Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2013 - 2 StR 64/13

bei uns veröffentlicht am10.10.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 64/13
vom
10. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Brandstiftung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Oktober 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 24. Oktober 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) hinsichtlich Fälle II. 1 bis 3 der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung und versuchten Betrugs in zwei Fällen (Fälle II. 1 bis 3 der Urteilsgründe) unter Einbeziehung von (in den Urteilsgründen nicht mitgeteilten) früheren Einzelgeldstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie wegen Betrugs in 23 Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersicht-
lichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 1. Das Landgericht hat hinsichtlich der Fälle II. 1 bis 3 der Urteilsgründe folgendes festgestellt:
a) Der Angeklagte setzte sein von ihm allein bewohntes Haus, an dessen Seite ein Mehrfamilienhaus unmittelbar angebaut war, in der Absicht in Brand, die Versicherungsleistungen aus der Hausrats- und Wohngebäudeversicherung geltend zu machen. Dem Angeklagten „war bewusst, dass im Nachbarhaus die schwer lungenkranke Zeugin V. bei geöffnetem, zu seinem Haus hin gelegenen Fenster schlief und durch die Rauchgase an ihrer Gesundheit gefährdet werden würde“ (UA S. 11). Nachdem das Haus „in voller Ausdehnung“ brannte, „bestand die Gefahr eines Übergreifens der Flammen auf das angrenzende Mehrfamilienhaus sowie einer Rauchgas-Verletzung der dortigen Bewohner, vor allem der schwer lungenkranken Frau V. “ (UA S. 12;Fall II. 1 der Urteilsgründe

).


b) Am nächsten Morgen meldete der Angeklagte den Brand telefonisch der Versicherung. Am selben Tag versandte er zudem an die Versicherung eine schriftliche Schadensmeldung, wobei er den Eindruck erweckte, mit dem Brand nichts zu tun zu haben. Er beabsichtigte, eine Deckungszusage von der Versicherung zu erhalten, „obgleich er wusste, hierauf keinen Anspruch zu haben“ (UA S. 12). Die Versicherung erkannte den geltend gemachten Anspruch nicht an und leistete keine Zahlungen (Fall II. 2 der Urteilsgründe).
c) Etwa vier Monate nach dem Brand erhob der Angeklagte gegen die Versicherung Klage auf Zahlung von Schadensersatz, wobei er verschwieg, „auf eine solche Zahlung aufgrund der von ihm begangenen Brandstiftungkeinen Anspruch zu haben“. Zu der von ihm angestrebten Verurteilung der Versi-
cherung kam es nicht, da der Angeklagte die Klage nach einem Hinweis des Vorsitzenden der Zivilkammer auf „mangelnde Fälligkeit der Forderung“ zurücknahm (UA S. 14; Fall II. 3 der Urteilsgründe). 2. Die hinsichtlich der Fälle II. 1 bis 3 der Urteilsgründe getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung und versuchten Betrugs in zwei Fällen nicht; auf die insoweit erhobenen Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
a) Die Annahme des Landgerichts, durch die Tat sei die Zeugin V. in die Gefahr einer Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 306a Abs. 2 StGB gebracht worden, wird durch die Feststellungen nicht ausreichend belegt. § 306a Abs. 2 StGB setzt als konkretes Gefährdungsdelikt voraus, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut – die Gesundheit eines Menschen – führt. In dieser Lage muss – was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt sein, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob ihre Gesundheit verletzt wird oder nicht. Zur Annahme einer konkreten Gesundheitsgefährdung in diesem Sinne reicht es noch nicht aus, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 – 3 StR 441/08, BGHR StGB § 306a Abs. 2 Gesundheitsschädigung 2; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 306a Rn. 11, jeweils mwN). Nach diesen Maßstäben lässt sich den getroffenen Feststellungen die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin V. nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Das Landgericht hat insbesondere zu den örtlichen Gegebenheiten keine ausreichend genauen Feststellungen getroffen.
Es wird schon nicht deutlich, wo sich der Raum befand, in dem die Zeugin V. bei geöffnetem, zum Haus des Angeklagten hin gelegenem Fenster schlief, obwohl jenes Mehrfamilienhaus „unmittelbar“ (UA S. 8) an das Haus des Ange- klagten angebaut war. Nicht dargelegt wird auch, ob bereits Schäden an dem von der Zeugin bewohnten Haus – zumindest teilweise – eingetreten waren, und ob sie der Einwirkung von Rauch oder Gasen tatsächlich ausgesetzt war. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung ist daher nicht hinreichend belegt.
b) Die Verurteilung wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Strafkammer die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch (§ 24 Abs. 1 Satz 1 StGB) nicht erörtert hat. aa) Den Urteilsgründen ist schon nicht zu entnehmen, warum die vom Landgericht als selbständig bewerteten Betrugsversuche nicht die Annahme eines einzigen Versuchs rechtfertigen, da der Angeklagte seinen ursprünglichen Tatplan, unberechtigt Versicherungsleistungen geltend zu machen, weiter verfolgt hat (vgl. auch BGH, Beschluss vom 21. Juli 1998 – 4 StR 274/98, NStZ-RR 1999, 110). Setzt der Täter mehrfach zur Tat an, ist Voraussetzung für die Annahme eines Versuchs, dass die vorausgegangenen, erfolglos gebliebenen Teilakte mit dem neuen Anlauf, auf den der Täter schließlich verzichtet hat, einen einheitlichen Lebensvorgang bilden. Dabei ist ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Versuchshandlungen erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/13, insoweit in NJW 2013, 3383 nicht abgedruckt; Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, NJW 1996, 936, 937; Urteil vom 1. März 1994 – 1 StR 33/94, BGHSt 40, 75, 77; Fischer aaO § 24 Rn. 17 mwN). Ob hier ein solcher einheitlicher Lebensvorgang gegeben ist, hat das Landgericht nicht geprüft.
bb) Die Strafkammer erörtert nicht, welches Vorstellungsbild der Angeklagte nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung (en) gehabt hat. Nach dem Vorstellungsbild des Täters bestimmt sich indes nicht nur die Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch (vgl. nur Fischer aaO § 24 Rn. 14 mwN); die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung ist auch für die Frage entscheidend, ob ein Versuch fehlgeschlagen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157 f. mwN). Schließlich ist das Vorstellungsbild des Täters gegebenenfalls auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 216/05, NStZ-RR 2006, 168, 169 mwN). Liegt – wie hier vom Landgericht angenommen – eine Zäsur vor, müssen zudem die Vorstellungen des Angeklagten jeweils nach der (vorläufig) letzten Ausführungshandlung dargetan werden (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274). Lässt sich – wie hier – den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten nicht (hinreichend) entnehmen, hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274; Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12 Rn. 5 juris). 3. Die dargelegten Rechtsfehler führen zur Aufhebung der Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung und versuchten Betrugs in zwei Fällen, einschließlich der insoweit verhängten Einzelstrafen. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der (ersten) Gesamtstrafe nach sich, die zudem ihrerseits nicht rechtsfehlerfrei ist. Die Strafkammer hat die im Strafbefehl des Amtsgerichts Jülich vom 10. März 2011 unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtgeldstrafe verhängten Einzelstrafen in die Gesamtstrafe einbezogen, ohne jedoch die Höhe der Einzelstrafen mitzuteilen. Da eine Gesamtstrafe im-
mer nur aus Einzelstrafen gebildet werden kann, muss deren Höhe im Urteil angegeben werden, um dem Senat die Nachprüfung der rechtsfehlerfreien Bemessung der Gesamtstrafe zu ermöglichen (vgl. auch Fischer aaO § 55 Rn. 8, 15 mwN). 4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten ergeben. Fischer RiBGH Prof. Dr. Schmitt Eschelbach ist aus tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer Ott Zeng

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2013 - 2 StR 64/13 zitiert 5 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

Strafgesetzbuch - StGB | § 306a Schwere Brandstiftung


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,2. eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder3.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 441/08
vom
2. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Anstiftung zur schweren Brandstiftung u. a.
zu 2.: schwerer Brandstiftung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführer
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 2. Dezember
2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 5. Mai 2008 aufgehoben,
a) bezüglich des Angeklagten S. , soweit dieser wegen Anstiftung zur schweren Brandstiftung verurteilt worden ist und im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
b) bezüglich des Angeklagten H. in vollem Umfang; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten mit Ausnahme derjenigen zur Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin Ha. durch den Brand. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Anstiftung zur schweren Brandstiftung (§ 306 a Abs. 2, § 26 StGB) und Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten H. hat es wegen schwerer Brandstiftung (§ 306 a Abs. 2 StGB) eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Der Angeklagte S. beanstandet mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts; der Angeklagte H. wendet sich gegen den Strafausspruch. Die Rechtsmittel haben in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
2
Nach den Feststellungen stiftete der Angeklagte S. den Angeklagten H. und die mittlerweile verstorbene Mitangeklagte Har. dazu an, ein leer stehendes, renovierungsbedürftiges Fachwerkhaus in Brand zu setzen. Das Gebäude befand sich im Eigentum der S. Baubetreuung GmbH, deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Angeklagte S. war. Die Angeklagten H und Har. setzten das Haus auftragsgemäß in Brand; es wurde durch das Feuer nahezu vollständig zerstört. Zur Tatzeit schlief in einem Wohnhaus, dessen Abstand zu dem Brandobjekt etwa sieben Meter betrug, die Zeugin Ha. . Sie erwachte infolge der durch das Feuer verursachten Helligkeit sowie der lauten Brandgeräusche und lief sodann aus dem Haus. In der Folgezeit meldete der Angeklagte S. den Schaden der Versicherung. Dabei verschwieg er, dass er selbst an der Tat beteiligt gewesen war. Die Versicherung zahlte an die S. Baubetreuung GmbH 33.190 € aus.
3
I. Revision des Angeklagten S.
4
Das Urteil hält der auf die Sachrüge veranlassten materiellrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand; denn die Annahme des Landgerichts , durch die Tat sei die Zeugin Ha. im Sinne des § 306 a Abs. 2 StGB in die Gefahr einer Gesundheitsbeschädigung gebracht worden, wird durch die Feststellungen nicht ausreichend belegt. Zum weiteren Schuldspruch wegen Betruges und zu den übrigen Feststellungen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
5
1. § 306 a Abs. 2 StGB setzt als konkretes Gefährdungsdelikt voraus, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine kritische Situation für das geschützte Rechtsgut - die Gesundheit eines Menschen - führt. In dieser Lage muss - was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person so stark beeinträchtigt sein, dass es nur noch vom Zufall abhängt, ob ihre Gesundheit verletzt wird oder nicht. Zur Annahme einer konkreten Gesundheitsgefährdung in diesem Sinne reicht es noch nicht aus, dass sich Menschen in enger räumlicher Nähe zur Gefahrenquelle befinden (vgl. BGH NStZ 1999, 32, 33; Fischer, StGB 55. Aufl. § 306 a Rdn. 10,

11).


