Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2014 - 4 StR 324/14

bei uns veröffentlicht am18.12.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR323/14
4 StR324/14
vom
18. Dezember 2014
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Der faktische Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann
Täter einer Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO sein.
BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 4 StR 323/14 und 4 StR 324/14 –
LG Dortmund
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1. Beihilfe zur Insolvenzverschleppung
zu 2. Betrugs u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 18. Dezember 2014 gemäß § 349
Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten O. gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 9. Januar 2014 und die Revision des Angeklagten A. gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 29. Januar 2014 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung der Urteile auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Die Verurteilung des Angeklagten A. als faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft für E. V. mbH wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und die Verurteilung des Angeklagten O. als Geschäftsführer dieser Gesellschaft wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit jeher anerkannte Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers bei unterlassener oder verspäteter Konkurs - oder Insolvenzantragstellung (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1952 – 1 StR 153/52, BGHSt 3, 32, 37 f.; Urteil vom 28. Juni 1966 – 1 StR 414/65, BGHSt 21, 101, 103; Urteil vom 22. September 1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118, 122; Urteil vom 10. Mai 2000 – 3 StR 101/00, BGHSt 46, 62, 64 ff.; Urteil vom 17. März 2004 – 5 StR 314/03, NStZ 2004, 582, 583; zustimmend etwa Tiedemann/Rönnau in Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 84 Rn. 21 ff. mwN; ablehnend u.a. Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek, GmbHG, 18. Aufl., § 84 Rn. 7) ist durch die Neuregelung in § 15a Abs. 4 InsO nicht entfallen.
Durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 wurden mit Wirkung zum 1. November 2008 die bis dahin bestehenden Vorschriften zur Insolvenzantragstellung in verschiedenen Einzelgesetzen durch § 15a InsO ersetzt. Nach § 15a Abs. 4 InsO wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift einen Insolvenzantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt. Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler einer juristischen Person, die zahlungsunfähig wird oder überschuldet ist, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen. Der Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO – „Mitglieder desVertretungsorgans“ – schließt entgegen einer in der Literatur vertretenen Ansicht (vgl. Ulmer/Ransiek, GmbHG, vor § 82 Rn. 60; Kreft/Kleindiek, Insolvenzordnung, 6. Aufl., § 15a Rn. 40) den faktischen Geschäftsführer nicht aus. Die Formulierung umschreibt zusammenfassend die Verantwortlichen verschiedener Gesellschaftsformen. „Mitglied des Vertretungsorgans“ der Gesellschaft mit be- schränkter Haftung ist der Geschäftsführer, dem nach ständiger Rechtsprechung der faktische Geschäftsführer gleichsteht.
Für die Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers spricht auch die Begründung des Gesetzesentwurfs. Durch die Neuregelung sollten die Vorschriften zur Insolvenzantragstellung aus verschiedenen Einzelgesetzen (GmbHG, AktG, GenG, HGB) rechtsformneutral geregelt und wortgleich erfasst werden (BT-Drucks. 16/6140 S. 55). Eine Einschränkung der strafbewehrten Pflicht zur Antragstellung war mit dem MoMiG nicht bezweckt, vielmehr sollten Schutzlücken vermieden werden (BT-Drucks. 16/6140 aaO). Auch ergibt sich aus der Begründung zu § 15a Abs. 3 InsO (BT-Drucks. 16/6140 S. 56), wonach durch die vorgesehene Regelung zu der Fallgruppe der führungslosen Gesellschaft „die Rechtsprechung zum faktischen Ge- schäftsführer und die weitere Rechtsentwicklung hierzu nicht berührt [werden]“, dass der Gesetzgeber die Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers nicht einschränken wollte (so auch Kuhn, Die GmbH-Bestattung [2011] S. 200 f.; Biehl, Geschäftsführer - und Gesellschafterhaftung wegen Insolvenzverschleppung bei der GmbH [2013] S. 62 f.).
Dass durch die Neufassung des § 15a InsO die (strafrechtliche) Haftung des faktischen Geschäftsführers bei Insolvenzverschleppung keine Änderung erfahren hat, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bereits inzident bejaht worden (Beschluss vom 21. August 2013 – 1 StR 665/12, NJW 2014, 164; Beschluss vom 15. November 2012 – 3 StR 199/12, NJW 2013, 1892; Beschluss vom 26. Mai 2009 – 4 StR 10/09; Urteil vom 1. Februar 2009 – II ZR 209/08, NJW-RR 2010, 1048, 1050).
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

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Insolvenzordnung - InsO | § 15a Antragspflicht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit


(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahl

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5 StR 314/03 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 17. März 2004 in der Strafsache gegen wegen Anstiftung zur Insolvenzverschleppung Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. März 2004, an der teilgenommen habe

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Aug. 2013 - 1 StR 665/12

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 665/12 vom 21. August 2013 in der Strafsache gegen wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2013 beschlossen : Auf die Revision des Angeklagten wi

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(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

5 StR 314/03

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 17. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Anstiftung zur Insolvenzverschleppung
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
17. März 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 22. Oktober 2002 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e

I.


Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der Anstif- tung zur Insolvenzverschleppung in zwei Fällen freigesprochen. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Mit der Anklageschrift vom 11. Juni 2002 wird dem Angeklagten zur Last gelegt, jeweils die bestellten Geschäftsführer der B C GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Angeklagte war und deren Geschäfte faktisch vom anderweitig verfolgten B geführt wurden , an der Stellung von Insolvenzanträgen durch Weisung gehindert zu haben.

a) Hiernach soll der Angeklagte dem bestellten Geschäftsführer S im Anschluß an eine Gesellschafterversammlung vom 18. Janu-
ar 2000 untersagt haben, einen von S für erforderlich gehaltenen Insolvenzantrag zu stellen, obwohl S und der Angeklagte von der Insolvenzreife der Gesellschaft wußten. Stattdessen habe der Angeklagte den Geschäftsführer S auf dessen Wunsch hin von den Pflichten eines Geschäftsführers entbunden.

b) Nachdem zwei Krankenkassen am 11. Juli und 21. August 2000 Insolvenzanträge für die Gesellschaft gestellt hatten, soll der Angeklagte ferner – in Kenntnis der weiterbestehenden Insolvenzreife der Gesellschaft – die nunmehrige Geschäftsführerin K angewiesen haben, Zahlungen an die antragstellenden Krankenkassen zu leisten, damit diese – wie tatsächlich geschehen – ihre Insolvenzanträge zurücknehmen würden.
2. Das Landgericht hat derartige Weisungen des Angeklagten nicht feststellen können.

