Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Apr. 2010 - 4 StR 119/10

bei uns veröffentlicht am20.04.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 119/10
vom
20. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 20. April 2010 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 18. November 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wird,
b) im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Ferner hat es gegen sie den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 7.419,72 € angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung der Angeklagten im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen tateinheitlichen - täterschaftlich begangenen - unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
Nach den Feststellungen begleitete die Angeklagte ihren damaligen Lebensgefährten B. bei einer Fahrt in die Niederlande. Ihr war dabei bekannt, dass B. dort Betäubungsmittel kaufen wollte, um diese in die Bundesrepublik Deutschland einzuführen und dort gewinnbringend weiter zu veräußern. Sie wusste weiterhin, dass B. sie mitnahm, um bei dem Grenzübertritt nicht aufzufallen. In den Niederlanden erwarb B. 50 g Kokaingemisch, das er - wie geplant - in Begleitung der Angeklagten in das Bundesgebiet einführte und in der Folge dort verkaufte.
4
Diese Feststellungen belegen nicht täterschaftliches Handeltreiben der Angeklagten. Sie hatte danach weder Einfluss auf den Erwerb der Betäubungsmittel noch auf deren Weiterverkauf. Die Tätigkeit der Angeklagten erschöpfte sich darin, B. bei der Einfuhr der Betäubungsmittel durch ihre Anwesenheit zu unterstützen. Ihr Tatbeitrag ist somit rechtlich nicht als täterschaft- liches Handeltreiben, sondern als Beihilfe zu dem Handeltreiben des B. zu werten (vgl. auch BGHSt 51, 219, 223 Rn. 11). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab.
5
2. Auch der Rechtsfolgenausspruch kann keinen Bestand haben.
6
a) Bei der Bemessung der Einzelstrafen hat das Landgericht straferschwerend berücksichtigt, dass die Angeklagte den Handel mit Betäubungsmitteln "aus reinem Gewinnstreben betrieben hat, ohne sich etwa aufgrund eigener Sucht zum Verkauf von Drogen gezwungen zu sehen". Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB (Senat, Beschluss vom 7. November 2000 - 4 StR 456/00 m.w.N.), zumal das Landgericht festgestellt hat, dass die Angeklagte ab dem Tode ihres Vaters im Januar 2008, das heißt im Tatzeitraum, Drogen konsumiert hat. In Anbetracht dessen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Erlöse aus den Drogenverkäufen jedenfalls auch der Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums gedient haben (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. September 2009 - 3 StR 294/09). Der Senat hebt daher die Einzelstrafen und den Ausspruch über die Gesamtstrafe auf, da - trotz der verhängten maßvollen Strafen - nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Landgericht ohne den aufgezeigten Rechtsfehler auf mildere Freiheitsstrafen erkannt hätte.
7
b) Zur Verfallsentscheidung hat das Landgericht ausgeführt, der Verfall des bei der Angeklagten sichergestellten Geldes (insgesamt 6.070,00 €) sowie des aus der Verwertung eines sichergestellten Pkw's der Angeklagten erzielten Erlöses von 1.349,72 € sei "gemäß § 73 StGB" anzuordnen, da davon auszugehen sei, dass sie dieses Geld durch die Veräußerung von Kokain erlangt habe. Die Angeklagte, deren sonstigen Einnahmen nach eigenen Angaben nicht zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts ausgereicht hätten, habe keine plausible Erklärung vorbringen können, auf welche andere Weise sie in den Besitz des Geldes gekommen sei.
