Bundesgerichtshof Beschluss, 12. März 2013 - 4 StR 42/13

bei uns veröffentlicht am12.03.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 42/13
vom
12. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. März 2013 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 17. Juli 2012 mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Fall II. 1 der Urteilsgründe sowie
b) im gesamten Strafausspruch. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in zwei Fällen, gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen und wegen sexueller Nötigung (Vergewaltigung) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB im Fall II. 1 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
a) Das Landgericht hat insoweit festgestellt, dass der Angeklagte die Nebenklägerin im Zuge einer zunächst nur verbalen Auseinandersetzung zu Boden stieß und sie dort mit beiden Händen am Hals würgte, bis diese keine Luft mehr bekam, was der Angeklagte auch erkannte. Diese Feststellungen belegen eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht.
4
b) Zwar muss die Tathandlung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht dazu führen, dass das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebensgefahr gerät; die jeweilige Einwirkung muss lediglich abstrakt geeignet sein, eine solche Gefährdung herbeizuführen. Danach kommt festes Würgen am Hals zwar grundsätzlich als geeignete Tathandlung in Betracht; von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit jedoch Dauer und Stärke der Einwirkung, zu denen sich die Urteilsfeststellungen je nach Lage des Falles verhalten müssen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2004 – 4 StR 403/04, NStZ-RR 2005, 44 mwN). Zu den näheren Umständen der konkreten Tatausführung , etwa dazu, ob der Nebenklägerin durch die Einwirkung des Angeklagten die Halsschlagader abgeschnürt wurde, enthalten die Urteilsgründe indes keine Feststellungen. Dies gilt auch für die hier möglicherweise bedeutsame Zeitspanne zwischen dem Eintritt der Atemnot bei der Nebenklägerin und dem Nichtweiterhandeln des Angeklagten.
5
2. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts hält der Senat es nicht für sicher ausgeschlossen, dass zu Art und Dauer der Einwirkung noch weitere Feststellungen getroffen werden können. Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.

II.


6
1. Zur Schuldfähigkeit des Angeklagten hat sich die Strafkammer sachverständig beraten lassen und angenommen, dass der Angeklagte bei der Begehung der abgeurteilten Taten einerseits unter einem Syndrom der Abhängigkeit von Stimulanzien und Cannabinoiden und andererseits unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ mit emotional instabilen, dissozialen und narzisstischen Anteilen litt. Das Abhängigkeitssyndrom habe indes nicht zu einer „derart erheblichen krankhaften seelischen Störung“ geführt , dass die „psychische Befindlichkeit“ des Angeklagten dadurch wesentlich beeinträchtigt worden sei. Eine „andere schwere seelische“ Abartigkeit liege insoweit nicht vor, weil das Syndrom keine tatdeterminierenden Konsequenzen gehabt habe und eine Persönlichkeitsdepravation, ein Verfall oder eine Verwahrlosung des Angeklagten ebenso wenig festgestellt werden könne wie eine akute Intoxikationspsychose zu den jeweiligen Tatzeitpunkten. Auch die beim Angeklagten diagnostizierte Persönlichkeitsstörung habe nicht das Gewicht einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“, da sie weder mit schweren überdauernden Störungen der Affektregulation einhergegangen sei, noch zu einer Stereotypisierung des Verhaltens des Angeklagten geführt habe und schwere Störungen des Selbstwertgefühls sowie der sozialen Bindungsfähigkeit ebenfalls nicht festzustellen seien. Der Angeklagte sei daher bei Begehung aller Taten uneingeschränkt schuldfähig gewesen. Den Darlegungen des Sachverständigen hat sich das Landgericht angeschlossen; seine Würdigung hat es dabei auf die Bemerkung beschränkt, sie seien überzeugend. Dies hält hier rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
a) Als stoffgebundene Suchterkrankung kann die Abhängigkeit von Drogen wegen der Vielzahl möglicher Ursachen, Ausprägungen sowie körperlicher und psychischer Folgen sowohl die Voraussetzungen des Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB als auch – vor allem bei körperlicher Abhängigkeit – jene einer krankhaften seelischen Störung erfüllen (SSW-StGB/Schöch, § 20 Rn. 46; vgl. auch Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 41). Unabhängig von dieser Einordnung begründet die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für sich allein noch nicht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Diese Folge ist bei einem Rauschgiftabhängigen nur ausnahmsweise gegeben, etwa dann, wenn langjähriger Betäubungsmittelkonsum zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat, der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen, ferner unter Umständen dann, wenn er die Tat im Zustand eines akuten Rausches verübt (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. August 2001 – 1 StR 470/00, NJW 2002, 150, 152 mwN). Dabei erfolgt die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, erheblich vermindert war, in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren (vgl. im Einzelnen Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57). Zuerst ist die Feststellung erforderlich, dass beim Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Aus- prägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Haben bei der Tat mehrere Faktoren zusammengewirkt und kommen daher mehrere Eingangsmerkmale gleichzeitig in Betracht, so dürfen diese nicht isoliert abgehandelt werden; erforderlich ist in solchen Fällen vielmehr eine umfassende Gesamtbetrachtung (BGH, Beschluss vom 23. August 2000 – 2 StR 281/00, BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 14; Beschluss vom 3. September 2004 – 1 StR 359/04, NStZ-RR 2004, 360). Der Tatrichter hat bei der Entscheidung über die Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB und bei der Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit nicht nur die Darlegungen des medizinischen Sachverständigen eigenständig zu überprüfen; er ist auch verpflichtet, seine Entscheidung in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise zu begründen (BGH, Beschluss vom 7. März 2006 – 3 StR 52/06, NStZ-RR 2007, 74). Das abschließende Urteil über die Erheblichkeit der Verminderung von Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ist als Rechtsfrage ausschließlich Sache des Richters (BGH, Urteil vom 17. April 2012 – 1 StR 15/12; Beschluss vom 22. August 2012 – 4 StR 308/12, jeweils mwN).
8
b) Gemessen daran sind die im angefochtenen Urteil wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen schon für sich genommen nicht bedenkenfrei , soweit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit ausgeschlossen wird.
9
aa) So legen die Urteilsgründe schon nicht dar, ob der Sachverständige beim Angeklagten die allgemeinen psychiatrischen Kriterien einer Substanzabhängigkeit gemäß ICD-10 oder DSM-IV als erfüllt angesehen hat. Zwar besagt das Vorliegen eines bestimmten Zustandsbildes nach einer der beiden Klassifikationen noch nichts über das Ausmaß drogeninduzierter Störungen. Gleichwohl weist eine solche Zuordnung in der Regel auf eine nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung hin, der der Tatrichter mit Hilfe des Sachverständigen nachgehen muss (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2000 – 1 StR 310/00, NStZ 2001, 83, 84 mwN). Die Urteilsgründe beschränken sich in diesem Zusammenhang auf die Wiedergabe der Ausführungen des medizinischen Sachverständigen , wonach beim Angeklagten ein Abhängigkeitssyndrom vorliege, die drogeninduzierte Beeinflussung aber nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der „psychischen Befindlichkeit“ des Angeklagten geführt habe. Der Senat kann daher nicht nachprüfen, ob sich der Tatrichter insoweit von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab hat leiten lassen.
10
bb) Die Urteilsgründe lassen ferner besorgen, dass die Strafkammer die für das Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit einerseits und der krankhaften seelischen Störung andererseits erforderlichen unterschiedlichen Voraussetzungen und deren Verhältnis zueinander nicht hinreichend in den Blick genommen hat; dies kann die Beurteilung der Schuldfähigkeit hier zum Nachteil des Angeklagten beeinflusst haben. So erörtert die Strafkammer vor dem Hintergrund der entsprechenden Ausführungen des medizinischen Sachverständigen das Vorliegen einer akuten Intoxikationspsychose in unmittelbarem Zusammenhang mit der Prüfung des Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit, nicht aber in Bezug auf eine mögliche krankhafte seelische Störung, was näher liegt. Ob das Landgericht die Vernachlässigung anderer Interessen durch den Angeklagten neben seinem starken Wunsch nach Betäubungsmittelkonsum zutreffend als Anzeichen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit eingeordnet hat (vgl. Fischer aaO), vermögen die Urteilsgründe ebenfalls nicht zu vermitteln; Erwähnung findet die- ser Gesichtspunkt bei der Erörterung des Eingangsmerkmals der krankhaften seelischen Störung.
11
c) Die Erörterung der Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten erweist sich zudem als lückenhaft.
12
So findet der Umstand, dass der Angeklagte, wie vom Landgericht ausdrücklich festgestellt (UA S. 4), während einer auf eigene Initiative durchgeführten Entgiftung im April 2011, also zu Beginn des verfahrensgegenständlichen Tatzeitraums, unter intensiven und quälenden akustischen Halluzinationen litt und erst zwei bis drei Wochen vor der letzten Tat seinen Rauschgiftkonsum wieder aufnahm, bei der Erörterung der Eingangsmerkmale des § 20 StGB keine Erwähnung. Der Senat kann daher nicht überprüfen, ob der Sachverständige diesen gewichtigen Umstand bei seiner Begutachtung berücksichtigt und in welcher Weise die Strafkammer dessen Äußerungen bewertet hat. Die bloße Erwähnung eines zeitlich nicht näher eingegrenzten Entzugssyndroms (UA S. 9) ist in diesem Zusammenhang unzureichend. Die Urteilsgründe lassen ferner nicht erkennen, ob die Strafkammer in einer umfassenden Gesamtwürdigung berücksichtigt hat, dass der Sachverständige neben dem Abhängigkeitssyndrom beim Angeklagten auch eine kombinierte Persönlichkeitsstörung diagnostiziert hat. Dies lässt besorgen, dass diese Prüfung hier nicht oder nur unzureichend vorgenommen wurde und das Landgericht seine Beurteilung lediglich isoliert auf die vom Sachverständigen angesprochenen Gesichtspunkte gestützt hat.
13
2. Die Frage der Schuldfähigkeit muss daher umfassend neu geprüft werden, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines anderen Sachverständigen. Da der Senat auszuschließen vermag, dass beim Angeklagten bei allen Taten Schuldunfähigkeit vorlag, führt der Rechtsfehler lediglich zur Aufhebung der Strafaussprüche.

III.