a) Nach den Feststellungen hat der Angeklagte in Fall 1 allerdings dem bestellten Alleingeschäftsführer der GmbH S gekündigt, obwohl dieser und der Angeklagte wußten, daß die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt bereits insolvent war.

b) Zu Fall 2 hat der Tatrichter festgestellt, daß der Angeklagte die Zahlungen an die Krankenkassen selbst vorgenommen hat und insoweit keine Anweisung an die Geschäftsführerin K erging. Diese hatte vielmehr selbst im Juli 2000 einen Insolvenzantrag für die Gesellschaft gestellt, den sie später auf Anweisung des B zurücknahm.
3. Gegen diese Feststellungen wendet sich die Staatsanwaltschaft nicht; sie rügt – ungeachtet des unbeschränkten Aufhebungsantrages – lediglich , daß das Landgericht die angeklagten Taten, so wie sich diese nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellten, nicht unter allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten erschöpfend gewürdigt habe.

II.


Das dadurch schlüssig beschränkte Rechtsmittel (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3), das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat mit der auf die Verletzung des § 264 StPO abhebenden Sachrüge Erfolg. Das Landgericht hat seiner umfassenden Kognitionspflicht nicht genügt.
1. Das Sachurteil muß den durch die zugelassene Anklage abgegrenzten Prozeßstoff erschöpfen (st. Rspr., vgl. nur BGH NStZ 1997, 127 m.w.N.). Die Tat als Gegenstand der Urteilsfindung ist der geschichtliche Vorgang, auf den Anklage und Eröffnungsbeschluß hinweisen und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll (BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 4 m.w.N.). Hierbei handelt es sich um einen eigenständigen Begriff; er ist weiter als derjenige der Handlung im sachlichen Recht (BGHSt 29, 288, 292 m.w.N.). Zur Tat im prozessualen Sinne gehört – unabhängig davon, ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt – das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang darstellt (BGHSt 32, 215, 216 m.w.N.). Somit umfaßt der Lebensvorgang, aus dem die zugelassene Anklage einen strafrechtlichen Vorwurf herleitet, alle damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse, auch wenn diese in der Anklageschrift nicht ausdrücklich erwähnt sind (BGH aaO). Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Entscheidend ist, ob zwischen den in Betracht kommenden Verhaltensweisen – unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung – ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (BGH aaO S. 217).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt – der enge sachliche Zusammenhang für alle drei denkbaren Tatvarianten in Fall 1 gegeben.

a) Das Landgericht hat die Möglichkeit einer täterschaftlichen Insolvenzverschleppung (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) nicht in den Blick genom-
men. Dafür hätte aber Anlaß bestanden, weil zum Zeitpunkt der Abberufung des S kein weiterer Geschäftsführer vorhanden war und der Angeklagte einen neuen Geschäftsführer nicht bestellt hat. In diesem Falle hätte der Angeklagte sich wegen unterlassener Antragstellung strafbar machen können, sofern er sich für die GmbH als faktischer Geschäftsführer (vgl. Schaal in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl., § 84 Rdn. 10 f. m.w.N.) betätigt hat.

b) Alternativ hätte das Landgericht eine Beihilfe des Angeklagten zu einer möglichen Insolvenzverschleppung des faktischen Geschäftsführers B (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, § 27 Abs. 1 StGB) erwägen müssen. Eine solche könnte darin liegen, daß nach den Feststellungen des Landgerichts der Angeklagte als Alleingesellschafter die Abberufung des bestellten Alleingeschäftsführers S unterzeichnete, die der faktische Geschäftsführer B dem S aushändigte, damit S einen von ihm beabsichtigten Insolvenzantrag nicht mehr stellen könne.

c) Schließlich hätte das Landgericht prüfen müssen, ob eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen einer Beihilfe zur Insolvenzverschleppung des bestellten Geschäftsführers S (§ 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, § 27 Abs. 1 StGB) in Betracht kommt. Eine solche ist nicht auszuschließen, weil sich der abberufene Geschäftsführer – ungeachtet einer möglichen zivilrechtlichen Wirksamkeit seiner Abberufung – gleichwohl bereits nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG strafbar gemacht haben könnte, weil die Frist zur Antragstellung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG bereits abgelaufen war (vgl. Schaal aaO, Rdn. 46 ff., 58, 61; Tiedemann in Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz 9. Aufl. § 84 Rdn. 36 ff.).
3. Im Hinblick auf Fall 2 hätte das Landgericht erwägen müssen, ob in der Bezahlung der offenen Krankenkassenbeiträge mit dem Ziel, die Krankenkassen zur Rücknahme ihrer Insolvenzanträge zu bewegen, eine Beihilfe des Angeklagten zur Insolvenzverschleppung des faktischen Geschäftsfüh-
rers B liegen könnte (vgl. zum Verhältnis zwischen § 266a StGB und § 84 Abs. 1 GmbHG; BGH NJW 2003, 3787 ff.). Die Insolvenzanträge der Krankenkassen und der bestellten Geschäftsführerin K sind gleichzeitig beim Amtsgericht Dresden anhängig gewesen. Eine Rücknahme der einzelnen Insolvenzanträge hätte gegebenenfalls nur dann Sinn machen können , wenn jeder der angebrachten Anträge zurückgenommen worden wäre. Wenn der Angeklagte in Kenntnis des bestehenden Antrages der Geschäftsführerin K und der Weisung des B im Hinblick auf die Rücknahme dieses Antrages dafür sorgte, daß die Krankenkassen befriedigt wurden, könnte hierin eine Unterstützung des B , der ein Insolvenzverfahren verhindern wollte, liegen. Auch diese Tatvariante wäre von der Kognitionspflicht des Tatrichters umfaßt.
4. Die für eine abschließende Überprüfung notwendigen Feststellungen lassen sich zu keiner der – streng alternativ – in Betracht kommenden Varianten dem landgerichtlichen Urteil entnehmen. Die Sache bedarf daher insgesamt erneuter Verhandlung, wobei der neue Tatrichter den gegen den Angeklagten erhobenen Schuldvorwurf in eigener tatrichterlicher Verantwortung in vollem Umfange erneut zu prüfen und zu entscheiden haben wird. Harms Häger Gerhardt Brause Schaal

(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 665/12
vom
21. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. August 2013 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Landshut vom 18. September 2012 mit den zugrundeliegenden
Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer
tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung sowie wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen und formellen Rechts gestützten Revision. Im Hinblick auf die Rüge der fehlenden sachlichen Zuständigkeit des Landgerichts verweist der Senat auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts. Da bereits die Sachrüge zum vollen Erfolg des Rechtsmittels führt, bedarf es eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen nicht mehr.