6
Nach diesen Maßstäben lässt sich den getroffenen Feststellungen die konkrete Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin Ha. nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Das Landgericht hat insbesondere zur Situation in dem Zeitpunkt, in dem die Zeugin ihr Haus verließ, keine ausreichend genauen Feststellungen getroffen. So bleibt etwa unklar, wie weit der Brand des Nachbarhauses zu dieser Zeit schon fortgeschritten war, ob die Schäden an dem von der Zeugin bewohnten Haus - zumindest teilweise - bereits eingetreten waren, oder ob sie der Einwirkung von Rauch oder Gasen ausgesetzt war. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung ist daher nicht hinreichend belegt.
7
2. Der dargelegte Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Verurteilung wegen Anstiftung zur schweren Brandstiftung einschließlich der insoweit verhängten Einzelstrafe, der Gesamtstrafe und der Feststellungen, soweit sie die durch das Inbrandsetzen verursachte Gefahr einer Gesundheitsschädigung der Zeugin betreffen. Die übrigen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von dem Mangel nicht betroffen sind. Dasselbe gilt für die Verurteilung wegen Betruges und die hierfür verhängte Einzelstrafe.
8
3. Ergänzend bemerkt der Senat zu der Rüge der Verletzung des § 265 StPO:
9
Der Auffassung des Generalbundesanwalts, der unter Hinweis auf die Entscheidung BGH NStZ-RR 1997, 65 die Zulässigkeit der Rüge bezweifelt, weil die Revision die Anklageschrift nicht vollständig mitgeteilt habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Inhalt der Anklage ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen; er muss deshalb nicht vom Revisionsführer im Einzelnen dargelegt werden. Allerdings empfiehlt sich die Mitteilung der für die Rüge bedeutsamen Umstände, um den Revisionsvortrag aus sich heraus verständlich zu machen (vgl. BGH StV 2002, 588, 589; Kuckein in KK 6. Aufl. § 344 Rdn. 39 m. w. N.).
10
Die Rüge ist indessen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift näher dargelegten Gründen unbegründet.
11
II. Revision des Angeklagten H.
12
Die Revision des Angeklagten H. ist zwar auf den Strafausspruch beschränkt. Jedoch ist die Aufhebung des Schuldspruchs auf ihn zu erstrecken (§ 357 Satz 1 StPO). Der Angeklagte H. ist wegen derselben Tat verurteilt worden wie der Angeklagte S. (vgl. Kuckein aaO § 357 Rdn. 8 m. w. N.) und der sachlichrechtliche Fehler, der zur teilweisen Aufhebung des Urteils gegen den Angeklagten S. führt, hat sich im Schuldspruch auch zum Nachteil des Angeklagten H. ausgewirkt. Da der Angeklagte H. allein wegen schwerer Brandstiftung verurteilt worden ist, war das Urteil, soweit es ihn betrifft , in vollem Umfang aufzuheben. Hinsichtlich der Feststellungen gilt das zur Revision des Angeklagten S. Ausgeführte.
13
III. Abschließend weist der Senat auf Folgendes hin:
14
Sollte der neue Tatrichter zwar nicht die objektiven Voraussetzungen der schweren Brandstiftung, jedoch einen auf die Herbeiführung einer konkreten Gesundheitsgefahr gerichteten bedingten Vorsatz der mit den örtlichen Verhältnissen vertrauten Angeklagten feststellen, wird eine Strafbarkeit des Angeklagten H. wegen versuchter schwerer Brandstiftung (§ 306 a Abs. 2, §§ 22, 23 StGB) und des Angeklagten S. wegen Anstiftung hierzu (§ 306 a Abs. 2, §§ 22, 23, 26 StGB) in Betracht kommen (vgl. im Einzelnen Schünemann in LK 12. Aufl. § 26 Rdn. 38). Becker Miebach Sost-Scheible Hubert Schäfer

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 168/13
vom
18. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Juli 2013 gemäß § 349 Abs. 4,
§ 126 Abs. 3 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 22. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.
3. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 23. Dezember 2011 (Az. 703 Gs – 110 Js 720/11 – 1552/11) in der Fassung des Haftfortdauerbeschlusses des Landgerichts Dortmund vom 22. November 2012 wird aufgehoben. Der Angeklagte ist unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Nachstellung zum Nachteil der Zeugin V. S. in Tateinheit mit versuchter Nötigung zum Nachteil der Zeugin V. S. in 11 Fällen und mit Bedrohung zum Nachteil des Zeugen A. S. in 5 Fällen und mit Bedrohung zum Nachteil der Zeugin P. S. in 6 Fällen und mit Bedrohung zum Nachteil des Zeugen T. in 4 Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin V. S. und mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen A. S. und mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil der Zeugin P. S. und mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen T. und mit Sachbeschädigung" zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
Die Strafkammer hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
3
Im August 2010 lernte der in Berlin lebende, damals 24-jährige Angeklagte im Urlaub die 22-jährige V. S. kennen. In der Folgezeit hielten sie zwar Kontakt zueinander, zu einer Liebesbeziehung oder regelmäßigen Treffen kam es jedoch nicht. Ende des Jahres 2010 fühlte sich V. S. vom Angeklagten vereinnahmt und zunehmend eingeengt, weshalb sie eine geplante gemeinsame Silvesterfeier zum Jahreswechsel absagte. Zum 1. Februar 2011 trat V. S. eine Stelle als Flugbegleiterin in Frankfurt an, wohin sie auch ihren Wohnsitz verlegte. In diesem Zusammenhang teilte sie dem Angeklagten mit, dass sie keine Beziehung wünsche, zumal ihr die Entfernung zwischen Berlin und Frankfurt zu weit sei. In der Folgezeit löschte sie den Angeklagten von ihrer sog. Freundesliste bei Facebook.
4
In der Zeit zwischen dem 24. Februar 2011 und der Festnahme des Angeklagten am 15. März 2012 kam es zu zahlreichen Kontaktversuchen des Angeklagten über die Internetplattform Facebook, die zum Teil an V. S. gerichtet waren, zu einem anderen Teil an deren Freundinnen, da V. S. zwischenzeitlich ihr Profil bei Facebook gelöscht hatte und deshalb für den Angeklagten nicht mehr erreichbar war. Ferner schrieb der Angeklagte ihr und ihren Eltern Briefe; in einem Fall wandte sich der Angeklagte mittels einer Facebook-Nachricht an den damaligen Lebensgefährten von V. S. , den Zeugen T. .
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V. S. hatte den Angeklagten – ebenso wie ihre Eltern und der Zeuge T. – zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen und ihm mitgeteilt, sie wolle keinen Kontakt mehr zu ihm haben. Hierüber setzte der Angeklagte sich jedoch hinweg. In einer Vielzahl von Nachrichten und Briefen forderte er V. S. unter anderem dazu auf, ihn erneut ihrer Freundesliste in ihrem Facebook-Profil hinzuzufügen, sich bei ihm zu entschuldigen, ihm ein Armband, das er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, zurückzugeben und sich von dem Zeugen T. zu trennen. Diese Forderungen unterstrich er mit Drohungen für den Fall, dass sie seine Forderungen nicht erfüllen sollte.
6
Bei V. S. trat durch das Verhalten des Angeklagten eine „kur- ze reaktive depressive Erkrankung aufgrund äußerer Belastung“ ein.Diese äu- ßerte sich darin, dass sie sich hilflos und kraftlos fühlte und unter Schlafstörungen sowie Leistungseinbußen litt. Sie ging nicht mehr so häufig aus wie zuvor und achtete auf der Straße darauf, ob ihr jemand folgt. Zeitweise fühlte sie sich psychisch nicht mehr im Stande, ihrer Arbeit als Flugbegleiterin nachzugehen, da der Angeklagte ihr u.a. angekündigt hatte, sie auf einem Flug „fertig zu ma- chen“. Nachdem sie im August von ihrer Mutter telefonisch davon in Kenntnis gesetzt worden war, dass es an ihrem Elternhaus zu einer Sachbeschädigung durch den Angeklagten gekommen war, meldete sie sich aus Angst, der Angeklagte könne ihr, ihrem Freund oder ihren Eltern etwas antun, krank. Insgesamt kam es von April bis September 2011 zu 30 Fehltagen, die „größtenteils“ auf „psychische Probleme“ zurückzuführen waren, die sie „in Folge des Verhaltens des Angeklagten hatte“. Ferner litt sie „ab April/Mai 2011 unter Migräneanfällen“ , während sie zuvor nur „normale“ Kopfschmerzen hatte. Sie hatte „während des Tatzeitraumes“ häufig Weinkrämpfe mit Herzrasen und begab sich in „psy- chologische Behandlung“, wo Symptome einer „Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik“ diagnostiziert wurden und eine Gesprächstherapie geplant wurde. Eine Übernahme in ein festes Anstellungsverhältnis erfolgte nicht; V. S. wechselte den Beruf und zog in eine andere Stadt. Treffen mit Freunden sagte sie ab, weil der Angeklagte hiervon Kenntnis erlangt haben konnte; aus sozialen Netzwerken wie Facebook zog sie sich zurück oder trat dort nur noch unter Fantasienamen auf.
7
Bei T. trat „kurzfristig aufgrund der psychischen Belastung durch Somatisierung eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesundheit“ ein. Er litt „während des Tatzeitraums zeitweise unter Schlafstörungen und temporär unter Schwindelzuständen“. Ferner hatte er Albträume und zeigte Nervosität sowie eine erhöhte Reizbarkeit. In „bestimmten Situationen“, die durch ein je- weiliges Verhalten des Angeklagten hervorgerufen wurden, hyperventilierte er.
8
A. S. , der Vater von V. S. , litt unter „konkreten Ängsten als zeitlich begrenzte Reaktion, die sodann wieder abklangen“. Er konnte aufgrund der Belastungssituation zunächst nicht mehr seiner Arbeit im Schichtdienst nachgehen und wurde am 21. Oktober 2011 für eine Woche krankgeschrieben. Zudem litt er unter Schlafstörungen. Bei P. S. kam es zu einer „deutlich längerfristigen Anpassungsstörung“, die allerdings nicht allein durch die Aktivitäten des Angeklagten hervorgerufen wurde. Die Zeugin befand sich schon vor den Vorfällen in psychiatrischer Behandlung. Jedoch „verstärkten sich die Probleme und wurden immer schlimmer“. Sie hatte Angst, das Haus zu verlassen und litt zudem unter Schlafstörungen und Albträumen.
9
Die durch sein Verhalten verursachten Auswirkungen auf das körperliche Wohlbefinden bzw. die körperliche Unversehrtheit der Zeugen hat der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.
10
Die sachverständig beratene Strafkammer nimmt bei dem Angeklagten eine narzisstische Persönlichkeitsstörung mit emotionaler und konsekutiver Verhaltensinstabilität bzw. auf der Ebene emotionaler/persönlicher Labilität vom Typ Borderline an. Seine Steuerungsfähigkeit sei daher im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert, nicht aber aufgehoben gewesen. Es bestehe „eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades", dass „der Angeklagte in Zukunft seine Tat fortführt oder/und die Tat sich in ähnlicher Weise wiederholen könnte“ (UA S. 132).

II.


