Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2010 - 4 StR 264/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) in den Fällen II. 8 und 13 der Urteilsgründe jeweils der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und
b) im Fall II. 12 der Urteilsgründe der vorsätzlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung schuldig ist; 3. im Strafausspruch dahin
a) geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 12 der Urteilsgründe zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt wird;
b) ergänzt, dass für den Fall II. 15 der Urteilsgründe eine Freiheitsstrafe von einem Monat festgesetzt wird.
II. Zur Klarstellung wird der Schuldspruch wie folgt neu gefasst: Der Angeklagte ist der Vergewaltigung in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, der vorsätzlichen Körperverletzung in sieben Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Nötigung, der gefährlichen Körperverletzung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit versuchter Nötigung, sowie der Nötigung schuldig. III. Die weiter gehende Revision wird verworfen. IV. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in fünf Fällen , davon in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen vorsätzlicher Körperverletzung in sieben Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Nötigung, wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Nötigung und wegen Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; außerdem hat es Adhäsionsentscheidungen getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
- 2
- Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 3
- 1. Soweit das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 3 der Urteilsgründe wegen einer "an einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag Ende 2001" begangenen vorsätzlichen Körperverletzung verurteilt hat, stellt der Senat das Verfahren wegen Verfolgungsverjährung gemäß § 206a Abs. 1 StPO ein, weil die Tat bereits bei Anzeigeerstattung am 21. Juli 2009 verjährt war.
- 4
- 2. In den Fällen II. 8 und 13 der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte entgegen der Ansicht des Landgerichts jeweils tateinheitlich mit einer gefährlichen Körperverletzung nur einer versuchten Nötigung schuldig gemacht, weil die Geschädigte die Erklärungen, zu welchen sie der Angeklagte durch die Verletzungshandlungen zwingen wollte, nicht abgegeben hat (UA 17, 18). Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den geänderten Vorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Da das Landgericht die erkannten Einzelstrafen jeweils der Vorschrift des § 224 Abs. 1 StGB entnommen hat, schließt der Senat aus, dass diese Änderungen Einfluss auf die Höhe dieser Einzelstrafen gehabt haben.
- 5
- 3. Im Fall II. 12 der Urteilsgründe belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte die Körperverletzung "mittels" eines gefährlichen Werkzeugs begangen hat (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 - 4 StR 589/09, NStZ 2010, 512 f.). Das körperliche Wohlbefinden der Geschädigten wurde nicht unmittelbar durch die unter ihre Fersen geklebten Reißzwecken erheblich beeinträchtigt, sondern dadurch, dass sie stundenlang gezwungen war, auf den vorderen Fußballen zu stehen. Der Angeklagte hat sich mithin nur der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB in Tateinheit mit Nötigung strafbar gemacht.
- 6
- Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend um. Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung der Körperverletzung ist vom Generalbundesanwalt bejaht worden.
- 7
- Die Schuldspruchänderung wirkt sich auf die Bemessung der Einzelstrafe aus, da das Landgericht diese der Vorschrift des § 224 Abs. 1 StGB entnommen hat. Dies nötigt hier jedoch nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr kann der Senat ausnahmsweise in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers selbst entscheiden. Er setzt eine Einzelstrafe von elf Monaten fest, da das Landgericht auch in den tatsächlich und rechtlich gleichgelagerten Fällen II. 10 und 11 der Urteilsgründe auf eine solche erkannt hat und auszuschließen ist, dass die Strafkammer im vorliegenden Fall eine geringere Strafe festgesetzt hätte.
- 8
- 4. Schließlich bedarf der Strafausspruch insoweit der Ergänzung, als die Strafkammer versäumt hat, für den Fall II. 15 der Urteilsgründe, in dem sie den Angeklagten wegen Nötigung verurteilt hat, eine Einzelstrafe festzusetzen. Nach den Gesamtumständen ist auszuschließen, dass das Landgericht eine Geldstrafe verhängt hätte. In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO erkennt der Senat daher in Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts vom 4. Oktober 2010 auf die in §§ 240 Abs. 1, 38 Abs. 2 StGB bestimmte Mindestfreiheitsstrafe von einem Monat.
- 9
- 5. Der Senat schließt im Hinblick auf die Vielzahl und die Höhe der verbleibenden Einzelstrafen - allein für die Vergewaltigungstaten wurden Einzel- freiheitsstrafen von dreimal drei Jahren und neun Monaten und zweimal drei Jahren und drei Monaten verhängt - sowie deren straffen Zusammenzug aus, dass sich der Wegfall der Einzelstrafe von zehn Monaten (Fall II. 3) und die Herabsetzung der Einzelstrafe um sieben Monate (Fall II. 12) auf die Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe ausgewirkt haben.
- 10
- 6. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt keine teilweise Auferlegung der Kosten des Verfahrens und der Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse (§ 473 Abs. 4 StPO). Ernemann Solin-Stojanović Cierniak Franke Bender
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.