Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Mai 2018 - 3 StR 664/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 15. Mai 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
a) im Urteilstenor dahin berichtigt, dass das Urteil des Amtsgerichts Varel mit dem Aktenzeichen 41 Ds 124/15 vom 3. Mai 2016 einbezogen ist,
b) hinsichtlich der Einziehungsanordnung aufgehoben; diese entfällt.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte unter Einbeziehung zweier vorangegangener Urteile des Amtsgerichts Varel wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungs- formel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Der Urteilstenor war zu berichtigen, weil die genannte einbezogene Entscheidung des Amtsgerichts Varel ausweislich der von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmenden Anklageschrift und entsprechend Seite vier der Urteilsgründe tatsächlich vom 3. Mai 2016 (und nicht vom 2. Mai 2016, wie im Urteilstenor irrtümlich angegeben) datiert.
- 3
- 2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zu Ungunsten der Angeklagten ergeben.
- 4
- 3. Auch die Entscheidung, von der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abzusehen, hat im Ergebnis Bestand. Insoweit erscheint es zwar nicht unbedenklich, dass die Strafkammer das Vorliegen eines Hangs zum übermäßigen Konsum von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln verneint hat, ohne sich damit auseinanderzusetzen, dass die Angeklagte und ihre Mittäterin vor der Begehung der Tat aus Hildesheim nach Oldenburg reisten, um aus der Jugendhilfeeinrichtung Wertgegenstände abzuholen, weil sie Geld für Alkohol und Drogen benötigten, und zur Beschaffung von Geld, mit dem sie sich in Amsterdam "ein schönes Leben" machen wollten, sogar die Begehung eines Raubmordes erwogen. Der Senat kann der Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Einheitsjugendstrafe zur Bewährung jedoch entnehmen, dass das Landgericht mit tragfähiger Begründung letztlich auch die Gefahr verneint hat, die Angeklagte werde ohne die Anordnung der Unterbringung infolge ihres Hangs weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen.
- 5
- 4. Die Entscheidung über die Einziehung des nur von der anderweitig verfolgten Mittäterin verwendeten Messers hält indes revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Einziehung ohne nähere Ausführungen auf § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB aF gestützt. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft.
- 6
- Zutreffend ist das Landgericht von der Anwendbarkeit des zur Tatzeit im Januar 2017 geltenden alten Rechts ausgegangen: Durch die Neuregelungen in dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I, S. 872) ist die Rechtslage betreffend die Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten inhaltlich nicht geändert worden (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 74 Rn. 1); die Übergangsregelung in § 316h EGStGB gilt insoweit nicht. Nach § 2 Abs. 5 StGB gelten deshalb die Regelungen des § 2 Abs. 1 bis 4 StGB; da das neue Recht nicht im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB milder ist, bleibt es bei der Anwendbarkeit des zur Tatzeit geltenden Rechts (§ 2 Abs. 1 StGB).
- 7
- Die Einziehung des Messers durfte gegenüber der Angeklagten nicht angeordnet werden, weil die Tat, wegen der sie verurteilt worden ist - eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB (Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich) - nicht mittels des Messers als gefährlichen Werkzeugs begangen wurde: Den Angriff mit dem Messer führte allein die gesondert verfolgte Mittäterin der Angeklagten aus; die Strafkammer hat der Angeklagten diese Handlung, die sie zum Tatzeitpunkt weder wollte noch vorhersehen konnte, deshalb rechtsbedenkenfrei nicht zugerechnet. Die Voraussetzungen von § 74 Abs. 1 StGB aF, der insoweit auch Bedingung für eine Sicherungseinziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB aF war (vgl.
Becker Gericke Berg Hoch Leplow
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.
(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.
(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.
(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.
(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.
(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.
(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.
(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.
(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.
(1) Wer die Körperverletzung
- 1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, - 2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, - 3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls, - 4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder - 5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
(2) Der Versuch ist strafbar.
(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.
(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.
(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.