Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Juli 2019 - 4 StR 238/19

bei uns veröffentlicht am30.07.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 238/19
vom
30. Juli 2019
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:300719B4STR238.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 30. Juli 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 23. Oktober 2018, auch soweit es den Mitangeklagten B. betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen – mit Ausnahme derjenigen zur Beschaffenheit und zum Ladezustand der verwendeten Schreckschusspistole – aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gemeinschaftlicher versuchter schwerer räuberischer Erpressung“ in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung unter Einbeziehung der Urteile des Amtsgerichts Dortmund vom 19. Mai 2015 [(608 Ls 162/14)] und vom 3. Januar 2017 [(606 Ls 124/16)] zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die unausgeführte Formal- und Sachrüge gestütz- ten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Schuldspruch wegen versuchter – „besonders“ – schwerer räuberischer Erpressung gemäß §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Nach den Feststellungen trat der Angeklagte gemeinsam mit seinem Mittäter, dem nicht revidierenden Mitangeklagten B. , von hinten an den Geschädigten heran und forderte ihn auf, ihm eine Zigarette zu geben. Er drängte den Geschädigten, der wahrheitsgemäß erklärte, keine Zigarette zu haben, gemeinsam mit dem Mitangeklagten B. gegen eine Wand, wiederholte seine Forderung nach einer Zigarette und holte eine Schreckschusspistole hervor, die er dem Geschädigten an die Schläfe hielt, um die Herausgabe der begehrten Zigarette zu erzwingen. Der Geschädigte erlitt infolge des Drucks – für den Angeklagten vorhersehbar – eine oberflächliche Hautverletzung an der Schläfe. Schließlich ließen der Angeklagte und sein Mittäter vom Geschädigten ab, nachdem dieser ihnen erneut versicherte, keine Zigarette zu haben.
4
b) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass es sich bei der gelade- nen und „im Vorfeld der Tat […] mehrfach abgefeuerte[n] Schreckschusspistole“ um eine Waffe im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB handelt. Die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestands sind jedoch nicht tragfähig belegt.
5
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt eine – geladene – Schreckschusspistole nur dann dem Waffenbegriff des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 201 f.). Hierzu hat das Tatgericht regelmäßig Feststellungen zu treffen, denn der Austritt des Explosionsdrucks nach vorne mag zwar üblich sein, kann aber nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Juli 2015 – 2 StR 12/15, juris Rn. 5; vom 9. Februar 2010 – 3 StR 17/10, NStZ 2010,

390).

6
bb) Nähere Feststellungen zur Beschaffenheit der Waffe fehlen. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts vermag der Senat auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe die Funktionsweise der eingesetzten Waffe nicht zu entnehmen.
7
Darüber hinaus ist die Annahme, dass die Schreckschusspistole zum Zeitpunkt des Tatgeschehens (noch) geladen war, beweiswürdigend nicht belegt. Hierin liegt ungeachtet des Umstands, dass der Angeklagte geraume Zeit vor dem Tatgeschehen mit der Schreckschusswaffe Schüsse in die Luft abgegeben und kurz vor dem Tatgeschehen einem Zeugen die Waffe und mindestens eine lose Schreckschuss-Patrone gezeigt hatte, ein weiterer, den Bestand des Schuldspruchs gefährdender Erörterungsmangel.
8
b) Da Feststellungen zur Funktionsweise und zum Ladezustand der verwendeten Schreckschusswaffe trotz der fehlenden Sicherstellung der Waffe nicht ausgeschlossen erscheinen, hebt der Senat den Schuldspruch auf. Von der Aufhebung werden nur die Feststellungen zur Beschaffenheit und zum Ladezustand der Tatwaffe erfasst; hingegen können die Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen im Übrigen bestehen bleiben, da sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2017 – 4 StR 167/17, juris Rn. 6). Die Aufhebung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; ungeachtet der – hypothetischen – Einordnung der Tat als minder schwerer Fall (§ 250 Abs. 3 StGB) hat das Landgericht aus- drücklich zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, dass er ein „schweres Verbrechen“ begangen habe, das „bei einer Tatvollendung im Normalfall nach allgemeinem Strafrecht mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren“zu ahnden wäre.
9
c) Die Urteilsaufhebung ist auf den nicht revidierenden Mitangeklagten B. zu erstrecken (§ 357 StPO), da der Rechtsfehler auch ihn betrifft.
10
2. Der Rechtsfolgenausspruch hätte jedoch auch aus anderen Gründen sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht standgehalten. Das Landgericht hat – worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift hingewiesen hat, auf de- ren Inhalt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt – nicht erkennbar geprüft, ob die Voraussetzungen für die Maßregelanordnung nach § 64 StGB vorlagen, obwohl hierzu Anlass bestand.
11
Auch dies zieht die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs nach sich (vgl. § 5 Abs. 3 JGG). Zwar liegt nach den bisherigen Feststellungen die Annahme , dass die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt die Ahndung seiner Tat durch die Verhängung einer Jugendstrafe entbehrlich machen könnte, fern. Der Senat kann aber gleichwohl nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon abgesehen hätte, Jugendstrafe zu verhängen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2009 – 4 StR 99/09, NStZ-RR 2009, 277).
12
3. Die Sache bedarf im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Prüfung der Frage, ob der Angeklagte A. in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist, bedarf der Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO).
Sost-Scheible Roggenbuck RiBGH Bender ist im Urlaub und daher gehindert zu unterschreiben. Sost-Scheible Quentin Bartel

