Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Juli 2013 - 3 StR 205/13

bei uns veröffentlicht am23.07.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 205/13
vom
23. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 23. Juli
2013 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 1. Februar 2013, soweit es den Angeklagten R. betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Strafausspruch,
b) soweit das Landgericht keine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt getroffen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. - unter Freisprechung im Übrigen - wegen schweren Raubes, schwerer räuberischen Erpressung und versuchter schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zur Jugendstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Das Rechtsmittel hat mit der Sachbeschwerde den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht. Auch die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei in den Fällen B I. 3. und 5. der Urteilsgründe, in denen er jeweils wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung verurteilt worden ist, nicht gemäß § 24 StGB strafbefreiend von der versuchten Tat zurückgetreten, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
3
a) Das Landgericht hat insoweit festgestellt:
4
Im Fall B I. 3. der Urteilsgründe überfielen der Angeklagte und die drei Mitangeklagten ein Imbisslokal. Einer der Täter bedrohte die anwesende Reinigungskraft mit einer ungeladenen Selbstladepistole, ein anderer forderte sie auf, die Kasse zu öffnen und schob sie in deren Richtung. Noch bevor dieser Täter mit der Reinigungskraft die Kasse erreicht hatte, betrat der kurz abwesende Imbissinhaber das Lokal, worauf nun der Täter mit der Waffe diesen bedrohte und sein Tatgenosse äußerte: "Geld raus". Der Imbissinhaber antworte- te: "Es gibt kein Geld" und fügte sodann hinzu: "Nichts gibt’s". Daraufhin liefen die Angeklagten zügig aus dem Lokal, verschwanden in eine seitlich abgehende Gasse und fuhren mit einem Auto davon.
5
Im Fall B I. 5. der Urteilsgründe überfielen der Angeklagte und zwei Tatgenossen einen Imbiss. Nachdem der Angeklagte zwei Gäste des Lokals vergeblich mit einer ungeladenen Selbstladepistole bedroht hatte, einer der beiden auf seine Forderung: "Geld her" nicht wie gewollt reagiert und der Imbissbetreiber die drei Täter mit den Worten "raus" und "ihr habt wohl ne Macke" angeherrscht hatte, verließen die Täter das Lokal und rannten davon.
6
b) In beiden Fällen hat das Landgericht einen fehlgeschlagenen Versuch angenommen. Dies lässt bei einer Gesamtschau der Urteilsgründe keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
7
Ein Versuch ist fehlgeschlagen und damit ein strafbefreiender Rücktritt nicht mehr möglich, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung entweder erkennt, dass der erstrebte Taterfolg im unmittelbaren Handlungsfortgang unter Einsatz der zur Hand liegenden Tatmittel objektiv nicht mehr erreicht werden kann, oder wenn er dies zumindest subjektiv nicht mehr für möglich hält. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt dagegen nicht vor, wenn der Täter nach anfänglichem Misslingen des vorgestellten Tatablaufes unmittelbar zu der Annahme gelangt, er könne ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln die Tat noch vollenden (s. nur BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 228 mwN). Entscheidend ist danach nicht, ob der Angeklagte seinen ursprünglichen Tatplan nicht verwirklichen konnte, sondern ob ihm - infolge einer Veränderung der Handlungssituation oder aufkommender innerer Hemmungen - das Erreichen seines Zieles nicht mehr möglich erschien (vgl. BGH, aaO). War der Angeklagte aber noch "Herr seiner Entschlüsse", hielt er die Ausführung der Tat - wenn auch mit anderen Mitteln - noch für möglich, dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (vgl. BGH, Be- schluss vom 26. September 2006 - 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91). Der Tatplan kann daher nur insoweit eine Rolle spielen, als eine vom Täter nach dem Scheitern seiner bisherigen Bemühungen erkannte Notwendigkeit, Tathandlung und -ablauf grundlegend zu ändern oder ein ganz anderes als das bisher verwendete Tatmittel einzusetzen, die Annahme eines Fehlschlags nahe legt (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2007 - 2 StR 336/07, NStZ 2008, 393).
8
