Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 305/00
vom
12. September 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. September 2000 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 20. März 2000
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß hinsichtlich der Tat von Anfang September 1999 die tateinheitliche Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entfällt,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringen Mengen in 19 Fällen sowie wegen unerlaubten bewaffneten Handeltreibens in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringen Mengen in einem Fall" zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zu einer Ä nderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat die Ä nderung des Schuldspruchs insoweit zur Folge, als das Landgericht den Angeklagten wegen der Tat von Anfang September 1999 auch wegen tateinheitlich verwirklichter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen hat. Dieser Tatbestand tritt als rechtlich unselbständiger Teilakt hinter dem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zurück (Weber BtMG § 30 a Rdn. 145 m.N.).
2. Der Rechtsfolgenausspruch hält insgesamt rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Die Revision hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg, mit der sie eine Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht geltend macht. Das Landgericht hat strafschärfend gewertet, "daß die Taten von September 1998 bis September 1999 nicht insoliert da stehen, sondern im Ergebnis eine Fortsetzung gleichgelagerten Taten aus den Jahren 1997 bis Anfang 1998 darstellen" (UA 35). Hinsichtlich des zuletzt genannten Tatzeitraums hat die Strafkammer das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Die in diesen Tatzeitraum fallenden Taten sind - was die Revision auch nicht in Zweifel zieht - in der Hauptverhandlung prozeßordnungsgemäß festgestellt worden (vgl. BGH, Beschluß vom 2. August 2000 - 5 StR 143/00; Schoreit in KK 4. Aufl. § 154
Rdn. 48). Die Revision rügt aber zu Recht, daß das Landgericht den Angeklagten nicht darauf hingewiesen hat, daß der ausgeschiedene Verfahrensstoff strafschärfend berücksichtigt werden könne (BGHSt 30, 197 f.; Kleinknecht /Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 154 Rdn. 25, § 154 a Rdn. 2 m.w.N.). Dieser Hinweis war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich (vgl. dazu BGH NStZ 1987, 134 mit Anm. Rieß). Zwar hat der Angeklagte die Taten - wie das Urteil ausweist - gestanden. Deshalb konnte das Verteidigungsverhalten des Angeklagten zu den Tatvorwürfen durch die Beschränkung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht beeinflußt werden. Doch war der Hinweis erforderlich, um dem Angeklagten Gelegenheit zu geben, durch Anträge auch zum Schuldgehalt der von der Einstellung betroffenen Taten auf die Strafhöhe Einfluß zu nehmen.
Auf dem Verfahrensverstoß beruht der Strafausspruch auch. Zwar hat das Landgericht die früheren Taten ausdrücklich nur bei der Gesamtstrafenbemessung erörtert. Der Senat kann jedoch nicht ausschließen, daß diese Erwägungen auch die Einzelstrafen zum Nachteil des Angeklagten beeinflußt haben.