14
Der zu neuer Verhandlung und Entscheidung berufene Tatrichter wird in den Blick nehmen müssen, dass vor dem Hintergrund der neuen Feststellungen zur Schuldfähigkeit gegebenenfalls die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zu prüfen sein wird.
15
Im Hinblick auf die diesbezüglichen Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 6. Februar 2012 merkt der Senat an, dass die Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB die Betätigung tatrichterlichen Ermessens voraussetzt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 14. Dezember 1999 – 4 StR 554/99, NStZ-RR 2000, 364).
Mutzbauer Cierniak Franke
Bender Quentin

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
1. Gesetzeseinheit zwischen Diebstahl - im besonders schweren Fall nach § 243
Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1, 2 StGB - und Sachbeschädigung scheidet jedenfalls dann
aus, wenn die Sachbeschädigung bei konkreter Betrachtung von dem regelmäßigen
Verlauf eines Diebstahls im besonders schweren Fall (§ 243 Abs. 1 Satz 2
Nrn. 1, 2 StGB) abweicht, von einem eigenständigen, nicht aufgezehrten Unrechtsgehalt
geprägt ist und sich deshalb nicht als sog. typische Begleittat erweist.
2. Der Senat neigt überdies aus grundsätzlichen Erwägungen der Auffassung zu,
daß das Vorliegen des Regelbeispiels eines besonders schweren Falles des
Diebstahls (hier nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn.1, 2 StGB) beim rechtlichen Zusammentreffen
des Diebstahls mit einer Sachbeschädigung schon von vornherein
nicht zur Konsumtion des Unrechts der Sachbeschädigung und damit zur Annahme
von Gesetzeseinheit führen kann. Vielmehr besteht Tateinheit.
BGH, Urteil vom 7. August 2001 - 1 StR 470/00 - LG Stuttgart

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 470/00
vom
7. August 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. August
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
Dr. Wahl,
Schluckebier,
Schaal,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 9. Mai 2000 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in drei Fällen, wegen Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Falle in Tateinheit mit Sachbeschädigung, wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung und wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte unter Einbeziehung einer Strafe aus einem anderen Urteil zur Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die die Verletzung sachlichen Rechts rügt, bleibt ohne Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts litt der Angeklagte zu den Tatzeiten unter einer Abhängigkeit von Suchtstoffen (Polytoxikomanie). Auf-
grund langen Drogenmiûbrauchs hatte er den Hang, berauschende Mittel im Übermaû zu sich zu nehmen. Um sich die finanziellen Mittel zur Befriedigung der Drogensucht zu beschaffen, beging der Angeklagte jeweils mit einem ebenso disponierten Mittäter zwischen dem 11. Juli und 8. August 1998 sowie zwischen dem 10. September und 17. September 1999 mehrere Straftaten, bei denen es sich mit einer Ausnahme um sogenannte Beschaffungsdelikte handelte. So entwendete er aus einem Pizzageschäft eine Geldkassette mit einem Inhalt von ca. 350 DM (Fall 1 der Urteilsgründe), stemmte einen Tankautomaten auf (Fall 2), überfiel Tankstellen und eine Lottoannahmestelle (Fälle 3, 4 und 7), versuchte in ein Geschäft für Mobiltelefone einzubrechen (Fall 6) und griff nach einer Polizeikontrolle einen Polizeibeamten an, der Prellungen sowie einen Einriû der Nasenscheidewand erlitt (Fall 5). Im Falle 2 (Aufstemmen eines Tankautomaten) hat das Landgericht den Angeklagten wegen Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung schuldig gesprochen (§§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, §§ 303, 52 StGB). Der Angeklagte und sein Mittäter erbeuteten 8.000 DM; der Sachschaden am Tankautomaten belief sich auf etwa 20.000 DM. Im Fall 6 hat das Landgericht versuchten Diebstahl in Tateinheit mit Sachbeschädigung angenommen (§§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, §§ 22, 303, 52 StGB). Der Angeklagte und sein Mittäter hatten den Einbruch in einen Laden für Mobiltelefone aus Furcht vor Entdeckung aufgegeben, dabei aber einen Sachschaden in Höhe von etwa 500 DM verursacht. Das Landgericht hat das Hemmungsvermögen des Angeklagten zu den Tatzeiten aufgrund seiner Drogendisposition zwar für herabgesetzt erachtet, jedoch eine erhebliche Verminderung seiner Schuldfähigkeit bei allen Taten für
ausgeschlossen gehalten. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten.

II.

Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung stand. 1. Gegen den Schuldspruch ist aus sachlich-rechtlichen Gründen nichts zu erinnern. Das Landgericht hat namentlich das Konkurrenzverhältnis zwischen dem vollendeten Diebstahl im Falle 2 und dem versuchten Diebstahl im Falle 6 einerseits sowie der damit jeweils einhergehenden Sachbeschädigung rechtlich zutreffend dahin beurteilt, daû jeweils Tateinheit vorliegt (§ 52 Abs. 1 StGB). Der Senat neigt aus grundsätzlichen Erwägungen der Auffassung zu, daû das Vorliegen eines Regelbeispiels für den besonders schweren Fall, hier nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1, 2 StGB, beim rechtlichen Zusammentreffen von Diebstahl und Sachbeschädigung nicht zur Annahme von Gesetzeseinheit in der Form der sog. Konsumtion führen kann. In den hier in Rede stehenden Fällen scheidet Gesetzeseinheit (Konsumtion) allerdings schon deshalb aus, weil die Sachbeschädigung in ihrer konkreten Gestalt von dem regelmäûigen Verlauf eines Diebstahls im besonders schweren Fall (nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1, 2 StGB) abweichen, von einem eigenständigen, nicht aufgezehrten Unrechtsgehalt geprägt sind und sich deshalb nicht als sog. typische Begleittat des Diebstahls erweisen.
a) Nach einer in der Literatur verbreiteten Auffassung soll die Sachbeschädigung von einer Verurteilung wegen Diebstahls - im besonders schweren Fall - wegen der Verwirklichung des Regelbeispiels nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB (sog. Einbruch-, Einsteige- oder Nachschlüsseldiebstahl) oder nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (Überwindung von Schutzvorrichtungen) als typische
Begleittat konsumiert werden; danach soll Gesetzeseinheit jedenfalls dann bestehen , wenn der Tatrichter die Strafe dem § 243 Abs. 1 StGB entnimmt und nicht etwa wegen Entfallens der Regelwirkung den Strafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB anwendet (vgl. nur Ruû in LK 11. Aufl. § 243 Rdn. 43; Rissing-van Saan aaO vor § 52 ff. Rdn. 118; Hoyer in SK-StGB § 243 Rdn. 58; Eser in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 243 Rdn. 59; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 243 Rdn. 24 und § 46 Rdn. 19; Dölling JuS 1986, 688, 693; nicht tragend für den Fall der Zerstörung des Behältnisses oder der Schutzvorrichtung auch noch BGH, Beschl. v. 5. Februar 1982 - 3 StR 33/82; siehe auch KG JR 1979, 249, 250 mit zustimmender Anm. Geerds aaO S. 250 ff.; referierend Tröndle /Fischer, StGB 50. Aufl. § 243 Rdn. 30). Der Bundesgerichtshof hat die Sachbeschädigung als mitbestrafte (straflose) Nachtat dann beurteilt, wenn - anders als im vorliegenden Falle - der Dieb später die gestohlene Sache beschädigt oder zerstört (BGH, Beschl. v. 17. Juni 1998 - 4 StR 137/98 = NStZRR 1998, 294). Die in der Literatur überwiegend vertretene Ansicht ist auf Widerspruch gestoûen: Nur Tatbestände könnten miteinander konkurrieren, nicht aber ein Tatbestand mit dem Regelbeispiel einer anderen Strafvorschrift (Rudolf Schmitt in Festschrift für Tröndle, S. 313, 316; Gössel in Festschrift für Tröndle S. 363, 366; ebenso Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT Teilb. 1, 8. Aufl. § 33 Rdn. 109 = S. 353). Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat für die ähnlich gelagerte Fragestellung im Verhältnis des Regelbeispiels nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO zum Untreuetatbestand hervorgehoben, auch wenn das Regelbeispiel typischerweise den Unrechtsgehalt des anderen Tatbestandes erfasse, habe das trotz der Anlehnung der Regelbeispiele an Tatbestandsmerkmale keine Auswirkungen auf die Frage der Konkurrenzen, da eben lediglich eine Strafzumessungsregel in Rede stehe. Soweit das teilweise für das
Verhältnis der §§ 243, 303 StGB abweichend beurteilt werde, könne daraus kein allgemeiner Grundsatz hergeleitet werden (BGH NStZ 1998, 91, 92). Der 4. Strafsenat hat für das Verhältnis der besonders schweren Brandstiftung (nach § 306b Abs. 2 Nr. 2 StGB, um "eine andere Straftat zu ermöglichen") zum besonders schweren Fall des Betruges nach § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB Gesetzeseinheit verneint mit dem Hinweis, daû § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB keinen "echten Straftatbestand", sondern nur eine Strafzumessungsregel enthalte und der dort vorgesehene höhere Strafrahmen auch nur für den Regelfall gelte (BGHSt 45, 211, 218/219). In anderem Zusammenhang - zum Deliktsversuch - hat der 3. Strafsenat die Regelbeispiele der besonders schweren Diebstahlsfälle als "tatbestandsähnlich" bezeichnet, weil sie einen gegenüber dem Tatbestand erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt typisierten. Er hat hervorgehoben, daû die Regelbeispiele für besonders schwere Fälle sich im wesentlichen nicht tiefgreifend von selbständigen Qualifikationstatbeständen unterschieden und die Wahl des Gesetzgebers für die eine oder andere Ausgestaltung einer Vorschrift mehr eine Frage der formalen Gesetzestechnik sei (BGHSt 33, 370, 374).
b) Der Senat neigt für das Verhältnis besonders schwerer Diebstahlsfälle nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 StGB zu einer damit rechtlich zusammentreffenden Sachbeschädigung (§ 303 StGB; hier die Fälle 2 und 6 der Urteilsgründe betreffend) der Auffassung zu, daû die Verwirklichung eines Regelbeispiels für die Frage der Konkurrenz auûer Betracht zu bleiben hat. Verletzt dieselbe Handlung mehrere Gesetze, liegt nach der ausdrücklichen Regelung des § 52 Abs. 1 StGB grundsätzlich Tateinheit vor. Anders kann es sich ausnahmsweise in den Fällen einer sog. unechten Konkurrenz (Gesetzeseinheit) verhalten. Diese kann hier in der Erscheinungsform der Kon-
sumtion in Betracht kommen. Sie setzt voraus, daû der Unrechtsgehalt der strafbaren Handlung durch den einen der anwendbaren Straftatbestände schon erschöpfend erfaût wird. Der Beurteilung sind die Rechtsgüter zugrunde zu legen, die der Täter angegriffen hat, weiter die Tatbestände, die der Gesetzgeber zu deren Schutz aufgestellt hat (BGHSt 11, 15, 17; 28, 11, 15; Tröndle/ Fischer, StGB 50. Aufl. vor § 52 Rdn. 17). aa) Die Regelbeispiele der Vorschrift über den besonders schweren Fall des Diebstahls sind ihrer Natur nach nicht dazu angetan, ein Konkurrenzverhältnis zu bestimmen. Sie sind zwar tatbestandsähnlich ausgestaltet. Der Sache nach handelt es sich aber um Strafzumessungsregeln, nicht um die tatbestandliche Umschreibung des Unrechts, also der mit Strafe bedrohten Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB. Sie eröffnen dem Tatrichter lediglich einen höheren Strafrahmen. Die von ihnen ausgehende Regelwirkung für eine höhere Strafe kann indessen trotz der Erfüllung eines Regelbeispiels entfallen. So kann es sich verhalten, wenn mildernde Umstände in die Würdigung einzubeziehen sind, die der Tat vorausgehen, ihr nachfolgen oder in der Person des Täters gründen, die jedoch unmittelbar mit der Tatbegehung und der Erfüllung des Tatbestandes nichts zu tun haben (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 85 f.). Wenn aber auch täterbezogene Gesichtspunkte die Regelwirkung für die Annahme eines besonders schweren Falles auszuräumen vermögen, dann kann bei systemgerechtem Verständnis der Vorschrift des § 52 Abs. 1 StGB die Bejahung eines Regelbeispiels keinen Einfluû auf die Frage der Konkurrenz von Gesetzesverletzungen haben (vgl. auch BGHSt 45, 211, 218/219 zum Verhältnis von § 306b Abs. 2 Nr. 2 zu § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB; BGH NStZ 1998, 91, 92; für eine konsequente Unterscheidung in anderem Zusammenhang auch der Senat in BGHSt 29, 359, 368).
bb) Gegen ein allgemeines Aufzehren des Unrechts einer Sachbeschädigung durch eine Verurteilung wegen Diebstahls - im besonders schweren Fall - spricht schlieûlich auch, daû die geschützten Rechtsgüter und Rechtsgutsträger verschieden sein können. Der Inhaber des Gewahrsams an der weggenommenen Sache muû nicht zugleich der Eigentümer der beschädigten Sache sein (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH NJW 2001, 1508). cc) Hinzu kommt, daû der tatsächliche Ansatz für die generelle Bewertung der Sachbeschädigung als "typische Begleittat" heutzutage wegen der fortentwickelten Verhältnisse nicht mehr als tragfähig erscheint. Bei den verschiedenen , die Regelbeispiele ausfüllenden Merkmalen des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 StGB wird keineswegs regelmäßig auch eine Sache beschädigt. Für den Einsteige- und den sog. Nachschlüsseldiebstahl liegt das auf der Hand. Die fortgeschrittene technische Entwicklung hat überdies dazu geführt , daû zum Verschlieûen oder Sichern von Sachen zunehmend auch elektronische Sicherungssysteme verwendet werden, die sich mit Magnetstreifenund Codekarten bedienen lassen. Solche Systeme sind mitunter durch intelligentes Vorgehen des Täters zu überwinden. Auch andere elektronische Sicherungssysteme werden zunehmend durch den Einsatz manipulierter oder nachgebildeter Öffnungsvorrichtungen und durch den Austausch von Sicherungskomponenten auûer Wirkung gesetzt. Das gilt auch für Schutzvorrichtungen und verschlossene Behältnisse i.S.d. § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StGB. Eine Sachbeschädigung ist selbst bei dem Regelbeispiel des "Einbrechens" (Nr. 1) nicht zwingend. Türschlösser, die etwa nur ins Schloû gezogen, nicht aber verschlossen sind, lassen sich mit einfachen Mitteln so öffnen, daû sie nicht beschädigt werden müssen. Schon bisher konnte die für ein Einbrechen erforderliche Beseitigung eines entgegenstehenden Hindernisses unter Aufwendung nicht unerheblicher körperlicher Kraft auch ohne Substanzverletzung gesche-
hen (vgl. RGSt 13, 200, 206; 60, 378, 379 f.; BGH, Beschl. vom 22. Mai 1963 - 2 StR 144/63; siehe auch BGH NStZ 2000, 143 f.; Tröndle/Fischer aaO § 243 Rdn. 5 ff.). Selbst wenn man eine Begleittypik für die Fälle des Einbruchdiebstahls gelten lassen wollte, so würde dies auf der Grundlage der in der Literatur überwiegend vertretenen Ansicht zu dem ungereimten Ergebnis führen, daû innerhalb ein und derselben Regelbeispielsgruppe bei Vorliegen unterschiedlicher Merkmale die Konkurrenzfrage verschieden zu beurteilen wäre. Darin läge ein systematischer Bruch. dd) Die Annahme von Gesetzeseinheit anstatt von Tateinheit würde darüber hinaus zu einem Wertungswiderspruch führen: Wenn der Tatrichter die Regelwirkung für die Annahme eines besonders schweren Falles (§ 243 Abs. 1 StGB) im Einzelfall für nicht gegeben erachtet, müûte er wegen Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung verurteilen (so KG JR 1979, 249, 250; Rissing -van Saan in LK 11. Aufl. vor §§ 52 ff. Rdn. 119 a.E.). In dem unrechtsgewichtigeren besonders schweren Fall - der in der Urteilsformel lediglich als Diebstahl zu bezeichnen ist - wäre hingegen die Sachbeschädigung wegen Konsumtion nicht in den Schuldspruch aufzunehmen. ee) Endlich ist zu bedenken, daû die Fragestellung nach einer Konsumtion - hält man eine solche grundsätzlich und generell bei der genannten Deliktskombination für möglich - in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten führt. Auch die Befürworter einer Konsumtion anerkennen überwiegend, daû nicht Gesetzeseinheit, sondern Tateinheit dann anzunehmen ist, wenn das Begleitdelikt im konkreten Fall aus dem regelmäûigen Verlauf der Haupttat herausfällt ; dann behält die Begleittat ihren eigenständigen Charakter (vgl. Rissing -van Saan aaO vor §§ 52 ff. Rdn. 119; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT 5. Aufl. § 69 II 3 b; Jakobs, Strafrecht AT 2. Aufl. Abschn. 31 Rdn. 30; Fahl GA
1996, 476, 483). Deshalb ist nicht nur zunächst darüber zu befinden, ob die sog. Begleittat allgemein typisch für die Begehung der im Vordergrund stehenden Tat ist, sondern anschlieûend auch die Frage zu prüfen, ob konkret die in Rede stehende Begleittat mit ihrem spezifischen Unrechtsgehalt aus dem regelmäûigen Verlauf der anderen Tat herausfällt, die Begleittypik also einzelfallbezogen wieder entfällt und deshalb doch Tateinheit besteht. Diese erforderliche wertende Betrachtung birgt gerade im Randbereich Unsicherheiten (vgl. Fahl GA 1996, 476, 483), die mit der klaren Regel des § 52 Abs. 1 StGB nur schwer in Einklang zu bringen sind. ff) Dieser Betrachtung zu den Fällen besonders schwerer Diebstähle (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 StGB) im Zusammentreffen mit Sachbeschädigung steht nicht entgegen, daû der Bundesgerichtshof in zurückliegender Zeit zwischen jenen und einem damit rechtlich zusammentreffenden Hausfriedensbruch Gesetzeseinheit angenommen hat (vgl. BGHSt 22, 127, 129). Damals war der Einsteige- oder Einbruchdiebstahl noch ein Qualifikationstatbestand und nicht als Regelbeispiel (Strafzumessungsregel) gefaût (vgl. die Änderung durch das 1. StrRG mit Wirkung vom 1. April 1970). Im übrigen mag zwar die Regelmäûigkeit und Typizität des Verlaufs beim (rechtlichen) Zusammentreffen eines Diebstahls im besonders schweren Fall nach der Regelbeispielsgruppe des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB mit einem Hausfriedensbruch durchaus anders beurteilt werden können als beim Zusammentreffen mit einer Sachbeschädigung. Das ändert aber nichts an den übrigen Erwägungen, die der Annahme von Konsumtion nach Ansicht des Senats in grundsätzlicher Hinsicht entgegenstehen. Im Blick auf das Verhältnis zum Hausfriedensbruch bedarf das jedoch hier keiner weiteren Erörterung (vgl. auch zum Verhältnis des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs nach § 125a Satz 2 Nr. 2 StGB zum Vergehen nach § 27 Abs. 1 VersammlG BGH, Beschlüsse vom
2. Mai 1984 - 3 StR 126/84 -, vom 12. Juni 1984 - 3 StR 228/84 -, vom 8. August 1984 - 3 StR 302/84 - und vom 21. September 1984 - 3 StR 395/84). gg) Der hier aufgezeigten Ansicht des Senats steht schlieûlich nicht entgegen , daû der 3. Strafsenat für die Frage des Versuchs die Regelbeispiele als tatbestandsähnlich charakterisiert hat und sie bei der Bestimmung des für den Deliktsversuch anzuwendenden Strafrahmens im Ergebnis wie Tatbestandsmerkmale behandelt wissen will (BGHSt 33, 370, 374). Dort geht es um den Beginn des Versuchs; bei diesem bestimmt sich der Strafrahmen grundsätzlich nach dem Tatentschluû.
c) Im Ergebnis kann die Frage der Konkurrenz in grundsätzlicher Hinsicht hier offen bleiben. Denn im vorliegenden Verfahren handelt es sich in beiden Fällen (Fälle 2 und 6) bei den Sachbeschädigungen jeweils um Taten, die mit ihrem eigenen Unrechtsgehalt über das hinausgehen, was sie lediglich als typische und deshalb konsumierte Begleittaten besonders schwerer Diebstahlsfälle erscheinen lassen könnte. Wie erwähnt, ist auch in der Literatur anerkannt , daû nicht Gesetzeseinheit, sondern Tateinheit dann anzunehmen ist, wenn das Begleitdelikt im konkreten Fall aus dem regelmäûigen Verlauf der Haupttat herausfällt; dann behält die Begleittat ihren eigenständigen Charakter (vgl. Rissing-van Saan aaO vor §§ 52 ff. Rdn. 119; Jescheck/Weigend, Strafrecht AT 5. Aufl. § 69 II 3 b; Jakobs, Strafrecht AT 2. Aufl. Abschn. 31 Rdn. 30; Fahl GA 1996, 476, 483). Schon deshalb wird vorliegend das Unrecht der Sachbeschädigungen durch eine bloûe Verurteilung wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls nicht konsumiert. Im Falle 6 war es beim Versuch des Diebstahls geblieben. Der Angeklagte und sein Mittäter hatten das Geschäft aufbrechen wollen, ihr Vorhaben wegen ihnen zu groû erscheinender Entdeckungsgefahr abgebrochen und ei-
nen Sachschaden in Höhe von etwa 500 DM verursacht. Beim Versuch des Diebstahls kann aber weder bei allgemeiner noch bei konkreter Betrachtung davon ausgegangen werden, die vollendete Sachbeschädigung sei typische Begleittat. Ein geplanter Diebstahl kann nach dem unmittelbaren Ansetzen zur Tat aus vielfältigen Gründen fehlschlagen, ohne daû es bereits zu einer Sachbeschädigung gekommen ist, die bei einer Vollendung der geplanten Tat eingetreten wäre. Auch das Tatgeschehen im Falle 2 verdeutlicht, daû allein eine Verurteilung wegen Diebstahls den Unrechts- und Schuldgehalt der zugleich begangenen Sachbeschädigung (sog. Begleittat) nicht ausschöpfen würde. Der aus dem Tankautomaten gestohlene Geldbetrag belief sich auf nur 8.000 DM, der Sachschaden an der Anlage hingegen auf ca. 20.000 DM. Der Unrechtsgehalt des Begleitdelikts fällt deshalb auch hier aus dem regelmäûigen Verlauf einer Diebstahlstat (im besonders schweren Fall) deutlich heraus. Er wird deshalb nur durch eine Verurteilung wegen Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung vollständig erfaût. 2. Der Rechtsfolgenausspruch läût ebensowenig einen rechtlichen Mangel zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Insbesondere begegnet die Annahme des Landgerichts, die Schuldfähigkeit des Angeklagten sei bei keiner der Taten erheblich vermindert gewesen (§ 21 StGB), keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ihr stand hier auch nicht entgegen, daû es bei dem Angeklagten einen Hang bejaht hat, berauschende Mittel im Übermaû zu sich zu nehmen, daû es diesen - sachverständig beraten - als schwere seelische Abartigkeit bewertet und den Angeklagten in einer Entziehungsanstalt untergebracht hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln für sich allein noch nicht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit. Diese Folge ist bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, zum Beispiel, wenn langjähriger Betäubungsmittelkonsum zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet und durch sie dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen; ferner unter Umständen dann, wenn er das Delikt im Zustand eines akuten Rausches verübt. Derartige Umstände haben den Urteilsfeststellungen zufolge beim Angeklagten nicht vorgelegen. Allerdings ist die Anwendung des § 21 StGB bei Beschaffungsdelikten eines Rauschgiftabhängigen nicht in jedem Falle davon abhängig, daû er zur Tatzeit unter akuten körperlichen Entzugserscheinungen gelitten hat. Es ist vielmehr nicht ausgeschlossen, daû die Angst des Täters vor Entzugserscheinungen , die er schon als äuûerst unangenehm ("grausamst") erlebt hat und als nahe bevorstehend einschätzt, sein Hemmungsvermögen erheblich beeinträchtigt. Dies hat die Rechtsprechung für Fälle der Abhängigkeit von Heroin wiederholt angenommen (vgl. nur BGH StV 1997, 517; NStZ 2001, 83 jeweils m.w.N.). Ob eine entsprechende Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit erheblich ist, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter in eigener Verantwortung zu entscheiden hat (BGH NStZ 1997, 485; NStZ 2001, 83). Dies hat das Landgericht bedacht. Es geht von einer herabgesetzten Hemmschwelle aus, der es aber nicht das Maû einer erheblichen Verminderung im Sinne des § 21 StGB beilegt. Dabei stellt es mit dem Sachverständigen darauf ab, daû es zu keiner massiven drogenbedingten Depravation des Persönlichkeitsgefüges gekommen war, ein körperlicher Abbau und Entgleisungen
des Drogenkonsums mit behandlungsbedürftiger Überdosierung nicht aufgetreten und auch die sozialen Strukturen des Angeklagten erhalten geblieben waren. Es sei ihm problemlos gelungen, während längerer Auslandsaufenthalte keine Drogen einzunehmen. Damit stellt es ersichtlich auf die Feststellung ab, daû der Angeklagte früher Haschisch konsumierte, seit 1995/96 auch Ecstasy und später Heroin und Kokain. Während seines Militärdienstes in Jugoslawien und eines Aufenthaltes in Griechenland vom Sommer 1996 bis Anfang 1998 konsumierte er keine Drogen. Im Sommer 1998, also während der ersten Tatphase , benötigte er täglich etwa 2 bis 2,5 g "Straûenheroin", das er sich injizierte. Zusätzlich nahm er Codeinsaft und Rohypnol bzw. Flunitrazepam, um dann von Ende August 1998 bis Juni 1999 während eines erneuten Auslandsaufenthaltes in Serbien wiederum keine Drogen zu sich zu nehmen. Nach seiner Rückkehr, also in der zweiten Tatphase, konsumierte er jedoch sofort wieder Rauschgift, wobei es zu einer Verschiebung des Schwerpunktes von Heroin zu Kokain kam (UA S. 2/3). Das Landgericht hat mit dem Sachverständigen ausgeschlossen, daû die Taten im Zustand schwerer Intoxikation oder starker Entzugserscheinungen oder aus Angst vor eben solchen begangen worden sein könnten. Dabei hat es vornehmlich auf das vorgeplante Tatgeschehen mit durchdachter Tatausführung abgehoben. Auch die Tankstellenüberfälle seien vorbereitet und kontrolliert durchgeführt worden. Der Angeklagte und sein Mittäter hätten sich teilweise stundenlang Zeit gelassen, um einen günstigen Zeitpunkt für den Überfall abzuwarten; er sei überdies in der Lage gewesen, ein Fahrzeug sicher zu führen. So sei vor dem Überfall auf das Lottogeschäft eine zunächst vorbereitete Aktion gegen ein anderes Geschäft aufgrund aktueller Gefahreinschätzung umsichtig und risikobewuût abgebrochen und ein neues Tatziel ins Auge ge-
faût worden. Die Tat sei durch vorheriges Deponieren von Wechselkleidung vorbereitet und abgesichert worden. Unter diesen Umständen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden , daû der Tatrichter unter Darstellung der maûgeblichen Anknüpfungstatsachen sachverständig beraten zu dem Ergebnis gelangt ist, die Beeinträchtigung des Hemmungsvermögens des Angeklagten sei nicht im Sinne des § 21 StGB erheblich gewesen. Daran ändert auch nichts, daû der Angeklagte und sein Mittäter in den Fällen 2 und 3 vor den Taten bemerkt hatten, daû ihr Drogenvorrat zu Ende ging und daû sie im Falle 4 "erste Entzugserscheinungen" verspürten. Im Blick auf die im übrigen zur Drogenkarriere des Angeklagten getroffenen Feststellungen war der Tatrichter deshalb noch nicht gezwungen, eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit anzunehmen. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Schaal

