäumt zu prüfen, ob auch eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) in Betracht kommt, die nach den Grundsätzen des § 72 StGB die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entbehrlich machen kann (vgl. BGHSt 42, 306, 308). Der darin liegende Rechtsfehler ist bereits auf die Sachrüge hin zu beachten, so dass es auf die den Maßregelausspruch betreffende Aufklärungsrüge nicht ankommt.
4
a) Das Landgericht hat sich ersichtlich deshalb nicht mit der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) befasst, weil die für beide Gewaltdelikte angenommene erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) jeweils durch die hochgradige Tatzeit-Alkoholisierung des Angeklagten von 2,7 bzw. 3,0 ‰ bewirkt wurde. Das schloss eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB indes noch nicht von vornherein aus. Zwar kommt die Anwendung des § 63 StGB nur bei Personen in Betracht, deren Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch einen länger andauernden und nicht nur vorübergehenden Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB hervorgerufen ist (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 27). In Fällen, in denen die Verminderung der Schuldfähigkeit letztlich auf Alkoholgenuss zurückzuführen ist, kann § 63 StGB aber ausnahmsweise angewendet werden, wenn der Täter an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder in krankhafter Weise alkoholüber- empfindlich ist (st. Rspr.; BGHSt 34, 313, 314; BGHR StGB § 63 Zustand 9). Das Landgericht musste sich deshalb mit der Frage auseinandersetzen, ob der Angeklagte nicht nur - was der Sachverständige sicher diagnostiziert hat - alkoholabhängig ist, sondern ob bei ihm bereits eine krankhafte Alkoholsucht vorliegt.
5
Anhaltspunkte dafür ergeben sich schon aus dem Verlauf des Alkoholmissbrauchs , der bereits im Jahr 1980 zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber des Angeklagten führte. Der Angeklagte setzte seinen exzessiven Alkoholkonsum seither durchgehend - unterbrochen nur durch "Abstinenzzeiten" auf Grund seiner Inhaftierung - fort. Mehrfach musste er sich - im Ergebnis erfolglosen - stationären Entgiftungen unterziehen. 1998 erlitt er einen Herzinfarkt. Der jahrelange Alkoholismus führte bei ihm zur Schwerhörigkeit. Hinzu kamen als Folge des jahrzehntelang eingeschliffenen Alkoholmissbrauchs auch hirnorganisch bedingte kognitive Leistungsminderungen (UA 3, 23). Diese mithin auch physischen Veränderungen beim Angeklagten haben bewirkt, dass er nicht mehr in der Lage ist, abstinent zu leben (UA 23). Damit liegen Umstände vor, die üblicherweise mit dem Begriff der Alkoholsucht verbunden werden (vgl. Peters, Wörterbuch Psychiatrie, 5. Aufl., Stichwort : Alkoholsucht). Dies hätte deshalb näherer Prüfung durch das Landgericht bedurft.
6
b) Die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen einer die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigenden krankhaften Alkoholsucht war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil das Schwurgericht - auch darin dem gehörten Sachverständigen folgend - keine Anhaltspunkte für "weiter gehende Beeinträchtigungen" zu den jeweiligen Tatzeiten zu erkennen vermochte. Zudem ist die Einschätzung im angefochtenen Urteil, der Angeklagte weise keine die Schuldfähigkeit beeinträchtigende psychische Störung oder Persönlichkeitsstörung auf (UA 17), auch nicht ohne Weiteres vereinbar mit der Erwägung im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten , "seine Alkoholkrankheit (habe) zu einer möglicherweise kriminalitätsbegünstigenden Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit" geführt (UA 19). Für das Vorliegen einer auch unter dem Gesichtspunkt einer anderen schweren seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB relevanten Persönlichkeitsveränderung könnte der von dem gehörten Sachverständigen dargelegte psychologische Befund sprechen, wonach die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten durch erhebliche Sozialisationsdefizite, Dissozialität, Haltschwäche und hochgradige Impulsivität und Überspanntheit gekennzeichnet sei (UA 23). Auch wenn diese Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten in ihrer Ausprägung noch nicht den Grad erreicht hat, der bereits für sich genommen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geführt hat, die vom Landgericht sicher angenommene Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten letztlich vielmehr erst durch seine jeweils aktuelle Alkoholintoxikation herbeigeführt worden ist, kann darin nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Zustand gesehen werden, der die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB zu rechtfertigen vermag (vgl. BGHSt 44, 338; 44, 369; Senatsbeschluss vom 18. Januar 2000 - 4 StR 583/99 - NZV 2000, 213).
