Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 4 7 / 1 5
vom
7. September 2015
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 7. September 2015
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 29. September 2014
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünfzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts fasste der Angeklagte im Jahr 2013 den Entschluss, sich durch regelmäßigen Umsatz von Betäubungsmitteln eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen, um seine an sich auskömmlichen Lebensverhältnisse weiter zu verbessern. Von Januar 2013 bis März 2014 verkaufte er in mindestens fünfzehn Fällen jeweils 100 g Marihuana an den gesondert verfolgten T. auf Kommissionsbasis. Er wurde von T. jeweils bei der nächsten Lieferung bezahlt. Im Lauf der Geschäftsbeziehung geriet T. in Zahlungsrückstand. Die genaue Höhe der Rückstände und die Zahl der betroffenen Einzellieferungen konnte das Landgericht nicht feststellen. Zuletzt verkaufte der Angeklagte am 1. April 2014 eine Menge von 426,86 g Marihuana an T. . Dieser hatte zuvor zugesichert , über den gesamten Kaufpreis für diese Lieferung zu verfügen und zugleich die aufgelaufenen Rückstände auszugleichen, was er anschließend auch realisierte.
3
Das Landgericht hat jede Drogenlieferung des Angeklagten an T. als rechtlich selbständige Handlung des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln angesehen. Nur im Fall der letzten Lieferung bezog sich diese auf eine nicht geringe Menge. Insgesamt ist das Landgericht zur Annahme von sechzehn Taten gelangt.

II.

4
Die Revision erzielt mit der Sachrüge einen Teilerfolg. Der Schuldspruch ist dahin abzuändern, dass insgesamt nur eine Tat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorliegt. Dies hat die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge.
5
Die Konkurrenzbewertung des Landgerichts ist - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - rechtsfehlerhaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden Einzelhandlungen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dann, wenn die Bezahlung einer früheren Lieferung mit der Übergabe einer neuen Drogenmenge zusammentrifft, zur Tateinheit verbunden (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Januar 2010 - 2 StR 563/09, NStZ 2011, 97; Beschluss vom 9. Dezember 2014 - 2 StR 381/14, jeweils mwN). Sowohl die Bezahlung von Betäubungsmitteln als auch die Übergabe der Drogen sind Teilakte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln.
6
Nicht mehr entscheidungserheblich ist danach, dass hier auch zumindest bezüglich eines ungeklärten Teils der Einzelakte die Zahlungsrückstände aus früheren Lieferungen bei der Übergabe der letzten Drogenmenge mit bezahlt wurden; insoweit muss erst recht von einer Handlungseinheit der zusammentreffenden Teilakte des Handeltreibens ausgegangen werden.
7
Der Senat ändert den Schuldspruch dementsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, denn der Angeklagte, der ein umfassendes Geständnis abgelegt hat, hätte sich auch bei Kenntnis der fehlerhaften Konkurrenzbewertungen der Tatsacheninstanz nicht mit Erfolg anders verteidigen können als es dort geschehen ist.
8
Die Änderung des Schuldspruchs zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs im Ganzen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei der Bildung einer einheitlichen Strafe zu einem für den Angeklagten günstigeren Ergebnis gelangen wird, als es durch die Bildung von Einzelstrafen und einer Gesamtstrafe gefunden wurde.
9
Der neue Tatrichter wird auch die rechtlichen Bedenken gegen die bisherige Begründung der Strafzumessung, die der Generalbundesanwalt erläutert hat, zu beachten haben. Fischer Eschelbach Ott Zeng Bartel

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Sept. 2015 - 2 StR 47/15 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Jan. 2016 - 4 StR 322/15

bei uns veröffentlicht am 13.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 322/15 vom 13. Januar 2016 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ECLI:DE:BGH:2016:130116B4STR322.15.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs ha

