Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Feb. 2000 - 4 StR 488/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem wegen Vergewaltigung in vier Fällen, sexueller Nötigung und wegen mehrerer Straßenverkehrsdelikte unter Einbeziehung einer Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Ferner hat es gegen ihn wegen Vergewaltigung und anderem eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt. Schließlich hat das Landgericht gegen den Angeklagten eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von fünf Jahren ausgesprochen und Führungsaufsicht angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das Rechtsmittel ist, soweit es den Schuldspruch betrifft, im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet. Es führt jedoch mit der Sachrüge zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs.
1. Zwar gefährdet es den Bestand des Urteils nicht, daß in den Urteilsgründen - ohne daß für diesen Widerspruch eine Erklärung ersichtlich ist – abweichend von der verkündeten Urteilsformel (Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren) für die zweite Gesamtstrafe ”eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten für tat- und schuldangemessen” erachtet wird. Insoweit gilt die für den Angeklagten günstigere verkündete Urteilsformel (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 1998 – 4 StR 171/98 - und vom 17. Dezember 1999 – 1 StR 630/99).
2. Der Rechtsfolgenausspruch kann jedoch keinen Bestand haben, da zu besorgen ist, daß das Landgericht die Möglichkeit eines zu hohen Gesamtstrafübels nicht hinreichend bedacht hat.
Nötigt wie hier die Zäsurwirkung einer einzubeziehenden Verurteilung zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen, muß das Gericht einen sich daraus möglicherweise für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels ausgleichen. Es muß also darlegen, daß es sich dieser Sachlage bewußt gewesen ist und erkennen lassen, daß es das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat (vgl. BGHSt 41, 310, 313; BGHR StGB § 55 Bemessung 1; 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 11, 12 und 13). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Landgericht hat nämlich hierzu bei der Bemessung der Gesamtstrafen lediglich ausgeführt, ”daß sich die Bildung von zwei Gesamtstrafen angesichts der niedrigen Strafe
[von fünf Monaten Freiheitsstrafe] des die Zäsur bildenden Urteils eher nachteilig für den Angeklagten auswirkt” (UA 110). Damit hat es aber weder die Gesamthöhe des ausgesprochenen Freiheitsentzuges von immerhin acht Jahren erkennbar auf ihre Schuldangemessenheit geprüft noch das Ergebnis dieser Überprüfung für das Revisionsgericht nachvollziehbar dargelegt. Der Senat kann daher nicht ausschließen, daß die Bemessung der Gesamtstrafen auf diesen Mangel beruht, zumal die Taten des Angeklagten teilweise bereits längere Zeit zurückliegen (Tatzeit im Fall 1: August 1991; im Fall 2.1: 10. Juni 1995), zudem die das Schwergewicht der Verurteilung bildenden Straftaten nach § 177 StGB überwiegend im Rahmen bestehender sexueller Beziehungen begangen wurden und das hierbei vom Angeklagten angewandte Maß der Gewalt eher im unteren Bereich anzusiedeln ist. Er hebt auch die Einzelstrafen und die Maßregelaussprüche auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, umfassend über die Rechtsfolgen zu befinden. Dieser wird auch zu bedenken haben, daß die Anordnung von Führungsaufsicht, die die Wahrscheinlichkeit erneuter Straffälligkeit des Angeklagten voraussetzt (vgl. hierzu Stree in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 68 Rdn. 6), bei der Verhängung mehrjähriger Freiheitsstrafen in der Regel entbehrlich ist (vgl. BGHR StGB § 256 Führungsaufsicht 1; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 68 Rdn. 6).
Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch.
Meyer-Goßner Kuckein Athing Ernemann
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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- 1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, - 2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert, - 3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt, - 4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder - 5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.
(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet, - 2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder - 3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.
(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder - 2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder - 3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder - 2.
das Opfer - a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
In den Fällen der §§ 249 bis 255 kann das Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).