11
1. Die Verurteilung wegen Körperverletzung zum Nachteil der P. S. , des A. S. , des T. und der V. S. wegen versuchter Nötigung im Fall der Tat vom September 2011 sowie die Verurteilung wegen Bedrohung der P. S. in drei Fällen, des A. S. in zwei Fällen und des T. in drei Fällen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
a) Die Verurteilung wegen der Körperverletzungen wird von den Feststellungen des Landgerichts nicht getragen.
13
aa) Als Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist (BGH, Urteil vom 4. November 1988 – 1 StR 262/88, BGHSt 36, 1, 6; Lackner/Kühl, StGB, 27. Aufl., § 223 Rn. 5 mwN). Rein psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu begründen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34, 36; vgl. ferner BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340 f.; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118; Mey- er, ZStW 115 (2003), 249, 261). Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer , somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht (BGH aaO S. 36 f.; Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 527/95, BGHR StGB § 223 Abs. 1 Gesundheitsbeschädigung 2). Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, aber auch latente Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar (Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123).
14
bb) Daran gemessen genügt für die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung zum Nachteil der P. S. nicht, dass es bei ihr „aufgrund der ständigen Bedrohung durch den Angeklagten … zu einer deutlich länger- fristigen Anpassungsstörung“ kam, die „nicht allein durch die Aktivitäten des Angeklagten hervorgerufen, jedoch wesentlich gesteigert“ wurde (UA S. 119). Insofern hätte es vielmehr näherer Darlegungen dazu bedurft, worin die Anpassungsstörung konkret bestanden und wie sie sich geäußert haben soll; hinsicht- lich der „Steigerung“ der Störung waren vor dem Hintergrund, dass sich die Zeugin bereits in psychiatrischer Behandlung befand (UA S. 97), Ausführungen dazu geboten, ob hierhin ein eigenständiger Erfolg im Sinne des § 223 StGB liegt. Auch die von der Strafkammer an anderer Stelle herangezogenen „Schlafstörungen und Albträume“ der Zeugin (UA S. 97) lassen nicht erkennen, ob es sich hierbei um Beeinträchtigungen erheblichen Ausmaßes handelte, etwa weil sich das Schlafverhalten dauerhaft geändert hat (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; Urteil vom 31. Oktober 1995 – 1 StR 527/95, NStZ 1996, 131, 132).
15
Zudem hätte es – wie auch bei den anderen Opfern – einer tragfähigen, sich nicht auf die Wiedergabe der Umschreibung des bedingten Vorsatzes beschränkenden Begründung des Wissens und Wollens des Körperverletzungserfolges bedurft (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340 f.; Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; Beschluss vom 22. November 2006 – 2 StR 382/06, bei Miebach, NStZ-RR 2007, 65).
16
cc) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung zum Nachteil des A. S. hat danach keinen Bestand.
17
Insofern führt das Landgericht zur Begründung seiner rechtlichen Würdigung lediglich aus, die Gesundheit des A. S. sei „kurzfristig … erheb- lich beeinträchtigt“ worden; er habe „infolge der akuten Belastungssituation durch das Verhalten des Angeklagten unter konkreten Ängsten als zeitlich be- grenzte Reaktion“ gelitten (UA S. 119). Angst als solche stellt jedoch – insbe- sondere wenn die Reaktion „zeitlich begrenzt“ bzw. „kurzfristig“ auftritt – lediglich eine Beeinträchtigung des seelischen Wohlbefindens und eine normale Reaktion auf Bedrohungen, nicht aber einen pathologischen Zustand dar (Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 – 2 StR 60/12, NStZ-RR 2012, 340 f.; OLG Köln, NJW 1997, 2191, 2192; NK-StGB/Paeffgen, 4. Aufl., § 223 Rn. 11a).
18
Auch der Umstand, dass A. S. „aufgrund der Belastungssituation … für eine Woche krankgeschrieben“ wurde (UA S. 96), ermöglicht keine revisionsgerichtliche Nachprüfung der Annahme einer Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit. Gleiches gilt aus den vorgenannten Gründen für nicht näher konkretisierte „Schlafstörungen“.
19
dd) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen T. begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
20
Die insoweit im Rahmen der rechtlichen Würdigung allein herangezogene „psychische Belastung durch Somatisierung“ (UA S. 118 f.) stellt keine tragfähige Begründung für den Eintritt eines Körperverletzungserfolges dar (vgl. zur Erforderlichkeit eines pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustandes: Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118). Die an anderer Stelle in dem Urteil erwähnten Schlafstörungen, temporären Schwindelzustände, Albträume, Nervosität und erhöhte Reizbarkeit reichen – wie oben ausgeführt – mangels näherer Konkretisierung ebenfalls nicht aus, um eine tatbestandsmäßige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit zu begründen (vgl. auch OLG Köln, NJW 1997, 2191, 2192).
21
ee) Schließlich hält auch die Verurteilung wegen Körperverletzung zum Nachteil der V. S. einer Überprüfung nicht stand.
22
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar eine „massive“ depressive Verstimmung bei Hinzutreten weiterer Umstände den Körperverletzungstatbestand erfüllen (BGH, Beschluss vom 15. September 1999 – 1 StR 452/99, NStZ 2000, 25). Die vom Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung allein herangezogene „kurze reaktive depressive Erkrankung aufgrund äußerer Belastung“ (UA S. 118) erfüllt diese Voraussetzun- gen jedoch nicht.
23
Soweit die Strafkammer an anderer Stelle dargelegt hat, dass die Zeugin sich hilflos und kraftlos sowie psychisch nicht dazu in der Lage fühlte zu arbeiten (UA S. 93 f.), fehlt es an einem objektivierbaren Körperverletzungserfolg (vgl. Senatsbeschluss vom 5. November 1996 – 4 StR 490/96, NStZ 1997, 123; BGH, Urteil vom 9. Oktober 2002 – 5 StR 42/02, BGHSt 48, 34, 36 f.; OLG Düsseldorf, NJW 2002, 2118 mit Anm. Pollähne, StV 2003, 563, 564; OLG Köln, NJW 1997, 2191, 2192). Gleiches gilt für die nicht näher konkretisierten „Migräneanfälle“, zu denen sich die bereits vor dem Verhalten des Angeklagten vorhandenen „normalen Kopfschmerzen“ gesteigert haben sollen (UA S. 94; vgl. Pollähne, aaO). Weinkrämpfe und Herzrasen können ebenfalls eine normale körperliche Reaktion auf die mit einer Bedrohungssituation verbundenen Aufregungen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 223 StGB darstellen (zur fehlenden Tatbestandsmäßigkeit von „Herzklopfen“ bzw. „Herzrasen“ vgl. OLG Köln, NJW 1997, 2191, 2192; NK-StGB/Paeffgen, § 223 Rn. 11a; Smischek, Stalking, 2006, S. 215). Schließlich ergibt sich auch aus dem Umstand, dass die Zeugin sich in psychologische Behandlung begeben hat und „in der nahen Zukunft“ eine Gesprächstherapie geplant sei (UA S. 95),nicht in einer für das Revisionsgericht überprüfbaren Weise, dass im maßgeblichen Zeitpunkt ein Körperverletzungserfolg vorgelegen hat; ebenso wenig aus der nicht aussage- kräftigen Feststellung, dass „zu diesem Zeitpunkt“ eine „Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik“ vorgelegen habe (UA S. 95).
24
b) Auch die Verurteilung des Angeklagten wegen Bedrohung hält nicht in allen Fällen rechtlicher Überprüfung stand.
25
aa) Der Tatbestand der Bedrohung setzt voraus, dass die Ankündigung des Verbrechens den Bedrohungsadressaten erreicht. Dies kann auch über Dritte erfolgen, wenn die Weitergabe der Drohung an den Adressaten vom Vorsatz des Täters umfasst ist (SSW-StGB/Schluckebier, § 241 Rn. 5, 7).
26
bb) Gemessen daran tragen die Feststellungen des Landgerichts eine Verurteilung wegen Bedrohung der P. und des A. S. in den Fällen der Facebook-Nachrichtan L. Sch. vom 23. August 2011 (UA S. 49), des Briefes, der ihnen am 6. Dezember 2011 zugegangen ist (UA S. 73), und der Facebook-Nachricht an Schl. von Anfang Dezember 2011 (UA S. 72) nicht. Im Fall der Nachricht vom 23. August 2011 fehlt es an der Feststellung , dass die an L. Sch. gerichtete Facebook-Nachricht die Bedrohungsadressaten mit dem Willen des Angeklagten erreicht hat. Ein solcher Vorsatz versteht sich bei einer über Facebook an eine Freundin der Tochter gerichtete Nachricht auch nicht von selbst, zumal der Angeklagte in derselben Nachricht ankündigt, an die Eltern der V. S. ein gesondertes Schreiben richten zu wollen (UA S. 51). Der am 6. Dezember 2011 eingegangene Brief ist an die Zeugin V. S. gerichtet („V. : …“). Auch insoweit ist ein Vorsatz des Angeklagten dahingehend, dass die Bedrohung die Eltern der Angesprochenen erreichen sollte, nicht festgestellt. Die Facebook-Nachricht von Anfang Dezember 2011 an Schl. ist wiederum an eine dritte Person gerichtet , ohne dass festgestellt ist, dass diese Nachricht P. S. erreicht hat und erreichen sollte.
27
cc) Hinsichtlich der Taten zum Nachteil von T. tragen die Feststellungen des Landgerichts aus den vorgenannten Gründen die Verurteilung jeweils wegen Bedrohung in den Fällen der Facebook-Nachrichten an L. Sch. vom 22. Juli 2011, an Schl. vom 23. Juli 2011 sowie im Fall des Briefes an die Eheleute S. , der am 22. Oktober 2011 bei ihnen eingegangen ist, nicht. In keinem der genannten Fälle ist festgestellt, dass die Nachrichten den Geschädigten erreicht haben und dass dies vom Vorsatz des Angeklagten umfasst war.
28
c) Soweit das Landgericht das Versenden des Schreibens, welches die Eltern der V. S. im September 2011 erreichte, als versuchte Nötigung bewertet, hat dies schon deshalb keinen Bestand, weil die Strafkammer es versäumt hat, einen den Einsatz eines Nötigungsmittels im Sinne des § 240 Abs. 1 StGB (Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel) umfassenden Tatentschluss festzustellen.
29
2. Die aufgezeigten Mängel zwingen zur Aufhebung der weiteren tateinheitlichen Verurteilungen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – 1 StR 105/13). Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