Diesen Maßstäben wird das Landgericht letztlich gerecht. Zwar hat es seine Feststellung, der Angeklagte und seine jeweiligen Mittäter hätten ihr Vorhaben in beiden Fällen als fehlgeschlagen erachtet, wesentlich damit unterlegt, dass die als Drohmittel verwendeten ungeladenen Pistolen ihre beabsichtigte Wirkung verfehlt hätten, es der Tatplanung entsprochen habe, die Beute nur durch Drohung mit den Pistolen zu erlangen, und zur Überwindung etwaigen Widerstands deren anderweitiger Einsatz, etwa als Schlaginstrument, genauso wenig vorgesehen gewesen sei wie die Anwendung sonstiger Gewalt oder anderweitiger Drohung. Indes wird aus der rechtlichen Würdigung des Landgerichts hinreichend deutlich, dass es damit keinen falschen rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt und den Fehlschlag der beiden Versuchstaten allein aus dem Misslingen des jeweiligen ursprünglichen Tatplans abgeleitet hat; denn es hat sich ausdrücklich auf das Urteil des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Mai 2010 (2 StR 278/09, NStZ 2010, 690, 691) bezogen, dem die oben zitierte (neuere) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegt. Daraus erhellt hinreichend, dass die Darlegungen des Landgerichts zum Misslingen des jeweiligen Tatplans nicht das allein tragende Element für die Annahme fehlgeschlagener Versuche benennen, sondern lediglich die nähere Begründung dafür liefern, warum den Tätern das Scheitern des Vorhabens klar war (UA S. 21) bzw. sie sofort erkannten, dass es "hier nichts zu holen gab" (UA S. 24), nämlich weil ihnen - zumindest nach ihrer Vorstellung und subjektiven Handlungsmöglichkeiten - keine anderen Tatmittel zur Verfügung standen, die die Erlangung der erstrebten Beute noch ermöglicht hätten.
9
2. Der Ausspruch über die Rechtsfolgen hält hingegen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat die Prüfung der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen , obwohl sich diese nach den Urteilsfeststellungen zum Konsum des Angeklagten von Alkohol und illegalen Drogen und dessen Auswirkungen aufdrängte. Dies führt hier auch zur Aufhebung der gegen den Angeklagten verhängten Jugendstrafe.
10
Das Landgericht hat festgestellt, dass der zu den Tatzeiten (22. bis 29. April 2012) 17 Jahre alte Angeklagte etwa ab Herbst 2010 begann, Cannabis zu rauchen, anfangs wöchentlich ein- bis zweimal. Ab Anfang des Jahres 2011 konsumierte er regelmäßig Marihuana, wenn er Geld hatte täglich und bis zu zwei Gramm; er trank jetzt häufiger Alkohol, auch "schon mal" im Übermaß, aber nicht täglich. Bis zu zweimal wöchentlich nahm er neben dem Cannabis oder dem Alkohol auch Amphetamine (Pep) und alle paar Tage auch Subutex zu sich und zwar nach Zerreiben der Tabletten jeweils nasal. Zur Schuldfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeiten hat die sachverständig beratene Jugendkammer festgestellt, dass sich die Rauschmittelkonsumgewohnheiten des Angeklagten zu einem Abhängigkeitssyndrom von multiplen Substanzen (ICD 10: F 19.2) entwickelt habe. Im Rahmen der Strafzumessung hat das Landgericht das Vorliegen schädlicher Neigungen des Angeklagten im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG bejaht und dabei auch berücksichtigt, dass "er nach früh begonnenem schädlichen Gebrauch in ein Rauschmittelkonsumverhalten abgeglitten" sei, das "bereits als Abhängigkeitssyndrom zu betrachten" sei.
11
Diese Feststellungen und Wertungen legen es nahe, dass bei dem Angeklagten der Hang im Sinne von § 64 StGB gegeben ist, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Daher hätte das Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind, zumal den Gründen des angefochtenen Urteils insgesamt nicht zu entnehmen ist, dass die weiteren Voraussetzungen der Unterbringung gemäß § 64 StGB nicht erfüllt sind.
12
Die Nachholung der Unterbringungsanordnung ist nicht deshalb ausgeschlossen , weil allein der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Der Umstand, dass die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt den Angeklagten nicht beschwert, hindert das Revisionsgericht nicht, auf eine zulässig erhobene - und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362) - Revision des Angeklagten das Urteil insoweit aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen dazu gedrängt haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Januar 2009 - 3 StR 458/08, BGHR StGB § 64 Ablehnung 11 mwN). Zur Prüfung der Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB bedarf es der Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO).
13
Der aufgezeigte Rechtsfehler lässt hier den Strafausspruch nicht unberührt. Der Senat kann unter den gegebenen Umständen nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt in Anwendung von § 5 Abs. 3 JGG davon abgesehen hätte, gegen den Angeklagten eine Jugendstrafe zu verhängen. Der neue Tatrichter wird daher über den Strafausspruch und die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt erneut zu befinden haben.
Becker Hubert Schäfer Mayer Spaniol