b) Im übrigen weisen die Strafzumessungserwägungen auch einen sachlich-rechtlichen Fehler auf, der zur Aufhebung des Strafausspruchs insgesamt führt. Das Landgericht hat nämlich bei der Bemessung der Einzelstrafen ganz wesentlich zu Lasten des Angeklagten die "besondere Verwerflichkeit des Vorgehens" berücksichtigt, die es darin erblickt hat, daß der Angeklagte zur Durchführung der Beschaffungsfahrten "die Arglosigkeit seines Vaters bedenkenlos" ausgenutzt habe (UA 32, 34 f.). Hiergegen wäre aus Rechtsgründen nichts einzuwenden, wenn die Arglosigkeit des Vaters des Angeklagten bei Durchführung der Beschaffungsfahrten zur Überzeugung der Strafkammer fest-
stünde. Davon kann nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Zwar hat das Landgericht den Vater des Angeklagten vom Vorwurf der strafbaren Beteiligung bei den Einfuhrfahrten aus subjektiven Gründen freigesprochen. Doch beruht der Freispruch im Ergebnis darauf, daß dem Gericht die "Indizien" für eine Verurteilung "nicht genüg(t)en" (UA 28). Dies legt jedenfalls nahe, daß das Landgericht zum Freispruch des Vaters nur aufgrund des Zweifelsgrundsatzes gelangt ist. Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht den Zweifelsgrundsatz, der uneingeschränkt auch für die Feststellung der Strafzumessungstatsachen gilt (Tröndle /Fischer StGB 49. Aufl. § 46 Rdn. 17a m.N.), ebenfalls zu Gunsten des Angeklagten anwenden müssen. Danach hätte es unbeschadet der ersichtlich seinen Vater entlastenden Angaben des Angeklagten nicht davon ausgehen dürfen , daß der Vater arglos war.
Über die Strafbemessung ist deshalb insgesamt neu zu befinden.
3. Keinen Bestand hat das Urteil ferner, soweit von der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen worden ist. Nach den Feststellungen zum Drogenkonsum des Angeklagten lag die Prüfung der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nahe. Der Angeklagte begann mit dem Drogenkonsum bereits während der Schulzeit. Zwei von ihm begonnene Lehren konnte der Angeklagte "wegen fortwährenden Drogengebrauchs" nicht zu Ende führen. Im Jahr 1992 begann er damit, "statt Haschisch nunmehr Heroin regelmäßig zu konsumieren ... . Sein Tagesablauf war im wesentlichen durch den Drogenkonsum bestimmt" (UA 6). Nach Verbüßung einer Haftstrafe bis 1994 "geriet der Angeklagte schnell wieder an Drogen und zwar Heroin", das er ab An-
fang 1996 auch spritzte. Trotz Substituierung mit Methadon erlitt der Angeklagte wiederholt "einen kompletten Rückfall in den alten Drogenkonsum" (UA 7). Auch das verfahrensgegenständliche Handeltreiben mit Betäubungsmitteln diente dem Angeklagten dazu, seinen "Beigebrauch" von Drogen neben der Methadon-Substituierung zu finanzieren. Die Substituierung mit Methadon wurde schließlich auch nach Festnahme des Angeklagten in der Untersuchungshaft fortgesetzt.
Bei dieser Sachlage stellt es einen durchgreifenden Rechtsfehler dar, daß sich das Landgericht nicht mit der Frage des Vorliegens eines Hanges im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB auseinandergesetzt hat. Daß der Drogenkonsum des Angeklagten nach der ersichtlich ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen getroffenen Einschätzung des Landgerichts nicht zu einer erheblichen Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit geführt hat, steht der Annahme eines Hanges im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB nicht entgegen (st. Rspr.; BGHR StGB § 64 Ablehnung 6, 8; BGH, Urteil vom 17. August 2000 - 4 StR 233/00). Daß bei dem Angeklagten die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolges nicht besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.), kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden. Die Tatsache, daß ausschließlich der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht einer etwaigen Nachholung der Unterbringung nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die
Nichtanwendung des § 64 StGB vom Rechtsmittelangriff auch nicht ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Athing Ernemann

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung s

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Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Aug. 2000 - 5 StR 143/00

bei uns veröffentlicht am 02.08.2000

5 StR 143/00 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 2. August 2000 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Steuerhinterziehung u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. August 2000 beschlossen: Auf die Revisionen der Angeklagten wird das
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Sept. 2000 - 4 StR 305/00.

Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Mai 2018 - 4 StR 598/17

bei uns veröffentlicht am 22.05.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 598/17 vom 22. Mai 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. wegen zu 1. und 3.: besonders schwerer Brandstiftung u.a. zu 2.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,
3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder
4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

5 StR 143/00

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 2. August 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. August 2000

beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 25. Mai 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO in den gesamten Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Umsatzsteuerhinterziehung in dreizehn Fällen sowie wegen vier Fällen der Urkundenfälschung zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren beziehungsweise drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen hatten die als Automatenaufsteller tätigen Angeklagten in den Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 1991 bis 1996 und in sieben Umsatzsteuervoranmeldungen aus dem Jahr 1997 steuerpflichtige Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten und Unterhaltungsgeräten teilweise nicht angegeben. Daneben hatten sie in vier Fällen Spielautomaten mit gefälschten Zulassungsblechen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt versehen.
Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Dagegen hat der Strafausspruch keinen Bestand. Angesichts der Höhe der jeweils verkürzten Steuern zwischen 2.405 DM und 95.364 DM bei einem Gesamthinterziehungsumfang von 346.723 DM begegnen die insoweit festgesetzten Einzelstrafen und die Gesamtstrafen durchgreifenden Bedenken.
Zwar sind gewichtige Umstände vorhanden, die zu Lasten der Angeklagten zu berücksichtigen sind. Neben der nicht unerheblichen kriminellen Energie sprechen vor allem das langjährige steuerunehrliche Gesamtverhalten und die Tatsache, daß sie eine Vielzahl von Dritten in kriminelle Handlungen verstrickt haben, gegen die Angeklagten. Dies hat das Landgericht zu Recht hervorgehoben. Dem stehen jedoch maßgebliche strafmildernde Umstände gegenüber. Die nicht vorbestraften Angeklagten haben nicht nur bereits zu Beginn der Hauptverhandlung ein umfassendes Geständnis abgelegt , sondern haben darüber hinaus erheblich zur Aufklärung ihrer Taten beigetragen. So haben sie für alle Aufstellorte von Spielautomaten, die sie umsatzsteuerlich nicht ordnungsgemäß behandelt hatten, Angaben gemacht, die als Schätzungsgrundlage für die verkürzten Steuern herangezogen werden konnten. Diese Angaben umfaßten neben der Umsatzentwicklung jeweils auch Beginn und Ende der mit den Gastwirten getroffenen „Schwarzgeldabreden“. Auch ist der entstandene Steuerschaden mittlerweile vollständig ausgeglichen. Zudem stellte die in dieser Situation außergewöhnlich lange Verfahrensdauer von 55 Hauptverhandlungstagen für die Angeklagten – insbesondere angesichts ihrer Aufklärungshilfe – eine erhebliche Belastung dar. Schließlich hat das Landgericht dem engen zeitlichen, sachlichen und situativen Zusammenhang der Taten (vgl. hierzu BGHR StGB § 54 – Bemessung 2; weitere Nachweise bei Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 54 Rdn. 6) möglicherweise eine zu geringe Bedeutung beigemessen.
Auch unter Bedacht auf die strafschärfenden Gesichtspunkte ist vor diesem Hintergrund zu besorgen, daß das Landgericht bei der Strafzumes- sung maßgeblich auch die nach § 154 Abs. 2 StPO ausgeschiedenen Verfahrensteile mitberücksichtigt hat, ohne daß die Voraussetzungen für eine solche Berücksichtigung zu Lasten der Angeklagten vorgelegen haben. Dies legt schon der Umfang und das Gewicht derjenigen Feststellungen und Erörterungen im Urteil nahe, die für eine Verkürzung von Einkommensteuern, nicht aber für die abgeurteilte Hinterziehung von Umsatzsteuern von Bedeutung sind. Eine Berücksichtigung eingestellter Verfahrensteile kommt indes nur dann in Betracht, wenn die Taten in der Hauptverhandlung prozeßordnungsmäßig festgestellt worden sind (vgl. Schoreit in KK 4. Aufl. § 154 Rdn. 48). Auch wenn die Angeklagten auf die Möglichkeit hingewiesen wurden , daß ihr Verhalten trotz der Einstellung strafschärfend berücksichtigt werde, sind konkrete Taten der Einkommensteuerhinterziehung hier nicht ausreichend festgestellt. Zu den insoweit erforderlichen Feststellungen für eine Steuerhinterziehung gehört nicht nur die Schilderung der jeweiligen Hinterziehungshandlungen, die den allgemeinen Schluß erlauben, daß Steuern verkürzt werden sollten. Vielmehr ist zur Bestimmung des ungefähren Schuldumfangs und damit des Gewichts der berücksichtigten Taten auch die Ermittlung des Ausmaßes der durch sie verursachten steuerlichen Folgen und die Mitteilung zumindest der Größenordnung der hinterzogenen Beträge erforderlich.
Die Aufhebung des Strafausspruchs ist auch auf die wegen Urkundenfälschung gefundenen vier Einzelstrafen zu erstrecken, da nicht ausge- schlossen werden kann, daß die Höhe dieser Strafen durch die Strafen für die übrigen Taten beeinflußt worden ist.
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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.