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(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden. (2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen. (3) Von Zuchtmitteln un

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Erpressung verbunden hat.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

5
Die Voraussetzungen dieses Qualifikationstatbestands sind jedoch nicht hinreichend belegt. Feststellungen zum Ladezustand der Schreckschusspistole sind nicht getroffen. Die vom Tatrichter gewählte Formulierung, der unmittelbar handelnde S. habe die Waffe durchgeladen und seine Forderung nach der Herausgabe von Bargeld wiederholt, lässt nicht den sicheren Schluss darauf zu, dass die Schreckschusspistole tatsächlich geladen war. Darüber hinaus fehlt es an den erforderlichen weiteren Feststellungen zur Beschaffenheit der verwendeten Schreckschusspistole. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann dem Waffenbegriff des § 250 StGB, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt und die Waffe deshalb nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 - GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 201 f.). Hierzu hat der Tatrichter besondere Feststellungen zu treffen, denn der Austritt des Explosionsdrucks nach vorne mag zwar üblich sein, kann aber nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden (BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 - 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390). 2. Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem Strafausspruch die

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 17/10
vom
9. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen zu 1. - 3.: schwerer räuberischer Erpressung u. a.
zu 4.: Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 9. Februar
2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Verden vom 7. September 2009 aufgehoben, soweit die Angeklagten in den Fällen II. 1. bis 6. und 8. der Urteilsgründe verurteilt worden sind; jedoch bleiben in den Fällen II. 1. bis 6. der Urteilsgründe die bisherigen Feststellungen insgesamt und im Fall II. 8. der Urteilsgründe die bisherigen Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen schwerer räuberischer Erpressung in fünf Fällen, wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung, den Angeklagten F. wegen schwerer räuberischer Erpressung in vier Fäl- len, wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und wegen Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung sowie den Angeklagten Me. wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.
2
Die Angeklagte Me. hat es wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat; eine Digitalkamera und ein Mobiltelefon dieser Angeklagten hat es eingezogen.
3
Weiter hat das Landgericht festgestellt, dass der Anordnung des Verfalls von 365.050 € betreffend den Angeklagten M. , 345.050 € betreffend den Angeklagten F. , 339.000 € betreffend den Angeklagten Me. und 30.000 € betreffend die Angeklagte Me. lediglich Ansprüche Verletzter entgegenstehen.
4
Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
5
1. Die Schuldsprüche wegen schwerer räuberischer Erpressung, versuchter schwerer räuberischer Erpressung, Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung und Verabredung einer schweren räuberischen Erpressung halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die vom Landgericht jeweils angenommene Qualifizierung der Taten wegen der Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) - die zu deren rechtlicher Te- norierung als "besonders schwer" hätte führen müssen (BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Urteilsformel 4) - wird von den Feststellungen nicht getragen.
6
Zutreffend geht das Landgericht zwar davon aus, dass der Tatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB kein Durchladen der verwendeten Schusswaffe erfordert, sondern deren Unterladung durch Einfügen des bestückten Magazins genügt. Bedroht der Täter bei einer Raubtat das Opfer mit einer - geladenen oder unterladenen - Schreckschusswaffe, erfüllt er den Qualifikationstatbestand indes nur dann, wenn nach deren Bauart der Explosionsdruck beim Abfeuern der Kartuschenmunition nach vorne durch den Lauf austritt (vgl. BGHSt 48, 197). Dies hat das Landgericht nicht festgestellt; Feststellungen hierzu waren auch nicht entbehrlich, denn der Austritt des Explosionsdrucks nach vorne kann nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Der neue Tatrichter wird deshalb zur Bauart der Waffen ergänzende Feststellungen zu treffen haben.
7