7
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht - wäre es davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten nach § 63 StGB vorliegen - von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgesehen hätte. Zwar ist die Unterbringung nach § 63 StGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein „geringeres“, sondern ein „anderes“ Übel als die Sicherungsver- wahrung, zumal beide Maßregeln zeitlich unbegrenzt sind. Jedoch erweist sich die Unterbringung nach § 63 StGB schon deshalb regelmäßig als die weniger beschwerende Maßregel, weil ihr Vollzug grundsätzlich vor dem Vollzug der Strafe stattfindet und auf die Strafe angerechnet wird (§ 67 Abs. 1 und 4 StGB). Auch aus diesem Grund ist – und zwar unabhängig von der Frage der Therapierbarkeit – der Maßregelanordnung nach § 63 StGB in der Regel gegenüber der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung der Vorrang einzuräumen (BGHSt 42, 306, 308).
8
Der Maßregelausspruch bedarf mithin insgesamt neuer Prüfung und Entscheidung.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 583/99
vom
18. Januar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Januar 2000 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 22. Juni 1999 mit den Feststellungen aufgehoben; von der Aufhebung ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt, die bestehen bleiben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten – nach Überleitung des Sicherungsverfahrens in das Strafverfahren (§ 416 StPO) - wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr sowie wegen schwerer Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und ferner wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 DM, "die neben der Freiheitsstrafe bestehen bleibt", verurteilt. Ferner hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und bestimmt, daß dem Angeklagten "auf Lebenszeit" keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit
der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge insoweit Erfolg, als die Schuldfähigkeitsbeurteilung des Angeklagten durch das Schwurgericht durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet.
1. Das - sachverständig beratene - Landgericht hat bei allen drei Taten eine alkoholbedingt erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten (§ 21 StGB) angenommen, jedoch eine Aufhebung der Schuldfähigkeit (§ 20 StGB) ausgeschlossen. Diese Bewertung hält rechtlicher Prüfung schon deshalb nicht stand, weil sich das Landgericht nur unzureichend mit den Auffälligkeiten in der Persönlichkeit des Angeklagten auseinandergesetzt und deshalb auch den zusammenwirkenden Einfluß von erheblicher Alkoholisierung (Tatzeit-Blutalkoholkonzentrationen von 3,08 %o bei dem Brandstiftungsdelikt und von 2,74 %o bei dem versuchten Tötungsdelikt, jeweils festgestellt auf Grund tatzeitnah entnommener Blutprobe), affektiver Belastung und der bei dem Angeklagten festgestellten Persönlichkeitsstörung auf dessen Zustand bei der Tatausführung nicht umfassend geprüft hat.
Nach Einschätzung der Sachverständigen, der das Landgericht folgt, besteht bei dem Angeklagten "aus psycho-dynamischer Sicht ... eine narzißtische Persönlichkeitsentwicklung mit zwanghaften Zügen ... Bei emotionalen Belastungen und Kränkungen kann es bei ihm zu krisenhaften Affektdurchbrüchen kommen". Weiter heißt es im Urteil: "Differentialdiagnostisch könnte auch ein Borderline-Syndrom mit hysteriformen Zügen vorliegen, d.h. eine IchSchwäche mit der Unfähigkeit, Triebspannungen, Affektdruck und äußere Belastungen auszuhalten, wobei es zu Impuls- und Affektdurchbrüchen, Realitätsverkennung und Selbstbeschädigung kommen kann". Sowohl die "narzißti-
sche Persönlichkeitsentwicklung und Störung der Impulskontrolle als auch ein möglicherweise vorliegendes Borderline-Syndrom (seien) aber nicht so ausgeprägt , daß sie Krankheitswert haben oder einem solchen nahekommen" (UA 100/101).