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 281/00
vom
23. August 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu Ziffer 3 auf dessen Antrag - am
23. August 2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 1. März 2000 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte am Tattag an einer Geburtstagsfeier seiner Schwester in einem Gemeindezentrum teil. Gegen 3.00 Uhr verschaffte sich eine Gruppe von Personen, zu welcher auch das spätere Tatopfer gehörte und die kurz zuvor von der Schwester des
Angeklagten aus dem Gemeindezentrum verwiesen worden waren, gewaltsam erneut Zutritt und drang in den Vorraum des Gebäudes ein. Dort kam es deshalb zwischen Mitgliedern der beiden Gruppen zu einer tätlichen Auseinandersetzung , in deren Verlauf der Lebensgefährte der Schwester des Angeklagten "zu Boden ging". Während diese sich um ihren am Boden liegenden Lebensgefährten kümmerte, stieß der Angeklagte einem der Eindringlinge ein sogenanntes "Überlebensmesser" mit einer Klingenlänge von 22 cm mit bedingtem Tötungsvorsatz wuchtig in den Bauch; das Opfer verstarb alsbald an den Folgen des Stichs. Der Angeklagte wies zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von 1,95 %o auf; im Laufe des Abends hatte er einmal Amphetamin ("Speed") und mindestens einmal Heroin injiziert. 2. Das Landgericht hat eine uneingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten angenommen. Hierbei hat es sich auf das Gutachten eines in der Hauptverhandlung vernommenen Sachverständigen gestützt; dieser hat ausgeführt , es seien keine Hinweise für eine Zerstörung der Sinnkontinuität oder für eine Persönlichkeitsfremdheit der Tat erkennbar. Der Angeklagte sei minder begabt, aber nicht schwachsinnig. Er habe nach der Tat folgerichtig gehandelt, indem er das Messer versteckte; er habe sich unauffällig verhalten und keine Ausfallserscheinungen gezeigt. Die Wirkung des Alkohols sei durch das zusätzlich konsumierte Rauschgift nicht erhöht worden; dieses habe vielmehr dämpfend gewirkt. Das Nachtatverhalten des Angeklagten spreche dagegen, daß er vor der Tat mehr als einmal Heroin gespritzt habe. Das Landgericht hat sich diesen im Urteil wiedergegebenen Darlegungen des Sachverständigen angeschlossen; ihre Würdigung durch das Gericht beschränkt sich auf die Bemerkung, sie seien überzeugend. Dies läßt besorgen , daß das Landgericht die ihm obliegende umfassende eigene rechtliche
Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten nur unzureichend vorgenommen und seine Beurteilung isoliert auf die vom Sachverständigen angesprochenen Gesichtspunkte gestützt hat.
a) Die im Urteil wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen sind schon für sich nicht bedenkenfrei, soweit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit - die im Urteil als solche nicht angesprochen ist - ausgeschlossen wird. Diese setzt weder eine Zerstörung der Sinnkontinuität noch eine Persönlichkeitsfremdheit der Tat voraus; auch dem Umstand, daß der Angeklagte sich an die Ereignisse des Tattages erinnert hat, kommt insoweit nur geringes Gewicht zu. Die Erwägung, das zusätzlich injizierte Rauschgift habe die Alkoholwirkung gedämpft, ist hinsichtlich der Injektion von Amphetamin nicht naheliegend; die Annahme, das Nachtatverhalten spreche gegen die vom Angeklagten behauptete zweimalige Injektion von Heroin, ist mit den Ausführungen zur dämpfenden Wirkung nicht ohne weiteres vereinbar. Daß der Angeklagte die Tat gegenüber den am Tatort eintreffenden Polizeibeamten zunächst einräumte, kurz darauf aber leugnete, trägt die Wertung eines "folgerichtigen" Nachtatverhaltens nicht. Die Frage einer Wechselwirkung zwischen Alkohol, Heroin und Amphetamin ist nur unzureichend behandelt; eine mögliche Ernüchterung durch die Tat, welche das als folgerichtig und ruhig geschilderte Nachtatverhalten erklären könnte, ist nicht erörtert.
b) Auf eine umfassende eigene Würdigung durch das Gericht konnte hier auch im Hinblick auf den zur Tat führenden Geschehensablauf nicht verzichtet werden. Zwar hat das Landgericht die vom Angeklagten behauptete Nothilfe zugunsten seiner Schwester im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Dies hat es jedoch nicht darauf gestützt, daß der vom Angeklagten behauptete NothilfeWille den unvermittelten Einsatz des Messers mit Tötungsvorsatz gegen die
unbewaffneten Angreifer nicht hätte rechtfertigen können, sondern auf die mit den Feststellungen kaum vereinbare Erwägung, die "Rangeleien" seien "von beiden Seiten ausgegangen" und zum Tatzeitpunkt "längst beendet" gewesen (UA S. 13). Aus welchen Gründen das Landgericht der Einlassung des Angeklagten nicht gefolgt ist, kurz vor Einsatz des Messers sei seine Schwester von einer der eingedrungenen Personen geschlagen und getreten worden, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Die nachfolgenden knappen und formelhaften Erwägungen, mit denen das Landgericht das Vorliegen eines sonstigen minder schweren Falles im Sinne von § 213, 2. Alternative StGB ablehnt, führen zwar aus, weder die Enthemmung des Angeklagten durch Alkohol, noch sein Zorn über das Verhalten der Mitglieder der anderen Gruppe rechtfertigten die Annahme eines minder schweren Falles; sie verhalten sich aber weder zur ersten Alternative des § 213 StGB noch enthalten sie eine vom Revisionsgericht nachprüfbare Gesamtwürdigung.
c) Der Senat kann angesichts der unzureichenden Darlegungen und des Fehlens einer Auseinandersetzung mit den im einzelnen bedenklichen Ausführungen des Sachverständigen nicht ausschließen, daß das Landgericht bei der Verneinung einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten von unzutreffenden Erwägungen ausgegangen ist. Der Rechtsfolgenausspruch war daher aufzuheben.
3. Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumiert der zur Tatzeit 30 Jahre alte Angeklagte seit seinem 16. Lebensjahr Haschisch, seit seinem 25. Lebensjahr Amphetamine und Heroin, das er injiziert. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, sich unter dem Gesichtspunkt des § 64 StGB auch hiermit auseinanderzusetzen. Jähnke RiBGH Niemöller ist wegen Ri'inBGH Dr. Otten ist inEintritts in den Ruhestand folge Urlaubs verhindert, verhindert, seine Unterschrift ihre Unterschrift beizufübeizufügen. gen. Jähnke Jähnke Rothfuß Fischer

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 359/04
vom
3. September 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. September 2004 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 20. April 2004 im Strafausspruch aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verh andlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete , auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat im Strafausspruch Erfolg. Zum Schuldspruch ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gab es zwischen dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin vor der Tat schon über Stunden sich hinziehende Streitigkeiten. Als der Angeklagte schließlich die Wohnung verlassen wollte, brachte seine Lebensgefährtin ihn von hinten zu Fall. Er fiel mit der rechten Hand in einen am Boden befindlichen Werkzeugkasten. Sie stürzte ebenfalls. Wütend stieß der Angeklagte mit vier wechselnden Werkzeugen 48 mal aus wechselnden Stellungen mit großer Wucht auf die Frau ein, vorwiegend in den Brust- und Halsbereich. Das Opfer verstarb unmittelbar nach der Tat an Kreislaufversagen. Der Angeklagte hatte zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von 2,68 o/oo. Nach der Tat fühlte er den Puls des Opfers und spürte nichts mehr. Er verständigte die Polizei per Notruf und erklärte, er glaube, er habe seine Frau umgebracht. Danach legte er dem Opfer einen Hammer quer über den Oberbauch , mit dem Stiel in die rechte Hand. 2. Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er habe nur noch "rot" gesehen, er sei so explodiert, daß er nicht mehr gewußt habe, was er mache. Ihm seien fünf bis sechs Stiche erinnerlich. Er glaube auch, nur ein Werkzeug benutzt zu haben. Seine Erinnerung setze erst wieder ein, als er über der Frau gekniet und das Blut gesehen habe. 3. Die sachverständig beratene Strafkammer hat im Anschluß an den Sachverständigen eine Aufhebung oder Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ausgeschlossen. Eine solche habe weder aus alkoholbedingten noch aus anderen Gründen vorgelegen (UA S. 8). Der Sachverständige hat zunächst eine alkoholbedingte krankhafte seelische Störung
und sodann eine affektive tiefgreifende Bewußtseinsstörung verneint. "Zwar sei beim Geschehen ein Affekt beteiligt" gewesen. Von einer erheblich verminderten Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit könne jedoch nicht ausgegangen werden. Die Kammer nimmt einen "unbeherrschten Gefühlsausbruch" an und stellt bei ihrer eigenen Bewertung auf das zielgerichtete Nachtatverhalten ab.