Die sonstigen bisherigen Feststellungen sind in den Fällen II. 1. bis 6. der Urteilsgründe insgesamt rechtsfehlerfrei und können daher bestehen bleiben (§ 352 Abs. 2 StPO). Gleiches gilt hinsichtlich der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen im Fall II. 8. der Urteilsgründe. Jedoch hat sich das Landgericht insoweit nicht mit den Einlassungen der Angeklagten M. und F. auseinandergesetzt , sie hätten es für nicht strafbar gehalten, am Telefon die Durchführung eines Banküberfalls zu vereinbaren. Ob diese Angaben glaubhaft sind, sich die beiden Angeklagten aufgrund dessen in einem Verbotsirrtum befanden, dieser vermeidbar und gegebenenfalls von der Möglichkeit der Strafmilderung nach § 17 Satz 2 StGB Gebrauch zu machen war, hat das Landgericht nicht erörtert. Daher hat der Senat in diesem Fall die Feststellungen zur subjektiven Tatseite insgesamt aufgehoben.
8
2. Mit der Aufhebung der Verurteilung in den genannten Fällen kommen die insoweit für die jeweils beteiligten Angeklagten festgesetzten Einzelstrafen sowie die unter deren Einbeziehung gebildeten Gesamtfreiheitsstrafen in Wegfall. Gleiches gilt für die Einziehungsanordnung sowie die Feststellung, dass die Anordnung des Verfalls in je unterschiedlicher Höhe wegen Ersatzansprüchen der Geschädigten ausgeschlossen ist. Insoweit sieht der Senat für das weitere Verfahren Anlass zu folgenden Hinweisen:
9
a) Die Einziehung der Digitalkamera und des Mobiltelefons der Angeklagten Me. ist schon für sich rechtsfehlerhaft. Die Kamera stellte sie dem Angeklagten M. im Falle II. 8. der Urteilsgründe zur Ausspähung möglicher Tatobjekte zur Verfügung. Da die Angeklagte an der Verabredung des Überfalls (§ 30 Abs. 2 StGB) nicht als Täterin beteiligt war und Beihilfe hierzu nicht leisten konnte (Fischer, StGB 57. Aufl. § 30 Rdn. 14), kommt lediglich eine Dritteinziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB in Betracht, deren Voraussetzungen nicht festgestellt sind. Eine Verwendung des Mobiltelefons der Angeklagten Me. wird nicht ersichtlich.
10
b) Die Feststellung der Geldbeträge, hinsichtlich deren das Landgericht nur wegen des Bestehens von Ansprüchen Verletzter von der Anordnung des Wertersatzverfalls abgesehen hat (§ 111 i Abs. 2 Sätze 1 und 3 StPO), lässt besorgen, dass sie sich nicht auf den Wert des von den Angeklagten jeweils im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangten beschränkt. Bei mehreren Beteiligten an einer Tat ist entscheidend, was der einzelne Beteiligte selbst tatsächlich erlangt hat. Zwar reicht es aus, dass er die wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt an dem Vermögensgegenstand erlangt, jedoch kann ihm nach § 73 StGB nicht darüber hinaus auch das zugerechnet werden, was ausschließlich von einem anderen Tatbeteiligten erlangt ist (Fischer aaO § 73 Rdn. 16 m. w. N.). Jedenfalls die Angeklagten Me. , denen die Angeklagten M. und F. nur nachträglich ihre Anteile ausbezahlten, hatten keine wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt an der gesamten jeweils erzielten Tatbeute; gleichwohl hat das Landgericht sie ihnen zugerechnet.
11
Die Angeklagten sind hierdurch auch beschwert, denn der nach § 111 i Abs. 2 StPO festgestellte Betrag bestimmt den gegen sie gerichteten, aufschiebend bedingten Zahlungsanspruch des Staates (§ 111 i Abs. 5 Satz 1 StPO). Zu Recht hat das Landgericht deshalb auch die Beute aus der Tat II. 1. der Urteilsgründe , begangen vor Inkrafttreten der Neufassung von § 111 i StPO am 1. Januar 2007 (Gesetz vom 24. Oktober 2006; BGBI I 2350), nicht in seine Berechnung einbezogen (vgl. BGH NJW 2008, 1093; wistra 2008, 193; 2009, 241; NStZ-RR 2009, 56, 113).
12
Vermögensgegenstände, in die Verletzte die Zwangsvollstreckung betreiben (können), müssen im Urteil nicht bezeichnet werden (vgl. § 111 i Abs. 3 StPO).
13
3. Rechtsfehlerfrei ist die Verurteilung des Angeklagten Me. im Fall II. 7. der Urteilsgründe wegen versuchter Nötigung. Auch die insoweit festgesetzte Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten kann bestehen bleiben; der Senat vermag auszuschließen, dass die Höhe dieser Strafe durch die übrigen gegen diesen Angeklagten verhängten Einzelstrafen beeinflusst ist.
Becker von Lienen Sost-Scheible Hubert Mayer
6
2. Von der Aufhebung werden aber nur die Feststellungen zur Beschaffenheit der Tatwaffe erfasst; hingegen können die Feststellungen im Übrigen bestehen bleiben, da sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 aaO). Mit Blick darauf kann auch die Entscheidung über die Ablehnung einer Unterbringungsanordnung von der Aufhebung ausgenommen werden. Diese weist auf der Grundlage der bindenden Feststellung keinen Rechtsfehler auf. Eine erneute Entscheidung ist daher wegen der insoweit eingetretenen (Teil-)Rechtskraft nicht mehr zu treffen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2017 – 4 StR 443/16).