30
a) Im Hinblick auf die Verurteilung wegen versuchter Nötigung durch Versenden einer Facebook-Nachricht an T. am 3. März 2012 bestehen Zweifel daran, ob diese Tat von der Anklage und von dem Eröffnungsbeschluss umfasst ist. Das in der Anklageschrift umschriebene Geschehen endet in zeitlicher Hinsicht mit dem Versenden einer Facebook-Nachricht an N. Sch. am 25. Januar 2012.
31
b) Soweit das Landgericht eine Bedrohung der P. und des A. S. im Versenden des Briefes vom 5. Januar 2012 sieht, begegnet dies Bedenken , weil sich der Ankündigung, der Zeugin V. S. und ihrer Fami- lie werde „ansonsten Schlimmeres passieren“ (UA S. 77), Verbrechensmerk- male nicht ohne Weiteres entnehmen lassen (vgl. OLG Köln, StV 1994, 245, 246). Sollte eine Verurteilung wegen Bedrohung darauf gestützt werden, dass in dem Schreiben V. S. als den Eltern nahestehende Person mit dem Tod bedroht wird, so bedarf es insoweit der Feststellung der objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Bedrohung der Eltern durch dieses Verhalten.
32
c) Bedenken bestehen auch, soweit das Landgericht elf selbständige Fälle der versuchten Nötigung angenommen hat.
33
In Fällen, in denen der Täter mehrfach zur Vollendung einer Nötigung ansetzt, um einen bestimmten Erfolg zu erreichen, liegt nur eine Tat im Rechtssinne vor, solange der Versuch nicht fehlgeschlagen ist, der Täter also von dem Misslingen des vorgestellten Ablaufs noch nichts erfahren hat oder nicht zu der Annahme gelangt ist, er könne die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten und anderen bereitliegenden Mitteln vollenden (BGH, Urteil vom 30. November 1995 – 5 StR 465/95, NJW 1996, 936, 937). Danach wird das Landgericht zu prüfen haben, ob in den Fällen zeitlich eng zusam- menhängender Handlungen des Angeklagten – etwa der Handlungen vom 23. August 2011 (Facebook-Nachricht an L. Sch. und Brief an die Eheleute S. , den diese an diesem Tag erhielten) oder im Fall der FacebookNachricht an Schl. aus dem Dezember 2011 sowie des Briefes, den die Eheleute S. am 6. Dezember 2011 erhielten – eine odermehrere Taten der versuchten Nötigung vorliegen.
34
d) Die Verurteilung des Angeklagten wegen Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 StGB begegnet auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keinen Bedenken. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Tatbestandsva- riante der „anderen vergleichbaren Handlung“ (§ 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB) eben- falls verwirklicht ist und ob die insoweit in Rechtsprechung und Schrifttum geäußerten Bedenken (zum Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG) durchgreifen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, NJW 2010, 1680, 1681, Tz. 16; hinreichende Bestimmtheit verneinend Fischer, StGB, 60. Aufl., § 238 Rn. 17c; Gazeas, JR 2007, 497, 501, jeweils mwN; kritisch auch Eisele in Schönke/Schröder, StGB, § 238 Rn. 23; aA Mosbacher, NStZ 2007, 665, 668; offen gelassen bei SSW-StGB/Schluckebier, § 238 Rn. 12).
35
Soweit das Landgericht lediglich eine Tat der Nachstellung gemäß § 238 StGB angenommen hat, weist der Senat darauf hin, dass mehrere tatbestandliche Verhaltensweisen dann nur eine Tat im Sinne des § 238 StGB bilden, wenn sie denselben tatbestandlichen Erfolg betreffen. Führt der Täter dagegen nach Eintritt eines Erfolges, etwa eines Umzuges (vgl. UA S. 95), weitere Tathandlungen aus, so kann Tatmehrheit vorliegen (Eisele in Schönke/Schröder aaO, § 238 Rn. 39).
36
3. Zum Straf- und Maßregelausspruch weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
37
a) Soweit das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten die „gesundheitlichen Folgen der Tat für die Geschädigten“ berücksichtigt (UA S. 121), lässt dies besorgen, dass mit dem Erfolg der Körperverletzung ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestandes zu seinem Nachteil in Ansatz gebracht worden ist (§ 46 Abs. 3 StGB). Etwas anderes kann sich nur dann ergeben, wenn quantitative oder qualitative Besonderheiten der Körperverletzung zum Anlass von entsprechenden Strafzumessungserwägungen genommen werden (Theune in LK, StGB, 12. Aufl., § 46 Rn. 146).
38
b) Die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer wird ferner zu prüfen haben, ob eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB im Hinblick auf die Sanktionen aus den Strafbefehlen des Amtsgerichts Tiergarten vom 3. Februar 2012 (Az. 263b Cs – 3033 Js 364/12 – 22/12) – insoweit gegebenenfalls unter Berücksichtigung der zeitlichen Tatkonkretisierung in der Anklage (vgl. oben II. 2. a)) – und vom 4. April 2012 (Az. 263b Cs – 232 Js 5682/11 – 17/12) in Betracht kommt.
39
c) Hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) weist der Senat auf Folgendes hin:
40
aa) Die Diagnose einer „Borderline-Persönlichkeitsstörung“ stellt – was die Strafkammer nicht übersehen hat – nicht ohne Weiteres eine hinreichende Grundlage für die Annahme einer relevanten Verminderung der Schuldfähigkeit des Täters dar (Senatsbeschluss vom 6. Februar 1997 – 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385 ff.; BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2001 – 3 StR 373/01, NStZ 2002, 142; Beschluss vom 1. August 1989 – 1 StR 290/89, BGHR StGB § 21 seeli- sche Abartigkeit 13) und rechtfertigt nur bei Vorliegen weiterer – vom Landgericht nicht fehlerfrei bejahter – Umstände die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (BGH aaO; Senatsbeschluss vom 25. Februar 2003 – 4 StR 30/03, NStZ-RR 2003, 165, 166; Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 5 StR 349/05, NStZ-RR 2006, 38, 39 mwN).
41
bb) Ist die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf das Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und Betäubungsmittelkonsum zurückzuführen , so ist regelmäßig erforderlich, dass der Täter an einer krankhaften Betäubungsmittelabhängigkeit leidet, in krankhafter Weise betäubungsmittelüberempfindlich ist oder eine länger andauernde geistig-seelische Störung hat, bei der bereits geringer Betäubungsmittelkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juli 2011 – 3 StR 173/11, NStZ 2012, 209; Beschluss vom 6. Oktober 2009 – 3 StR 376/09, NStZ-RR 2010, 42).
42
cc) Besonderes Augenmerk wird die zur neuen Entscheidung berufene Strafkammer zudem auf die Gefährlichkeitsprognose zu richten haben.
43
Die prognostizierte Gefährlichkeit muss sich auf Taten beziehen, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Für Straftaten nach § 238 StGB ist dies nicht ohne Weiteres zu bejahen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 147; BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 – 5 StR 256/10, NStZ-RR 2011, 12, 13). Eine Straftat von erheblicher Bedeutung liegt vor, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten , die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind daher nicht mehr ohne Weiteres dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen. Hierzu gehören beispielsweise das unerlaubte Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB), die Beleidigung, die üble Nachrede und die nichtöffentliche Verleumdung (§§ 185 bis 187 StGB), das Ausspähen von Daten (§ 202a StGB), die fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB), die Nötigung (§ 240 StGB) sowie die Verbreitung pornographischer Schriften einschließlich gewalt- oder tierpornographischer Schriften (§§ 184 und 184a StGB). Gleiches gilt für die Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 StGB. Da auch insoweit das Höchstmaß der Freiheitsstrafe drei Jahre beträgt, kann auch die Nachstellung, wenn sie nicht mit aggressiven Übergriffen einhergeht, nicht generell als Straftat von erheblicher Bedeutung angesehen werden (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 2 BvR 298/12 [juris Rn. 21, 28]). Entsprechendes gilt für eine Bedrohung, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Juli 2012 – 4 StR 224/12, NStZ-RR 2012, 337, 338 mwN) allenfalls dann zur Rechtfertigung einer Unterbringungsanordnung herangezogen werden kann, wenn sie in ihrer konkreten Ausgestaltung aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich trägt. Der bloße Besitz des in der Wohnung des Angeklagten aufgefundenen Schlagrings begründet eine solche Gefahr für sich genommen noch nicht (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2011 – 2 StR 550/10, NStZ-RR 2011, 240, 241). Erforderlich ist insoweit eine umfassende Auseinandersetzung des Tatgerichts auch mit Umständen , die gegen eine wirkliche Gewaltbereitschaft sprechen könnten (BGH aaO), insbesondere dass der Angeklagte bisher mit Gewaltdelikten nicht auffällig geworden ist.
44
Die Gefährlichkeitsprognose selbst ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 StR 417/12, NStZ-RR 2013, 145, 147). An die Darlegungen und die vorzunehmende Abwägung sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 4 StR 275/13 mwN).
45
dd) Im Falle der erneuten Anordnung der Maßregel wird ferner zu berücksichtigen sein, dass mit deren Aussetzung zur Bewährung die Weisung erteilt werden kann, sich einer Therapie zu unterziehen (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. Mai 2013 – 4 StR 70/13, Tz. 2; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 67b Rn. 4). Dem kann schon deshalb besondere Bedeutung zukommen, weil der Angeklagte sich selbst um eine ambulante Therapie bemüht hat, zu der es lediglich aufgrund der Untersuchungshaft nicht gekommen sei (UA S. 123).
46
d) Zur Fassung eines Urteilstenors verweist der Senat auf die Kommentierung bei Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 260 Rn. 21 ff.; insbesondere ist die (namentliche) Benennung der Opfer einer Straftat im Schuldspruch nicht geboten, bei gleichartiger Tateinheit ist lediglich anzugeben, wie oft der Straftatbestand verwirklicht wurde.