I.


2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Der Angeklagte war Vorstand der T. . Bei der T. handelte es sich um die Muttergesellschaft eines Konzerns, unter deren Kontrolle mehrere Tochtergesellschaften standen. Hauptaktionär der T. war die A. AG (im Folgenden: A. ), deren Geschäftszweck in der Sanierung und dem anschließenden Verkauf von Gesellschaften bestand. Anfang 2007 hatte die T. 90 Prozent der Gesellschaftsanteile an der C. GmbH (im Folgenden: C. ) erworben.
4
Die wirtschaftliche Lage des T. -Konzerns war schlecht. Die Mutter- gesellschaft und „ihre Töchter hätten in 2009 Insolvenzantrag stellen müssen, sofern die A. AG nicht bereit gewesen wäre, Geld einzuschie- ßen“. Dies wolltedie liquide A. aber nicht im erforderlichen Umfang, sie wollte vielmehr nur eine „bilanzielle Überschuldung verhindern“, um den gesamten T. -Konzern bis zum Verkauf an einen Investor am Leben zu erhalten. Ein Investor wurde schließlich im Sommer 2009 gefunden; am 17. Juli 2009 erfolgte die Veräußerung der von der A. gehaltenen Geschäftsanteile an der T. an russische Privatpersonen. Mit diesem Tag trat der Angeklagte von allen Ämtern bei der T. und der C. zurück.
5
Anlässlich einer Gesellschafterversammlung der C. am 18. Februar 2009 war in Anwesenheit des Angeklagten seine Bestellung zum Geschäftsführer - er war bereits Geschäftsführer der weiteren T. -Tochter CO. - beschlossen worden. Die Bestellung sollte mit der förmlichen Annahme vollzogen werden. Hierzu kam es aber in Folge nicht. Bis zur Annahme war dem Angeklagten eine uneingeschränkte Generalvollmacht nach § 54 HGB erteilt worden. Das Vorgehen sollte der engmaschigen Kontrolle des Geschäftsführers S. durch die T. dienen. Nachdem am 17. April 2009 S.
verstorben war, agierte der Angeklagte als faktischer Geschäftsführer der C. .
6
Sämtliche Einkäufe und Zahlungen durch die C. wurden durch ihn genehmigt. Obwohl er wusste, dass die Mittel der C. nicht reichten, um sämtliche von ihr getätigten Bestellungen zu bezahlen, genehmigte er Bestellungen bei dem Lieferanten Al. am 5., 6., 7., 12., 15., 19., 26., 28. und 29. Mai sowie am 2., 3., 4., 5., 9., 10., 12. und 16. Juni 2009 in Höhe von insge- samt 76.998,17 € und am 13. Mai 2009 bei dem Lieferanten AO. in Höhe von 60.509 €. Am 7. Juli 2009 unterbreitete der Angeklagte der Al. einen Ra- tenzahlungsvorschlag, Zahlungen erfolgten jedoch nicht.
7
Die finanziellen Verhältnisse der C. waren angespannt, die vorhan- denen Mittel „reichten nicht, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen“. Spätes- tens ab Ende April 2009 war die C. „zahlungsunfähig“, was der Angeklagte billigend in Kauf nahm. Er stellte dennoch zunächst keinen Insolvenzantrag. Er konnte darauf hoffen, „im Fall extremer Liquiditätsengpässe finanzielle Un- terstützung der Hauptgesellschafterin A. zu erlangen“. Eine Gewähr hierfür hatte er nicht. Insolvenzantrag stellte er erst am 4. August 2009, nachdem die russischen Investoren nicht bereit waren, Geld für den T. -Konzern zur Verfügung zu stellen. Das Verfahren wurde am 1. Oktober 2009 eröffnet.
8
2. a) Das Landgericht hat den Straftatbestand des § 15a Abs. 4 InsO zugrunde gelegt und die Verpflichtung des Angeklagten zur Stellung des Insolvenzantrags aus § 15a Abs. 1 und Abs. 3 InsO abgeleitet. Seine Feststellungen zur Insolvenzreife der C. hat es auf folgende Überlegungen gestützt:
9
Eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen Mittel im Rahmen eines Finanzplanschemas sei nicht möglich, da die Zahlen aus der Buchhaltung nicht richtig sein könnten. Die in der Summen- und Saldenliste ausgewiesenen Forderungen gegen Dritte könnten nicht richtig sein, da sie mit den zweifellos gegebenen Zahlungsschwierigkeiten der C. nicht in Einklang zu bringen seien. Vielmehr spreche das umgehende Eintreiben von Außenständen gegen das Bestehen von werthaltigen Forderungen gegenüber Dritten in Höhe von mehr als 1 Mio. €.
10
Daher sei auf die „sogenannte wirtschaftskriminalistische Methode“ abzustellen. Schon da im April 2009 „offene Verbindlichkeiten“ bestanden hätten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden seien, sei „im Hinblick auf BGH, Az.: IXZR 228/03 vom 12.10.2006, von Zahlungsunfähigkeit der C. auszugehen“. Maßgeblich sei zudem, dass das Geld nicht ausgereicht habe, um sämtliche Gläubiger zu befriedigen, was die Zahlungspläne der C. belegten. Freie Kreditlinien hätten nicht zur Verfügung gestanden. Eine schriftliche Anfrage durch den von der Strafkammer hinzugezogenen Sachverständigen an die Gläubiger der C. habe ergeben, dass sich der Schuldenstand von 99.658,06 € im Januar 2009 auf 370.835,68 € im April 2009, auf 590.186,83 € im Mai 2009, auf 630.485,59 € im Juni 2009 und auf 698.165,50 € im Juli 2009 erhöht hätte.
11
b) Die Strafbarkeit wegen Betruges hat das Landgericht darauf gestützt, dass der Angeklagte spätestens ab April 2009 um die Insolvenzlage der C. gewusst bzw. damit ernsthaft gerechnet habe. Dennoch habe er die Einkäufe jeweils genehmigt. Dies sei „strafbar im Rahmen eines sogenannten Organisationsdelikts“.

II.