II.

Die Erwägungen, mit denen sie eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB verneint, halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 1. Der Sachverständige und auch die Strafkammer haben die in Betracht kommenden Eingangsmerkmale des § 20 StGB jeweils isoliert betrachtet und abgehandelt. Sie haben es verabsäumt, den beteiligten Affekt bzw. den unbeherrschten Gefühlsausbruch zusammen mit der Alkoholisierung des Angeklagten in einer Gesamtbetrachtung zu würdigen. Eine solche Gesamtwürdigung war geboten, weil beide Faktoren im Zusammenwirken hier eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB bewirkt haben können (vgl. BGHR StGB § 21 Ursachen, mehrere 3). 2. Sachverständiger und Strafkammer haben bei der Prüfung der Schuldfähigkeit auch den Tatablauf in ihre Erwägungen nicht hinreichend einbezogen. Auf das sinnlose Zufügen von 48 Stichen mit vier wechselnden Werkzeugen gehen sie dabei nicht ein. Dieser wesentliche Gesichtspunkt hätte in die Gesamtwürdigung mit einbezogen werden müssen. Das Unterlassen stellt einen Erörterungsmangel dar (vgl. BGHR StGB § 20 Bewußtseinsstörung 9).
Die Kammer äußert sich in den Urteilsgründen nicht dazu, ob sie die vom Angeklagten behauptete Erinnerungslücke bei der Tat für glaubhaft hält oder nicht. Der Sachverständige bezieht sich insoweit auf Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei, die aber in Einzelheiten im Urteil nicht dargestellt sind (UA S. 18). Auch die isolierte Betrachtung des umsichtigen Nachtatverhaltens durch die Kammer (UA S. 21, 22) ist rechtlich zu beanstanden. Zwar kann diesem Indizwirkung zukommen, das Landgericht hat aber die spezielle Tatzeitverfassung des Täters aufgrund einer sachverständigen Bewertung seines Verhaltens vor, bei und nach der Tat zu ermitteln (vgl. BGH NStZ 1984, 259; BGHR StGB § 21 Bewußtseinsstörung 3). Diese Bewertung hat das Landgericht nicht vorgenommen.

III.

Die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten bedarf nach alledem neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen können aufrechterhalten bleiben. Eine Schuldunfähigkeit kann der Senat aufgrund der getroffenen Feststellungen ausschließen. Ergänzende Feststellungen sind möglich. VRiBGH Nack ist wegen Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Wahl Wahl Kolz Elf Graf

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 52/06
vom
7. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren räuberischen Diebstahls
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 7. März
2006 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 11. Oktober 2005 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat nur den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
2
1. Der Schuldspruch wegen schweren räuberischen Diebstahls hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand. Allerdings hat das Landgericht fehlerhaft die Qualifikation gemäß §§ 252, 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB (zutreffende Bezeichnung: besonders schwerer räuberischer Diebstahl, vgl. BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4; BGH NStZ-RR 2003, 328; BGH, Beschl. vom 16. Juni 2004 - 5 StR 230/04) als verwirklicht angesehen. Die Verwendung einer ungeladenen Schreckschusspistole sowie einer Spielzeugwaffe (vom Tatrichter jeweils mit "Scheinwaffe" bezeichnet) als Drohmittel erfüllt nur die Qualifikation des schweren räuberischen Diebstahls gemäß §§ 252, 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB. Die Liste der angewendeten Vorschriften ist deshalb zu berichtigen.
3
2. Die Unterbringung des Angeklagten hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB setzt u. a. die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; BGHSt 34, 22, 26; 42, 385).
4
Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert war, erfolgt in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren (vgl. im einzelnen Boetticher/Nedopil/Bosinski/Saß NStZ 2005, 57). Zuerst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt , die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Bei diesem Entscheidungsprozess wird der Richter häufig - soweit die Verhängung von Maßregeln in Betracht kommt, sogar stets (vgl. § 246 a StPO) - auf die Hilfe eines Sachverständigen angewiesen sein und von diesem Ausführungen zur Diagnose einer psychischen Störung, zu deren Schweregrad und deren innerer Beziehung zur Tat erwarten. Gleichwohl handelt es sich sowohl bei der Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB als auch bei der Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit um Rechtsfragen. Der Tatrichter hat zum einen bei der Entscheidung darüber die Darlegungen des Sachverständigen zu überprüfen. Zum anderen ist er verpflichtet, seine Entscheidung in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise zu begründen. Hieran fehlt es im angefochtenen Urteil in zweierlei Hinsicht.
5
Zum einen fehlt es an einer ausreichenden Darlegung der Diagnose. Das Landgericht hat nach sachverständiger Beratung festgestellt, dass der Angeklagte zur Tatzeit in seiner Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt (gemeint wohl: erheblich vermindert) gewesen sei aufgrund einer drogeninduzierten "exogenen und inzwischen auch endogenen Psychose". Diese Grunderkrankung sei "mit einem paranoiden Erleben verknüpft, das auch die Motivationslage beeinträchtigt" habe. Der Konsum von Cannabis vor der Tat habe "zum Erhalt und zur Verstärkung der Grunderkrankung geführt". Damit ist weder ausreichend dargestellt , um welche Störung es sich gehandelt hat, noch ist genügend beschrieben , wie sich diese Störung bei dem Angeklagten im Allgemeinen ausgewirkt hat. Es ist deshalb nicht nachprüfbar, ob das Landgericht ohne Rechtsfehler vom Vorliegen einer krankhaften seelischen Störung ausgegangen ist.
6
Zum anderen fehlt die Darlegung, welchen Einfluss die angenommene psychische Störung auf die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Tat (Einbruch in ein Waffengeschäft, Wegnahme der beiden Waffen und Bedrohung von zwei Passanten, um sich beim Verlassen des Geschäfts im Besitz der Beute halten zu können) gehabt hat. Nach den Feststellungen, wonach der Ange- klagte schon 1999 - also erhebliche Zeit vor der angenommenen Entstehung einer Psychose - eine "ausgeprägte Affinität zu Waffen" hatte, liegt ein solcher symptomatischer Zusammenhang eher nicht nahe.
7
3. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Die fehlerhafte Annahme der Qualifikation gemäß § 250 Abs. 2 StGB hat sich auf die Strafe nicht ausgewirkt , da das Landgericht einen minder schweren Fall angenommen und den Strafrahmen gemäß § 250 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt hat. Der Senat schließt aus, dass eine neue Verhandlung die Schuldunfähigkeit des Angeklagten bei der Tatbegehung ergeben könnte und die erkannte Freiheitsstrafe zum Nachteil des Angeklagten von der Maßregelanordnung beeinflusst war.
Winkler Miebach Pfister Becker Hubert

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 15/12
vom
17. April 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
17. April 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als amtlich bestellter Vertreter von Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 21. September 2011 im Rechtsfolgenausspruch - mit Ausnahme der Anordnung des Verfalls von Wertersatz, der bestehen bleibt - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Außerdem hat die Strafkammer den Verfall von Wertersatz in Höhe von 1.500 € angeordnet.
2
Der Strafzumessung hat die Strafkammer den gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zugrunde gelegt. Sie ist davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Begehung der Tat infolge einer akuten Intoxikation, die auf dem Konsum von Kokain beruhte, nicht ausschließbar erheblich vermindert war.
3
Mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch mit Ausnahme der Anordnung des Verfalls auf Wertersatz beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft insbesondere Rechtsfehler bei der Anwendung des § 21 StGB.
4
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

II.