8
Diese Ausführungen lassen bereits besorgen, dass das Landgericht das Verhältnis zwischen § 73 StGB (Verfall) und § 73 d StGB (erweiterter Verfall) nicht bedacht hat. Bei § 73 StGB muss die Tat, für die oder aus der etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein, das heißt, das Gericht muss zur Überzeugung gelangen, dass der Täter für oder aus der/den ausgeurteilten Tat(en) etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat. § 73 d StGB regelt demgegenüber den Fall, dass der Täter über Vermögensgegenstände verfügt, die nach Überzeugung des Gerichts (vgl. hierzu BGHSt 40, 371, 373) für oder aus anderen rechtswidrigen Taten erlangt worden sind. Die Bestimmung des § 73 d StGB ist dabei gegenüber der des § 73 StGB subsidiär (h.M.; vgl. nur Senat, Urteil vom 11. Dezember 2008 - 4 StR 386/08 m.w.N.). Vor einer Anwendung des § 73 d StGB muss daher unter Ausschöpfung der zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden können, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind (Senat aaO).
9
Im Übrigen unterliegt dem Verfall - sei es nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB oder nach § 73 d Abs. 1 Satz 1 StGB - stets nur das, was unmittelbar aus der oder für die Tat erlangt worden ist. Bei der Anordnung des Verfalles sichergestellten Dealgeldes muss es sich daher um die nämlichen Geldscheine handeln, die durch die Drogenverkäufe erlangt worden sind. Befinden sich diese nicht mehr im Besitz des Täters, ist ihr Verfall somit aus tätsächlichen Gründen nicht (mehr) möglich, kommt gemäß § 73 a Satz 1 StGB die Anordnung eines Geldbetrages in Betracht, der dem Wert des Erlangten entspricht (Wertersatzverfall). Hierbei ist - vorbehaltlich einer Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c StGB - unter Zugrundelegung des Bruttoprinzips (vgl. hierzu Fischer StGB 57. Aufl. § 73 Rn. 7) auf den aus den Drogenverkäufen erlangten Gesamterlös abzustellen.
10
Die Sache bedarf daher auch zur Verfallsentscheidung neuer Verhandlung und Entscheidung.
VRi'inBGH Dr. Tepperwien Athing Ernemann ist infolge Urlaubs gehindert zu unterschreiben Athing Cierniak Mutzbauer

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 456/00
vom
7. November 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 7. November 2000 gemäß
§§ 349 Abs. 4, 357 StPO beschlossen:
I. Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 25. Mai 2000 wird mit den Feststellungen aufgehoben 1. auf die Revision des Angeklagten F.
a) soweit dieser Angeklagte wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist (Fall II.5. der Urteilsgründe),
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe, 2. auf die Revision des Angeklagten E.
a) soweit es diesen Angeklagten betrifft und er verurteilt worden ist, in vollem Umfang,
b) soweit der Mitangeklagte F. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist (Fall II.2. der Urteilsgründe). II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat beide Angeklagte, unter Freisprechung im übrigen, jeweils des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, den Angeklagten F. darüber hinaus in einem weiteren Fall der gefährlichen Körperverletzung für schuldig befunden und den Angeklagten F. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und den Angeklagten E. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten – der AngeklagteF. unter Beschränkung auf die Verurteilung im Fall II. 5 der Urteilsgründe – mit ihren Revisionen, mit denen sie das Verfahren beanstanden und die Verletzung sachlichen Rechts rügen. Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensbeschwerden kommt es deshalb nicht an.
1. Die Verurteilung beider Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.2. der Urteilsgründe ) kann nicht bestehen bleiben, weil die Annahme des Landgerichts, die Angeklagten hätten mit Haschisch "in nicht geringer Menge" im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG Handel getrieben, einer ausreichenden Tatsachengrundlage entbehrt. Dieser auf die Revision des Angeklagten E. zu beachtende Rechtsfehler führt gemäß § 357 StPO zur Aufhebung auch der den Angeklagten F. , der insoweit keine Revision eingelegt hat, betreffenden Verurteilung.