Insoweit begegnet es schon methodischen Bedenken, daß das Landgericht sich die Beurteilung der Sachverständigen zu eigen macht und das Vorliegen einer schweren seelischen Abartigkeit aufgrund lediglich hypothetischer Erwägungen zur Borderline-Störung ("könnte", "möglicherweise") ausgeschlossen hat, obwohl die Sachverständige ersichtlich selbst die Auffassung vertreten hat, "eine endgültige Einordnung dieser Diagnosen (sei) erst nach längerer Verlaufsbeobachtung möglich" (UA 101). Letzteres entspricht zwar dem Meinungsstand in der Psychiatrie (vgl. Kröber NStZ 1998, 80; ders. Nervenarzt 1995, 532, 539). Ohne eine abschließende Klärung der Art der bei dem Angeklagten festgestellten Persönlichkeitsstörung läßt sich aber grundsätzlich auch eine sichere Aussage darüber, ob diese als schwere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB zu qualifizieren ist, nicht treffen (vgl. zu den Schwierigkeiten dieser Einordnung aus psychiatrischer Sicht: Foerster NStZ 1988, 444 ff.; Winckler/Foerster NStZ 1997, 334 f.). Das gleiche gilt, soweit das Landgericht meint, die Persönlichkeitsauffälligkeiten lägen "im Normbereich menschlichen Verhaltens" (UA 101). Welchen Maßstab das Landgericht dieser - pauschalen - Bewertung zugrundegelegt hat, ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Das Landgericht durfte sich hierbei auch nicht einfach der Bewertung der Sachverständigen anschließen, ohne sie kritisch zu hinterfragen (BGHSt 42, 385, 388 f.; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 17; zu der Aufgabe des Sachverständigen, dem Gericht seine Bewertung “verständlich, übersetzbar und plausibel” zu machen, Mauthe DRiZ 1999, 262, 268 f.). Hierzu bestand
umso mehr Anlaß, da die Bewertung in auffälligem Gegensatz zu dem abgeurteilten Tatgeschehen und dem weiteren festgestellten Verhalten des Angeklagten steht. Im übrigen ist die für möglich gehaltene BorderlinePersönlichkeitsstörung nach Art, Entstehung, Ausmaß und Wirkungen im Urteil auch nicht hinreichend konkretisiert, um ihren möglichen Einfluß auf die Schuldfähigkeit des Angeklagten beurteilen zu können und dem Revisionsgericht unter diesem Gesichtspunkt die rechtliche Prüfung zu ermöglichen (BGH NStZ 1999, 508 f. m.w.N.). Im Zusammenhang mit der gebotenen Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und ihrer Entwicklung (vgl. BGHSt 37, 397, 401; BGH, Beschluß vom 14. Juli 1999 – 3 StR 160/99 – m.w.N.) hätten zudem die Gründe näherer Erörterung bedurft, die dazu geführt haben, daß der Angeklagte zwischen Oktober 1985 und April 1998 insgesamt siebenmal stationär psychiatrisch behandelt werden mußte.