5
1. Dem - rechtskräftigen - Schuldspruch liegen folgende Feststellungen zugrunde:
6
Der durch „Drogenschulden“ belastete, nicht vorbestrafte Angeklagte, ließ sich in den Niederlanden - seiner Heimat - dazu überreden, gegen einen Kurierlohn in Höhe von 1.500 € fünf Kilogramm Marihuana ausden Niederlan- den nach Linz in Österreich zu transportieren. Der Kurierlohn wurde mit seinen Schulden verrechnet.
7
Dementsprechend verbrachte der Angeklagte am 7. März 2011 im Laderaum seines Fahrzeugs 4.925,8 Gramm Marihuana aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland. Das Rauschgift hatte einen Wirkstoffgehalt von 14,50 %. Dies entspricht 714,2 Gramm Tetrahydrocannabinol. Zum Eigenkonsum führte er zudem 0,27 Gramm Haschisch und 0,82 Gramm Kokain mit. Bei einer Polizeikontrolle auf einem Parkplatz an der Autobahn München - Salzburg wurden die Betäubungsmittel gegen 19.30 Uhr entdeckt und sichergestellt. Der Angeklagte wurde festgenommen.
8
2. Die Entscheidung zur Frage der Schuldfähigkeit beruht auf folgenden Feststellungen und Erwägungen der Strafkammer:
9
a) Zur beruflichen und wirtschaftlichen Situation des Angeklagten:
10
Der zur Tatzeit knapp 52-jährige Angeklagte, ein Heizungsinstallateur, wurde ab 1992 im Wertpapierhandelsgeschäft aktiv, zunächst im Angestelltenverhältnis , ehe er sich als Börsenmakler selbständig betätigte. Dies endete im Jahre 2004 mit seiner Privatinsolvenz bei Verbindlichkeiten in Höhe von 185.000 €. Danach wirkte er als Berater in Vermögensangelegenheiten. 2009 machte er sich mit einem Malerbetrieb selbständig, aus dem er bis zu seiner Festnahme monatliche Einkünfte in Höhe von 2.500 € erzielte. Aufgrund seines hohen Kokainverbrauchs hat er bei seinen Lieferanten Schulden in Höhe von ca. 5.000 bis 6.000 €.
11
b) Das Konsumverhalten des Angeklagten:
12
Nach seinen eigenen - vom Landgericht für glaubhaft erachteten - Angaben probierte der Angeklagte erstmals im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren Alkohol, zunächst unregelmäßig. Infolge seines wirtschaftlichen Zusammenbruchs und des Scheiterns seiner Ehe - beides im Jahr 2004 - steigerte er sei- nen Alkoholkonsum bis zu seiner Inhaftierung auf bis zu zwei Flaschen Portwein täglich.
13
Im Alter von 18 Jahren nahm der Angeklagte erstmals Kokain zu sich, zunächst regelmäßig an Wochenenden. Daneben konsumierte er Ecstasy. Im Jahre 2004 verzichtete er im Rahmen einer neuen Partnerschaft für die Dauer von sechs Monaten auf den Konsum von Betäubungsmitteln. Vor seiner Verhaftung rauchte er fünfmal pro Woche ca. 1,5 Gramm Kokain. Von Freitagabend bis Sonntagnachmittag, während er seinen Sohn bei sich hatte, verzichtete er auf den Konsum von Betäubungsmitteln. Im Rahmen von fünf bis sieben Hauspartys im Jahr nimmt er jeweils fünf bis sieben Tabletten Ecstasy zu sich. Letztmals konsumierte der Angeklagte vor seiner Inhaftierung auf einem Autobahnparkplatz Kokain.
14
c) Zur Intoxikation und Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit:
15
Der - sogleich geständige - Angeklagte wirkte bei seiner Festnahme gegenüber dem eingreifenden Polizeibeamten völlig unauffällig. Der Angeklagte erweckte nicht den Eindruck, unmittelbar vor der Kontrolle Betäubungsmittel zu sich genommen zu haben.
16
Im Urin des Angeklagten fanden sich Kokain, Kokainstoffwechselprodukte (u.a. Ecgoninmethylester), Temazepam, Oxazepam, Hydroxyzin, Hydroxyzinstoffwechselprodukte , Paracetamol und Paracetamolstoffwechselprodukte. Im Blutplasma ließen sich die Werte hinsichtlich des Kokains und seiner Stoffwechselprodukte quantifizieren. Diese lagen in einem sehr hohen, einen zeitnahen Konsum belegenden Bereich. Durch das Auffinden der Werte von Cocaethylen und Ecgoninmethylester wird der Vortrag des Angeklagten zu sei- nem Alkoholkonsum bestätigt, da diese bei zeitnaher Aufnahme von Kokain und Alkohol gebildet werden. Durch eine ergänzende Untersuchung der Haare (zwei Zentimeter) des Angeklagten konnte eine Aufnahme der genannten Substanzen innerhalb der vorangegangenen zwei Monate nachgewiesen werden, die mit den Werten aufgrund der Blut- und Urinprobe in Einklang stehen. Die Konzentration der Werte für Kokainabbauprodukte zeigen einen regelmäßigen intensiven Konsum, der mit Alkoholaufnahme einhergeht.
17
Aufgrund der festgestellten erheblichen Konsumwerte und des dennoch unauffälligen Eindrucks des Angeklagten, den dieser trotz des unmittelbar zuvor erfolgten Konsums auf den Ermittlungsbeamten bei der Festnahme machte, ist beim Angeklagten von einer erheblichen Gewöhnung auszugehen. Zudem liegt ständig ein erheblicher Konsumdruck vor.
18
Zur Tatzeit lag eine akute Intoxikation vor. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sowie der Tatsache, dass der erhaltene Kurierlohn zur Begleichung von Geldschulden aus dem zurückliegenden Ankauf von Rauschgift zum eigenen Konsum gedient habe, ferner die Begleichung der Schulden die Voraussetzung für den weiteren Erwerb von Betäubungsmitteln gewesen sei, ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten gemäß § 21 StGB nicht auszuschließen.
19
Die Strafkammer hat sich bei diesen Feststellungen und der hierauf beruhenden Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nach kritischer Prüfung den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen angeschlossen, eines erfahrenen, der Strafkammer seit vielen Jahren als zuverlässig bekannten Gutachters.
20
3. Zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB):
21
Die Strafkammer hat die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt schon mangels Vorliegens eines Hanges, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, abgelehnt.
22
Beim Angeklagten liege zwar ein langjähriger intensiver Kokainmissbrauch vor, zudem trinke er beträchtliche Mengen von Alkohol. Ein Hang im Sinne von § 64 StGB könne jedoch nicht festgestellt werden. Der Angeklagte habe keine Vorstrafen. Er sei gesund und in der Vergangenheit ständig einer geregelten Berufstätigkeit nachgegangen. Der Angeklagte lebe in einem sozial intakten Umfeld und kümmere sich regelmäßig jedes Wochenende um seinen Sohn; eine Depravation liege nicht vor. Der Angeklagte sei auch nicht sozial gefährdet.

III.