Nach den Feststellungen kaufte der Angeklagte F. mit dem hierfür von dem Mitangeklagten E. zur Verfügung gestellten "Startkapital" 500 g Haschisch zur gewinnbringenden Weiterveräußerung. Feststellungen zu dem
Wirkstoffgehalt dieser Rauschgiftmenge hat das Landgericht nicht getroffen. Gleichwohl nimmt es das Vorliegen einer "nicht geringen Menge" an, wobei auf die "Gesamtmenge abzustellen" sei (UA 15). Insoweit beschränkt es sich auf den Hinweis, "selbst wenn die Qualität des Haschischs schlecht gewesen sein sollte, (sei) die Grenzgewichtsmenge der nicht mehr geringen Menge deutlich überschritten" (UA 15/16). Dies genügt für die Feststellung, daß das Haschisch mindestens 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC) enthielt und damit die Grenze der nicht geringen Menge erreicht hat (BGHSt 33, 8; 42, 1), nicht. Angesichts der Häufigkeit, mit der bei Cannabisprodukten eine sehr schlechte oder schlechte Qualität mit einem Wirkstoffgehalt von lediglich bis zu 2 % auftritt (1994: 4,1 %, BGHSt 42, 1, 13; 1997: 11 %, Weber BtMG Anh. E S. 1004), kann entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht ohne weiteres von einem Wirkstoffgehalt von nicht unter 2,5 % ausgegangen werden. Auf nähere Feststellungen zum Wirkstoffgehalt, die - unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes - mit hinreichender Genauigkeit auch dann möglich sind, wenn Betäubungsmittel nicht sichergestellt werden konnten und daher für eine Untersuchung durch Sachverständige nicht zur Verfügung stehen (vgl. BGH NJW 1994, 1885, 1886; BGH, Beschluß vom 29. Juni 2000 - 4 StR 202/00 - m.w.N.), konnte hier deshalb nicht verzichtet werden.
Für das weitere Verfahren weist der Senat bezüglich der Strafzumessung vorsorglich darauf hin, daß das Urteil die Prüfung eines minder schweren Falles (§ 29 a Abs. 2 BtMG) erkennen lassen muß. Im übrigen begegnen die Erwägungen, die Angeklagten hätten "allein um des schnellen finanziellen Gewinnes willen gehandelt" (UA 17, betreffend den Angeklagten E. ) bzw. "die Tat aus finanziellen Gründen begangen ..., ohne selbst drogenabhängig zu sein" (UA 18, betreffend den Angeklagten F. ), im Hinblick auf das Doppel-
verwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB rechtlichen Bedenken (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 2; BGH, Beschluß vom 26. Oktober 1990 - 2 StR 390/90 = StV 1991, 64 (nur LS); Körner BtMG 4. Aufl. § 29 Rdn. 278 m.w.N.).
2. Auch die Verurteilung beider Angeklagten wegen gemeinschaftlich begangenen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II.5. der Urteilsgründe) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Überzeugung des Schwurgerichts, der Angeklagte F. habe in der Nacht zum 15. Juli 1999 seinen Bekannten Armin Ei. aufgrund gemeinsam mit dem Angeklagten E. gefaßten Entschlusses in einen Hinterhalt gelockt und ihn zu erschießen versucht, beruht auf einer lückenhaften Beweiswürdigung, die wesentliche Umstände, die das gefundene Ergebnis in Frage stellen, unberücksichtigt läßt.
