Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2014 - 2 StR 505/13

26.03.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 505/13
vom
26. März 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
, zu Ziffer 1 und 3 auf dessen Antrag, und der Beschwerdeführer am
26. März 2014 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten F. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 16. Mai 2013, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben. Auf die Revision der Angeklagten B. wird das vorgenannte Urteil, soweit es diese Angeklagte betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten F. wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen richten sich ihre Revisionen mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel der Angeklagten B. führt zur Urteilsaufhebung im Ganzen, soweit es sie betrifft. Das Rechtsmittel des AngeklagtenF. hat nur hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten Lebensgefährten , sie lebten unter Obdachlosen und waren alkoholabhängig. Am 30. April 2012 wurde ihnen in ihrer vorübergehenden Unterkunft ein Hausverbot erteilt. Sie luden ihre Habe in einen Einkaufswagen und verließen die Unterkunft , um zunächst gemeinsam mit anderen Obdachlosen die Zeit im Freien zu verbringen und dann in einer Unterführung zu übernachten. Der Angeklagte F. hatte den Verdacht, dass der zum Kreis der Obdachlosen gehörende S. an einem sexuellen Kontakt mit der Angeklagten B. interessiert sei. Deshalb war er eifersüchtig und aggressiv. Er drohte damit, den gehbehinderten S. umzubringen. Ein anderer Obdachloser konnte zunächst eine Eskalation verhindern. Nachdem sich die Angeklagten in eine nahe gelegene Unterführung zurückgezogen hatten, ging der stark alkoholisierte S. auf seinem Weg zu einem „Übernachtungscontainer“ auf die Unterführung zu, weil er dort Stimmen hörte. Der Angeklagte F. erkannte eine Gelegenheit, S. „mit dem Tode zu bestrafen“, nahm ihn in den „Schwitzkasten“ und versuchte , ihn durch Genickbruch zu töten. Dabei brach er ihm die Kehlkopfhörner sowie das Zungenbein und ließ das Opfer zu Boden fallen. Dann trat der Angeklagte F. den Bewusstlosen ins Gesicht, zog ihn gemeinsam mit der Angeklagten B. einige Meter von der Unterführung Weg auf den gepflasterten Weg, wo er weiter auf Kopf und Oberkörper des Opfers eintrat. Durch die Tritte erlitt das Opfer umfangreiche Zertrümmerungen der Gesichtsknochen sowie Rippenbrüche, „wollte“ aber aus der Sicht des Täters „einfach nicht verrecken“. Die Angeklagte B. erkannte die mit Tötungsvorsatz ausgeführten Handlungen und befürchtete, dass sie erhebliche strafrechtliche Folgen für ihren Lebensgefährten haben könnten. Sie zerschlug eine kleine Flasche, nahm ein Bruchstück des Glases, trat an das Opfer heran und schnitt ihm mehrfach in den Hals. Danach fühlte sie ihm den Puls, bis dieser nicht mehr spürbar war. Der Angeklagte F. trat auch danach noch auf das Opfer ein, holte einen Hammer und schlug dem bereits Verstorbenen damit mehrfach auf den Kopf.
3
2. Das Landgericht hat darin einen Mord durch den Angeklagten F. aus niedrigen Beweggründen gesehen. Die Angeklagte B. habe diesem „als Zeichen ihrer Solidarität bei der begonnenen Tötung des S. helfen“ wollen. Obwohl sie zu dem Opfer ein freundschaftliches Verhältnis unterhalten hatte, habe sie sich in der Tatsituation dazu berufen gefühlt, das Opfer zusammen mit ihrem Lebensgefährten zu Tode zu bringen. Das gesamte Tatbild , einschließlich der Tatvorgeschichte, der Persönlichkeit der Mitangeklagten, ihrer Beziehung zum Opfer und des Nachtatverhaltens, stehe nach allgemein sittlicher Wertung auf tiefster Stufe und sei deshalb verachtenswert. Daher sei auch ihre Tat als Mord aus niedrigen Beweggründen zu bewerten.

II.

4
1. Die Revision des Angeklagten F. gegen dieses Urteil ist unbegründet , soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zu seiner Tat ist rechtsfehlerfrei. Auch die Bewertung der Tat als Mord aus niedrigen Bewegründen ist rechtlich nicht zu beanstanden.
5
Jedoch unterliegt der Strafausspruch gegen den Angeklagten F. der Aufhebung, weil das Landgericht versäumt hat, eine Strafmilderung nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB zu erörtern. Nach den Urteilsgründen hatte der Angeklagte F. mit seinen Angaben im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung wesentlich dazu beigetragen, dass die Tat der Angeklagten B. , wie sie vom Landgericht festgestellt wurde, aufgedeckt werden konnte. Das hätte Anlass zur Prüfung der Strafmilderungsnorm gegeben, wie es der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 4. Oktober 2013 erläutert hat.
6
Die Feststellungen zum Strafausspruch gegenüber dem Angeklagten F. sind rechtsfehlerfrei getroffen worden und können aufrecht erhalten bleiben.
7
2. Die Revision der Angeklagten B. hat mit der Sachrüge Erfolg, weil die Urteilsgründe den gegen sie gerichteten Schuldspruch wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen nicht tragen. Sie lassen vielmehr besorgen, dass das Landgericht von einem falschen Maßstab ausgegangen ist.
8
Auf das äußere „Tatbild“ einer brutalen Tötung kommt es dafür nicht an, sondern auf eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des jeweiligen Täters maßgeblichen Faktoren (vgl. Senat, Urteil vom 19. Oktober 2001 - 2 StR 259/01, BGHSt 47, 128, 131). Auch ist die vom Landgericht hervorgehobene „Solidarität“ der Angeklagten B. mit dem Angeklagten F. nicht von Belang, weil eine Zurechnung des von dem Mittäter verwirklichten Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe nach § 25 Abs. 2 StGB nicht möglich ist. Mittäter einer vorsätzlichen Tötung können wegen Totschlags oder Mordes unterschiedlich beurteilt werden (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1989 - 1 StR 479/88, BGHSt 36, 231, 233). Ein Handeln aus niedrigen Beweggründen ist für jeden Mittäter der vorsätzlichen Tötung gesondert zu prüfen. Daran sind die Überlegungen der Schwurgerichtskammer durch die Hervorhebung einer „Solidarität“ der Angeklagten B. mit ihrem Lebensgefährten zum Teil vorbeigegangen.
9
Im Übrigen hat das Landgericht Gesichtspunkte hervorgehoben, die eine Bewertung des Motivs als besonders verachtenswert nicht rechtfertigen. Aus der „Beziehung zum Opfer“ lässt sich für die Angeklagte B. , die „ein freundschaftliches Verhältnis“ zu dem Getöteten gehabt hatte, kein niedriger Beweggrund ableiten. Insoweit ist auch die „Vorgeschichte der Tat“ ohne Aussagekraft.
10
Die Absicht der Angeklagten B. , eine andere Tat, nämlichdiejenige des Mittäters (vgl. Senat, Urteil vom 27. Januar 1956 - 2 StR 432/55, BGHSt 9, 180, 182), zu verdecken, hat das Landgericht unbeschadet seiner - auch nicht näher erläuterten - Feststellung, sie habe auch „zum Schutz ihres Lebensge- fährten vor Strafverfolgung“ gehandelt,bei der rechtlichen Würdigung nicht zu Grunde gelegt. Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 46b Hilfe zur Aufklärung oder Verhinderung von schweren Straftaten


(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist, 1. durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).