Schon dieser Mangel der Grundlagen für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nötigt zur Aufhebung des Urteils; denn der Senat kann nicht ausschließen , daß eine abschließende psychiatrische Diagnose die Annahme des Vorliegens einer schweren seelischen Abartigkeit begründet, aufgrund derer zumindest im Zusammenwirken mit der erheblichen Alkoholisierung auch eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit in Betracht kommt. Dies gilt hier schon deshalb, weil die Alkoholisierung jeweils dem Grad nahekommt bzw. ihn erreicht hat, der nach der Rechtsprechung schon für sich genommen Anlaß gibt, eine vollständige Aufhebung der Schuldfähigkeit in Erwägung zu ziehen (BGHSt 34, 29, 31; Senatsbeschluß vom 9. November 1999 - 4 StR 521/99). Hinzu kommt, daß das Urteil nicht hinreichend erkennen läßt, ob das Landgericht bei der Beurteilung der psycho-diagnostischen Kriterien genügend bedacht hat, daß "eingeschliffenes" Verhalten und "schlichte Handlungsmuster"
jedenfalls nicht ohne weiteres geeignet sind, die Indizwirkung einer hohen Blutalkoholkonzentration zu entkräften (BGHSt 43, 66, 70; BGH NStZ 1996, 227 = StV 1996, 224; BGH BA 1999, 179, 180). Soweit das Landgericht dabei auf das "situationsangepaßte" Verhalten abhebt, und dabei in bezug auf das Brandstiftungsdelikt insbesondere auch das Verhalten nach der Tat heranzieht, ist die Aussagekraft schon deshalb von geringerem Gewicht, weil es nach §§ 20, 21 StGB auf die Befindlichkeit des Täters "bei Begehung der Tat" ankommt (vgl. BGH NStZ 1999, 508 f.). Zudem hätte das Landgericht in diesem Zusammenhang auch berücksichtigen müssen, daß der Angeklagte in der psychosozialen Kriseneneinrichtung zwar sogleich auf das Feuer in seiner Wohnung hingewiesen hatte, aber unmittelbar danach - "aggressiv und aufgebracht darüber, daß er ... nicht aufgenommen wurde" – androhte, alles anzuzünden, und "demonstrativ ... ein brennendes Feuerzeug an einen dort befindlichen Stoffsessel" hielt (UA 23 f.), was eher gegen die Fähigkeit spricht, sich noch kontrollieren zu können. Ebenso durfte das Landgericht in bezug auf das Tatgeschehen im Zusammenhang mit dem Führen des Taxis zwar die "motorische" Fähigkeit zum Lenken des Fahrzeugs über eine Strecke von 800 m berücksichtigen (UA 110). Doch verliert dieser Umstand dadurch an Gewicht, daß der Angeklagte mit dem Fahrzeug schließlich - und zwar nicht etwa absichtlich (UA 89) - gegen einen Baum prallte. Daß schließlich auch der Bewertung der Zeugen, die den Zustand des Angeklagten jeweils als “nicht volltrunken” bezeichnet haben, allenfalls eine geringe Beweisbedeutung für die Schuldfähigkeitsbeurteilung zukommt, bedarf keiner näheren Darlegung.
2. Der zur Aufhebung des Urteils führende Rechtsfehler entzieht auch der Entscheidung die Grundlage, soweit das Schwurgericht davon abgesehen
hat, die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

a) Hinsichtlich der Unterbringungsentscheidung nach § 63 StGB hat das Landgericht infolge der unzureichenden Schuldfähigkeitsbeurteilung den rechtlich bedeutsamen Zusammenhang von Alkoholisierung des Angeklagten und der bei ihm festgestellten Persönlichkeitsstörung außer Betracht gelassen.