Der Senat läßt dahingestellt, ob es schon einen durchgreifenden Erörterungsmangel darstellt, daß das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Angeklagte F. mit der Pistole auf Ei. gezielt hat, bevor sich beim ersten Mal "die Kugel verklemmte (und) im Verschluß ... stecken (blieb)" (UA 8). Ei. selbst hat nämlich insoweit lediglich bekundet, er habe "ein metallisches Klicken gehört und beim Hinsehen bemerkt, daß F. an seiner Pistole hantiere" (UA 12). Jedenfalls fehlt es an einer tragfähigen Begründung für die Feststellung, der Angeklagte F. habe auf dem Weg von der Grube zurück zum Pkw gezielt auf den vor ihm gehenden Ei. geschossen, um ihn zu töten. Bei dieser zweiten Betätigung der Pistole wurde Ei. durch den Schuß getroffen, wobei die Kugel "vom Felsenbein hinter dem rechten Ohr des Ei. ab(prallte)" und "hinter dem rechten Ohr eine ca. 5 mm große rundliche Haut-
abschürfung" hinterließ (UA 9). Das Landgericht hält die Einlassung des Angeklagten F. , der Schuß habe sich unbeabsichtigt gelöst, für widerlegt. Dabei geht es - mit dem rechtsmedizinischen Sachverständigen - davon aus, daß "das Projektil ... nahezu senkrecht auf den Felsenbeinknochen aufgeprallt" sei, und entnimmt diesem Umstand, es könne sich "folglich ... nicht um einen Querschläger gehandelt haben, der unglücklicherweise den Ei. getroffen (habe)" (UA 14). Diese Schlußfolgerung verträgt sich jedoch nicht ohne weiteres mit der weiteren Annahme – nämlich, "daß die Kugel einen herunterhängenden Ast gestreift haben muß" (UA 14) –, mit der das Schwurgericht - darin dem waffentechnischen Sachverständigen folgend - die geringe Aufprallgeschwindigkeit des Projektils begründet hat. Wenn tatsächlich das Geschoß auf einen Ast geprallt sein sollte, hätte es jedenfalls näherer Darlegung bedurft, daß technisch -physikalisch auszuschließen ist, daß das Projektil dadurch in seiner Flugbahn abgelenkt wurde und allein deshalb den Geschädigten "nahezu senkrecht" getroffen hat. Diese Möglichkeit ließe die Abgabe eines gezielten Schußes auf den Kopf des Geschädigten zumindest fraglich erscheinen.
Hierauf kam es schon deshalb an, weil das Schwurgericht ein Motiv der beiden Angeklagten, Ei. z u töten, nicht festzustellen vermochte. Die Sache bedarf deshalb erneuter Prüfung.
3. Davon abgesehen hat sich das Landgericht auch nur unzureichend mit der Frage strafbefreienden Rücktritts (§ 24 StGB) auseinandergesetzt. Das Schwurgericht schließt einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch des Mordes allein mit der Erwägung aus, "mit dem Abprallen der Kugel und der erfolgreichen Flucht des Ei. (sei) die Tat fehlgeschlagen und ein erneuter Tötungsversuch nicht mehr möglich" gewesen (UA 15). Das genügte hier schon des-
halb nicht, weil das Landgericht nicht erörtert hat, ob es den Angeklagten möglich gewesen wäre, die Flucht des Ei. zu verhindern und aus welchen Gründen weder der Angeklagte F. mit der Tatwaffe noch der Angeklagte E. mit einer der im Pkw mitgeführten weiteren Schußwaffen auf den flüchtenden Geschädigten geschossen haben.
