Bundesgerichtshof Beschluss, 29. März 2017 - 2 StR 78/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – am 29. März 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) im Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Angeklagte des besonders schweren räuberischen Diebstahls schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Da der Angeklagte – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat (UA S. 14 f.) – neben dem Grundtatbestand des § 252 StGB auch die Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB erfüllt hat, war die Verwirklichung dieses Qualifikationsmerkmals im Schuldspruch durch die Bezeichnung der Tat als besonders schwerer räuberischer Diebstahl zum Ausdruck zu bringen (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschluss vom 3. Januar 2017 – 2 StR 467/16 mwN; BGH, Beschluss vom 3. September 2009 – 3 StR 297/09, NStZ 2010, 101; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 260 Rn. 25a).
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- 2. Die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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- a) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte der Angeklagte seit dem Jahr 2000 mit phasenweisen Unterbrechungen immer wieder Heroin. Seit dieser Zeit beging er zunehmend Diebstahlsdelikte, weswegen gegen ihn mehrfach Freiheitsstrafen verhängt wurden. So wurde er im Jahr 2004 wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (Erwerb von Heroin) in 25 Fällen sowie wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt, die er – nach Widerruf der Zurückstellung der Strafvollstreckung – vollständig verbüßte (UA S. 5). Wegen eines Drogenrückfalls im Jahr 2009 kam es unter anderem zur Trennung von seiner Lebensgefährtin. In der Folgezeit absolvierte er erstmals eine Drogentherapie und arbeitete anschließend in einer Logistikfirma. Kurz vor der verfahrensgegenständlichen Tat hatte der Angeklagte einen erneuten Rückfall. Seine Lebensgefährtin trennte sich von ihm, er verlor seinen Arbeitsplatz und blieb in der Frankfurter Drogen- szene „hängen“ (UA S. 4).Nach den auf seiner Einlassung beruhenden Fest- stellungen konsumierte er am Tattag ein halbes Gramm Heroin und kurz vor der Tat ein halbes Gramm Kokain. Den Alkohol entwendete er, um „wieder runter zu kommen“ (UA S. 9 f.).Aktuell hat sich der Angeklagte aus der Haft mit der Bitte um Unterstützung und Therapie an mehrere Suchtberatungs- und Lebenshilfeorganisationen gewandt, die ihn zum Teil auf ihre Wartelisten gesetzt haben (UA S. 9).
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- b) Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht prüfen und entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB vorliegen. Angesichts des festgestellten (langjährigen) Konsums von Heroin liegt ein Hang des Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, nahe. Gleiches gilt für den Symptomcharakter der festgestellten Tat. Die Angaben des Angeklagten zu seiner Tatmotivation deuten darauf hin, dass ein Fall vorliegt, bei dem der Hang neben anderen Ursachen zur Begehung der Tat beigetragen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 174/13 mwN; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 64 Rn. 13). Nach den bisher getroffenen Feststellungen erscheint eine Suchtbehandlung auch nicht von vorneherein aussichtslos, zumal der Angeklagte selbst bestrebt ist, sich von seinem Drogenkonsum zu lösen.
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- c) Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert eine Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; Senat, Beschluss vom 28. Januar 2016 – 2 StR 424/15; BGH, Urteil vom 10. April 1990 – 1 StR9/90, BGHSt 37, 5, 7 ff.), da er die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen hat (vgl. Senat , Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362, 363; Beschluss vom 5. November 2015 – 2 StR 373/15).
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- d) Die Frage der Maßregelanordnung bedarf daher unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben, da auszuschließen ist, dass die Strafkammer bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Appl Krehl Zeng Bartel Grube
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen.
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.