12
Die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit als Voraussetzung für die strafbewehrte Pflicht, Insolvenzantrag zu stellen, hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das Landgericht legt insoweit einen falschen Maßstab zugrunde; davon ausgehend sind seine Feststellungen auch lückenhaft bzw. nicht nachvollziehbar.
13
1. Nach § 17 Abs. 2 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Forderung, der nur durch eine Stundungsvereinbarung hinausgeschoben werden kann. Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist die bloße Zahlungsstockung, d.h. der kurzfristig behebbare Mangel an flüssigen Mitteln. Dieser muss in einem Zeitraum von maximal drei Wochen zu beseitigen sein, da eine kreditwürdige Person in der Lage ist, sich binnen dieser Frist die benötigten Beträge darlehensweise zu beschaffen. Sonst liegt Zahlungsunfähigkeit vor (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2007 - 1 StR 88/07, BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsfähigkeit 2 mwN).
14
Die Feststellung derselben erfolgt in der Regel durch die sogenannte betriebswirtschaftliche Methode. Dies setzt eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten einerseits und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig herbeizuschaffenden Mittel andererseits voraus (BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154; Beschluss vom 30. Januar 2003 - 3 StR 437/02, NStZ 2003, 546). Zur Abgrenzung von der bloßen Zahlungsstockung ist diese Methode um eine Prognose darüber zu ergänzen , ob innerhalb der Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist, etwa durch Kredite, Zuführung von Eigenkapital, Einnahmen aus dem normalen Geschäftsbetrieb oder der Veräußerung von Vermögensgegenständen. Das geschieht durch eine Finanzplanrechnung , aus der sich die hinreichend konkret zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben der nächsten 21 Tage ergeben (vgl. hierzu im Einzelnen Graf/Jäger/Wittig-Otte, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2011, § 15a InsO Rn. 65 f. mwN).
15
Die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO kann aber auch durch sogenannte wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen belegt werden (wirtschaftskriminalistische Methode; vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Juli 1999 - 1 StR 668/98, NJW 2000, 154). Als wirtschaftskriminalistische Warnzeichen kommen u.a. in Betracht die ausdrückliche Erklärung, nicht zahlen zu können, das Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, gescheiterte Vollstreckungsversuche , Nichtzahlung von Löhnen und Gehältern, der Sozialversicherungsabgaben oder der sonstigen Betriebskosten, Scheck- und Wechselproteste oder Insolvenzanträge von Gläubigern (vgl. zu den Krisensignalen im Einzelnen auch Achenbach/Ransiek-Wegner, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 3. Aufl., 7. Teil 1. Kap. Rn. 93; Otte, aaO Rn. 68 mwN).
16
2. Hieran gemessen tragen die Urteilsausführungen die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit nicht.
17
a) Soweit die Strafkammer als ausschlaggebendes wirtschaftskriminalistisches Anzeichen für eine Zahlungsunfähigkeit wertet, dass im fraglichen Zeitraum Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, liegt dem ein unzutreffender Maßstab zugrunde. Denn es handelt sich insoweit um die Grundsätze zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit durch den Tatrichter bei Insolvenzanfechtung. Denn dies stellt ein Ver- fahren dar, welches auf eine rückblickende Betrachtung unter Berücksichtigung der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung - etwa im Hinblick auf die Verbindlichkeiten - zurückgreifen kann, mithin auf eine prognostische Beurteilung gerade nicht angewiesen ist. Anders verhält es sich aber bei der Frage, ob eine Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO besteht, da nach den oben dargelegten Maßstäben insoweit eine prognostische Beurteilung erforderlich ist. Auf diesen Unterschied weist der Bundesgerichtshof in der vom Landgericht in Bezug genommenen Entscheidung ausdrücklich hin (BGH, Urteil vom 12. Oktober2006 - IX ZR 228/03 Rn. 28).
18
Dass im Tatzeitraum „offene Verbindlichkeiten“ bestanden, die bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Oktober 2009 noch nicht beglichen worden waren, ist daher kein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Annahme des zeitlich vorgelagerten Eintritts der Zahlungsunfähigkeit.
19
Auch im Weiteren sind keine ausreichend tragfähigen Beweisanzeichen für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit dargelegt. Zwar kann es sich bei Kredit - und Darlehenskündigungen von Banken um ein Krisensignal handeln, die Kündigung des Darlehens in Höhe von 172.129,21 € durch die D. Bank mit Schreiben vom 10. Juni 2009 ist jedoch für sich genommen nicht hinlänglich aussagekräftig, zumal offen bleibt, ob die Forderung beglichen worden ist. Auch ist es nicht ausreichend, dass das Landgericht darlegt, die wirtschaftliche Lage sei „angespannt“ gewesen, Außenstände seien sofort eingetrieben wordenund „das Geld“ hättejedenfalls seit April 2009 nicht ausgereicht, „sämtliche Gläubiger der C. zu befriedigen“.