III.


47
Der Haftbefehl in der Fassung des Haftfortdauerbeschlusses war gemäß § 126 Abs. 3 StPO aufzuheben, weil der Senat das angefochtene Urteil aufhebt und sich bei dieser Entscheidung ohne Weiteres ergibt, dass die weitere Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung außer Verhältnis stehen würde (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
Mutzbauer Roggenbuck Franke Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 346/12
vom
25. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober
2012, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Bender,
Dr. Quentin,
Reiter
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
die Nebenklägerin in Person – in der Hauptverhandlung
–,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 17. Februar 2012 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 2 a) der Urteilsgründe des versuchten Totschlags in Tateinheit mit versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen. Er hat jedoch die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Bedrohung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Sachrüge führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs im Fall II. 2 a) der Urteilsgründe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Fall II. 2 a)
4
Der Angeklagte und die Nebenklägerin waren seit Ende 2010 befreundet und empfanden „tiefe, intensive Gefühle“ füreinander. Da der Angeklagteje- doch von heftiger Eifersucht und starken Verlustängsten geplagt wurde, verlief die Beziehung konfliktgeladen und wurde schließlich von der Nebenklägerin in der zweiten Juni-Hälfte 2011 vorübergehend beendet. In der Folgezeit entwickelte der Angeklagte immer heftigere Rachegelüste und fand zunehmend Gefallen an einem englischsprachigen Liedtext eines Rappers, der von der Tötung einer Ex-Freundin handelte (UA S. 10, 14). Nachdem ihm eine Aussöhnung aussichtslos erschien, sann der Angeklagte darauf, „die Nebenklägerin fertig zu machen“ (UA S. 15). Zu diesem Zweck redete er immer wieder auf den Zeugen T. ein, ihm dabei behilflich zu sein, die Nebenklägerin bei passender Gelegenheit „abzufüllen“ und sie – entlang einer Straße gehend – vor sein Auto zu stoßen, damit es wie ein Unfall aussähe. Der Zeuge T. , der das wiederholte Ansinnen schließlich ernst nahm, ging darauf jedoch nicht ein. Im Verlauf des 29. Juni 2011 tauschte sich der Angeklagte mehrmals mit dem Zeugen T. über das Internet-Chat-Forum ICQ aus und äußerte, dass er kurz vor dem Ausrasten sei und die Nebenklägerin „am liebsten echt umbringen“ würde. Der Zeuge T. solle dies jedoch niemandem erzählen. Am Abend desselben Tages traf der Angeklagte auf der Geburtstagsfeier einer Bekannten erstmals nach der Trennung auf die Nebenklägerin. In den frühen Morgenstunden des 30. Juni 2011 entwickelte sich ein lautstarkes Wortgefecht, bei dem sich der Angeklagte und die Nebenklägerin wechselseitig anschrien. Dabei äußerte der Angeklagte gegenüber der Nebenklägerin, er werde sie „umbrin- gen“ (UA S. 17). Nachdem es den weiteren Partygästen gelungen war, den An- geklagten zu beruhigen, brachte ihn die Mutter der Gastgeberin nach Hause.
5
Am späten Abend des 30. Juni 2011 fuhr er sodann zwischen 23.00 und 24.00 Uhr mit dem VW Polo seines Stiefvaters in Begleitung der Zeugen P. und F. zu einer Diskothek in G. und stellte das Fahrzeug – vorwärts einparkend – im Parkflächenbereich in der ersten oder zweiten Haltebucht ab, die rechts neben der kombinierten Ein- und Ausfahrt liegt. Etwa ein bis zwei Fahrzeuglängen hinter den Parkbuchten verläuft ein ca. zehn Zentimeter breiter und ca. acht Zentimeter hoher Pflastersockel, der die Parkfläche von einem Fahrstreifen für einen Drive-in-Schnellimbiss abtrennt. Zur Straßenseite hin wird das Areal durch einen etwa zwei Meter breiten Grünstreifen begrenzt. Kurz nach Mitternacht traf der Angeklagte auf die Nebenklägerin, die die Diskothek in Begleitung des Zeugen T. verließ. In unmittelbarer Nähe des geparkten Fahrzeugs kam es zu einer erneuten Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin mit wechselseitigen Beschimpfungen und Beleidigungen. Schließlich versetzte die Nebenklägerin dem Angeklagten eine Ohrfeige und beschloss wegzugehen. Der Angeklagte setzte sich ans Steuer seines Fahrzeugs, in dem auch die Zeugen P. und F. Platz nahmen. Er beobachtete , wie sich die Nebenklägerin in Richtung der Ein-/Ausfahrt wandte. Voller Wut und Verzweiflung entschloss er sich in diesem Augenblick, die Nebenklägerin zu töten, was er gegenüber seinen Begleitern mit den Worten ankündigte „Ich fahrdie J. jetzt um“, „Ich bring sie um“, „Ich glaub, ich bring sie jetzt um“. Demgemäß starteteer – während die Nebenklägerin die ersten Schritte in Richtung der Ein-/Ausfahrt machte – den Motor und fuhr sogleich an, „um sie rückwärtsfahrend umzufahren und hierdurch zu Tode zu bringen“. Als der Zeuge P. dies erkannte, packte er den Angeklagten sofort mit den Worten „Bist du bescheuert? Du hast sie nicht mehr alle!“ so heftig und unvermittelt am Arm, dass er ihn hierdurch am Weiterfahren hinderte. Nach einem starken Ruckeln – vergleichbar einem Abwürgen des Motors bei laufender Fahrt – stand das Fahrzeug sogleich wieder still. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Fahrzeugheck – ohne Fahrtrichtungsänderung – „nur kurz hinter der Parkbucht“ (UA S. 20). Nunmehr trat der Zeuge T. an das stehende Fahrzeug heran und verwickelte den Angeklagten in ein Gespräch. In der Zwischenzeit hatte die Nebenklägerin über die Ein-/Ausfahrt bereits das Parkgelände verlassen und befand sich – für den Angeklagten nicht einsehbar – auf dem Bürgersteig. Durch die Büsche des Grünstreifens erblickte sie das stehende Fahrzeug und setzte ihren Weg fort. Auf der Rückfahrt machte der Angeklagte dem Zeugen P. wegen des Eingreifens beim Rückwärtsfahren Vorhaltungen und kündigte (vorübergehend) die Freundschaft auf; außerdem stellte er Überlegungen an, die Nebenklägerin bei anderer Gelegenheit mit tödlichem Ausgang zu überfahren. Im Verlauf des 1. Juli 2011 suchte er im Internet nach Methoden, die Nebenklägerin mittels Schreckschusspistole zu töten (UA S. 21).
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Fall II. 2 b)
7
Am Nachmittag des 2. Juli 2011 begegnete der Angeklagte der Nebenklägerin auf der Kirmes in K. . Gegen 19.00 Uhr bat er sie um ein VierAugen -Gespräch abseits des Kirmes-Geländes. Der Angeklagte hatte auf der Kirmes dem Alkohol zugesprochen, ohne dass seine Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB herabgesetzt war. Es kam erneut zum Streit, wobei der Angeklagte die Nebenklägerin zunächst schubste und an den Händen packte. Gleichwohl gelang es ihr, den Angeklagten zu ohrfeigen. Daraufhin griff dieser noch fester zu, weshalb die Nebenklägerin versuchte, ihm in den Schritt zu treten. Voller Zorn beschloss der Angeklagte nunmehr, die Nebenklägerin an Ort und Stelle bis zum Tode zu würgen. Er brachte sie zu Fall, ergriff mit beiden Händen ihren Hals und drückte mit ganzer Kraft zu, so dass sie schließlich das Bewusstsein verlor. Als der Angeklagte glaubte, der Todeseintritt stehe unmittelbar bevor, schoss ihm plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass die Nebenklägerin neben seiner Mutter die wichtigste Frau in seinem Leben sei. Daraufhin konnte er die Tat nicht mehr „durchziehen“ und ließ von der Geschädigten ab, die bald darauf wieder zu Bewusstsein kam (UA S. 22).
8
Fall II. 2 c)
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Als die Nebenklägerin dem Angeklagten anlässlich einer weiteren Aussprache am 13. Juli 2011 eröffnete, mit dem Zeugen T. eine intime Beziehung eingegangen zu sein, ergriff der Angeklagte aus Wut und Eifersucht ein Küchenmesser mit einer ca. 20 Zentimeter langen Klinge und stürmte mit dem lauten Ruf „Missgeburt, ich stech dich ab“ aus dem Haus in Richtung des Zeu- gen T. , um diesen einzuschüchtern und davon zu jagen (UA S. 29).

II.


10
Die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Sie sind unzulässig. Die Sachrüge führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs.
11
1. Die Verurteilung wegen versuchten Totschlags (Fall II. 2 a der Urteilsgründe ) weist keinen Rechtsfehler auf.
12
a) Das Landgericht hat sich ohne Lücken, Denkfehler oder Widersprüche auf Grund einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände von der Ernsthaftigkeit der Tötungsabsicht des Angeklagten überzeugt. Es hat sich umfassend mit den Umständen des Tatgeschehens, der Persönlichkeit des Angeklagten, seiner psychischen Verfassung zum Tatzeitpunkt, seiner Tatmotivation und sowie seinem Vor- und Nachtatverhalten auseinandergesetzt (vgl. Senatsbeschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, NStZ 2012, 1524, 1525 ff.). Insbesondere die nachhaltige Einwirkung auf den Zeugen T. vor dem 29. Juni 2011 („fingierter Verkehrsunfall“), der Verlauf der ICQ-ChatProtokolle vom 29. Juni 2011, die Todesdrohungen auf der Geburtstagsparty am 30. Juni 2011 und das Würgen der Geschädigten bis zur Bewusstlosigkeit am 2. Juli 2011 rechtfertigen die Annahme des Landgerichts, dass der Angeklagte am 1. Juli 2011 in Tötungsabsicht handelte, als er „voller Wut und Ver- zweiflung“ das Überfahren der Nebenklägerin ankündigte und seinen Pkw star- tete. Das Gesamtverhalten des Angeklagten wurde von einem stets präsenten „intentionalen Spannungsbogen“ überwölbt, der Nebenklägerin nicht nur mit Worten zu drohen, sondern dies auch umzusetzen (UA S. 52).
13
b) Das Handeln des Angeklagten hat auch bereits die Schwelle zum Versuch (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) überschritten.
14
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Dafür ist nicht erforderlich, dass der Täter bereits ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht. Es genügt, dass er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind und in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden, die mithin – aus der Sicht des Täters – das geschützte Rechtsgut in eine konkrete Gefahr bringen. Dementsprechend erstreckt sich das Versuchsstadium auf Handlungen, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen. Dies ist der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschreitet und objektiv zur tat- bestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 26. August 1986 – 1 StR 351/86, BGHR StGB § 22 Ansetzen 5; Beschluss vom 11. Juni 2003 – 2 StR 83/03, BGHR StGB § 22 Ansetzen 31; Beschluss vom 27. September 2011 – 4 StR 454/11, BGHR StGB § 176 Abs. 1 Versuch 1; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 22 Rn. 10 mwN). Nach diesem Maßstab hat der Angeklagte , als er in Tötungsabsicht mit seinem Pkw rückwärts auf die Nebenklä- gerin zufuhr, die Schwelle zum „jetzt geht es los“ überschritten und hierdurch unmittelbar zur Verwirklichung seines Tötungsvorhabens angesetzt. Denn zwischen ihm und der Nebenklägerin befand sich kein Hindernis mehr, so dass er das Tatopfer nach seiner Vorstellung aus der Parkbucht heraus ohne weitere Zwischenakte „in einem Zug“ überfahren konnte.
15
c) Das Landgericht musste sich nicht zu der Prüfung gedrängt sehen, ob der Angeklagte vom Versuch des Totschlags gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB zurückgetreten ist. Hinsichtlich des Geschehens auf dem Parkplatz der Diskothek liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor, bei dem ein strafbefreiender Rücktritt von vorneherein ausscheidet (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Davon ist auch das Landgericht ersichtlich ausgegangen (UA S. 3, 20, 45 f.).
16
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Ansetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 25. November 2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Urteil vom 8. Februar 2007 – 3 StR 470/06, NStZ 2007, 399; Beschluss vom 7. Februar 2008 – 5 StR 402/07; Beschluss vom 8. Oktober 2008 – 4 StR 233/08, NStZ 2009, 628; Beschluss vom 22. März 2012 – 4 StR 541/11, NStZ-RR 2012, 239, 240). Nach diesen Grundsätzen ist hier von einem Fehlschlagen des Versuchs auszugehen. Objektiv hat der festgestellte Geschehensablauf auf dem Parkplatzgelände durch das Eingreifen des Zeugen P. , das den abrupten Stillstand des Tatfahrzeugs zur Folge hatte und nach dem Hinzutreten des Zeugen T. dazu führte, dass die Nebenklägerin sich aus dem Sichtfeld des Angeklagten entfernen konnte, eine Zäsur erfahren. Durch das Eingreifen der Zeugen P. und T. war der Angeklagte gehindert, der Nebenklägerin nachzusetzen und den angestrebten Taterfolg ohne zeitliche Zäsur doch noch herbeizuführen.
17
2. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht die für die Annahme einer Tat nach § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 in Verbindung mit § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB vorausgesetzte Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen kann der Angeklagte nur wegen Versuchs (§ 315 b Abs. 2 StGB) verurteilt werden.
18
Durch das Eingreifen des Zeugen P. kam das vom Angeklagten geführte Kraftfahrzeug unmittelbar nach dem Anfahren abrupt wieder zum Stillstand, während die Nebenklägerin „die ersten SchritteRichtung Ein-/Ausfahrt machte“ (UA S. 20). Bei seiner polizeilichen Vernehmung hat der Angeklagte angegeben , die Nebenklägerin sei etwa zehn Meter entfernt gewesen, als er losgefahren sei (UA S. 35, 47). Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist somit der tatbestandliche Erfolg, nämlich eine konkrete Gefährdung im Sinne des § 315 b Abs. 1 StGB, nicht eingetreten. Dass der bewusst zweckwidrige Einsatz des Fahrzeugs bereits zu einer kritischen Situation im Sinne eines „Beinahe-Unfalls“ geführt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Februar 2010 – 4 StR 506/09, NStZ 2010, 572, 573, und vom 22. März 2012 – 4 StR 558/11, BeckRS 2012, 07957 Tz. 12), ist durch die Feststellungen nicht belegt. Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch liegt auch hier nicht vor.
19
Der Senat kann den Schuldspruch von sich aus ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich gegen den geänderten Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
20
Die gegen den Angeklagten verhängte Einheitsjugendstrafe wird durch die Änderung des Schuldspruchs nicht in Frage gestellt; der Erziehungsbedarf des Angeklagten besteht unabhängig von der rechtlichen Einordnung des ohnehin bloßen Gefährdungsdelikts als versuchte oder vollendete Tat, zumal der Unrechtsgehalt des strafbaren Verhaltens des Angeklagten durch den tateinheitlich verwirklichten Totschlagsversuch geprägt ist.

III.