23
Gegen die Bewertung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat bestehen durchgreifende sachlich-rechtliche Bedenken.
24
a) Die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert ist, erfolgt in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren, ohne dass die Nichteinhaltung einzelner Schritte nach rechtlichen Maßstäben fehlerhaft sein muss (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 51 f.; Beschluss vom 12. Juni 2008 - 3 StR 154/08 Rn. 7; Boetticher/ Nedopil/Bosinski/Saß, Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten, NStZ 2005, 57 ff.). Zunächst ist die Feststellung erforderlich, dass bei dem Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Angeklagten zu untersuchen; es ist festzustellen, ob, in welcher Weise und in welchem Umfang sie sich auf dessen Tatverhalten ausgewirkt haben.
25
Zur Vermittlung der medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen im Hinblick auf die Diagnose einer psychischen Störung, deren Schweregrad und deren innerer Beziehung zur Tat wird der Richter auf sachverständige Hilfe angewiesen sein, sofern er hierzu nicht aufgrund eigener Sachkunde befinden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 6. November 2003 - 1 StR 406/03, BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 15, mwN). Dabei bedarf es der Darlegung der Störung anhand der vier Eingangsmerkmale und dazu, in welchem Ausmaß die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit aus fachwissenschaftlicher Sicht bei der Tat beeinträchtigt waren. Vom Sachverständigen wird keine juristisch normative Aussage erwartet, sondern eine empirisch vergleichende über das Ausmaß der Beeinträchtigung des Täters, etwa im Vergleich zum Durchschnittsmenschen oder anderen Straftätern. Denn bei der Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB und bei der Annahme verminderter Schuldfähigkeit - insbesondere der auch normativ geprägten Beurteilung der Erheblichkeit der Verminderung von Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08, BGHSt 53, 221, 223 Rn. 15 ff.; Urteil vom 19. Oktober 2011 - 2 StR 172/11 Rn. 4) - handelt es sich um Rechtsfragen. Das abschließende Urteil über die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ist ausschließlich Sache des Richters (BGH, Urteile vom 26. April 1955 - 5 StR 86/55, BGHSt 8, 113, 124; vom 10. September 2003 - 1 StR 147/03, BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 14; vom 21. Januar 2004 - 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 53; SSW-StGB/Schöch § 20, Rn. 13). Der Tatrichter hat die Darlegungen des Sachverständigen daher zu überprüfen und rechtlich zu bewerten. Außerdem ist er verpflichtet, seine Entscheidung in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise zu begründen.
26
Die bloße Abhängigkeit von Drogen kann eine (schwere) andere seelische Abartigkeit sein, soweit sie nicht wegen körperlicher Abhängigkeit zu den krankhaft seelischen Störungen gehört (exogene Psychosen). Die bloße Abhängigkeit beeinflusst für sich genommen die Steuerungsfähigkeit jedoch nicht. Dies ist erst dann in Erwägung zu ziehen, wenn langjähriger Betäubungsmittelmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1995 - 3 StR 276/95, BGHR StGB § 21 BtMAuswirkungen 12; SSW-StGB/Schöch § 20, Rn. 46). In diesen Fällen liegen regelmäßig zugleich ein organischer Befund und eine krankhafte seelische Störung vor. Auch beim akuten Rausch ist ein Ausschluss oder die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit möglich.
27
Schwere Entzugserscheinungen können die Steuerungsfähigkeit bei Beschaffungsdelikten nur in seltenen Ausnahmefällen, z.B. in Kombination mit Persönlichkeitsveränderungen, aufheben (BGH, Urteile vom 23. August 2000 - 3 StR 224/00; vom 19. September 2001 - 2 StR 240/01, V.1.). Entzugserscheinungen , welche erst bevorstehen, können mitunter den Drang zur Beschaffungskriminalität übermächtig werden lassen, wenn die Angst des Täters vor Entzugserscheinungen, die er schon als äußerst unangenehm („grausamst“ ) erlitten hat und die er als nahe bevorstehend einschätzt, sein Hem- mungsvermögen erheblich vermindert. Dies kann dann insbesondere bei Hero- inkonsum die Voraussetzungen des § 21 StGB begründen, ist jedoch trotz der bei den verschiedenen Drogen unterschiedlichen Entzugsfolgen auch bei Kokain nicht von vorneherein völlig ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2005 - 2 StR 389/05, BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 16).
28
Die Aussagekraft allein des - auch quantifizierten - Nachweises von Drogen und ihrer Abbauprodukte im Blut, im Urin und in den Haaren ist im Hinblick auf die Frage der Steuerungsfähigkeit eines Täters bei der Tat nur begrenzt (vgl. SSW-StGB/Schöch, § 20 Rn. 47). Im Rahmen einer Gesamtschau sind aufgrund der psychodiagnostischen Merkmale unter ergänzender Verwertung der Blut-, Urin- und Haarbefunde (hinsichtlich des Betäubungs- und hier auch Alkoholkonsums) Rückschlüsse auf die Tatzeitbefindlichkeit des Täters zu ziehen.
29
b) Den danach an die Darlegungen zur Feststellung erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zu stellenden Anforderungen genügen die Urteilsgründe hier nicht.
30
Das angefochtene Urteil beschränkt sich im Wesentlichen darauf, das Ergebnis des Sachverständigengutachtens zu referieren und sich diesem pauschal anzuschließen, bis auf einen Punkt, ohne sich mit dieser Abweichung allerdings weiter auseinanderzusetzen. Dies genügt im vorliegenden Fall nicht.
31
Die Anforderungen an die Darlegungen in einem Urteil zur Überprüfung und Bewertung sachverständiger Äußerungen durch das Gericht sind nicht immer gleich. Liegt ein in sich stimmiges, in seinen Feststellungen und Beurteilungen ohne weiteres nachvollziehbares Sachverständigengutachten vor, werden häufig nach dessen Darstellung knappe Ausführungen genügen, aus de- nen insbesondere folgt, dass sich das Gericht erkennbar bewusst war und danach entschieden hat, dass es allein seine Aufgabe ist, das abschließende normative Urteil über die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit zu treffen, auch wenn es dem Sachverständigen letztlich uneingeschränkt folgt. Unnötige Wiederholungen sind auch in diesem Bereich zu vermeiden.
32
Anders ist es, wenn die sachverständigen Äußerungen zur Steuerungsfähigkeit nicht ohne weiteres nachvollziehbar sind, Lücken aufweisen oder im Widerspruch zu sonstigen Feststellungen und Bewertungen der Strafkammer stehen. So liegt es - ausgehend von der Darstellung des Sachverständigengutachtens in den Urteilsgründen - hier.
33
Dass sich der Angeklagte während der gesamten, sich über Stunden erstreckenden - jedenfalls hinsichtlich des Vorwurfs der Beihilfe zum Handeltreiben - Tathandlung in Folge akuter Intoxikation in einem Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit befunden hat, ist anhand der Urteilsgründe nicht nachvollziehbar und damit einer revisionsrechtlichen Überprüfung schon nicht zugänglich. Der zwar bedeutsame, aber kontrollierte - der Angeklagte kam am Wochenende, wenn sein Sohn bei ihm war, ohne Betäubungsmittel aus - Betäubungsmittelkonsum allein belegt dies nicht. Schwerste Persönlichkeitsveränderungen liegen, wie die Strafkammer zu § 64 StGB festgestellt hat, nicht vor.
34
Dass der letzte Konsum vor der Festnahme des Angeklagten, der regelmäßig Kokain zu sich nahm, für ihn außergewöhnlich war und zu seiner Vergiftung in einem Grade geführt hätte, die zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit führte, ist nicht belegt. Welchen Einfluss der Alkoholkonsum des Angeklagten (bis zur Tat schließlich zwei Flaschen Portwein am Tag) dabei hatte, wird nicht erörtert (zum Zusammenwirken von Kokain und Alkohol vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2000 - 4 StR 131/00, BGHR StGB § 21 Ursachen , mehrere 15). Die Blutalkoholkonzentration zum Zeitpunkt der Blutentnahme wird schon nicht mitgeteilt. Auf die mögliche Bedeutung der sonstigen im Blutplasma festgestellten Wirkstoffe wird nicht eingegangen. Im Übrigen sprechen die Feststellungen der Strafkammer dafür, dass der letzte Konsum von Kokain vor der Festnahme des Angeklagten erst nach Antritt der Kurierfahrt und insbesondere nach Grenzübertritt (Einnahme vor der Festnahme auf einem Autobahnparkplatz) mit den Betäubungsmitteln stattfand, also wesentliche Teile der Tathandlung überhaupt nicht tangierte.
35
Mit dem wesentlichen psychodiagnostischen Merkmal, nämlich dem unauffälligen Verhalten des Angeklagten bei seiner Festnahme hat sich der Sachverständige in diesem Zusammenhang nicht auseinandergesetzt. Er hat dies nur als Hinweis auf die Gewöhnung des Angeklagten an den Konsum von Betäubungsmitteln erwähnt.
36
Der Sachverständige hat seine Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit nicht allein auf eine akute Intoxikation sondern auch darauf gestützt , dass der erhaltene Kurierlohn zur Begleichung von Geldschulden aus dem zurückliegenden Ankauf von Rauschgift zum eigenen Konsum gedient habe und die Begleichung der Schulden die Voraussetzung für den weiteren Erwerb von Betäubungsmitteln gewesen sei. Dem hat sich die Strafkammer zwar ebenfalls pauschal angeschlossen (UA S. 12). Bei Feststellungen zum Tatgeschehen hat sich die Strafkammer dann jedoch auf die akute Intoxikation zur Begründung verminderter Steuerungsfähigkeit beschränkt (UA S. 7), ohne dies aber weiter zu begründen. Allerdings hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht in dem Ziel der Geldbeschaffung - für die Bezahlung von Schulden als Voraussetzung weiteren Betäubungsmittelerwerbs - keine Grundlage für die Annahme einer Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit gesehen. Die bisherigen Feststellungen hierzu beschreiben allenfalls ein Tatmotiv aber keinen so intensiven Konsumdruck (Angst vor unmittelbar bevorstehenden Entzugserscheinungen , die der Angeklagte schon einmal intensivst erlitten hatte), der in Ausnahmefällen die Steuerungsfähigkeit erheblich vermindern kann. Ob ein Täter in einer solchen psychischen Ausnahmesituation (Angst vor Entzugsfolgen ) dann aber überhaupt noch zu einer mehrstündigen Kurierfahrt und einem völlig unauffälligen Verhalten bei seiner Festnahme in der Lage hätte sein können , wäre gegebenenfalls - bei Hinweisen auf einen derartigen Erwerbsdruck - zu erörtern gewesen.
37
Die Abweichung der Strafkammer von den Darlegungen des Sachverständigen hätten jedenfalls für sie allein schon Anlass sein müssen, sich insgesamt kritischer mit den Äußerungen des Sachverständigen auseinanderzusetzen.
38
c) Über die Strafzumessung und - schon wegen des engen Zusammenhangs - über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird daher neu zu befinden sein. Sollte eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommen, wird § 246a Satz 2 StPO zu berücksichtigen sein. Zu den Voraussetzungen eines Hangs im Sinne von § 64 StGB, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2008 - 3 StR 38/08, Rn. 8 ff. (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 30. Januar 2001 - 1 StR 542/00; vom 7. Februar 2012 - 5 StR 505/11, Rn. 8 ff., vom 9. Februar 2012 - 3 StR 2/12, Rn. 3). Nack Rothfuß Hebenstreit Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 308/12
vom
22. August 2012
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischen Diebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. August 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 29. März 2012 mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in drei Fällen, Wohnungseinbruchsdiebstahls, räuberischen Diebstahls, gefährlicher Körperverletzung , versuchten Diebstahls und versuchter Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten , mit der er allgemein die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zu den Anlasstaten entwendete der unter umfassender Betreuung stehende Angeklagte in einem Fall den Inhalt zweier Briefkästen, die er zuvor aufgehebelt hatte. In einem weiteren Fall nahm er in einer Wohnung, in die er durch das offen stehende Schlafzimmerfenster eingestiegen war, zwei Geldbörsen mit Inhalt an sich, um diese für sich zu behalten. In zwei Fällen entwendete er jeweils ein Navigationsgerät aus einem geparkten Pkw bzw. einem unverschlossen abgestellten Lkw. In einem weiteren Fall setzte er sich mit Gewalt gegenüber einem Kaufhausdetektiv zur Wehr, der beobachtet hatte, wie der Angeklagte einen Pullover unter seiner Kleidung anzog, um diesen ohne Bezahlung mitzunehmen. Ferner brachte er dem Bewohner eines Grundstücks, auf dem er sich widerrechtlich aufhielt, durch zwei plötzliche Messerstiche stark blutende Stichverletzungen bei. Im Fall III. 6 der Urteilsgründe verschaffte sich der Angeklagte auf der Suche nach stehlenswerten Gegenständen durch eine nicht verschlossene Tür Zutritt zu einem Wohnhaus und setzte sich mit Schlägen und Tritten gegen seine Festnahme zur Wehr, nachdem er vom Hauseigentümer überrascht worden war.
3
2. Die Entscheidung zur Frage der Schuldfähigkeit und zur Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus beruht auf folgenden Feststellungen und Erwägungen der insoweit sachverständig beratenen Strafkammer:
4
Der Angeklagte leidet unter einer Intelligenzminderung mit deutlich verlangsamtem , inhaltsarmem und teilweise sprunghaftem Denken von geringer logischer Konsistenz. Seine Fähigkeiten zur Selbstreflexion, Selbstkritik, Realitätsprüfung und Abstraktionsfähigkeit sind deutlich eingeschränkt. Bei Bege- hung der festgestellten Taten war bei gegebener und erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit infolge seiner Intelligenzminderung seine Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert. Eine Psychose oder eine hirnorganische Erkrankung sowie eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung lagen indes nicht vor. Nach Auffassung des Landgerichts besteht bei dem Angeklagten aufgrund seines nicht besserungsfähigen oder heilbaren psychischen Zustandes ein erhebliches Rückfallrisiko für einschlägige Taten. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seien ohne langfristig strukturierte Behandlung weitere erhebliche Straftaten zu erwarten, so dass der Angeklagte für die Allgemeinheit gefährlich sei; dies gelte umso mehr, als er die hier abgeurteilten Taten binnen kurzer Zeit begangen habe. Die zu erwartenden Taten seien dabei als Folgewirkung des psychischen Zustandes des Angeklagten, einer Intelligenzminderung mit einhergehenden Verhaltensauffälligkeiten, anzusehen. Eine Aussetzung der Vollstreckung der Anordnung zur Bewährung im Sinne von § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB komme nicht in Betracht.

II.


5
Die Ausführungen des Landgerichts zur erheblich verminderten Schuldfähigkeit als Grundlage für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
1. Die Maßregelanordnung nach § 63 StGB setzt unter anderem die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 6. März 1986 – 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 26; Senatsbeschluss vom 6. Februar 1997 – 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385). Dabei erfolgt die richterliche Entscheidung, ob die Fähigkeit eines Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert war, in einem aus mehreren Schritten bestehenden Verfahren (vgl. im Einzelnen Boetticher/ Nedopil/Bosinski/Saß, NStZ 2005, 57). Zuerst ist die Feststellung erforderlich, dass beim Angeklagten eine psychische Störung vorliegt, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist. Sodann sind der Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters zu untersuchen. Durch die festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei der Tatbegehung beeinträchtigt worden sein. Dabei hat der Tatrichter bei der Entscheidung über die Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB und bei der Annahme eingeschränkter Schuldfähigkeit nicht nur die Darlegungen des medizinischen Sachverständigen eigenständig zu überprüfen; er ist auch verpflichtet , seine Entscheidung in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise zu begründen (BGH, Beschluss vom 7. März 2006 – 3 StR 52/06, NStZ-RR 2007, 74). Das abschließende Urteil über die Erheblichkeit der Verminderung von Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ist als Rechtsfrage ausschließlich Sache des Richters (BGH, Urteil vom 17. April 2012 – 1 StR 15/12 mwN).
7
2. Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe hier nicht.
8
a) Den Urteilsausführungen ist schon nicht zu entnehmen, welches der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB das Landgericht in der Person des Angeklagten als gegeben ansieht. Die Strafkammer beschränkt sich im Urteil darauf mitzuteilen, der Angeklagte sei bei gegebener und erhalten gebliebener Einsichtsfähigkeit infolge seiner Intelligenzminderung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB; eine Psychose , eine hirnorganische Erkrankung oder eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung hätten bei Begehung der Taten nicht vorgelegen.
9
b) Da sich das Landgericht auf die Mitteilung des Ergebnisses der Begutachtung des Angeklagten durch den psychiatrischen Sachverständigen beschränkt , ist das als gegeben erachtete Eingangsmerkmal auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen. Zwar kann die hier vom Landgericht angenommene Intelligenzminderung des Angeklagten grundsätzlich die Annahme von Schwachsinn im Sinne des § 20 StGB rechtfertigen, die bloße Minderung der geistigen Leistungsfähigkeit begründet sie aber nicht (vgl. BGH, Urteil vom 31. August 1994 – 2 StR 366/94, BGHR StGB § 63 Zustand 17). Die Urteilsgründe verhalten sich jedoch nicht genauer zum Grad der beim Angeklagten vorhandenen Intelligenzminderung, die einerseits als leicht bis mittelgradig (UA 4), an anderer Stelle als erheblich (UA 19) bezeichnet wird. Schon im Hinblick auf die denkbare Schwankungsbreite dieser Behinderung (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 – 5 StR 240/10 für die Diagnose "Schwachsinn" ) sind die Urteilsausführungen daher wenig aussagekräftig und für die revisionsgerichtliche Überprüfung unzureichend, zumal nicht mitgeteilt wird, ob und gegebenenfalls welche psychologischen Testverfahren der Beurteilung zu Grunde liegen. Ferner bleibt offen, in welchem Zusammenhang die Intelligenzminderung mit den beim Angeklagten ebenfalls diagnostizierten Verhaltensauffälligkeiten steht.
10
c) Es kommt hinzu, dass die Ausführungen zu einer möglichen hirnorganischen Schädigung als Ursache der Intelligenzminderung in sich widersprüch- lich sind. Zum einen nimmt die Strafkammer an, ursächlich für die leichte bis mittelgradige Intelligenzminderung des Angeklagten sei "mutmaßlich" ein geburtsbedingter frühkindlicher Hirnschaden (UA 4), an anderer Stelle - ebenfalls im Zusammenhang mit der beim Angeklagten vorliegenden Intelligenzminderung - wird das Vorliegen einer hirnorganischen Erkrankung verneint (UA 12).
11
3. Danach ist weder sicher feststellbar, von welcher Alternative des § 21 StGB das Landgericht ausgegangen ist, noch, ob nicht § 20 StGB anwendbar ist. Sowohl der Schuldspruch als auch die Anordnung nach § 63 StGB können daher mangels eindeutiger Feststellungen keinen Bestand haben. Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung der Maßregel bedarf insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler indes nicht betroffen und können bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen sind möglich.
Mutzbauer Roggenbuck Franke
Quentin Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 310/00
vom
19. September 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
19. September 2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof ,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. Dezember 1999, soweit es den Angeklagten B. betrifft,
a) im Schuldspruch dahin klargestellt, daß der Angeklagte des schweren Raubes schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen (gemeinschaftlichen ) Raubes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Der Angeklagte hatte mit dem ebenfalls verurteilten Angeklagten O. ein Lokal überfallen und die Einnahmen weggenommen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer nur zuungunsten des Angeklagten B. eingelegten und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Die Beschwerdeführerin hat zwar den Schuldspruch nicht angegriffen. Auf Antrag des Generalbundesanwalts war jedoch in der Urteilsformel klarzustellen , daß der Angeklagte des schweren Raubes schuldig ist. Diese Klarstellung ist geboten, weil die Strafkammer selbst in der rechtlichen Würdigung und in der im Anschluß an die Urteilsformel angeführten Bezeichnung des zur Anwendung gebrachten Strafgesetzes von einem schweren Raub nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ausgegangen ist.
2. Der Strafausspruch kann allerdings keinen Bestand haben. Mit Recht rügt die Beschwerdeführerin, daß das Landgericht dem Angeklagten B. verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB zugebilligt hat.

a) Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, er sei seit längerer Zeit rauschgiftabhängig. Er konsumiere regelmäßig Amphetamin oder "Speed", auch Kokain und gelegentlich Haschisch. Alkohol trinke er eigentlich weniger. Am Tage vor der Tat habe er etwa 1 ½ Gramm "Speed" geraucht. Durch die Einnahme von "Speed" habe er sich wie ein ”Supermann” gefühlt. Danach habe er keine Drogen mehr gehabt. Außerdem habe er bis gegen 24.00 Uhr Chantré undBier getrunken; die Menge könne er nicht mehr angeben.

b) Die Strafkammer stützt ihre Schuldfähigkeitsbeurteilung auf die Angaben des Angeklagten und das in der Hauptverhandlung mündlich erstattete Gutachten des Medizinaloberrats S. . Dieser hatte den Angeklagten nicht untersucht und nicht exploriert. Der Sachverständige hat ausgeführt, aus den Akten und aufgrund des Eindrucks in der Beweisaufnahme hätten sich keine Hinweise auf eine schwere psychische Auffälligkeit ergeben. Die Angaben des Angeklagten zum Drogenkonsum seien glaubhaft, weil er die Symptome der
verschiedenen Betäubungsmittel zutreffend beschrieben habe, er kenne sie also. Er habe auch glaubhaft einen Zustand geschildert, in den sich ein Drogenabhängiger durch die regelmäßige Einnahme versetze. Dabei habe er sich in einer gewissen Ausgeglichenheit befunden, aus der er sowohl durch Entzug oder durch die Einnahme größerer Drogenmengen herausfalle. Es sei denkbar, daß der Angeklagte nach der Einnahme von Drogen sich einerseits wie ein ”Supermann” gefühlt habe, andererseits im Bewußtsein, daß er keine Betäubungsmittel und auch kein Geld mehr besaß, in einen Zustand geraten sei, den er als Sachverständiger ”als erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen könne”.
Die Strafkammer hat den Ausführungen des Sachverständigen entnommen , daß der Angeklagte ”mit Sicherheit” für seine Tat im Sinne des § 20 StGB strafrechtlich verantwortlich war. Allerdings vermochte die Kammer nicht auszuschließen , daß beim Angeklagten im Zeitpunkt der Tat die Voraussetzungen verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB vorlagen. Dieser Schluß ist nach den bisher getroffenen Feststellungen über den behaupteten Drogenkonsum des Angeklagten und den mitgeteilten Ausführungen des Sachverständigen nicht gerechtfertigt.
3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können der Betäubungsmittelkonsum, aber auch die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln nur ausnahmsweise erheblich verminderte Schuld begründen, wenn langjähriger Betäubungsmittelmißbrauch namentlich unter Verwendung ”harter” Drogen zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder der Täter durch starke Entzugserscheinungen oder bei Heroinabhängigen aus Angst davor dazu getrieben wird, sich durch eine Straftat Drogen zu verschaffen oder wenn er
die Tat im Zustand eines aktuellen Drogenrausches begeht (BGH StV 1997, 517 m.w.Nachw.). Ob eine hierauf beruhende Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit erheblich ist, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter in eigener Verantwortung zu entscheiden hat (BGHSt 8, 113, 124; BGH NStZ 1997, 485; Jähnke in LK 11. Aufl. § 21 Rdn. 8 m.w.Nachw.).

a) Bei langjährig Rauschgiftabhängigen kann die Anwendung des § 21 StGB dann erfolgen, wenn schwerste Persönlichkeitsveränderungen erkennbar sind (BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 8). Fehlen objektive Beweisanzeichen über das Ausmaß der Drogenabhängigkeit, muß der Tatrichter das Vorliegen der medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungspunkte mit Hilfe des Sachverständigen selbständig und eigenverantwortlich prüfen.
Die Urteilsgründe teilen genauere Einzelheiten über die Art der gebrauchten Drogen, die Dauer des Konsums, die Dosierung, die Hinweise auf das Ausmaß der Drogenabhängigkeit des Angeklagten geben könnten, nicht mit. Der Mittäter hat ausgesagt, er könne über den Rauschgiftkonsum des Angeklagten keine näheren Angaben machen, allerdings habe dieser ”sich im Zeitraum vor der Tat” gegenüber früher verändert.
Die Urteilsgründe legen nicht dar, ob der Sachverständige beim Angeklagten überhaupt die allgemeinen psychiatrischen Kriterien einer Substanzabhängigkeit gemäß ICD-10 (Internationale Klassifikation psychischer Störungen, Dilling/Mombour/Schmidt (Hrsg.) 3. Aufl. [1999]) oder DSM-IV (Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen [1996]) als erfüllt angesehen hat. Sind diese nicht gegeben, so sind in der Regel keine forensischpsychiatrischen Folgerungen möglich (vgl. Venzlaff/Förster, Psychiatrische Be-
gutachtung, 3. Aufl. S. 175 ff.). Zwar besagt das Vorliegen eines bestimmten Zustandsbildes nach der Klassifikation ICD-10 noch nichts über das Ausmaß drogeninduzierter psychischer Störungen (vgl. BGH NStZ 1997, 383). Gleichwohl weist eine solche Zuordnung in der Regel auf eine nicht ganz geringfügige Beeinträchtigung hin, dem der Tatrichter mit Hilfe des Sachverständigen nachgehen muß (BGH NStZ 1999, 630; StV 1998, 342).
Da hierzu nähere Darlegungen fehlen, kann der Senat nicht nachprüfen, ob der Tatrichter sich bei seiner Entscheidung über die Erheblichkeit der Einschränkung der Steuerungsfähigkeit zu Recht auf die ”seit längerer Zeit” bestehende Rauschgiftabhängigkeit gestützt hat.

b) Den Urteilsgründen ist ebenso wenig zu entnehmen, ob der Angeklagte den schweren Raub im Zustand eines akuten Rausches verübt hat (vgl. BGH JR 1987, 206 m. zust. Anm. Blau; BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 12) oder ob eine Entzugssymptomatik oder eine Angst vor Entzugserscheinungen vorlag.
aa) Gegen eine akute Drogenintoxikation zum Tatzeitpunkt – dazu hätte es der Feststellung einer massiven psychopathologischen Symptomatik im Sinne von Realitätsverlust, Halluzinationen oder Wahnvorstellungen (Venzlaff /Foerster aaO S. 176) bedurft - sprechen die eigenen Angaben des Angeklagten zu seinem Konsum vor der Tat. Der Konsum von 1 ½ Gramm Amphetamin erfolgte am Tag vor der Tat. Dabei fühlte er sich wie ein ”Supermann”. Andererseits hatte er danach keine Drogen mehr, sondern nur bis gegen Mitternacht eine nicht näher bestimmbare Menge Alkohol konsumiert. Damit bleibt letztlich offen, ob die Strafkammer annimmt, der Angeklagte könnte den Über-
fall im Zustand eines akuten Amphetaminrausches begangen haben und sei deshalb in seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen.
bb) Der Bundesgerichtshof hat zu Beschaffungsdelikten Heroinabhängiger ausgesprochen, daß die Anwendbarkeit des § 21 StGB nicht in jedem Fall ”akute körperliche” Entzugserscheinungen des Täters zur Tatzeit voraussetzt (BGHR StGB § 21 BtM-Auswirkungen 2). Es ist rechtlich nicht ausgeschlossen, daß die Angst des Heroinabhängigen vor Entzugserscheinungen, die er schon als äußerst unangenehm erlebt hat und als nahe bevorstehend einschätzt, seine Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen kann.
Ob bei Abhängigkeit oder nach Konsum von Amphetamin vergleichbare Entzugserscheinungen auftreten oder Angst vor Entzugserscheinungen hervorrufen können und ob gegebenenfalls deshalb eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit in Betracht kommt, ist eine Frage, die der Tatrichter nach dem oben dargelegten Maßstab zu entscheiden hat. Bei Amphetamin sind die Suchtfolgen ohnehin nicht so schwer wie bei Heroin (BGHSt 33, 169, 171; BGH StV 1997, 227).
Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob die Strafkammer angenommen hat, der Angeklagte habe unter ”akuten und schwerwiegenden” Entzugserscheinungen gelitten oder seine Handlung sei maßgeblich von der Angst vor Entzugserscheinungen bestimmt gewesen. Der Mittäter hat über schwere Entzugserscheinungen des Angeklagten bei der Ausführung der Tat nichts berichtet. Die Kammer teilt auch nichts darüber mit, ob im Zusammenhang mit der kurze Zeit später erfolgten Festnahme Entzugssymptome festgestellt wurden. Der Sachverständige sieht es aufgrund der Angaben des Angeklagten als
”durchaus denkbar” an, daß diesem - während oder nach der Wirkung des Amphetamins - bewußt war, es könne zu Entzugserscheinungen kommen, wenn er keine Betäubungsmittel mehr bekäme. Die mitgeteilten Ausführungen des Sachverständigen legen nahe, daß er beim Angeklagten diesen Zustand der Angst vor Entzugserscheinungen für möglich gehalten hat. Diese mehr allgemeinen Erörterungen reichen indes nicht aus.

c) Nicht hinreichend dargelegt ist schließlich der Schluß auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB aufgrund der Möglichkeit - auf diese stellt die Verteidigung ab - , beim Angeklagten hätten zum Tatzeitpunkt ein ”Hochgefühl” nach der Einnahme von Amphetamin und ein ”drogenbedingtes Zukunftsbedenken” nebeneinander vorgelegen. Diese Annahme ist weder auf hinreichende Ausführungen des Sachverständigen gestützt noch ist sie bisher wissenschaftlich belegt.
4. Da die wesentlichen Anknüpfungstatsachen für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB fehlen, bedarf die Sache insoweit erneuter Prüfung. Der Tatrichter wird in der neuen Verhandlung auch zu erwägen haben , ob eine Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB in Betracht kommt.
Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.