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

Strafprozeßordnung - StPO | § 358 Bindung des Tatgerichts; Verbot der Schlechterstellung


(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urte

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

Strafprozeßordnung - StPO | § 246a Vernehmung eines Sachverständigen vor Entscheidung über eine Unterbringung


(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Ange

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 17 Form und Voraussetzungen


(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung. (2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 5 Die Folgen der Jugendstraftat


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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 347/06
vom
26. September 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
zu Ziff. 1. und 2.: wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
zu Ziff. 3.: wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 26. September 2006 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 5. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
2
- den Angeklagten H. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubtem Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren;
3
- den Angeklagten N. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung und mit Beihilfe zum unerlaubten Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und
4
- den Angeklagten M. wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung und zum unerlaubten Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
5
Ferner hat es die Einziehung eines Kraftfahrzeugs des Angeklagten H. angeordnet.
6
Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.
7
Die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts der Angeklagten H. und N. von dem mittäterschaftlich begangenen Versuch der schweren räuberischen Erpressung und des Angeklagten M. von der hierzu geleisteten Beihilfe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
1. Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte H. - notfalls mit Gewalt - die Herausgabe eines Spielautomaten erzwingen, obwohl er entgegen den getroffenen Vereinbarungen den Kaufpreis nicht bezahlt hatte. Die Angeklagten N. und M. fuhren mit dem Angeklagten H. zu der Halle der Spielautomatenfirma, um den Angeklagten H. bei seinem Vorhaben zu unterstützen. Die zuvor vom Angeklagten H. beschaffte funktionsfähige Pumpgun, die mit mindestens sechs Plastikschrotpatronen geladen und gesichert war, sollte lediglich als Drohmittel eingesetzt werden. Während der Angeklagte M. zunächst in dem Pkw des Angeklagten H. , in dem die Pumpgun verblieb, wartete, gingen die Angeklagten H. und N. in die Halle. Gemeinsam versuchten sie den Verkäufer Serkan A. zur Herausgabe des Spielautomaten zu veranlassen. Der Angeklagte H. bedrohte Serkan A. und Sinan Ö. , der beschwichtigen wollte, mit einem Klappmesser. Nachdem der Angeklagte H. das Messer beiseite geworfen hatte, veranlasste er den Angeklagten N. , die Pumpgun zu holen. Als dieser mit der Waffe in die Halle zurückkehrte und sie dem Angeklagten H. aushändigte , kam der Angeklagte M. in die Halle, um durch seine Anwesenheit dazu beizutragen, dass der Angeklagte H. sein Vorhaben durchsetzen konnte. Der Angeklagte H. richtete die Waffe auf Serkan A. und Sinan Ö. . Er repetierte dreimal, so dass jeweils eine Schrotpatrone aus der Waffe ausgeworfen wurde, und schlug auf Sinan Ö. , der ihm die Waffe aus der Hand reißen wollte, mit dem Griffstück der Pumpgun ein. Um sich weiterer Angriffe zu erwehren, ergriff Sinan Ö. einen Monitor und warf ihn in Richtung des Angeklagten H. . Danach verließen die Angeklagten unter Mitnahme der noch mit mindestens drei Patronen geladenen Pumpgun die Halle.