21
Mutzbauer Cierniak Bender
Quentin Reiter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 216/05
vom
15. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
15. September 2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. September 2004 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord, gefährlicher Körperverletzung und mit Schwangerschaftsabbruch zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner hiergegen gerichteten Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision allein gegen die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das vom Generalbundesanwalt vertretene, wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat dagegen Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen hatte der zur Tatzeit 61 Jahre alte Angeklagte seinen Sohn Ralf W. nach dessen Rückkehr aus dem Ausland im Jahre 2000 bei der Begleichung seiner Altschulden und beim Aufbau eines eigenen Betriebes finanziell unterstützt. Ende 2002/Anfang 2003 wurden die Firmen des Angeklagten und seines Sohnes zusammengelegt und das Eigentum an dem Familienanwesen neu aufgeteilt, so dass sich die zusammengelegten Firmen im Alleineigentum des Sohnes des Angeklagten befanden. Im Gegenzug wurde dem Angeklagten die Geschäftsführung übertragen und ihm ein monatlicher unkündbarer Lohn von 3.000 Euro versprochen. Im März 2003 erteilte Ralf W. dem Angeklagten Baustellen- und Büroverbot. Im Mai 2003 stellte er die monatlichen Zahlungen von 3.000 Euro an den Angeklagten ein und kündigte schließlich die Krankenversicherungen seiner Eltern. Der Angeklagte reagierte darauf mit beleidigenden Äußerungen gegenüber seinem Sohn, dessen Ehefrau Petra, die zur Tatzeit in der 30. Woche schwanger war, und deren Eltern. Er erstattete mehrfach anonym Strafanzeige gegen seinen Sohn, unter anderem wegen angeblichen Drogenhandels und Steuerhinterziehung. Der Angeklagte, der annahm, bei den Besuchern seines Sohnes handele es sich um Mitglieder der „Hells-Angels“ oder der „MC-Outlaws“, beobachtete und fotografierte regelmäßig – bei Dunkelheit unter Verwendung eines Nachtsichtgerätes - die Wohnung seines Sohnes. Anfang Oktober 2003 erklärte der
Angeklagte einem langjährigen Mitarbeiter bei einem Telefongespräch, er wolle die Firma von seinem Sohn zurück haben und kündigte an, er werde diesen erschießen. Bevor das Kind der Ehefrau seines Sohnes auf die Welt komme, "erschieße er sie beide". Etwa sechs Wochen vor der Tat bedrohte der Angeklagte auf dem Familienanwesen seinen Sohn mit einem Revolver und forderte ihn auf, sein Fahrzeug umzuparken. Als Ralf W. dies ignorierte und entgegnete, der Angeklagte solle doch schießen, drehte dieser seine Waffe um und bot seinem Sohn an, dieser solle auf ihn schießen.
Am späten Nachmittag des 26. November 2003 stellte der Angeklagte fest, dass die Nummernschilder von dem Firmenwagen, den er privat nutzte, abgeschraubt waren. An der Windschutzscheibe des Autos befand sich ein Zettel mit der Nachricht: "Auto wird abgemeldet. MfS Ralf". In dem Angeklagten "reifte nun endgültig die Überzeugung seinen Sohn töten zu müssen. Er setzte sich gegen 18.00 Uhr in seine Küche - von der aus er den Hof überblicken konnte - und wartete auf die Heimkehr seines Sohnes". Gegen 21.30 Uhr kamen RalfW. und seine Ehefrau Petra durch den hinteren Durchgang in den Innenhof. Der Angeklagte, der den Lichtkegel des Autos seines Sohnes gesehen hatte, war zur Hintertür seiner Wohnung hinuntergegangen, hatte diese geöffnet und sich, ohne die über der Tür angebrachte Beleuchtung einzuschalten , auf die Treppe vor der Tür gestellt. Er wollte seinen Sohn mit seinem mit fünf Vollmantelkegelspitzgeschossen geladenen Revolver erschießen, sobald dieser den Innenhof betrat. Als er sah, dass seine Schwiegertochter neben seinem Sohn ging, zögerte er einen Augenblick. Da er befürchtete, sein Vorhaben könne scheitern und er abermals „versagen“, schoss der Angeklagte ohne Vorwarnung zweimal auf Ralf und Petra W. , die sich kurz vor der
zu ihrer Wohnung führenden Außentreppe befanden. Dabei konnte er, weil es im Hofraum dunkel war, lediglich unklare Umrisse zweier Personen erkennen.
"Da sich das Ehepaar in Bewegung befand, dem Angeklagten vor Aufregung die Hände zitterten, er von dem unerwarteten Auftauchen der Petra W. überrascht und es insgesamt relativ dunkel war, konnte er - wie er wusste - keinen gezielten Schuss auf seinen Sohn abgeben. Er konnte die beiden Personen im Moment der Abgabe der beiden Schüsse nicht einmal genau voneinander unterscheiden. Er hatte gehofft bei den ersten beiden Schüssen auf die beiden Personen seinen Sohn zu treffen, die Gefahr der Tötung seiner Schwiegertochter war ihm aber bewusst und er nahm sie in Kauf. Nahezu gleichzeitig, allenfalls Bruchteile einer Sekunde vor den beiden Schüssen, wurde dem Ralf W. eine Person in der Haustür seines Vaters gewahr, was ihn veranlasste sich in diese Richtung zu drehen. Einer der beiden Schüsse durchschlug zunächst den linken Unterarm der Petra W. , streifte anschließend den rechten Unterarm des Ralf W. bevor er schließlich nach Eintreten in ihre linke Brust ihr Herz durchdrang und im Brustkorb stecken blieb. Das zweite Geschoss verfehlte die beiden und bohrte sich in die Wand des Hauses".
Ralf und Petra W. liefen in Richtung der Treppe zu ihrer Wohnung. Die tödlich getroffene Petra W. kam auf der Treppe zu Fall und begann zu schreien. Ralf W. versuchte vergeblich, seine Ehefrau hochzuziehen und lief dann die Treppe hinauf zu seiner Wohnung. Der Angeklagte schoss zwei weitere Male auf Ralf W. , traf diesen jedoch nicht. Dieser lief in seine Wohnung und kehrte mit einem schnurlosen Telefon in der Hand vor die Wohnungstür zurück. Er trat mehrmals einige Schritte vor und gleich wieder zurück und tat dabei so, als ziele er mit dem Telefon in der Hand auf den Angeklagten. Dieser zielte jeweils erneut auf Ralf W. , schoss jedoch nicht. Nach einigen Minuten ging der Angeklagte in seine Wohnung,
alarmierte mit den Worten "Ich habe meinen Sohn erschossen" telefonisch die Polizei und forderte sie kurz danach mit einem weiteren Telefonanruf auf, einen Notarzt zu verständigen. Das von Petra W. vor ihrem Tode entbundene Mädchen verstarb zwei Stunden nach seiner Geburt.
Nach Auffassung des Landgerichts ist eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht auszuschließen. Aus dem Inhalt der Hauptverhandlung ergäben sich ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte im Tatzeitpunkt „im Zustand einer affektbedingten Störung seiner Bewusstseinstätigkeit gehandelt haben könnte.“
II. Revision des Angeklagten
1. Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts jedenfalls unbegründet.
2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler ergeben.

a) Der Schuldspruch ist, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, auch unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Einwendungen, rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten von dem Mordversuch zum Nachteil seines Sohnes verneint, dies jedoch nicht näher begründet hat. Dass „der Tötungsversuch des Angeklagten spätestens dann fehlgeschlagen war“, als sich sein Sohn in seine Wohnung hatte flüchten können, liegt hier nahe. Denn ein Fehlschlag, der
nach der Rechtsprechung einen Rücktritt ausschließt (vgl. BGHSt 34, 53, 56; 35, 90, 94; 39, 221, 228), liegt vor, wenn der Täter die Tat, wie er weiß, mit den bereits eingesetzten oder den zur Hand liegenden Mitteln nicht mehr ohne zeitliche Zäsur vollenden kann (vgl. BGHSt 39, 221, 228; BGHSt 41, 368, 369; BGH NStZ-RR 2002, 168), so dass ein erneutes Ansetzen notwendig ist, um zu dem gewünschten Ziel zu gelangen (vgl. BGHSt 39, 221, 232; 41, 368, 369). Selbst wenn der Angeklagte, was nach den Feststellungen fern liegt, nach Abgabe des vierten Schusses davon ausgegangen sein sollte, dass er die Tat ohne zeitliche Zäsur noch hätte vollenden können, fehlt es jedenfalls an der gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB erforderlichen Freiwilligkeit des Rücktritts. Hat sich aus der Sicht des Täters durch nicht vorhergesehene Umstände das für ihn mit der Tatbegehung verbundene Risiko beträchtlich erhöht und sieht er deshalb von der weiteren Tatausführung ab (BGH NStZ 1993, 76, 77 und 279 jew. m. w. Nachw.), ist der Rücktritt nicht freiwillig. So liegt es hier.
Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte, als es seinem Sohn gelang , in seine Wohnung zu flüchten, nur noch einen Schuss zu Verfügung. Er wusste, dass sein Sohn eine Schusswaffe besaß. Bei dieser Sachlage war eine weitere Ausführung der Tat aus der Sicht des Angeklagten mit einem erheblichen Risiko verbunden. Nach den vorangegangenen Fehlschüssen konnte der Angeklagte wegen der Entfernung und der Lichtverhältnisse nicht sicher sein, seinen Sohn zu treffen, als dieser jeweils kurz aus seiner Wohnung kam und seinerseits ein Zielen vortäuschte. Eine Möglichkeit, ohne Eigengefährdung zunächst die Distanz zu verringern, um mit der letzten Patrone sicher treffen zu können, bestand nicht. Dass der Angeklagte nicht wegen des nunmehr (vermeintlich ) erhöhten Risikos, sondern aus anderen Gründen von der Abgabe eines weiteren Schusses absah, liegt nach dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe, insbesondere im Hinblick auf seine Angaben nach seiner Festnahme , so fern, dass es hierzu keiner näheren Darlegung bedurfte.

b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers begegnet auch die Strafzumessungserwägung, der Angeklagte habe nicht „nur“ seine an seiner Situation unschuldige Schwiegertochter erschossen, sondern darüber hinaus tateinheitlich einen versuchten Mord begangen und dazu das Leben eines – zunächst ungeborenen – Kindes vernichtet, keinen rechtlichen Bedenken. Die strafschärfende Berücksichtigung der tateinheitlichen Verwirklichung des § 218 Abs. 1 StGB verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB. Die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch dieselbe Handlung ist jedenfalls dann ein Grund, die Tat innerhalb des Strafrahmens der insoweit bestimmenden Norm nachteiliger zu bewerten, wenn das tateinheitlich verwirklichte Delikt – wie hier - selbständiges Unrecht verkörpert (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 20; BGH NStZ 1993, 434).
Auch hat das Landgericht mit der Erwägung, der Angeklagte habe nicht „nur“ seine „an seiner Situation unschuldige Schwiegertochter erschossen“, nach dem Gesamtzusammenhang nicht das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes straferschwerend berücksichtigt, sondern den Umstand, dass der Angeklagte , um seinen an der Situation schuldigen Sohn wie geplant erschießen zu können, die Tötung eines weiteren – unbeteiligten - Menschen in Kauf nahm. Das ist hier ein tauglicher Strafzumessungsgrund (vgl. BGHSt 34 345, 350 ff.).
III. Revision der Staatsanwaltschaft
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1. Die Annahme einer affektbedingten erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht hat ausgeführt, „ausgehend von den ausführlichen und überzeugenden Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen“ könne es „im Zweifel zugunsten des Angeklagten nicht ausschließen, dass er sich zur Tatzeit in einem die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigenden Zustand der tiefgreifenden Bewusstseinsstörung befunden hat und er deshalb bei Begehung der Tat nur vermindert schuldfähig im Sinne des § 21 StGB war.“ Zu den Ausführungen des Sachverständigen teilt das Urteil mit, dass sich für diesen im Rahmen der Exploration die Schwierigkeit ergeben hat, „dass sich wegen der Verteidigungsstrategie aus der Einlassung des Angeklagten und den ihn vermeintlich schützenden Bekundungen seiner Tochter und seiner Ehefrau kein umfassendes psychopathologisches Bild ergeben hat.“ Dies lässt besorgen, dass das Landgericht, was rechtlich bedenklich ist (vgl. BGH NStZ 2005, 149), bei der Beurteilung der Schuldfähigkeit lediglich auf Gesichtspunkte abgestellt hat, die nach den Ausführungen des Sachverständigen abstrakt für oder gegen einen Affekt sprechen können. Den Urteilsausführungen lässt sich nicht entnehmen, ob sich der Sachverständige in der Hauptverhandlung mit dem für ihn neuen, der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt auseinandergesetzt und zu den medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen konkret auf den Angeklagten bezogene Ausführungen gemacht hat. Hierzu hätte sich das Urteil aber insbesondere deshalb verhalten müssen, weil das Landgericht – insoweit zutreffend (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 234) - nicht von dem
klassischen Fall eines schuldrelevanten Affekts, sondern von einer affektbedingten Bewusstseinsstörung infolge „einer irrealen Fokussierung und Fixierung“ des Angeklagten auf seinen Sohn ausgegangen ist (zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit bei einer Ausweitung einer „überwertigen Idee“ vgl. BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 25).
Das Landgericht hat sich zudem nicht damit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte nach den Feststellungen am Tattage, nachdem er sich entschlossen hatte, seinen Sohn zu erschießen, etwa dreieinhalb Stunden auf dessen Rückkehr gewartet hat. Auch dies kann aber ebenso wie die vorangegangene Tatplanung und die zielgerichtete Vorgehensweise bei der Tatausführung ein deutliches Anzeichen dafür sein, dass er nicht infolge einer Bewusstseinstörung gehandelt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 234 m. w. N.). Gegen eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung sprechen kann ferner ein rationales und umsichtiges Verhalten nach der Tat (vgl. BGH NStZ 1990, 231), insbesondere dann, wenn - wie hier - Anzeichen für eine den Affektabbau begleitende schwere seelische Erschütterung des Täters fehlen (vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 7). Das Landgericht hätte sich deshalb damit auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte, der nach Beendigung der Tat in seine Wohnung gegangen war, dort nicht nur zwei Telefongespräche mit der Polizei führte, sondern auch die Hülsen der verschossenen Munition aus seinem Revolver entfernte, und er sich dann bis zum Eintreffen der Polizei hinter einem Wohnmobil versteckte, weil er fürchtete, sein Sohn werde seine Pistole holen, um ihn zu erschießen.