20
b) Soweit das Landgericht Ausführungen zu Verbindlichkeiten derC. und ihren Möglichkeiten zur Begleichung derselben macht - was jedoch der Sache nach unter die betriebswirtschaftliche Methode zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit fällt - boten die Feststellungen aber ebenfalls keine hinreichende Grundlage für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit.
21
aa) Dies gilt schon deswegen, weil die Strafkammer bei der Darstellung der Verbindlichkeiten nicht deutlich danach unterscheidet, ob es sich um nur bestehende oder auch um fällige Forderungen handelt.
22
So ist nicht festgestellt, welche konkreten fälligen Forderungen bestanden , die nicht beglichen werden konnten. Die Feststellung, dass nicht „sämtliche Gläubiger“ hätten befriedigt werden können, ersetzt das Erfordernis einer Liquiditätsbilanz nicht. So belegt der von der Strafkammer ihrer Annahme der Zahlungsunfähigkeit zugrunde gelegte Zahlungsplan vom 8. Juni 2009 gerade nicht ausreichend, dass fällige Forderungen nicht beglichen werden konnten. Danach standen der C. an diesem Tag aus dem Eingang von Zahlungen 130.000 € zur Verfügung. Diese wurden aufgewandt, um mehrere fällige Ver- bindlichkeiten in Höhe von insgesamt 111.000 € zu begleichen. Zu einer dieser Teilforderungen in Höhe von 10.000 € ist vermerkt: „Gesamt OP ca. 90.000 €“. Hieraus folgert das Landgericht als Beleg für die Zahlungsunfähigkeit, dass zu- sätzlich zu den 111.000 € weitere 90.000 € nicht beglichen werden konnten. Dass es sich bei diesen 90.000 € um schon fällige und noch nicht - wiez.B. durch die Teilzahlung von 10.000 € - zumindest teilweise beglichene Forderungen handelte, ist dadurch jedoch nicht belegt. Dies - insbesondere im Zusammenhang mit der Zugrundelegung des falschen Maßstabs (vgl. oben a) - vertieft die Besorgnis, dass das Landgericht den Aspekt der Fälligkeit im Tatzeitraum nicht ausreichend in den Blick genommen und bestehende Forderungen mit fälligen Forderungen gleich gesetzt hat.
23
Vor diesem Hintergrund vermag auch die vereinzelte Feststellung, es habe sich bei der dargestellten Entwicklung der Schulden um „fällige Schulden“ gehandelt, die Zahlungsunfähigkeit nicht hinreichend sicher zu belegen. Diesen Feststellungen mangelt es zum einen an einer nachvollziehbaren Grundlage. Hierzu wird nur mitgeteilt, dass die Zahlen aus einer schriftlichen Anfrage an die Gläubiger der C. durch den Sachverständigen resultierten. Unklar bleibt jedoch, was genau Inhalt dieser Anfrage war und ob die von den Gläubigern angegebenen Forderungen tatsächlich den Schluss auf die Fälligkeit derselben im Tatzeitraum und nicht lediglich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulassen. Insbesondere lässt sich nicht nachvollziehen, ob eine Stundung (vgl. hierzu Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 76 Rn. 57 mwN) erfolgte, was angesichts der Feststellungen zumindest teilweise - z.B. hinsichtlich der Gläubiger CO. und Al. - durchaus nahe liegt, jedoch vom unzutreffenden Rechtsmaßstab der Strafkammer aus keine weitere Erörterung erfuhr. Bei gestundeten Forderungen handelt es sich aber nicht um fällige Forderungen im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO.
24
Einen Vergleich der dergestalt „angemeldeten“ Forderungen,die nur in ihrer jeweiligen monatlichen Gesamthöhe mitgeteilt werden und eine weitere Spezifizierung vermissen lassen, mit den Erkenntnissen aus den Insolvenzunterlagen oder den Zahlen aus der Buchhaltung hat das Landgericht nicht angestellt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, zumal die vom Landgericht dargelegten Erkenntnisschwächen der Buchhaltungsunterlagen nicht auf Verbindlichkeiten der C. selbst bezogen sind.
25
bb) Zudem sind die Feststellungen zu den zur Verfügung stehenden Zahlungsmitteln nicht ausreichend. Als solche kommen nämlich gemäß den oben dargelegten Grundsätzen nicht nur „freie Kreditlinien“ in Betracht, sondern auch anderweitige kurzfristig herbeizuschaffende Finanzmittel.
26
Deswegen hätte in diesem Zusammenhang erörtert werden müssen, dass ausweislich der Feststellungen zwei Bankkonten im gesamten Tatzeitraum noch relevantes Guthaben aufwiesen, so das Konto bei der Sp. und das bei der H. , welche zusammengenommen ein Guthaben von über 180.000 € im Mai 2009 und von über 160.000 €im Juni 2009 aufwiesen. Zudem wäre in die Betrachtung einzubeziehen gewesen, mit welchen Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb der C. hinreichend sicher stichtagsbezogen zu rechnen war. Denn das Landgericht stellt schließlich fest, dass werthaltige Forderungen gegen Kunden der C. in einer Höhe von bis zu 1 Mio. € nicht auszuschließen seien. Auch die Umstände, unter denen die A. bereit gewesen wäre, Finanzmittel für die C. zur Verfügung zu stellen („zur Vermeidung einer bilanziellen Überschuldung“, „im ‚Notfall‘“, „im Fall extremer Liquiditätsengpässe“)wären näher aufzuklären und die gegebenenfalls so ermittelten Beträge in die Gegenüberstellung einzubeziehen gewesen.