Auch wenn mit der gehörten Sachverständigen davon auszugehen ist, daß die Persönlichkeitsstörung des Angeklagten noch nicht so stark ist, daß sie bereits für sich genommen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geführt hat, die festgestellte Verminderung der Schuldfähigkeit letztlich vielmehr erst durch die aktuelle Alkoholintoxikation herbeigeführt worden ist, schließt dies nicht von vornherein das Vorliegen der Voraussetzungen eines Zustands beim Angeklagten aus, der die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB rechtfertigen kann. Allerdings war in diesen Fällen für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach früherer Rechtsprechung nur dann Raum, wenn der Täter an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist (st. Rspr.; vgl. u.a. BGHSt 34, 313 ff.; dazu neuerdings BGHSt 44, 338). In neuerer Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof diese Voraussetzungen aber dahin präzisiert, daß auch dann ein die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigender Zustand anzunehmen sein kann, wenn zwar erst die aktuelle Alkoholintoxikation den Ausschluß der Schuldfähigkeit oder deren erhebliche Verminderung bewirkt hat, der Täter aber an einer länger dauernden krankhaften geistig-seelischen Störung leidet und als Auslösungsfaktor für den Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB alltägli-
che Ereignisse in Betracht kommen (BGH StV 1999, 486 = NJW 1999, 3422). So kann es sich hier verhalten.
Das Landgericht stellt ausdrücklich fest, der Angeklagte neige dazu, "in Konfliktsituationen Alkohol in größeren Mengen zu sich zu nehmen"; das Trinken von Alkohol stelle bei ihm "ein Verhaltensmuster zur Lebensbewältigung dar, wobei er sich in Belastungs- und Krisensituationen, um sich zu betäuben, in den Alkohol flüchtet" (UA 7, 102). Insoweit besteht aber ein unmittelbarer Bezug zu seiner Persönlichkeitsstörung, denn seine "Ich-Schwäche mit der Unfähigkeit, Triebspannungen, Affektdruck und äußere Belastungen auszuhalten" , äußert sich in "krisenhaften Affektdurchbrüchen" ebenfalls "bei emotionalen Belastungen und Kränkungen" (UA 100); sie bildet deshalb psychodynamisch dieselbe Ursache, die auch seine “Flucht in den Alkohol” begründet. Auch das Landgericht geht mit der Sachverständigen davon aus, daß "der Alkohol als Katalysator diente und aggressiven Tendenzen zum Durchbruch verhalf" (UA 105). Zumal angesichts des erheblichen Gewichts der dem Angeklagten angelasteten Taten einerseits und der geringfügigen, eher "alltäglichen" tatauslösenden Umstände andererseits kann dies in Anbetracht der - wie auch die bereits frühzeitige und wiederholte stationäre psychiatrische Behandlung des Angeklagten zeigt - dauerhaften und behandlungsbedürftigen Persönlichkeitsstörung als Anordnungsgrundlage für § 63 StGB ausreichen (vgl. BGH, Beschluß vom 14. April 1999 - 3 StR 36/99). Daß von dem Angeklagten auch die bestimmte Gefahr weiterer erheblicher rechtswidriger Taten ausgeht, hat das Landgericht selbst angenommen; denn im Rahmen der Entscheidung über die Dauer der Sperrfrist nach § 69 a StGB ist es - überzeugend – davon ausgegangen , daß die "Wiederholungsgefahr groß" sei (UA 123).

b) Auch die Frage der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB (zur gleichzeitigen Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vgl. BGHR StGB § 72 Sicherungszweck 3) bedarf neuer Entscheidung. Zwar setzt die Anordnung der Maßregel nach § 64 StGB von Verfassungs wegen die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges voraus (BVerfGE 91, 1 = NStZ 1994, 578). Doch genügt entgegen der Aufassung des Landgerichts für die Annahme der Aussichtslosigkeit noch nicht, daß der Angeklagte "keine Einsicht in seine Mißbrauchsproblematik" hat (UA 122). Eine solche mangelnde Einsicht kann ebenso wie mangelnde Therapiemotivation zwar ein Indiz dafür sein, daß eine Entwöhnungsbehandlung keine Erfolgschancen hat. Andererseits bedarf es in solchen Fällen der Prüfung und Darlegung , daß auch mit therapeutischen Bemühungen eine positive Beeinflussung des Angeklagten nicht zu erreichen wäre (BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 7; BGH, Beschluß vom 25. Oktober 1995 - 2 StR 535/95).