9
2. Die Frage eines strafbefreienden Rücktritts hat das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung nur hinsichtlich des Angeklagten H. näher erörtert und einen Rücktritt "entsprechend § 24 StGB" verneint, weil "alleiniger Grund für die Aufgabe der weiteren Tatausführung war, dass der Angeklagte H. erkennen musste und auch erkannt hat, dass er allein durch Drohungen den Automaten nicht erhalten würde. Der Zeuge Sinan Ö. , der dem Verkäufer A. zu Hilfe geeilt war, ließ sich weder durch das Messer noch die Pumpgun nachhaltig beeindrucken. Ein möglicher scharfer Schusswaffengebrauch, um doch noch das Geldspielgerät zu bekommen, war vom Angeklagten H. aber nicht beabsichtigt und gewollt. Der Versuch der Erpressung war damit mit den zur Verfügung stehenden Tatmitteln gescheitert und fehlgeschlagen".
10
Diese Begründung lässt besorgen, dass die Strafkammer dem Tatplan für die Beurteilung der Rücktrittsfrage eine Bedeutung zugemessen hat, die ihr nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr zukommt (vgl. BGHSt 31, 170, 175; 35, 90, 93; 39, 221, 227). Entscheidend ist danach nicht, ob der Angeklagte seinen ursprünglichen Tatplan nicht verwirklichen konnte, sondern ob ihm infolge einer Veränderung der Handlungssituation oder aufkommender innerer Hemmungen das Erreichen seines Zieles nicht mehr möglich erschien. War der Angeklagte aber noch Herr seiner Entschlüsse, hielt er die Ausführung der Tat - wenn auch mit anderen Mitteln - noch für möglich , dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Angeklagte aus sittlich billigenswerten Motiven oder aus anderen Gründen von weiteren Angriffen absah (vgl. BGH StV 1993, 189; StV 2003, 217, jew. m.w.N.).
11
Die Frage, ob nach den vorgenannten Grundsätzen ein fehlgeschlagener Versuch, oder was nach den bisherigen Feststellungen nahe liegt, ein unbeendeter Versuch vorliegt, hätte gemäß § 28 Abs. 2 StGB für jeden Angeklagten gesonderter Prüfung bedurft. Zwar haben die Angeklagten H. und N. als Mittäter und der Angeklagte M. als Gehilfe gehandelt, so dass die Vorschrift des § 24 Abs. 2 StGB zu erörtern war. Auch wenn danach der Rücktritt eines Tatbeteiligten nicht ohne Weiteres zu Gunsten anderer Tatbeteiligter wirkt, kann es hierfür jedoch ausreichen, wenn die Tatbeteiligten nach unbeendetem Versuch einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies hätten tun können (vgl. BGHSt 42, 158, 162; 44, 204, 208; BGH StraFo 2003, 207), wobei es ausreicht, dass ein Tatbeteiligter mit dem die Tatvollendung verhindernden Rücktritt eines anderen Tatbeteiligten einverstanden ist (vgl. BGHSt 44, 204, 208 m.w.N.). Da nach den bisherigen Feststellungen, auch soweit es die Angeklagten N. und M. betrifft, die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts in Betracht kommt, bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
VRi'inBGH Dr. Tepperwien RiBGH Maatz ist Athing ist krankheitsbedingt an der urlaubsbedingt an der Unterzeichnung gehindert. Unterzeichnung gehindert. Athing Athing
Solin-Stojanović Ernemann