III.


27
Da die Zahlungsunfähigkeit der C. nicht ausreichend belegt ist, die Feststellungen zum Betrug aber hieran anknüpfen, war die Verurteilung auch insoweit mit den Feststellungen aufzuheben. Sollte das neue Tatgericht sich abermals davon überzeugen, dass die Bestellungen durch den Angeklagten in der festgestellten Weise, mithin durch die jeweilige Genehmigung der Bestellungen betrügerisch erfolgten, so handelt es sich nicht um die Begehung eines einheitlichen Delikts, sondern um mehrere selbständige Betrugstaten.

IV.


28
Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubeurteilung zu ermöglichen , hebt der Senat die Feststellungen insgesamt auf, auch wenn diejenigen zur faktischen Geschäftsführerschaft (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. Januar 2013 - 1 StR 459/12, wistra 2013, 272) für sich genommen rechtsfehlerfrei getroffen sind.
29
Das neue Tatgericht wird insbesondere aufzuklären haben, inwieweit die T. zur Nachschießung von finanziellen Mitteln an die C. verpflichtet und hierzu unter Berücksichtigung der 1 Mio. €, die im April bzw. Mai 2009 von der A. an die T. geflossen ist, in der Lage war. Aufzuklären sein wird auch, ob und unter welchen Bedingungen die liquide A. zu Zahlungen bereit bzw. verpflichtet war. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen des § 15a Abs. 3 InsO auf den Antrag des Generalbundesanwalts hin.
Wahl Graf Jäger
Cirener Radtke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 199/12
vom
15. November 2012
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
Zur Strafbarkeit wegen Bankrotts in Fällen der sog. Firmenbestattung.
BGH, Beschluss vom 15. November 2012 - 3 StR 199/12 - LG Rostock
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betruges u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 3. auf dessen Antrag - am
15. November 2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 10. Juni 2011, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die getroffenen Feststellungen aufrecht erhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, im Schuldspruch dahin geändert , dass er der Beihilfe zur Insolvenzverschleppung und zum Bankrott sowie zum Betrug in acht Fällen schuldig ist; die im Fall A.V.8 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten entfällt.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und P. sowie die Revision des Angeklagten M. werden verworfen.
4. Die Beschwerdeführer M. und P. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. unter Freispruch im Übrigen wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Bankrotts in jeweils vier Fällen sowie wegen Betruges in 21 Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren, den Angeklagten B. wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Bankrotts in jeweils zwei Fällen sowie wegen Betruges in zwölf Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten sowie den Angeklagten P. wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung und zum Bankrott sowie zum Betrug in neun Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat es jeweils Teile der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen für vollstreckt erklärt. Dagegen richten sich die Revisionen der Beschwerdeführer. Die Angeklagten M. und B. rügen die Verletzung formellen und materiellen Rechts, der Angeklagte P. erhebt die allgemeine Sachrüge.
2
Die Rechtsmittel der Angeklagten B. und P. haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie - wie die Revision des Angeklagten M. - unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Der Strafausspruch gegen den Angeklagten B. hält sachlichrechtlicher Überprüfung nicht stand. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB sind bei der Festsetzung der schuldangemessenen Strafe die Wirkungen zu berücksichtigen , die von ihr für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind. Dazu gehören nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch die berufs- und standesrechtlichen Folgen der Strafe. Der Umstand, dass eine strafgerichtliche Verurteilung nach den Vorschriften des Beamtenrechts die Beendigung des Beamtenverhältnisses zur Folge hat, ist deshalb regelmäßig als bestimmender Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO zu erörtern (BGH, Beschluss vom 3. November 2009 - 4 StR 445/09, NStZ-RR 2010, 39 mwN).
4
Dies hat die Strafkammer bei dem Angeklagten B. , einem Zollbeamten , dessen Beamtenverhältnis nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG mit Eintritt der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe endet, ersichtlich nicht bedacht. Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler, denn der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafkammer bei Berücksichtigung dieses Umstandes, der bereits bei der Strafrahmenwahl in den Blick zu nehmen ist (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1987 - 2 StR 527/87, BGHSt 35, 148), niedrigere Einzelstrafen und/oder eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe gegen den Angeklagten verhängt hätte.
5
Die dem Strafausspruch zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können deshalb aufrecht erhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen sind zulässig, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
6
2. Der Schuldspruch gegen den Angeklagten P. weist allein mit Blick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung durch das Landgericht einen durchgreifenden Rechtsfehler zu seinen Ungunsten auf. Bei einer Deliktserie unter Beteiligung mehrerer Personen ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, für jeden einzelnen Beteiligten gesondert zu prüfen und dabei auf seinen individuellen Tatbeitrag abzustellen. Bewirkt dieser, dass dadurch mehrere Tatbeiträge von Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840, 2841 mwN).
7
Nach diesen Maßstäben ergeben die Urteilsgründe nicht, dass der Angeklagte P. in den Fällen A.V.1 bis A.V.9 der Urteilsgründe in neun Fällen Beihilfe zu den Betrugstaten des Angeklagten M. geleistet hat. In den Fällen A.V.5 und A.V.8 der Urteilsgründe ist eine konkrete, die jeweiligen Betrugstaten gesondert fördernde Handlung des Angeklagten P. - anders als in den übrigen Fällen dieses Tatkomplexes - nicht festgestellt. Insoweit liegt sein Beitrag einzig darin, dass er durch die Übernahme des Amtes des Geschäftsführers der Gesellschaft in Kenntnis der betrügerischen Absichten des Angeklagten M. es diesem ermöglichte, die Fassade einer tatsächlich am Markt werbenden Spedition aufrecht zu erhalten und ihn so bei der Durchführung der Betrugstaten unterstützte. Dies stellt neben den festgestellten Beihilfehandlungen in den sieben anderen Fällen lediglich einen weiteren Fall der Beihilfe dar, so dass der Schuldspruch entsprechend auf Beihilfe zum Betrug in acht Fällen zu ändern war.
8
Dies führt zum Wegfall der für den zeitlich später liegenden Fall A.V.8 verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten. Der Gesamtstrafenausspruch wird davon nicht berührt; der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer bei rechtlich zutreffender Beurteilung der Konkurrenzen, die den Umfang der die Tatschuld des Angeklagten im Wesentlichen prägenden Betrugsschäden unberührt lässt, auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
9
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten B. und P. sowie das Rechtsmittel des Angeklagten M. haben - auch mit Blick auf die von den Beschwerdeführern M. und B. umfänglich erhobenen Verfahrensrügen - aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Der näheren Erörterung bedarf insoweit nur Folgendes:
10
Im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Angeklagten M. und B. sich in den Fällen der Verurteilungen wegen Bankrotts jeweils nach § 283 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 8 StGB strafbar gemacht haben.
11
a) Hierzu hat die Strafkammer festgestellt, dass der Angeklagte M. , der faktischer Geschäftsführer eines in Form einer GmbH geführten Speditionsunternehmens war, im Laufe des Jahres 2002 den Plan fasste, dieses und weitere, später von ihm ebenfalls als faktischer Geschäftsführer beherrschte Gesellschaften unter Einschaltung eines sog. Firmenbestatters verdeckt zu liquidieren. Zum jeweils geplanten Ende des Unternehmens sollten Forderungen der Gläubiger - insbesondere die in betrügerischer Absicht durch Stoßbetankungen der Fahrzeuge begründeten - nicht mehr erfüllt und die unternehmerische Tätigkeit mit einer Nachfolgegesellschaft fortgeführt werden. Dazu bediente sich der Angeklagte M. eines in Berlin ansässigen Dienstleistungsunternehmens - des sog. Firmenbestatters -, das gegen ein von den Angeklagten zu zahlendes Entgelt die Abwicklung übernahm. Teil dieser Dienstleistung war es, Personen zu finden - im internen Sprachgebrauch "Strohgeschäftsführer" genannt -, auf die die Geschäftsanteile zum Kaufpreis von einem Euro übertragen wurden und die das Amt des Geschäftsführers übernahmen. Diese veräußerten die Anteile nach wenigen Wochen an im europäischen Ausland lebende Personen weiter, die sich - teilweise nach Umfirmierung der Gesellschaft, die der weiteren Verschleierung diente - wiederum als Geschäftsführer einsetzen ließen. Auch diese Personen wählte der Firmenbestatter aus und wies sie an, wie sie sich bei den notariell beurkundeten Anteilsübertragungen und Geschäftsführerbestellungen zu verhalten hatten. Bei etwaigen Nachfragen von Gläubigern bereitete der Firmenbestatter - in der Regel hinhaltende - Schreiben vor, die von den neuen Geschäftsführern unterschrieben werden mussten; zum Teil leiste- ten sie auch Blankounterschriften, die für solche Zwecke verwendet wurden. Für ihre Bereitschaft, als "Strohgeschäftsführer" zu agieren, erhielten die ausgewählten Personen, bei denen es sich regelmäßig um Rentner oder Empfänger von Arbeitslosengeld II handelte, einmalige Zahlungen in Höhe von 500 oder 1.000 €. Sie waren sämtlich nicht in der Lage, ein Speditionsunternehmen zu führen und hatten daran auch kein Interesse.
12
Im Vorfeld der Anteilsübertragungen vernichteten und/oder versteckten die Angeklagten teilweise Geschäftsunterlagen, teilweise wurden diese auch an den Firmenbestatter übergeben, ohne dass sie allerdings den neuen Geschäftsführern zum Zwecke der Fortführung der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wurden; sie sollten vielmehr dem Zugriff der Gläubiger und eines etwaigen Insolvenzverwalters dauerhaft entzogen werden. Ein Teil der Unterlagen wurde aus diesem Grund - neben denen anderer Gesellschaften - ungeordnet auf Paletten an einen der "Strohgeschäftsführer" in Griechenland versandt.
13
Die Geschäfte der auf diese Weise übertragenen Gesellschaften führte ein ebenfalls von dem Angeklagten M. beherrschtes Nachfolgeunternehmen weiter, das - jedenfalls soweit erforderlich - die Fahrzeuge und das Personal und teilweise auch die Büroausstattung und die -räumlichkeiten übernahm. Mit der Liquidation dieser Unternehmenswerte waren die Angeklagten jeweils noch nach den Anteilsübertragungen befasst. Ebenso wurden die in betrügerischer Absicht eingesetzten Tankkarten der Unternehmen noch nach der Anteilsübertragung auf Weisung des Angeklagten M. verwendet, um Benzinvorräte für die Nachfolgeunternehmen in illegalen Tanklagern anzulegen bzw. weiter aufzufüllen. In einigen Fällen hoben die von dem Angeklagten M. eingesetzten früheren Geschäftsführer - auch der Angeklagte B. - nach der offiziellen Veräußerung der Gesellschaft noch die auf dem Geschäftskonto be- findlichen bzw. dort noch eingehenden Guthabenbeträge ab und gaben das Geld an ihn weiter.
14
Nach diesem Muster verfuhr der Angeklagte M. bei der A. Spedition GmbH, deren nomineller Geschäftsführer bis zur Anteilsveräußerung im Oktober 2002 sein Vater gewesen war, bei der R. GmbH (Geschäftsführer vor der Anteilsveräußerung im September 2004: zunächst die Lebensgefährtin des Angeklagten und sodann der gesondert Verfolgte T. ), bei der S L. GmbH (Geschäftsführer vor der Anteilsveräußerung im November 2005: der Angeklagte B. ,der mit dem Angeklagten M. arbeitsteilig zusammenwirkte) und bei der I GmbH (Geschäftsführer vor der Anteilsveräußerung im Juni 2005: der Angeklagte P. ), die von vornherein in erster Linie dazu bestimmt war, Dieseltreibstoff betrügerisch zu erlangen und ansonsten keine nennenswerte Geschäftstätigkeit entfaltete. In gleicher Weise agierte der Angeklagte B. bei der von ihm auch als eingetragener Geschäftsführer geleiteten & GmbH, deren Speditionsgeschäfte die R. GmbH weiter führte.
15
b) aa) Das Landgericht hat mit Blick auf die teilweise Vernichtung und letztlich vollständige Entziehung der gesamten Geschäftsunterlagen - rechtlich unbedenklich - den Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB als erfüllt angesehen : Es handelte sich insoweit um Handelsbücher und sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung die durchweg in der wirtschaftlichen Krise befindlichen Gesellschaften verpflichtet waren; durch ihre Unterdrückung wurde auch die Übersicht über ihren Vermögensstand erschwert.
16
bb) Auch die Annahme der Strafkammer, in der Übertragung der Unternehmen auf einen zur Fortführung des Geschäfts ungeeigneten und unwilligen Strohmann liege eine Verschleierung der wirklichen geschäftlichen Verhältnisse im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 StGB, hält im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand. Mit dem Merkmal der "geschäftlichen Verhältnisse" sind über die Vermögensverhältnisse im engeren Sinn hinaus die Umstände angesprochen, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit des in der Krise befindlichen Schuldners erheblich sind. Da der Tatbestand mit Blick auf die Gläubigerinteressen auszulegen ist, geht es bei der Tathandlung des Verschleierns zwar in erster Linie um die unrichtige Darstellung der Vermögensverhältnisse (BGH, Beschluss vom 24. März 2009 - 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636 mwN). Zu den geschäftlichen Verhältnissen zählen aber auch grundlegende unternehmerische Gesichtspunkte, namentlich Investitionsvorhaben, Planungsmaßnahmen und die zukünftige Entwicklung des Unternehmens (Kümmel , wistra 2012, 165, 168; LK/Tiedemann, 12. Aufl., § 283 Rn. 173). Insbesondere über letztere wurden die Gläubiger vorliegend getäuscht, weil durch den Wechsel des Gesellschafters/Geschäftsführers ohne die Absicht, das Unternehmen fortzuführen, verschleiert wurde, dass die Gesellschaften tatsächlich von den Angeklagten liquidiert wurden und mangels jeglicher weiterer unternehmerischer Tätigkeit bereits feststand, dass sie die entstandenen Verbindlichkeiten auf keinen Fall würden begleichen können und dies auch nicht wollten. Dadurch sowie durch die durchgeführten weiteren Veräußerungen und die damit verbundenen Sitzverlegungen ins Ausland konnten Gläubiger davon abgehalten werden, in Vermögensgegenstände der Gesellschaften zu vollstrecken (vgl. dazu BGH aaO). Angesichts des alleinigen Ziels der Gläubigerbenachteiligung waren diese Handlungen auch erkennbar grob wirtschaftswidrig.