3. Die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt sind von den beanstandeten Rechtsfehlern nicht betroffen. Sie können deshalb bestehen bleiben. Auf die Aufklärungsrüge, die allein die Ursache des Fahrens in Schlangenlinien betrifft, nicht hingegen das Fahren in Schlangenlinien als solches, kommt es deshalb nicht an. Im übrigen hätte die Aufklärungsrüge, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 30. November 1999 näher ausgeführt hat, auch in der Sache keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).
4. Für das weitere Verfahren wird es sich empfehlen, zur Schuldfähigkeitsprüfung einen weiteren Sachverständigen hinzuzuziehen.
Sollte der neue Tatrichter wiederum zur Annahme - wenn auch erheblich verminderter - Schuldfähigkeit des Angeklagten gelangen, wird bei einem Schuldspruch wegen des Brandstiftungsdelikts nach § 306 a StGB insbesondere die Strafrahmenwahl mit Blick auf die Vielzahl gewichtiger Strafmilderungsgründe eingehenderer Prüfung als bisher bedürfen. Schließlich hat der Senat auch Bedenken, ob das Landgericht von dem ihm in § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB eingeräumten Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat, wenn es die Entscheidung , die wegen der Beleidigung verhängte Geldstrafe neben der Gesamtfreiheitsstrafe bestehen zu lassen, allein auf "erzieherische Gründe" gestützt hat (UA 121), ohne darzulegen, worin die erzieherische Einwirkung bestehen soll, den - ersichtlich “verarmt(en)” (vgl. UA 6 und 7) - Angeklagten neben der hohen Gesamtfreiheitsstrafe noch zusätzlich am Vermögen zu bestrafen.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Athing Ernemann

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 530/06
vom
19. Dezember 2006
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. Dezember 2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 28. Juni 2006 im Maßregelausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Daneben hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Maßregelausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
2. Dagegen kann die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung nicht bestehen bleiben. Zwar hat das Landgericht sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen der Unterbringung nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB rechtsfehlerfrei bejaht. Ebenso hat es - sachverständig beraten - eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg in einer Entziehungsanstalt verneint und deshalb von einer Unterbringung nach § 64 StGB abgesehen. Jedoch hat die Schwurgerichtskammer versäumt zu prüfen, ob auch eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) in Betracht kommt, die nach den Grundsätzen des § 72 StGB die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entbehrlich machen kann (vgl. BGHSt 42, 306, 308). Der darin liegende Rechtsfehler ist bereits auf die Sachrüge hin zu beachten, so dass es auf die den Maßregelausspruch betreffende Aufklärungsrüge nicht ankommt.
4
a) Das Landgericht hat sich ersichtlich deshalb nicht mit der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) befasst, weil die für beide Gewaltdelikte angenommene erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) jeweils durch die hochgradige Tatzeit-Alkoholisierung des Angeklagten von 2,7 bzw. 3,0 ‰ bewirkt wurde. Das schloss eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB indes noch nicht von vornherein aus. Zwar kommt die Anwendung des § 63 StGB nur bei Personen in Betracht, deren Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderte Schuldfähigkeit durch einen länger andauernden und nicht nur vorübergehenden Zustand im Sinne der §§ 20, 21 StGB hervorgerufen ist (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 27). In Fällen, in denen die Verminderung der Schuldfähigkeit letztlich auf Alkoholgenuss zurückzuführen ist, kann § 63 StGB aber ausnahmsweise angewendet werden, wenn der Täter an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder in krankhafter Weise alkoholüber- empfindlich ist (st. Rspr.; BGHSt 34, 313, 314; BGHR StGB § 63 Zustand 9). Das Landgericht musste sich deshalb mit der Frage auseinandersetzen, ob der Angeklagte nicht nur - was der Sachverständige sicher diagnostiziert hat - alkoholabhängig ist, sondern ob bei ihm bereits eine krankhafte Alkoholsucht vorliegt.