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 3 8 1 / 1 4
vom
9. Dezember 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 9. Dezember 2014 gemäß §§ 349
Abs. 2 und 4, 357 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 18. Juni 2014, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass er der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,
b) im Strafausspruch aufgehoben. 2. Hinsichtlich des nicht revidierenden Angeklagten K. wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass dieser Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei weiteren Fällen , des Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen schuldig ist,
b) im Strafausspruch betreffend die Fälle II.3 und II.4 der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die Revision des Beschwerdeführers hat auf die allgemeine Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg ; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Nach den Feststellungen handelte der nicht revidierende Angeklagte K. mit Marihuana im Kilobereich, das er von seinem Lieferanten "M. " auf Kommissionsbasis bezog.
3
Ende August 2013 überbrachte der Angeklagte P. als Betäubungsmittelkurier im Auftrag des Lieferanten "M. " dem Angeklagten K. 4 kg Marihuana und 27,1 g nicht zum Handel bestimmtes Kokain zu einem vereinbarten Kaufpreis von 28.150 Euro (Fall II.3 der Urteilsgründe).
4
Am 17. Oktober 2013 lieferte der Angeklagte P. im Auftrag des "M. " weitere 5.245 g Marihuana zu einem vereinbarten Kaufpreis von 36.700 Euro. Dabei übergab der Angeklagte K. dem Angeklagten P.
28.150 Euro Bargeld als Bezahlung für die vorangegangene Lieferung (Fall II.4 der Urteilsgründe).
5
2. Soweit das Landgericht den Angeklagten P. wegen zwei Fällen der Beihilfe zum Handeltreiben in nicht geringer Menge verurteilt hat, hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
Dadurch, dass der Angeklagte K. am 17. Oktober 2013 das ihm Ende August 2013 auf Kommissionsbasis überlassene Marihuana bei der Übergabe der erneuten Rauschgiftlieferung bezahlt hat, trafen beide Rauschgiftgeschäfte in einem Handlungsteil zusammen, da auch die Zahlungsvorgänge tatbestandlich Handlungsteile des Handelstreibens sind (vgl. BGH NStZ 2011, 97 m.w.N.). Zwischen beiden Betäubungsmittelgeschäften besteht deshalb Tateinheit mit der Folge, dass sich die Unterstützungshandlungen des Angeklagten P. auf eine einzige Haupttat des Lieferanten "M. " bezogen und somit auch nur ein einheitliches Beihilfedelikt darstellen (BGH NStZ 2014, 465).
7
Der Schuldspruch war dementsprechend zu ändern. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich gegen diese Verurteilung nicht anders hätte verteidigen können.
8
Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Die der Strafzumessung zugrunde gelegten Feststellungen sind von der unzutreffenden konkurrenzrechtlichen Bewertung nicht betroffen und können bestehen bleiben. Allerdings wird der neue Tatrichter bei der Bestimmung des anzuwendenden Strafrahmens genauer als bisher geschehen zu erwägen und darzulegen haben, ob gegebenenfalls auch ohne Berücksichtigung der vertypten Strafmilderungsgründe der §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB und § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB bzw. unter Verbrauch nur eines dieser beiden vertypten Strafmilderungsgründe bereits die Annahme eines min- der schweren Falles gemäß § 29 a Abs. 2 BtMG in Betracht kommt mit der Folge , dass gegebenenfalls eine weitere Strafrahmenverschiebung vorzunehmen wäre.
9
3. Die Entscheidung ist gemäß § 357 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten K. zu erstrecken. Die konkurrenzrechtlichen Erwägungen, die zu der Schuldspruchänderung bei dem Angeklagten P. geführt haben, bedingen auch eine entsprechende Änderung des Schuldspruchs bei dem Angeklagten K. . Dies führt zum Wegfall der Einzelstrafen für die Fälle II.3 und II.4 der Urteilsgründe sowie des Gesamtstrafenausspruchs. Die der Strafzumessung zugrunde liegenden Feststellungen und die für die übrigen Taten des Angeklagten K. verhängten Einzelstrafen bleiben - weil von der fehlerhaften konkurrenzrechtlichen Bewertung nicht betroffen - aufrechterhalten. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.