Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Nov. 2009 - 3 StR 355/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Ergänzend zu der Begründung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat: Die Rüge, das Landgericht habe den Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens fehlerhaft abgelehnt, ist zulässig erhoben. Einer Mitteilung des schriftlichen Sachverständigengutachtens durch die Beschwerdeführerin bedurfte es nicht, da weder der Beweisantrag noch der ablehnende Gerichtsbeschluss auf Umstände abgehoben haben, die sich aus dem Text des Gutachtens hätten ergeben können. Eine Konstellation, wie sie dem Beschluss des Senats vom 16. Oktober 1998 - 3 StR 335/98 (StV 1999, 195, Ls.) zugrunde gelegen hatte, war nicht gegeben.
In der Sache hält der Beschluss rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat den Antrag abgelehnt und zur Begründung lediglich ausgeführt, es sei weder anzunehmen, dass der gehörte Sachverständige nicht über ausreichende Sachkunde noch dass ein anderer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel verfüge. Damit fehlt es an der für eine Ablehnung nach § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO vorrangig erforderlichen Überzeugung des Gerichts, das Gegenteil der behaupteten Tatsache sei durch das frühere Gutachten bereits erwiesen. Unter Beweis gestellt war, dass Bodenspuren vom Fahrzeug und den Schuhen des Angeklagten mit am Tatort gesicherten Bodenproben "übereinstimmen". Das Gegenteil, nämlich dass Spuren und Proben nicht übereinstimmen, hat das Landgericht in dem Beschluss - und auch in seinem Urteil - nicht dargelegt.
Der Senat kann ausschließen, dass das Urteil, das im Übrigen durch eine sorgfältige Beweiswürdigung auffällt, auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags beruht. Das Landgericht hat sich ausführlich mit dem Gutachten des gehörten Sachverständigen auseinandergesetzt und dargelegt, warum es sich - beim Fehlen von individuellen außergewöhnlichen Beimengungen wie Öl oder anderen im Boden enthaltenen Stoffen - allein aufgrund der Übereinstimmung der Spuren mit drei von ca. 100 gezogenen Proben in Farbgebung und Korngrößenverteilung - nicht davon überzeugen konnte, dass sich der Angeklagte oder sein Fahrzeug am Tatort befunden hatten. Es hat damit lediglich die Wertung des Sachverständigen, dies sei "wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich" der Fall gewesen, nicht nachvollzogen und dabei auch dessen Ausführungen berücksichtigt, wonach Spuren und Proben in Farbe und Korngrößenverteilung (nur zufällig) übereinstimmen könnten, obwohl sie von verschiedenen Orten stammen würden. Dass ein weiterer Sachverständiger dem Landgericht hierzu zusätzliche Erkenntnismöglichkeiten für seine Überzeugungsbildung hätte vermitteln können, wird von der Nebenklage weder in dem Beweisantrag noch in der Revisionsbegründung aufgezeigt und ist auch unabhängig hiervon nicht ersichtlich.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Schäfer
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.