Ein fehlgeschlagener Versuch liegt dann nicht vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden einsatzbereiten Mitteln noch vollenden kann (st. Rspr.; BGHSt 35, 90, 94; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 24 Rdn. 7 a m.w.N.). Dazu fehlen schon Feststellungen zum Ladezustand der von dem Angeklagten F. benutzten Pistole. War diese noch nach Abgabe des Schusses mit weiterer Munition versehen und hätte der Angeklagte dennoch von einem weiteren Einsatz der Waffe abgesehen , wäre ein freiwilliges Aufgeben der Tat, für das der Zweifelsgrundsatz gilt (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, fehlgeschlagener 5 a.E.), nicht ausgeschlossen (vgl. BGH StV 1997, 128; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, fehlgeschlagener 3, 8 und Versuch, unbeendeter 32). Desgleichen fehlt die Erörterung, weshalb der Angeklagte E. nicht eingegriffen hat. Diese Erörterung wäre aber erforderlich gewesen, weil das Landgericht zu dessen als mittäterschaftliches Handeln gewertetem Tatbeitrag festgestellt hat, daß er "den Ei. eventuell an einer Flucht hindern und notfalls mit einer in seinem Kofferraum versteckten Waffe erschießen sollte" (UA 7). Die nicht näher ausgeführte Feststellung, die Angeklagten hätten den Geschädigten, als dieser "in Panik flüchtete", "zunächst zu Fuß, dann mit dem Pkw des E. " verfolgt (UA 9), macht die fehlende Erörterung nicht entbehrlich. Insoweit war nämlich zu bedenken , daß der Angeklagte F. s ich bei Abgabe des Schusses nach den Feststellungen nur 1,50 m von dem Geschädigten entfernt befand, was schon
für sich nicht erklärt, weshalb nicht zumindest der Angeklagte F. den Geschädigten mit Erfolg verfolgen konnte. Ob dies auch für den Angeklagten E. zutraf, hätte Feststellungen zu den Sichtverhältnissen und dazu erfordert, wie weit er von dem Geschädigten entfernt stand, als dieser sich zur Flucht wendete. Die bisherigen Feststellungen bieten jedenfalls keine ausreichende Grundlage für die Annahme, die Angeklagten hätten ihren Plan, Ei. zu töten, als undurchführbar erkannt und deshalb gezwungenermaßen aufgegeben (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 9).
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß die Umstände, die zur erneuten Prüfung eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch Anlaß geben, unter den hier gegebenen Umständen auch schon die Annahme eines von beiden Angeklagten gemeinsam gefaßten unbedingten Tötungsentschlusses in Frage stellen können. Die Auffassung des Landgerichts, "das Ausheben des grabähnlichen Loches machte nur dann einen Sinn, wenn (die Angeklagten) die Leiche Ei. s auch darin verschwinden lassen wollten"
(UA 13; Hervorhebung durch den Senat), ist - anders als das Landgericht es seiner Beweiswürdigung zugrundegelegt hat - jedenfalls nicht zwingend.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 294/09
vom
24. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
24. September 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 10. März 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen sowie des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 35 Fällen schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 38 Fällen, davon in drei Fällen in nicht geringer Menge, sowie wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 12 Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wobei er in fünf Fällen als Mitglied einer Bande handelte, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hatte" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 5.000 € angeordnet und verschiedene Gegenstände sowie Bargeld in Höhe von 300 € eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. In den Fällen II. B. 2., 3., 6. bis 8. hat die jeweils tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen bandenmäßiger unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge neben der - aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts rechtsfehlerfreien - Verurteilung wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 a Abs. 1 BtMG) keinen Bestand. Der Bandenhandel verbindet in den Fällen des § 30 a BtMG die im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte, insbesondere auch den Teilakt der unerlaubten Einfuhr, zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit (Weber , BtMG 3. Aufl. § 30 a Rdn. 36 m. w. N.). Als unselbständigem Teilakt des Handeltreibens kommt der Bandeneinfuhr neben dem Bandenhandel daher keine eigenständige rechtliche Bedeutung zu.
3
Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert und den Tenor im Übrigen aus Gründen der Klarstellung neu gefasst.
4
2. Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand.
5
Das Landgericht hat bei allen Taten gleichermaßen sowohl bei der Wahl des Strafrahmens als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Lasten des Angeklagten u. a. gewertet, dass der (Betäubungsmittel-) "Handel... nur dem eigenen Gewinnstreben, insbesondere nicht der Finanzierung einer eigenen Abhängigkeit" gedient habe. Diese Erwägung lässt besorgen, dass das Landgericht das zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörende Gewinnstreben entgegen § 46 Abs. 3 StGB bei der Strafzumessung rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt hat.
