Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2007 - 4 StR 536/07

published on 13/11/2007 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Nov. 2007 - 4 StR 536/07
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 536/07
vom
13. November 2007
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 13. November 2007 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Juni 2007 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs von Kindern in acht Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen sowie sexuellen Missbrauchs von Kindern in neun Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem früheren Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrüge, mit der der Beschwerdeführer geltend macht, sein gewählter Verteidiger, Rechtsanwalt F. , sei entgegen § 218 Satz 1 StPO nicht zur Hauptverhandlung geladen worden und deshalb auch nicht erschienen , greift nicht durch, weil sie nicht im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässig ausgeführt ist. Denn die Revision teilt den Verfahrensgang nur unvollständig mit, so dass der Senat nicht prüfen kann, ob Rechtsanwalt F. seine Wahl als Verteidiger dem Gericht rechtzeitig vor der Hauptverhandlung angezeigt hat.
3
Allerdings befindet sich - insoweit entgegen den Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts - der Schriftsatz von Rechtsanwalt F. vom 1. Juni 2007, mit dem er das Wahlmandat angezeigt hat, bei den Akten (Bd. IV Bl. 186). Doch war dieser Schriftsatz - was die Revision nicht mitgeteilt hat - noch an die Staatsanwaltschaft in Saarbrücken gerichtet, obwohl die Anklage bereits Anfang Mai 2007 erhoben und dies auch dem Angeklagten bekannt gegeben worden war. Wann diese Anzeige von dem Wahlmandat bei dem Landgericht eingegangen ist, ergibt sich aus dem Vorbringen der Revision nicht und ist auch den Akten nicht zu entnehmen, worauf auch der Vorsitzende der Strafkammer in seinem Vermerk vom 17. Juli 2007 hingewiesen hat (Bd. IV Bl. 238), den die Revision ebenfalls nicht mitgeteilt hat. Auf den Eingang der Anzeige bei Gericht kommt es aber an. Daran ändert nichts, dass die Staatsanwaltschaft als Adressat des Schriftsatzes gehalten war, diesen unverzüglich an das Gericht weiterzuleiten. Denn nachdem dem Angeklagten die Anklageerhebung bekannt war, fiel es allein ihm zur Last, wenn die an die Staatsanwaltschaft adressierte Anzeige nicht mehr rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist (Gollwitzer in LR StPO 25. Aufl. § 218 Rdn. 8). Schließlich ergibt sich auch aus den Beschlüssen des Landgerichts vom 20. Juni 2007 und vom 13. August 2007 (Bd. IV Bl. 148 und 246) nicht, dass die Anzeige des Wahlmandats recht- zeitig bei dem Landgericht eingegangen war. Davon abgesehen ist dieser Teil des Vortrags der Revision in ihrer Gegenerklärung auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts verspätet (§ 345 Abs. 1 Satz 1 StPO) und deshalb unbeachtlich.
4
2. Die Überprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nur ergeben, soweit es das Konkurrenzverhältnis der Fälle II. 2 Buchst. f) und g) der Urteilsgründe und die rechtliche Würdigung des Tatgeschehens in dem genannten Fall II. 2 Buchst. g) anlangt. Nach den Feststellungen forderte der Angeklagte zunächst seine zehnjährige Tochter und sodann deren ebenfalls zehnjährige Freundin auf, an ihm sexuelle Handlungen vorzunehmen, was die Mädchen auch taten (Fall II. 2 Buchst. f). "Unmittelbar anschließend" veranlasste der Angeklagte die beiden Kinder, sich zwei "Catsuits aus Netzstoff mit Aussparungen im Genitalbereich" anzuziehen, und machte von ihnen Fotos. Bei dieser Sachlage ist zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass beide vom Landgericht als selbständige Taten gewerteten Fälle eine natürliche Handlungseinheit und damit eine Tat im Rechtssinne bilden.
5
3. Der Senat ändert den Schuldspruch des angefochtenen Urteils entsprechend dahin ab, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern statt in neun, in acht Fällen, davon in einem statt in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, schuldig ist.
6
Dies führt zum Wegfall der im Fall II. 2 Buchst. g) erkannten Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten. Der Senat lässt in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO insoweit die im Fall II. 2 Buchst. f) verhängte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten als neue Einzelstrafe bestehen, weil sich der Schuldgehalt durch die Zusammenfassung zu einer Tat nicht wesentlich ändert, zumal das Tatgeschehen im Zusammenhang mit den "Catsuits" entgegen der rechtlichen Würdigung durch die Strafkammer nicht die Tatbestände der §§ 174 Abs. 1 Nr. 3, 176 Abs. 1 StGB, sondern lediglich den Tatbestand des § 174 Abs. 2 Nr. 2 StGB erfüllt (vgl. BGHSt 50, 370).
7
Der Wegfall der Einzelfreiheitsstrafe von acht Monaten lässt den Gesamtstrafenausspruch unberührt. Denn der Senat kann angesichts der Anzahl und Höhe der bestehen bleibenden Einzelstrafen und der im Übrigen rechtsfehlerfreien Strafzumessungserwägungen ausschließen, dass das Landgericht ohne diese Einzelstrafe auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.
Tepperwien Maatz Athing
Solin-Stojanović Sost-Scheible
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Neben dem Angeklagten ist der bestellte Verteidiger stets, der gewählte Verteidiger dann zu laden, wenn die Wahl dem Gericht angezeigt worden ist. § 217 gilt entsprechend.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.

(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.