Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Sept. 2019 - 3 StR 355/19
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 17. September 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig
beschlossen:
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten des Diebstahls in 14 Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, des versuchten Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, der versuchten gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gesprochen. Es hat gegen ihn drei Gesamtstrafen festgesetzt, und zwar - eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Hannover vom 21. November 2017 und Einbeziehung der Einzelgeldstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 14. August 2017, dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 4. September 2017 und dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 7. Dezember 2017 unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe, - eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 24. Mai 2018 verhängten Geldstrafe sowie - eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten.
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- Zudem hat es die Anordnung der im Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 4. September 2017 sowie der im Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 7. Dezember 2017 jeweils angeordneten Sperrfrist aufrechterhalten und überdies bestimmt, dass dem Angeklagten vor Ablauf von drei Jahren keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf. Schließlich hat es die Einziehung diverser Durchlauferhitzer sowie des Wertes von Taterträgen angeordnet. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts und erhebt zudem Verfahrensbeschwerden. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Begründung, mit der das Landgericht eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB abgelehnt hat, weist zwar einen Rechtsfehler auf. Hierauf beruht das Urteil aber nicht.
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- Die Strafkammer ist bei der Prüfung eines Hangs, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, von einem unzutreffenden Maßstab ausgegangen. Sie hat unter Bezugnahme auf eine Kommentarstelle (Fischer, StGB, 66. Aufl., § 64 Rn. 7) zu Unrecht angenommen , ein übermäßiger Konsum setze eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit , Arbeits- und Leistungsfähigkeit voraus. Indes entspricht es der Rechtsprechung sämtlicher Strafsenate des Bundesgerichtshofs, dass eine erhebliche Beeinträchtigung von Gesundheit, Arbeits- und/oder Leistungsfähigkeit lediglich indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hangs haben kann, das Fehlen solcher Beeinträchtigungen die Bejahung eines Hangs aber nicht ausschließt (vgl. jeweils mwN etwa BGH, Beschlüsse vom 10. November 2015 - 1 StR 482/15, NStZ-RR 2016, 113, 114; vom 12. März 2019 - 2 StR 584/18, juris Rn. 19; vom 10. Januar 2018 - 3 StR 563/17, juris Rn. 7; vom 27. November 2018 - 3 StR 299/18, NStZ 2019, 265, 266; vom 27. September2018 - 4 StR 276/18, StV 2019, 261, 262; vom 30. Juni 2015 - 5 StR 215/15, juris Rn. 8; s. auch Fischer, StGB, 66. Aufl., § 64 Rn. 10a).
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- Allerdings hat das Landgericht tragfähig ausgeführt, dass kein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang und den Straftaten bestehe.
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- 2. Die mit Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 4. September 2017 angeordnete Sperre für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis (§ 69a Abs. 1 Satz 1 StGB) kann keinen Bestand haben. Sie endete nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen mit Ablauf des 25. September 2018, somit vor der Verkündung des angefochtenen Urteils am 22. Februar 2019. Weil die Sperre demnach bereits zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung gegenstandslos im Sinne des § 55 Abs. 2 StGB war, hat die Anordnung ihrer Auf- rechterhaltung zu entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2018 - 3 StR 81/18, juris Rn. 3 mwN).
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- Dagegen lief die durch Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 7. Dezember 2017 bestimmte Sperre erst mit dem 14. Juni 2019 ab, so dass deren Aufrechterhaltung durch das Landgericht rechtsfehlerfrei war.
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- Da im Übrigen die Taten, die das Landgericht zur Begründung einer weiteren Sperre herangezogen hat, nicht diejenige Strafe betreffen, die in die Gesamtstrafe mit den durch das Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 7. Dezember 2017 verhängten Strafen eingegangen ist, kann in der gegebenen Konstellation auch die Anordnung einer weiteren Sperre bestehen bleiben (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 1993 - 3 StR 560/92, BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 2; Urteil vom 26. August 1971 - 4 StR 296/71, BGHSt 24, 205, 207; MüKoStGB/Athing/von Heintschel-Heinegg, 3. Aufl., § 69a Rn. 38).
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- 3. Der geringfügige Teilerfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen , den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Gericke Spaniol Berg Anstötz Erbguth
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.
(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.
(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.
(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.
(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.
(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.