b) Die Urteilsausführungen lassen zudem besorgen, dass das Landgericht den Zweifelssatz auch auf die Rechtsfrage, ob die nach seiner Auffassung vorliegende Beeinträchtigung des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB "erheb-
lich" ist, angewendet hat. Eine Rechtsfrage kann aber nicht auf der Grundlage des Zweifelssatzes beantwortet werden (st. Rspr., vgl. BGHSt 43, 66, 77; BGH NStZ 2005, 149, 150). Bei der Beurteilung der Erheblichkeit einer Beeinträchtigung im Sinne des § 21 StGB fließen normative Gesichtspunkte ein. Entscheidend sind die Anforderungen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt. Diese sind umso höher, je schwerwiegender das in Rede stehende Delikt ist (st. Rspr., vgl. BGH NStZ 2004, 437 f. m.w.N.), bei vorsätzlichen Tötungsdelikten also besonders hoch (BGH NStZ 2005, 149, 150).
2. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die danach notwendige erneute Prüfung lässt den Schuldspruch unberührt. Es fehlt an jeglichem Anhalt, der Angeklagte könne zur Tatzeit im Sinne des § 20 StGB schuldunfähig gewesen sein.
Tepperwien Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 647/12
vom
19. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. März
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Zeng,
Richter
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 3. Juli 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben:
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung verurteilt worden ist und
b) im Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung sowie wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
2
Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist auf die Anfechtung der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung beschränkt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt hinsichtlich der Gewalthandlungen vom 28./29. August 2011 jedenfalls die Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Die weitergehende Verurteilung (wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung) ist vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
3
Die insoweit wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.

II.

4
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Der Angeklagte unterhielt mit der Nebenklägerin (im Folgenden: N.) seit etwa 2008 eine Beziehung. Aus dieser Beziehung ging der gemeinsame Sohn L. hervor. Nachdem es zwischen den Partnern immer öfter Streitigkeiten gab, trennte sich N. im Juli 2011 vom Angeklagten. Trotz der Trennung wohnten sie und der Angeklagte weiter zusammen in der gemeinsamen Wohnung und schliefen im gleichen Zimmer. Der Angeklagte sowie N. beabsichtigten, zur Absicherung ihres Sohnes eine gemeinsame Lebensversicherung abzuschließen. Versicherungsnehmer sollten sie beide sein. Die Vertragsformalitäten sollten vom Angeklagten übernommen werden.
6
Nachdem der Angeklagte erkannte, dass die Trennung von N. endgültig ist, beschloss er zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt, N. zu töten. In diesem Zusammenhang wollte er die Versicherungsleistung aus der geplanten, noch abzuschließenden Lebensversicherung zu Unrecht selbst vereinnahmen. Den Tod der N. wollte er so herbeiführen, dass sich der Geschehensablauf als häuslicher Unfall darstellt.
7
In Ausführung dieses Planes füllte er am 1. Juli 2011 in seiner Wohnung einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung bei der C.-Versicherung aus. Als Versicherungsnehmer und als die zu versichernde Person trug er entgegen der Absprache mit N. in das Formular diese als alleinige Versicherungsnehmerin ein, versah den Antrag mit deren nachgemachter Unterschrift und trug sich selbst als Begünstigter im Todesfall der N. ein. Im Antrag bezifferte er die Versicherungsleistung, die im Todesfall der N. an ihn selbst ausgezahlt werden sollte, mit 1.340.000 €. Dieser Antrag ging am 4. Juli 2011 bei der C.-Versicherung ein. Mit der nachgemachten Unterschrift wollte er die Versicherung über den tatsächlichen Antragsteller täuschen. N. wusste hiervon nichts.
8
Entgegen der Vorstellung des Angeklagten lehnte die Versicherungsgesellschaft eine Deckung in der beantragten Höhe ab, erklärte sich aber zum Vertragsschluss in Höhe von 500.000 € entsprechend einer von der Versicherung durchgeführten Bedarfsberechnung bereit. Am 13. August 2011 unterschrieb der Angeklagte aufgrund eines neuen Tatentschlusses erneut in seiner Wohnung eine Erklärung über den Erhalt von Unterlagen sowie einen Zusatzantrag zur Hinterbliebenenabsicherung, in dem der Versicherungsbeginn 1. August 2011 und die Versicherungssumme mit 500.000 € vereinbart wurde.
9
Die vorgenannten Urkunden versah er wiederum mit der von ihm nachgemachten Unterschrift der N., um die Versicherung erneut darüber zu täuschen , dass diese die Antragsunterlagen - wie nicht - erhalten und unterschrieben hätte, und reichte sie bei der C.-Versicherung ein. Im Vertrauen auf die Echtheit der Urkunden bestätigte die C.-Versicherung das Zustandekommen des Versicherungsvertrages mit Versicherungspolice vom 16. August 2011, die der Angeklagte tags darauf zugestellt bekam. Auch davon bekam N. nichts mit. Versichert war der Tod der N. unabhängig davon, ob es sich um einen natürlichen oder um einen gewaltsamen Tod handelte. Dies wusste der Angeklagte.
10
Nachdem der Angeklagte die vertraglichen Voraussetzungen geschaffen und erfahren hatte, dass N. sich mit einem anderen Mann trifft, entschloss er sich schließlich am 28. August 2011, seinen Tötungsplan in die Tat umzusetzen.
11
Der Angeklagte wollte den Eindruck erwecken, N. sei beim Ausstieg aus der nassen Dusche auf dem Boden des Badezimmers ausgerutscht und mit dem Kopf auf einen harten Gegenstand aufgeschlagen, wobei sie sich tödliche Verletzungen zugezogen habe. Hierzu verstreute er am Abend vorher auf dem Boden Waschpulver und legte sich Geschirrtücher sowie Kabelbinder unter dem Kopfkissen zurecht, um damit N. zu fesseln. Den gemeinsamen Sohn L. verbrachte er zu seinen Eltern, damit dieser von der Tat nichts mitbekomme. Um sich selbst ein Alibi zu verschaffen, verbrachte er den Abend bei seinen Eltern und legte sich, nachdem sein Vater zu Bett ging, zum Schein auf die Couch, um den Eindruck zu erwecken, er werde die ganze Nacht bei seinen Eltern verbringen.
12
Tatsächlich begab er sich jedoch heimlich zurück in seine Wohnung, wo er im Bett liegend auf die Rückkehr von N. wartete. Diese kehrte etwa gegen 2.30 Uhr zurück und legte sich nur mit einer Unterhose bekleidet neben den Angeklagten in ihre Betthälfte. Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 3.15 Uhr und 5.30 Uhr begann der Angeklagte, die schlafende, wehrlose N. zu fesseln. Er drehte sie dazu auf den Bauch und fesselte ihr zuerst mit einem stabilen Klebeband die Hände auf dem Rücken, wickelte ihr dann die bereits vorher dazu ebenfalls bereitgelegten Geschirrtücher um die Handgelenke und fixierte diese dann über den zur Polsterung und Striemenvermeidung dienenden Tüchern mit den bereitliegenden Kabelbindern. Hierdurch wurde N. wach, worauf der Angeklagte ihr sogleich den Mund mit Klebeband verklebte. Damit wollte der Angeklagte jeglichen Fluchtversuch der N. von vornherein verhindern.
13
Anschließend nahm er eine nicht näher identifizierte Pistole, hielt sie an ihren Mund und sagte, er würde sie wahnsinnig gerne erschießen. Tatsächlich beabsichtigte er dies nicht, sondern wollte sie einschüchtern und in Todesangst versetzen, was ihm auch gelang. Anschließend fesselte er N. mit dem Klebeband noch an den Beinen, um sie ohne Gegenwehr in das Badezimmer verbringen zu können. Entsprechend seinem Plan verbrachte er die verängstigte und wehrlose N. gegen ihren Willen ins Badezimmer und bespritzte dort das schon am Abend zuvor auf dem Boden verstreute Waschpulver mit Wasser, um einen Schmierfilm zu erzeugen. Anschließend verbrachte er sie nochmals ins Schlafzimmer und gleich wieder zurück ins Bad. Er stellte N. nun unter die laufende Dusche, um sie nass zu machen.
14
Dann zog er sie aus der Dusche, fasste sie mit den Händen an den Kopf, zog diesen zuerst nach vorne und schleuderte die gefesselte N. dann mit aller Kraft nach hinten, um ihr durch den Sturz möglichst tödliche Kopfverletzungen zuzufügen. Die aufgrund der Fesselung völlig wehrlose N. stürzte und schlug mit der linken Schulter und dem Hinterkopf auf dem gefliesten Boden auf. Sie blieb zwar auf dem Rücken liegen, war jedoch nicht schwer verletzt. Der Angeklagte war von diesem vergleichsweise harmlosen Verlauf überrascht, da er zumindest mit dem Eintreten der Bewusstlosigkeit der N. rechnete. Er entschloss sich nunmehr, N. dadurch zu töten, dass er ihr das Genick bricht. Er setzte sich dazu auf die Hüfte auf der am Boden liegenden N., nahm ihren Kopf in seine Hände und versuchte, durch gewaltsames Überdrehen des Kopfes nach hinten dieser tödliche Genickverletzungen zuzufügen. Als dies aufgrund Muskelanspannung der N. misslang, fasste er mit einer Hand unter die rechte Schulter der N., zog sie nach oben und drückte mit der anderen Hand gleichzeitig ihren Kopf nach unten. Da auch dies nicht zu tödlichen Verletzungen führte, kniete er sich nunmehr neben N., fasste mit einer Hand an ihren Hinterkopf und mit der anderen an ihr Kinn, um den Kopf kraftvoll drehen zu können. Er zog sodann gleichzeitig ihren Hinterkopf seitlich nach vorne und drückte ihr Kinn nach hinten. Aber auch hierdurch gelang es ihm nicht, N. erhebliche bzw. tödliche Verletzungen zuzufügen, weil diese ihren Körper mitdrehen konnte.
15
Er ließ nun von N. ab und fing an, diese zu beschimpfen. Er warf ihr vor, sie sei schuld am Scheitern der Beziehung und auch an dem was nunmehr passiere, weil sie egoistisch sei und nur an sich selbst denke. N. antwortete auf die Beschimpfungen und Vorhalte des Angeklagten trotz verklebtem Mund so gut sie konnte, worauf der Angeklagte ihr mehrfach mit der flachen Hand auf die Wange schlug, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass ihm ihre Antwort nicht gefiel.
16
Nunmehr entschloss er sich, die Gegenwehr der N. dadurch auszuschalten , dass er sie bis zur Ohnmacht knebelte, um ihren Kopf dann ohne Widerstand auf den Boden schleudern zu können bzw. ihr durch gewaltsames Verdrehen des Kopfes tödliche Verletzungen zuzufügen. Hierzu drückte er zunächst ihren Mund und ihre Nase mit der Hand zu. Infolge dieser Behandlung löste sich das Klebeband von ihrem Mund und N. schrie so laut sie konnte um Hilfe. Dies geschah ca. um 6.00 Uhr früh. Nun drückte er ihr ein im Badezimmer in unmittelbarer Reichweite befindliches Handtuch tief in den Mund- und Rachenraum und hielt ihr gleichzeitig die Nase zu. Damit gelang es ihm, die Luftzufuhr der N. vollständig zu unterbinden, sodass N. nicht mehr atmen konn- te, ihre Gegenwehr aufgab und dachte, sie werde nun sterben. Erst als sie langsam kraftlos wurde und, wie er erkannte, kurz vor der Bewusstlosigkeit stand, ließ der Angeklagte wortlos von seinem Vorhaben ab und nahm den Knebel aus ihrem Mund, sodass sie schließlich wieder Luft bekam und sich erholte.
17
Anschließend trug er die immer noch am Boden liegende, gefesselte halbnackte N. zurück in das Schlafzimmer und zwang sie, auf dem Bett liegen zu bleiben. Als er bemerkte, dass es ihr zwischenzeitlich gelungen war, der Fesselung der Hände durch die Kabelbinder teilweise zu entkommen, drehte er sie gewaltsam in Bauchlage und legte ihr neue Kabelbinder an, die er so fest zuzog, dass sie Schmerzen erlitt. Im weiteren Verlauf bot N. dem Angeklagten aus Angst um ihr Leben eine Übertragung des Sorgerechts für den gemeinsamen Sohn an und versprach ihm, sie werde nicht zur Polizei gehen, wenn er sie frei lasse.
18
Schließlich nahm der Angeklagte N. gegen 8.30 Uhr die Fesselung ab und ließ sie gegen 9.15 Uhr aus der Wohnung. Der Angeklagte bedrohte sie kurz vor Verlassen der Wohnung noch, dass er sie umbringen werde, wenn sie den Vorfall der Polizei melde.
19
Dennoch erstattete N. nach einer Überlegungsphase und erst nach Aufforderung durch ihre Mutter am 29. August 2011 abends Anzeige gegen den Angeklagten.
20
N. erlitt durch den Erstickungsversuch Petechien im Auge, durch den Aufprall auf dem gefliesten Boden eine 4 cm große Beule am Hinterkopf, durch die Misshandlungen starke Schmerzen am Hals und durch die Fesselung an den Hand- und Sprunggelenken Hautreizungen und Schmerzen. Dies hatte der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.
21
N. ist seit diesem Vorfall in psychiatrischer Behandlung. Ob und in welchem Umfang psychische Dauerfolgen verbleiben, steht nicht fest. Sie hat nach wie vor schon bei alltäglichen Berührungen Angstzustände.
22
2. Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung (III. 6 = UA S. 10-12) das Vorliegen eines fehlgeschlagenen Tötungsversuchs verneint und bei der rechtlichen Würdigung (IV. 1 = UA S. 12) einen freiwilligen Rücktritt vom unbeendeten Versuch bejaht. Es hat bei dem Tatgeschehen vom 28./29. August 2011 eine Zäsur nur im Hinblick auf die abschließende versuchte Nötigung angenommen und ist davon ausgegangen, dass das Dauerdelikt der Freiheitsberaubung "die übrigen Körperverletzungsdelikte" verklammere.

