Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Jan. 2018 - 4 StR 522/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 17. Januar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) soweit der Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zur Nötigung (Fall II. 2 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe sowie
c) im Maßregelausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur Nötigung, zu einer Gesamtfrei- heitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Seine Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 1 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat, hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils weder hinsichtlich des Schuldspruchs noch hinsichtlich des Ausspruchs über die Einzelstrafe einen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.
II.
- 3
- Der Schuldspruch wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zur Nötigung im Fall II. 2 der Urteilsgründe hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 4
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts entwendete der gesondert verfolgte J. S. dem Vater des Angeklagten, dem ebenfalls gesondert verfolgten H. W. , im November 2014 40 Gramm Methamphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 25,20 Gramm Methamphetaminbase, die dieser kurz zuvor von einem unbekannten Dritten erworben hatte. S. stritt den Diebstahl jedoch ab. Deshalb entschloss sich der gesondert verfolgte H. W. , sich das Methamphetamin bzw. einen entsprechenden Gegenwert von S. mit Unterstützung durch den Angeklagten zurückzuholen. In Umsetzung dieses Tatentschlusses forderte H. W. den gesondert verfolgten J. S. im Beisein des Angeklagten zur Rückgabe des Methamphetamins auf und setzte ihn dabei durch die Androhung von Schlägen unter Druck. Wie vom Angeklagten erkannt und zumindest billigend in Kauf genommen, ließ sich J. S. durch die Drohungen des H. W. , die in ihrer Wirkung durch seine, des Angeklagten, Anwesenheit verstärkt wurden, einschüchtern und gab dem Vater des Angeklagten einen Tag später 30 Gramm des entwendeten Methamphetamins zurück. Bei dieser Gelegenheit, bei der der Angeklagte nicht zugegen war, verlangte der gesondert verfolgte H. W. „Scha- densersatz“ für die restlichen 10 Gramm, die J. S. selbst konsumiert hatte.
- 5
- 2. Diese Feststellungen belegen keine Haupttat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln durch den gesondert verfolgten Vater des Angeklagten und vermögen daher auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe hierzu nicht zu tragen.
- 6
- a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256 mwN). Ob der gesondert verfolgte H. W. vorhatte, die von J. S. entwendeten und unter Mitwirkung des Angeklagten wiederbeschafften Betäubungsmittel – abzüglich der von J. S. konsumierten Teilmenge – gewinnbringend weiterzuverkaufen , ist den Urteilsgründen nicht ausdrücklich zu entnehmen. Auch zu der Ursprungsmenge von 40 Gramm Methamphetamin wird insoweit lediglich mitgeteilt , der gesondert verfolgte H. W. habe diese Betäubungsmittel An- fang November 2014 von einem unbekannten Dritten erworben. Zum Zweck des Erwerbs verhält sich das Urteil an dieser Stelle ebenfalls nicht.
- 7
- b) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ergeben sich die Tatbestandsvoraussetzungen des Handeltreibens auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe. Zwar ist das Landgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass es sich bei dem vom Vater des Angeklagten erworbenen Methamphetamin um eine nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG handelte. Dieser Umstand vermag indes weder für sich genommen noch in Zusammenschau mit den zum Fall II. 1 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen, wonach der gesondert verfolgte H. W. ein Kilogramm Marihuana mit Gewinn weiterverkaufte, die Annahme einer entsprechenden Verkaufs- und Gewinnabsicht zu tragen.
- 8
- c) Der Senat verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Es ist nicht auszuschließen, dass der neue Tatrichter die fehlenden Feststellungen noch treffen kann.
- 9
- Mit Blick auf die vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift angesprochene mögliche Strafbarkeit des Angeklagten wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung durch dessen Mitwirkung bei der Wiederbeschaffung der entwendeten Betäubungsmittel verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 21. April 2015 (4 StR 92/15, NJW 2015, 2898 m. Anm. Kudlich).
- 10
- 3. Die Aufhebung der Verurteilung im Fall II. 2 der Urteilsgründe erfasst auch die tateinheitliche Verurteilung wegen Beihilfe zur Nötigung. Ferner entzieht sie dem Ausspruch über die Gesamtstrafe und dem Maßregelausspruch die Grundlage. Sollte der neue Tatrichter wiederum zu der Feststellung gelan- gen, dass der Angeklagte seit Ende 2015 durchgehend abstinent von Drogen lebte, wird dieser Umstand bei der Prüfung der Anordnungsvoraussetzungen besonders zu beachten sein; maßgebend für die Beurteilung eines Hangs im Sinne des § 64 StGB und für die Gefahrprognose ist der Zeitpunkt der tatrichterlichen Hauptverhandlung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. März 2001 – 4 StR 36/01, NStZ-RR 2001, 295, 296; vom 22. Januar 1997 – 2 StR 656/96, StV 1998, 73).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft, - 2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt, - 3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein, - 4.
(weggefallen) - 5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt, - 6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel - a)
verschreibt, - b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
- 6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt, - 6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht, - 7.
entgegen § 13 Absatz 2 - a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke, - b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
- 8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt, - 9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen, - 10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet, - 11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt, - 12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind, - 13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt, - 14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt, - 2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.
(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.
(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.
(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.