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 99/09
vom
5. Mai 2009
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag, im Übrigen nach Anhörung
des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 5. Mai 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 18. November 2008, soweit es den Angeklagten betrifft, im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und der schweren räuberischen Erpressung für schuldig befunden und ihn zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision , mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Rechtsfolgenausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hält der Rechtsfolgenausspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht mit nicht tragfähiger Begründung von der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.
3
Der Generalbundesanwalt hat hierzu ausgeführt: "Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom und einem Abhängigkeitssyndrom von Cannabinoiden. Er konsumiert seit seinem 15. Lebensjahr Alkohol und Cannabis, seit seinem 16. Lebensjahr regelmäßig Cannabis und an den Wochenenden zusätzlich Ecstasy und Speed. Seit seinem 18. Lebensjahr trinkt der Angeklagte regelmäßig Alkohol (UA S. 4). Vor den beiden festgestellten Taten trank der Angeklagte jeweils nicht unerhebliche Mengen Alkohol, rauchte Cannabis und konsumierte Speed (UA S. 11 und 12). Bei beiden Taten hat das Landgericht nicht auszuschließen vermocht, dass der Angeklagte aufgrund des Zusammenwirkens des konsumierten Alkohols mit den verschiedenen Drogen im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert steuerungsfähig war.
Das Landgericht, das davon ausging, dass beide Taten in unmittelbarem Zusammenhang mit der Suchterkrankung des Angeklagten stehen (UA S. 19), hat von der Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB abgesehen, da infolge der fehlenden Krankheitseinsicht und ernsthaften Therapiemotivation des Angeklagten keine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht im Sinne des § 64 Satz 2 StGB bestehe.
Dies begegnet durchgreifenden Bedenken. Zwar kann die fehlende Therapiemotivation bei Abwägung aller Umstände ein Indiz für die mangelnden Erfolgsaussichten einer Therapie sein (BGH NStZ 1996, 274). Geprüft werden muss aber, ob die konkrete Aussicht besteht, dass eine Therapiebereitschaft für eine erfolgversprechende Behandlung geweckt werden kann (BGH NStZ-RR 2007, 171, 172; Fischer StGB 56. Aufl. § 64 Rn. 20; Stree in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 64
Rn. 11). Auf die Frage, ob nicht mit therapeutischen Bemühungen eine positive Beeinflussung des Angeklagten zu erreichen wäre (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Erfolgsaussicht 7), ist das Landgericht jedoch nicht eingegangen. Hierfür bestand aber schon deshalb Anlass, weil die Suchterkrankung des Angeklagten bislang nicht behandelt wurde (UA S. 19).
Die Frage einer Unterbringung nach § 64 StGB bedarf demnach der erneuten Verhandlung und Entscheidung durch ein neues Tatgericht. Dieses wird zu berücksichtigen haben, dass trotz der Ausgestaltung des § 64 StGB n.F. als Ermessensvorschrift ein Absehen von der Unterbringung nach dem Willen des Gesetzgebers nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen soll (vgl. Senat NStZ-RR 2008, 8).
Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert gemäß § 358 Abs. 2 StPO die Nachholung einer Unterbringungsanordnung nicht (vgl. BGHSt 37, 5). Die Entscheidung über die Maßregelanordnung hat der Angeklagte ausdrücklich nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362)".
4
Dem schließt sich der Senat an. Der zu § 64 StGB aufgezeigte Rechtsfehler nötigt mit Blick auf die Regelung des § 5 Abs. 3 JGG auch zur Aufhebung des Strafausspruchs. Zwar liegt nach den bisherigen Feststellungen die Annahme , dass die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt die Ahndung seiner Taten durch die Verhängung einer Jugendstrafe entbehrlich machen könnte, eher fern. Der Senat kann aber gleichwohl nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon abgesehen hätte, Jugendstrafe zu verhängen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2003 - 4 StR 119/03 - und vom 4. März 2008 - 3 StR 30/08; Eisenberg JGG 13. Aufl. § 5 Rdn. 28).
5
Der neue Tatrichter wird daher über den gesamten Rechtsfolgenausspruch nochmals zu befinden haben. Zur Prüfung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bedarf es dabei erneut der Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Franke

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.