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.

(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 458/08
vom
7. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
7. Januar 2009 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 12. Juni 2008 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung zur Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren sowie wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in sieben Fällen, davon in fünf Fällen jeweils in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, sowie wegen Urkundenfälschung zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Zum Schuld- und Strafausspruch hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3
Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahm der Angeklagte seit 2003 bis zu seiner Festnahme im November 2007 Kokain zu sich und benötigte zuletzt pro Woche ca. vier bis fünf Gramm des Betäubungsmittels. Die abgeurteilten Straftaten beging der Angeklagte, um sich Drogen zu beschaffen und seine finanzielle Notlage zu verbessern. Dies drängte zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind.
4
Über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss nach alledem - unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte nicht gefährlich im Sinne dieser Vorschrift ist oder keine hinreichend konkrete Aussicht besteht, ihn durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt von seinem Hang zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren (§ 64 Satz 2 StGB), sind nicht ersichtlich.
5
Der Generalbundesanwalt hat die Verwerfung der Revision des Angeklagten beantragt und im Hinblick auf die fehlende Entscheidung zu § 64 StGB ausgeführt, der Beschwerdeführer sei durch die Nichtanordnung der Maßregel nicht beschwert. Insoweit gilt Folgendes:
6
Die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB beschwert den Angeklagten nach bisheriger Rechtsprechung nicht. Dies führt zur Unzulässigkeit eines Rechtsmittels des Angeklagten, mit dem dieser allein die Nichtanordnung der Maßregel beanstandet (st. Rspr.; BGHSt 28, 327, 330; 37, 5, 7; 38, 4, 7; 38, 362, 363; BGH NStZ-RR 2008, 142). Dies hindert das Revisionsgericht indes nicht, auf eine zulässig erhobene - und die Nichtanwendung des § 64 StGB nicht ausdrücklich vom Angriff ausnehmende (vgl. BGHSt 38, 362 f.) - Revision des Angeklagten das Urteil aufzuheben, wenn eine Prüfung der Maßregel unterblieben ist, obwohl die tatrichterlichen Feststellungen dazu gedrängt haben (st. Rspr.; BGHSt 37, 5; BGH, Beschl. vom 5. Februar 2002 - 1 StR 9/02; Beschl. vom 20. Februar 2008 - 2 StR 37/08; Beschl. vom 3. März 2008 - 3 StR 51/08; Beschl. vom 7. Oktober 2008 - 4 StR 257/08; Beschl. vom 13. November 2008 - 5 StR 507/08). Aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit ist das Revisionsgericht nicht gezwungen, auch bei solchen Rechtsfehlern einzugreifen, die den Angeklagten nicht beschweren. Die Berechtigung zu einem Eingriff ist dadurch nicht berührt. "Durch das Verschlechterungsverbot ist der Angeklagte nur davor geschützt, dass das Urteil in Art und Höhe der Strafe zu seinem Nachteil geändert wird. Eine Verschärfung im Schuldspruch muss er dagegen mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf nehmen (BGHSt 21, 256, 260; BGH JZ 1978, 245). Ebenso wenig ist er davor bewahrt, dass in der Rechtsmittelinstanz oder nach Zurückverweisung die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet wird (§ 331 Abs. 2, § 358 Abs. 2 Satz 2 [jetzt: Satz 3] StPO). Auch diese Folge nimmt er mit der Einlegung des Rechtsmittels in Kauf. Deshalb kann das Revisionsgericht, ohne dass es auf eine Beschwer des Angeklagten ankommt, auf die Sachrüge in den Rechtsfolgenausspruch eingreifen, sofern dieser keine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt enthält" (BGHSt 37,

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An dieser Möglichkeit des Revisionsgerichts hat die Novellierung der §§ 64, 67 StGB durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 (BGBl I 1327) nichts geändert. Gegenteiliges kann auch dem Beschluss vom 22. Januar 2008 - 1 StR 607/07 - (juris - bei dem in NStZ 2008, 353 abgedruckten Beschluss vom selben Tag unter demselben Aktenzeichen handelt es sich um eine Parallelsache) nicht entnommen werden. Der 1. Strafsenat hat in dieser Sache der Revision des Angeklagten, mit der neben anderen Beanstandungen auch die Nichtanwendung des § 64 StGB gerügt worden war, den Erfolg versagt, weil "die Strafkammer bei der Prüfung und Verneinung der Notwendigkeit einer Unterbringung von zutreffenden Maßstäben ausgegangen ist" (BGH aaO). Auf eine Beschwer des Angeklagten kam es, nachdem die Prüfung einen Rechtsfehler gerade nicht erbracht hatte, nicht an.
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Der Senat kann ausschließen, dass der Tatrichter bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch kann deshalb bestehen bleiben.
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Der neue Tatrichter wird im Falle der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB über die Reihenfolge der Vollstreckung von Strafe und Maßregel zu befinden haben (vgl. BGH NStZ 2008, 28; NStZ-RR 2008, 74). Die Dreijahresgrenze des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB ist auch überschritten, wenn - wie hier - zwei Gesamtstrafen gebildet worden sind, die nur zusammen mehr als drei Jah- re betragen. Bei Vorwegvollzug eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe wird es für dessen Berechnung notwendig sein, die für den Angeklagten voraussichtlich erforderliche Therapiedauer zu bestimmen. Becker Miebach Pfister Sost-Scheible Hubert

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.

(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.

(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.

(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.

(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen.

(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.