Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Apr. 2008 - 3 StR 86/08
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) das Verfahren eingestellt, soweit der Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorgenannte Urteil dahin geändert, dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten (Einzelstrafen: drei Jahre und sechs Monate sowie vier Monate) verurteilt. Die hiergegen gerichtete, mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde begründete Revision des Angeklagten hat einen Teilerfolg; soweit der Angeklagte wegen Diebstahls verurteilt worden ist, ist das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen (§ 206 a StPO).
- 2
- Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu Folgendes ausgeführt: "Bei der Wegnahme des Handys handelt es sich um eine eigene prozessuale Tat i.S.d. § 264 StPO, die nicht von der Anklage umfasst war und deshalb von der Kammer nicht abgeurteilt werden durfte.
Vorliegend sprechen lediglich die örtliche und zeitliche Nähe der beiden Handlungen für das Vorliegen nur einer prozessualen Tat. Dies reicht nicht aus, erforderlich ist vielmehr ein sachlicher Zusammenhang (BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 36). Es lagen hier aber weder eine gleichartige Angriffsrichtung noch dasselbe Tatobjekt oder eine deliktsimmanente Verbindung der Handlungen (vgl. dazu Meyer-Goßner aaO Rdnr. 2a m.w.N.) noch eine Überschneidung im äußeren Ablauf der Taten (vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 34) vor. Nach den Feststellungen war der körperliche Angriff des Angeklagten auf den Zeugen beendet, nachdem diesem die Flucht aus der Wohnung gelungen war. Der Angeklagte kehrte lediglich in das Arbeitszimmer des Geschädigten, in dem er diesen angegriffen hatte, zurück, um seinen dort noch liegenden Bauchbeutel zu holen und mit diesem den Tatort zu verlassen (UA S. 11 f.). Als der Angeklagte das Handy des Geschädigten auf dem Schreibtisch liegen sah, fasste er einen völlig neuen Tatentschluss (vgl. UA S. 34; zur Bedeutung des neuen Tatentschlusses im Hinblick auf eine neue prozessuale Tat vgl. BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 29 m.w.N.). Der Wegnahmevorsatz war auch - anders als der Körperverletzungsvorsatz - nach den Feststellungen nicht durch den Ärger über den Geschädigten motiviert, es ging dem Angeklagten nicht um eine 'weitere Schädigung des Zeugen mit anderen Mitteln'. Die Kammer hat lediglich festgestellt, dass der Angeklagte die Gelegenheit nutzte, sich ein funktionierendes Handy zu verschaffen, während sein eigenes nicht mehr funktionsfähig war (UA S. 9, 12, 36).
Es kommt hinzu, dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren hinsichtlich der Diebstahlstat gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt hatte. Selbst wenn es sich - hypothetisch - prozessual um dieselbe Tat gehandelt hätte, so dass keine Nachtragsanklage erforderlich gewesen wäre, fehlte es an der erforderlichen Wiederaufnahme des Verfahrens. Ein solcher actus contrarius war hier nicht
gegeben, zumal die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft lediglich auf eine Verurteilung wegen einer Tat der gefährlichen Körperverletzung angetragen hat (Bl. 150 Bd. II d.A.). Auch die fehlende Wiederaufnahme nach einer Verfahrenseinstellung gemäß § 154 StPO stellt ein Verfahrenshindernis dar (vgl. Meyer -Goßner aaO Rdnr. 22a)."
- 3
- Dem stimmt der Senat zu.
- 4
- Im verbleibenden Umfang der Verurteilung hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.