5
Anhaltspunkte dafür ergeben sich schon aus dem Verlauf des Alkoholmissbrauchs , der bereits im Jahr 1980 zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber des Angeklagten führte. Der Angeklagte setzte seinen exzessiven Alkoholkonsum seither durchgehend - unterbrochen nur durch "Abstinenzzeiten" auf Grund seiner Inhaftierung - fort. Mehrfach musste er sich - im Ergebnis erfolglosen - stationären Entgiftungen unterziehen. 1998 erlitt er einen Herzinfarkt. Der jahrelange Alkoholismus führte bei ihm zur Schwerhörigkeit. Hinzu kamen als Folge des jahrzehntelang eingeschliffenen Alkoholmissbrauchs auch hirnorganisch bedingte kognitive Leistungsminderungen (UA 3, 23). Diese mithin auch physischen Veränderungen beim Angeklagten haben bewirkt, dass er nicht mehr in der Lage ist, abstinent zu leben (UA 23). Damit liegen Umstände vor, die üblicherweise mit dem Begriff der Alkoholsucht verbunden werden (vgl. Peters, Wörterbuch Psychiatrie, 5. Aufl., Stichwort : Alkoholsucht). Dies hätte deshalb näherer Prüfung durch das Landgericht bedurft.
6
b) Die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen einer die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigenden krankhaften Alkoholsucht war nicht etwa deshalb entbehrlich, weil das Schwurgericht - auch darin dem gehörten Sachverständigen folgend - keine Anhaltspunkte für "weiter gehende Beeinträchtigungen" zu den jeweiligen Tatzeiten zu erkennen vermochte. Zudem ist die Einschätzung im angefochtenen Urteil, der Angeklagte weise keine die Schuldfähigkeit beeinträchtigende psychische Störung oder Persönlichkeitsstörung auf (UA 17), auch nicht ohne Weiteres vereinbar mit der Erwägung im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten , "seine Alkoholkrankheit (habe) zu einer möglicherweise kriminalitätsbegünstigenden Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit" geführt (UA 19). Für das Vorliegen einer auch unter dem Gesichtspunkt einer anderen schweren seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB relevanten Persönlichkeitsveränderung könnte der von dem gehörten Sachverständigen dargelegte psychologische Befund sprechen, wonach die Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten durch erhebliche Sozialisationsdefizite, Dissozialität, Haltschwäche und hochgradige Impulsivität und Überspanntheit gekennzeichnet sei (UA 23). Auch wenn diese Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten in ihrer Ausprägung noch nicht den Grad erreicht hat, der bereits für sich genommen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit geführt hat, die vom Landgericht sicher angenommene Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten letztlich vielmehr erst durch seine jeweils aktuelle Alkoholintoxikation herbeigeführt worden ist, kann darin nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Zustand gesehen werden, der die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB zu rechtfertigen vermag (vgl. BGHSt 44, 338; 44, 369; Senatsbeschluss vom 18. Januar 2000 - 4 StR 583/99 - NZV 2000, 213).
7
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht - wäre es davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten nach § 63 StGB vorliegen - von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung abgesehen hätte. Zwar ist die Unterbringung nach § 63 StGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein „geringeres“, sondern ein „anderes“ Übel als die Sicherungsver- wahrung, zumal beide Maßregeln zeitlich unbegrenzt sind. Jedoch erweist sich die Unterbringung nach § 63 StGB schon deshalb regelmäßig als die weniger beschwerende Maßregel, weil ihr Vollzug grundsätzlich vor dem Vollzug der Strafe stattfindet und auf die Strafe angerechnet wird (§ 67 Abs. 1 und 4 StGB). Auch aus diesem Grund ist – und zwar unabhängig von der Frage der Therapierbarkeit – der Maßregelanordnung nach § 63 StGB in der Regel gegenüber der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung der Vorrang einzuräumen (BGHSt 42, 306, 308).
8
Der Maßregelausspruch bedarf mithin insgesamt neuer Prüfung und Entscheidung.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible