Bundesgerichtshof Beschluss, 04. März 2003 - 4 StR 381/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht Darmstadt hat den Angeklagten am 19. Juni 2002 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und anderer Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt, einen sichergestellten Geldbetrag für verfallen erklärt und eine Maßregel nach den §§ 69, 69 a StGB angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen in der Hauptverhandlung anwesenden Wahlverteidiger, Rechtsanwalt D. , dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet (SA Bd. I Bl. 188), Revision einlegen und - nach Zustellung des Urteils an Rechtsanwalt D. - das Rechtsmittel durch diesen mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts form- und fristgerecht begründen lassen. Mit Beschluß vom 5. November 2002 hat der Senat das angefochtene Urteil teilweise abgeändert ; die weiter gehende Revision des Angeklagten wurde gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen.
Mit Schriftsatz vom 4. Januar 2003 beantragt der weitere Wahlverteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt T. , der zu dem Hauptverhandlungstermin vor dem Landgericht geladen worden war (SA Bd. V Bl. 9 R, 10, 15), sich an dem weiteren Verfahren bis zur Rechtskraft des Urteils aber nicht beteiligt hatte, dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen
Versäumung der Frist zur abschließenden Revisionsbegründung zu gewähren, den Senatsbeschluß vom 5. November 2002 aufzuheben und die Vollstrekkung , gegebenenfalls gegen eine angemessene Sicherheitsleistung, aufzuschieben. Zur Begründung führt er aus, der Angeklagte sei ohne Verschulden daran gehindert gewesen, die Frist zur abschließenden Begründung der Revision einzuhalten, weil ihm - Rechtsanwalt T. - das Urteil nicht zugestellt worden und er auch nicht von der Zustellung des Urteils unterrichtet worden sei.
Die Anträge haben keinen Erfolg.
1. Gegen die Senatsentscheidung vom 5. November 2002 ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich, weil es sich um eine rechtskräftige Sachentscheidung handelt, die das Verfahren zum Abschluß gebracht hat (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 17, 94, 96 f.; 23, 102, 103; 25, 89, 91; BGHR StPO § 33 a Satz 1 Anhörung 1).
Die von Rechtsanwalt T. geltend gemachte Fristversäumnis liegt im übrigen nicht vor, weil mit der Erhebung der allgemeinen Sachrüge durch Rechtsanwalt D. die Revision ordnungsgemäß begründet wurde. Die Wirksamkeit der Zustellung des Urteils war weder dadurch berührt, daß es an nur einen der Wahlverteidiger zugestellt wurde (vgl. BVerfG NJW 2001, 2532 f.; BGHSt 22, 221, 222; 34, 371, 372), noch dadurch, daß Rechtsanwalt T. von der Zustellung des Urteils an den anderen Wahlverteidiger nicht unterrichtet worden war (vgl. BVerfG NJW 2002, 1640; BGH NJW 1977, 640; BGHR StPO § 145 a Unterrichtung 1; Laufhütte in KK 4. Aufl. § 145 a Rdn. 3, 6 f.).
2. Die Voraussetzungen des § 33 a StPO liegen ebenfalls nicht vor; denn der Senat hat bei seiner Entscheidung zum Nachteil des Angeklagten keine Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen er nicht gehört worden ist (vgl. hierzu BGHR StPO § 33 a Satz 1 Anhörung 1, 2, 3, 6; MeyerGoßner StPO 46. Aufl. § 33 Rdn. 12 m.w.N.). Der Angeklagte hatte ausreichend rechtliches Gehör: Er hatte seit der Zustellung des Urteils an Rechtsanwalt D. am 29. Juli 2002 bis zur Entscheidung des Senats am 5. November 2002 Gelegenheit zum Beschwerdevorbringen. Der Antrag des Generalbundesanwalts zu seiner Revision wurde Rechtsanwalt D. am 18. September 2002 zugestellt. Nachdem dieser in seiner Revisionsbegründungsschrift vom 19. August 2002 angekündigt hatte, die Rüge der Verletzung materiellen Rechts werde noch ausgeführt (vgl. hierzu BGHSt 23, 102 f.), hat der Senat bis zum 5. November 2002 mit einer Entscheidung gewartet. Er hat dann – nachdem eine weitere Revisionsbegründung nicht eingegangen war (und bis heute nicht vorliegt) - das Urteil aufgrund der erhobenen Sachrüge umfassend überprüft.
3. Der Antrag auf Aufschub der Vollstreckung (§ 47 Abs. 2 StPO) ist mit dieser Entscheidung gegenstandslos.
Tepperwien Maatz Kuckein
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen.
(2) Eine Entscheidung des Gerichts, die außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach schriftlicher oder mündlicher Erklärung der Staatsanwaltschaft erlassen.
(3) Bei einer in Absatz 2 bezeichneten Entscheidung ist ein anderer Beteiligter zu hören, bevor zu seinem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse, zu denen er noch nicht gehört worden ist, verwertet werden.
(4) Bei Anordnung der Untersuchungshaft, der Beschlagnahme oder anderer Maßnahmen ist Absatz 3 nicht anzuwenden, wenn die vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde. Vorschriften, welche die Anhörung der Beteiligten besonders regeln, werden durch Absatz 3 nicht berührt.
(1) Wenn in einem Falle, in dem die Verteidigung notwendig ist, der Verteidiger in der Hauptverhandlung ausbleibt, sich unzeitig entfernt oder sich weigert, die Verteidigung zu führen, so hat der Vorsitzende dem Angeklagten sogleich einen anderen Verteidiger zu bestellen. Das Gericht kann jedoch auch eine Aussetzung der Verhandlung beschließen.
(2) Wird der notwendige Verteidiger erst im Laufe der Hauptverhandlung bestellt, so kann das Gericht eine Aussetzung der Verhandlung beschließen.
(3) Erklärt der neu bestellte Verteidiger, daß ihm die zur Vorbereitung der Verteidigung erforderliche Zeit nicht verbleiben würde, so ist die Verhandlung zu unterbrechen oder auszusetzen.
(4) Wird durch die Schuld des Verteidigers eine Aussetzung erforderlich, so sind ihm die hierdurch verursachten Kosten aufzuerlegen.
(1) Eine Entscheidung des Gerichts, die im Laufe einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach Anhörung der Beteiligten erlassen.
(2) Eine Entscheidung des Gerichts, die außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht, wird nach schriftlicher oder mündlicher Erklärung der Staatsanwaltschaft erlassen.
(3) Bei einer in Absatz 2 bezeichneten Entscheidung ist ein anderer Beteiligter zu hören, bevor zu seinem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse, zu denen er noch nicht gehört worden ist, verwertet werden.
(4) Bei Anordnung der Untersuchungshaft, der Beschlagnahme oder anderer Maßnahmen ist Absatz 3 nicht anzuwenden, wenn die vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde. Vorschriften, welche die Anhörung der Beteiligten besonders regeln, werden durch Absatz 3 nicht berührt.
(1) Durch den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird die Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung nicht gehemmt.
(2) Das Gericht kann jedoch einen Aufschub der Vollstreckung anordnen.
(3) Durchbricht die Wiedereinsetzung die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung, werden Haft- und Unterbringungsbefehle sowie sonstige Anordnungen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft bestanden haben, wieder wirksam. Bei einem Haft- oder Unterbringungsbefehl ordnet das die Wiedereinsetzung gewährende Gericht dessen Aufhebung an, wenn sich ohne weiteres ergibt, dass dessen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Anderenfalls hat das nach § 126 Abs. 2 zuständige Gericht unverzüglich eine Haftprüfung durchzuführen.