6
Zwar ist es dem Tatrichter nach der bisherigen - allerdings keineswegs einheitlichen - Rechtsprechung nicht verwehrt, die ausschließlich gewinnorientierte Motivation eines Angeklagten als verwerflicher zu bewerten als den häufig vorkommenden Fall, dass der Täter nur deshalb Handel mit Betäubungsmitteln treibt, weil er keinen anderen Weg sieht, die Mittel für die Befriedigung seiner eigenen Rauschgiftabhängigkeit aufzubringen (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 2; BGH NStZ-RR 1997, 50; BGH, Urt. vom 11. September 2003 - 1 StR 146/03, insoweit in NStZ 2004, 398 nicht abgedruckt; einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB bejahend dagegen BGH, Beschl. vom 7. November 2000 - 4 StR 456/00, insoweit in StV 2001, 68 nicht abgedruckt). Der Senat hat mit Blick auf das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB Bedenken, an dieser - soweit ersichtlich von ihm selbst begründeten (BGHR aaO) - Rechtsprechung festzuhalten. Denn das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens setzt stets voraus, dass der Täter nach Gewinn strebt. Deshalb kann ihm dieses Gewinnstreben, jedenfalls solange es den Rahmen des Tatbestandsmäßigen nicht deutlich übersteigt (BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 1), bei der Strafzumessung nicht zum Nachteil, sondern allenfalls bei Vorliegen einer weniger verwerflichen Tatmotivation zum Vorteil gereichen. Mit der strafschärfenden Berücksichtigung einer rein gewinnorientierten Motivation wird dem Täter deshalb auch - rechtsfehlerhaft - das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes angelastet (ebenso BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 11). Der Senat braucht die Rechtsfrage jedoch nicht zu entscheiden. Denn ein Fall eines rein gewinnorientierten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist hier nicht belegt. Vielmehr hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte seit seinem 16. Lebensjahr Kontakt zu Drogen hat und bis zu seiner Festnahme in vorliegender Sache selbst regelmäßig Haschisch und Kokain konsumierte. In Anbetracht dieser Feststellungen ist nicht auszuschließen, dass die Gewinne aus den Drogengeschäften auch der Finanzierung des eigenen Betäubungsmittelkonsums des ansonsten einkommenslosen Angeklagten dienten und deshalb kein hiervon gänzlich unabhängiges Gewinnstreben des Angeklagten vorlag. Ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB scheidet auch nicht deshalb aus, weil ein besonders verwerfliches, den Rahmen des tatbestandsmäßigen deutlich übersteigendes Gewinnstreben des Angeklagten bei Begehung der Taten gegeben war. Entsprechende Anhaltspunkte lassen sich den Urteilsgründen nicht entnehmen.
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Da sich der Rechtsfehler bei Bemessung sämtlicher Einzelstrafen ausgewirkt hat, unterliegt der Strafausspruch insgesamt der Aufhebung. Jedoch handelt es sich lediglich um einen Wertungsfehler, so dass die zugehörigen Feststellungen bestehen bleiben können. Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen. Die Anordnungen des Wertersatzverfalls und der Einziehung sind von der Aufhebung nicht betroffen. Becker von Lienen Sost-Scheible Schäfer Mayer

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 386/08
vom
11. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 7. April 2008 aufgehoben, soweit die Anordnung des Verfalls von Wertersatz unterblieben ist. 2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 150 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 6. November 2008 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und wirksam (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 270; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 318 Rdn. 22) auf die Nichtanordnung von Wertersatzverfall beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel ist begründet.

II.


2
1. Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte im Jahre 2003 in mindestens 150 Fällen an die anderweitig Verfolgte Katja S. jeweils mindestens 1,5 g Heroingemisch zu einem Preis von je 60.- €. Bei einer am 20. Juni 2007 durchgeführten Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten konnte in einem Mantel und in einem Kleiderschrank Bargeld in Höhe von insgesamt 5.200.- € sichergestellt werden.