17
c) Allerdings hat sich das Landgericht nicht mit der Frage befasst, ob die insoweit maßgeblichen Bankrotthandlungen den Angeklagten auch als täterschaftliches Handeln zugerechnet werden können. Sie stellt sich, weil es sich bei dem Tatbestand des Bankrotts nach § 283 StGB um ein Sonderdelikt des Schuldners handelt; ist der Schuldner - wie hier - eine juristische Person, die nur durch ihre Organe/Vertreter handeln kann, so ist die Zurechnung der Schuldnereigenschaft über § 14 StGB vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 10. Februar 2009 - 3 StR 372/08, NJW 2009, 2225, 2226 mwN; zu den Zurechnungskriterien nach Aufgabe der Interessentheorie durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2368 f., zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Im Ergebnis gefährden die fehlenden Ausführungen dazu den Bestand des angefochtenen Urteils aber nicht.
18
aa) Die Einhaltung der außerstrafrechtlichen Aufbewahrungspflicht, deren Verletzung die Strafbarkeit nach § 283 Abs. 1 Nr. 6 StGB begründet, hatten bei den Gesellschaften deren Organe bzw. Vertretungsberechtigte zu gewährleisten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2369), also der Angeklagte M. als faktischer und der Angeklagte B. in den ihn betreffenden Fällen als eingetragener Geschäftsführer.
19
bb) Die den Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB begründenden Tathandlungen begingen die Angeklagten nur zum Teil selbst, indem sie die Geschäftsanteile veräußerten. Dies allein begründet die Strafbarkeit - jedenfalls wegen vollendeten Bankrotts - indes noch nicht, weil der formelle Akt der Anteilsübertragung für sich betrachtet - auch im Zusammenhang mit dem Ziel der "Firmenbestattung" - kein vollendetes Verschleiern der geschäftlichen Verhältnisse darstellt (Brand/Reschke, ZIP 2010, 2134, 2135 f.; Kümmel, wistra 2012, 165, 168). Erst im Zusammenhang mit den weiteren Handlungen der Strohmänner , die sich nach dem Erwerb der Anteile selbst zu Geschäftsführern einsetzten und - wenn auch auf Weisung des eingeschalteten Firmenbestatters - die Gesellschaften an im Ausland lebende weitere Strohmänner veräußerten und zum Teil auch umfirmierten, wurden die Gläubiger im oben dargelegten Sinne über die geschäftlichen Verhältnisse der Unternehmen in die Irre geführt. Diese Handlungen können den Angeklagten jedoch nach § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden. Insoweit gilt:
20
Die Angeklagten blieben auch nach den jeweiligen Anteilsveräußerungen und den Bestellungen der Strohmänner zu Geschäftsführern der Gesellschaften nach § 14 StGB taugliche Täter des Bankrotts nach § 283 StGB.
21
Nach einer in der Literatur und insbesondere in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung im Vordringen befindlichen Auffassung soll dies schon daraus folgen, dass sowohl die Anteilsübertragung als auch sämtliche Gesellschafterbeschlüsse , mit denen der frühere Geschäftsführer abberufen und der neue bestellt, die Firma geändert oder ihr Sitz verlegt wird, wegen der damit verbundenen und intendierten Gläubigerbenachteiligung sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB und deshalb - mit Blick auf die Gesellschafterbeschlüsse in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 4 AktG - nichtig sind (Kilper, Unternehmensabwicklung außerhalb des gesetzlichen Insolvenz- und Liquidationsverfahrens in der GmbH, 2009, S. 371 ff.; Kümmel, wistra 2012, 165, 167; AG Memmingen, Beschluss vom 2. Dezember 2003 - HRB 8361, GmbHR 2004, 952, mit zust. Anm. Wachter, GmbHR 2004, 955 und Ries, Rpfleger 2004, 226; LG Potsdam, Beschluss vom 17. September 2004 - 25 Qs 11/04, wistra 2005, 193, 195 f. mwN; für Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB auch Kleindiek, ZGR 2007, 276, 291 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. März 2009 - 5 StR 353/08, NStZ 2009, 635, 636; offen gelassen von BGH, Beschluss vom 30. Juli 2003 - 5 StR 221/03, BGHR StGB § 266a Abs. 1 Vorsatz 2, insoweit in BGHSt 48, 307 nicht abgedruckt; aA Brand/Reschke, ZIP 2010, 2134, 2136 f. mwN).
22
Die Frage kann hier aufgrund der Besonderheiten des Falles indes offen bleiben: Der Angeklagte M. war - zum maßgeblichen Zeitpunkt - in keinem Fall eingetragener Geschäftsführer der von ihm faktisch beherrschten Gesellschaften , so dass die Frage einer Wirksamkeit der Gesellschafterbeschlüsse seine Strafbarkeit nicht berührt. Er war vielmehr vor den jeweiligen Anteilsveräußerungen faktischer Geschäftsführer der Gesellschaften und blieb dies auch über diesen Zeitpunkt hinaus bzw. übernahm die Stellung eines faktischen Liquidators (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. September 1999 - 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34, 36; Tiedemann in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 82 Rn. 46), indem er die Gesellschaften abwickelte. Der Angeklagte B. war zwar in beiden ihn betreffenden Fällen eingetragener Geschäftsführer der Gesellschaften ; auf die zivilrechtliche Wirksamkeit seiner Abberufung kommt es aber ebenfalls nicht an, weil auch er - in einem Fall im arbeitsteiligen Zusammenwirken mit dem Angeklagten M. - diese Gesellschaften nach der Anteilsveräußerung faktisch weiter liquidierte.
23
Daher kann beiden Angeklagten über § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB das besondere persönliche Merkmal der Schuldnereigenschaft nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugerechnet werden. Sie wurden in ihrer Eigenschaft als (faktisches) Organ im Geschäftskreis der Gesellschaften tätig: Soweit sie rechtsgeschäftlich handelten, etwa bei der weiteren Verwendung der Tankkarten, zeigt sich ihr organschaftliches Handeln daran, dass die Rechtsfolgen - jedenfalls nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht - im Außenverhältnis unmittelbar die Gesellschaften trafen. Im Übrigen - etwa bei den Barabhebungen von den Geschäftskonten - handelten die Angeklagten mit Zustimmung der (neuen) Gesellschafter/Geschäftsführer, denn wesentlicher Bestandteil der Abrede zur Firmenbestattung war gerade, dass diese die Gesellschaften nicht fortführen wollten und den Angeklagten bei deren Abwicklung freie Hand ließen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 - 3 StR 118/11, NJW 2012, 2366, 2368 f.).
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Die jeweils neu eingesetzten Geschäftsführer wiesen ebenfalls gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB die erforderliche Schuldnereigenschaft auf, so dass sie taugliche Mittäter des Bankrotts waren und ihre täterschaftlich begangenen Beiträge zur Tatbestandverwirklichung den Angeklagten gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden können. Sie handelten als Vertretungsberechtigte der Gesellschaft , denn ohne ihre besondere Organstellung als Geschäftsführer wären ihnen Handlungen wie Umfirmierung oder Sitzverlegung nicht möglich gewesen (vgl. BGH aaO). Auch insoweit kommt es auf die zivilrechtliche Wirksamkeit insbesondere ihrer Geschäftsführerbestellungen nicht an, denn im Falle der Unwirksamkeit wäre § 14 Abs. 1 StGB gleichwohl anzuwenden (§ 14 Abs. 3 StGB). Es kann deshalb offen bleiben, ob ihre Handlungen den Angeklagten nicht auch dann zugerechnet werden könnten, wenn die "Strohgeschäftsführer" selbst sich nur wegen Beihilfe zum Bankrott strafbar gemacht hätten, weil in ihrer Person das besondere persönliche Merkmal der Schuldnereigenschaft nicht vorlag.
Becker Schäfer Mayer Gericke Spaniol