III.

23
Das angefochtene Urteil leidet an durchgreifenden materiell-rechtlichen Fehlern.
24
1. Insbesondere ist den getroffenen Feststellungen nicht das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung , der sogenannte Rücktrittshorizont, zu entnehmen. Bei Vorliegen einer Zäsur müssen zudem die Vorstellungen des Angeklagten jeweils nach der (vorläufig) letzten Ausführungshandlung dargetan werden.
25
Auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten kann hier nicht aus dem Urteil in seiner Gesamtheit geschlossen werden, wenn auch im Rahmen der Beweiswürdigung (III. 6 = UA S. 10-12) und der rechtlichen Würdigung (IV. 1 = UA S. 12) rudimentär Rücktrittselemente angesprochen werden. Hier wird jeweils in erster Linie mitgeteilt, was nicht festgestellt werden konnte, ohne dass - ergänzend heranzuziehende - klare und eindeutige Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach den verschiedenen Tathandlungen getroffen wurden. Ohnehin konnte N. zum jeweiligen Vorstellungsbild des Angeklagten schon deshalb keine Angaben machen, weil er sich hierzu nicht geäußert hat. Die entsprechenden Feststellungen sind aber unerlässlich; denn auf den Rücktrittshorizont kommt es bei der Beurteilung, ob ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch vorliegt, entscheidend an.
26
Das ergibt sich aus Folgendem:
27
Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendeten Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter Versuch vor, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist.
28
Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen anzunehmen, wenn er den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht.
29
Eine Korrektur des Rücktrittshorizonts ist in engen Grenzen möglich. Der Versuch eines Tötungsdelikts ist daher nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber nach alsbaldiger Erkenntnis seines Irrtums von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt.
30
Rechnet der Täter dagegen zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang, so liegt eine umgekehrte Korrektur des Rücktrittshorizonts vor, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat.
31
In diesem Fall ist ein beendeter Versuch gegeben, wenn sich die Vorstellung des Täters bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit sogleich nach der letzten Tathandlung in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser ändert (st. Rspr. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 337/11 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - 3 StR 401/11; BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - 5 StR 528/11).
32
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
33
Liegt ein Fehlschlag vor, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB aus; umgekehrt kommt es nur dann, wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an, die für die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung in Fällen des § 24 Abs. 1 StGB stets, in solchen des § 24 Abs. 2 StGB mittelbar dann von Bedeutung ist, wenn sich die (gemeinsame) Verhinderungsleistung von Versuchsbeteiligten in einem einverständlichen Unterlassen des Weiterhandelns erschöpfen kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09 mwN).
34
Allen Fällen ist gemeinsam, dass es auf das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ankommt. Diese Vorstellung ist gegebenenfalls auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 216/05 mwN).
35
Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen , hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12; BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11; BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 4 StR 8/03).
36
Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, weil es sich um ein mehrstündiges und mehraktiges Tatgeschehen handelt und auch die Prüfung der Annahme nur einer Tat im Rechtssinne vorzunehmen ist. Denn würde man, was hier nicht fern liegt, eine oder mehrere Zäsuren (hinsichtlich der abschließenden versuchten Nötigung ist der Tatrichter selbst davon ausgegangen [UA S. 13]) annehmen, ist die Mitteilung des Vorstellungsbildes des Angeklagten nach der jeweils letzten Ausführungshandlung geboten.
37
Die Annahme des Landgerichts, das Dauerdelikt der (einfachen) Freiheitsberaubung verklammere auch gefährliche Körperverletzungen (die konkrete Fesselung kann ebenfalls eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen; vgl. u.a. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 364/03 mwN; Fischer, StGB, 60. Aufl., Rn. 9b zu § 224), begegnet rechtlichen Bedenken; denn das im Strafrahmen des § 224 StGB zum Ausdruck kommende Gewicht übersteigt das des Dauerdelikts (§ 239 StGB) erheblich (vgl. Fischer aaO Rn. 32 vor § 52).
38
Zu denken ist aber an eine natürliche Handlungseinheit. Eine solche und damit eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne liegt bei einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn die einzelne Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind und zwischen ihnen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint.
39
Für die Beurteilung einzelner Versuchshandlungen als eine natürliche Handlungseinheit ist deshalb eine solche Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei begründet der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne Weiteres eine die Annahme einer Handlungseinheit ausschließende Zäsur. Eine tatbestandliche Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlagen des Versuchs (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 25. November 2004 - 4 StR 326/04 mwN).
40
Auch für die Beurteilung, ob die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind, ist die (jeweils rechtsfehlerfreie ) Feststellung der subjektiven Tatseite erforderlich.
41
An all diesem fehlt es hier.
42
Die Urteilsgründe lassen weiter nicht eindeutig erkennen, ob der Angeklagte durchgehend davon ausging, den Tod der N. (als außertatbestandliches Ziel) als Unfall darstellen zu können oder nur noch ihren gewaltsamen Tod erstrebte , obwohl dafür das Risiko für ihn größer wurde, als Täter in Verdacht zu geraten und deshalb die Versicherungssumme nicht ausbezahlt zu erhalten. Denn es ist naheliegend, dass bei einem offensichtlich gewaltsamen Tod der N. in der Wohnung des Angeklagten kurz nach Abschluss einer entsprechenden Lebensversicherung und bei einem möglichen Sorgerechtsstreit (UA S. 7) der Tatverdacht auf den Angeklagten fallen würde.
43
Die Urteilsgründe lassen offen, ob der Angeklagte möglicherweise nur noch weiterhandelte, um seine vorausgehende Tat zu verdecken.
44
Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen lässt eine abschließende Prüfung durch das Revisionsgericht nicht zu.
45
Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils im angefochtenen Umfang.
46
Die zugrundeliegenden Feststellungen waren ebenfalls aufzuheben, da der Senat nicht ausschließen kann, dass auch insoweit neue Feststellungen getroffen werden können, die sich auf das Vorstellungsbild des Angeklagten im jeweiligen rechtserheblichen Zeitpunkt ausgewirkt haben.
47
2. Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung hatte im Übrigen schon deshalb keinen Bestand, weil die Strafkammer übersehen hat, dass tateinheitlich begangen auch eine Bedrohung (mit der Pistole; § 241 StGB) vorliegt. Ob diese hinter einem versuchten Tötungsdelikt zurücktreten würde, kann hier offenbleiben; sie würde aber nicht hinter der vom Landgericht lediglich angenommenen gefährlichen Körperverletzung zurücktreten (vgl. zur Problematik u.a. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2002 - 2 StR 523/01; auch BGH, Beschluss vom 9. Februar 2000 - 2 StR 639/99). Wahl Rothfuß Jäger Radtke Zeng
5
Was den Angeklagten veranlasst hat, die Tatausführung abzubrechen, bedarf erneuter Prüfung durch den Tatrichter und der Darlegung in den Urteilsgründen. Die Aufhebung erfasst auch das in Tateinheit stehende vollendete Delikt nach § 176 Abs. 1 StGB.