3
2. Das Landgericht hat von einer Verfallsanordnung abgesehen. Der Verfall des in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Geldes könne nicht angeordnet werden, „weil die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 BtMG in Verbindung mit §§ 73, 73 d Abs. 1 und 2, 73 a Satz 1 StGB“ nicht gegeben seien. Allein der Umstand, dass in der Wohnung des Angeklagten eine erhebliche Geldmenge gefunden worden sei, rechtfertige nicht die Annahme, dass dieses Geld aus Betäubungsmittelstraftaten des Angeklagten stamme. Die verfahrensgegenständlichen Straftaten seien im Jahre 2003 begangen worden. Der Angeklagte habe den Drogenhandel im Jahre 2004 auf gegeben. Ein Zusammenhang zwischen dem über drei Jahre danach vorgefundenen Bargeld und dem Erlös aus den Drogengeschäften im Jahr 2003 könne nicht festgestellt werden.
4
3. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
5
a) Sie lassen bereits besorgen, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung das Verhältnis zwischen § 73 StGB (Verfall) und § 73 d StGB (erweiterter Verfall) nicht bedacht hat. Bei § 73 StGB muss die Tat, für die oder aus der etwas erlangt worden ist, Gegenstand der Verurteilung sein, das heißt, das http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NStZ&B=2003&S=422 [Link] http://rsw.beck.de/bib/bin/reference.asp?Y=300&Z=NStZ&B=2003&S=422&I=423 - 5 - Gericht muss zur Überzeugung gelangen, dass der Täter für oder aus der/den ausgeurteilten Tat(en) etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt hat. § 73 d StGB regelt demgegenüber den Fall, dass der Täter über Vermögensgegenstände verfügt, die nach Überzeugung des Gerichts (vgl. hierzu BGHSt 40, 371) für oder aus anderen rechtswidrigen Taten erlangt worden sind. Die Bestimmung des § 73 d StGB ist dabei gegenüber der des § 73 StGB subsidiär (h.M.; vgl. nur W. Schmidt in LK 12. Aufl. § 73 d Rn. 11; Fischer StGB 55. Aufl. § 73 d Rn. 9 jeweils m.w.N.). Vor einer Anwendung des § 73 d StGB muss daher unter Ausschöpfung der zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden können, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind (vgl. BGH NStZRR 2003, 75; NStZ 2003, 422, 423; NStZ-RR 2006, 138, 139).
6
b) Jedenfalls hat die Strafkammer – wie die Revision zu Recht rügt – die Möglichkeit der Anordnung des Verfalls von Wertersatz gemäß §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73 a Satz 1 StGB nicht bedacht.
7
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte aus den Drogenverkäufen insgesamt 9.000 € im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt. Da davon auszugehen ist, dass die vom Angeklagten jeweils aus den Verkäufen erlangten Geldscheine sich nicht mehr in seinem Besitz befinden , ihr Verfall daher aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, kommt gemäß § 73 a Satz 1 StGB die Anordnung des Verfalls eines Geldbetrages in Betracht , der dem Wert des Erlangten entspricht (Wertersatzverfall). Ob die bei dem Angeklagten sichergestellten 5.200 € aus den ausgeurteilten Straftaten oder aus sonstigen rechtswidrigen Taten stammen oder aber vom Angeklagten legal erworben worden sind, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Das Landgericht hätte daher – vorbehaltlich einer Anwendung der Härtevorschrift des § 73 c StGB – gemäß §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73 a Satz 1 StGB auf den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 9.000 € erkennen müssen.
8
c) Das Urteil hat daher, soweit von der Anordnung des Verfalls abgesehen worden ist, keinen Bestand. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich ein Subsumtionsfehler vorliegt, der sich auf die Sachverhaltsfeststellung nicht ausgewirkt hat. Ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen bleiben möglich. Der neue Tatrichter wird nunmehr zu prüfen haben, ob nach § 73 c StGB ganz oder teilweise von der Anordnung von Wertersatzverfall abzusehen ist. Insoweit verweist der Senat auf die Grundsätze im Senatsurteil vom 2. Oktober 2008 – 4 StR 153/08.
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.