Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Sept. 2010 - 2 StR 418/10

published on 01/09/2010 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Sept. 2010 - 2 StR 418/10
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 418/10
vom
1. September 2010
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßiger Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 1. September 2010
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2010, soweit es ihn betrifft , mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zu den äußeren Tatsachen aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten J. wegen "Fälschung von Zahlungskarten mit Kreditfunktion" (gemeint: Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion, § 152b StGB) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, den nicht revidierenden Mitangeklagten L. wegen derselben Tat zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Verurteilung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die beiden Angeklagten für eine in Malaysia ansässige, hierarchisch organisierte Organisation tätig, die international gefälschte Kreditkarten einsetzte, um hochpreisige Waren zu kaufen. Am 4. und 5. November 2009 traten die beiden Angeklagten in Frankfurt am Main und Stuttgart auf und setzten in insgesamt 13 festgestellten Fällen insgesamt acht verschiedene gefälschte Kreditkarten zum Kauf von Waren , Bezahlung von Bahntickets und Begleichung von Rechnungen in Restaurants und Hotels ein. Der Angeklagte J. , der in der Hierarchie der Gruppe höher angesiedelt war, händigte hierbei L. die Karten aus und gab jeweils vor, wo sie für welchen Zweck eingesetzt werden sollten. Die einzelnen Schäden lagen, soweit sie vom Landgericht festgestellt wurden, zwischen 11 € und 4.790 €. Die Angeklagten handelten gewerbsmäßig.
3
Das Landgericht hat weiterhin festgestellt, dass "der Besitz der zahlreichen gefälschten Kreditkarten einen Gesamtvorsatz umfasste, die Karten so oft wie möglich einzusetzen" (UA S. 12); daher liege nur eine einzige Tat vor. Soweit auch bandenmäßige Begehung in 10 Fällen, gewerbs- und bandenmäßiger Betrug und gewerbs- und bandenmäßiger Computerbetrug angeklagt war, sei das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2, § 154a Abs. 2 StGB "auf die dargestellte Tat" beschränkt worden (UA S. 13).
4
2. Diese rechtliche Würdigung war offensichtlich fehlerhaft. Für die Annahme eines "Gesamtvorsatzes" auf "möglichst häufige" Begehung selbständiger Taten ist nach Aufgabe der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung im Jahr 1994 (BGHSt 40, 138) kein Raum mehr. Da der Besitz von gefälschten Zahlungskarten als solcher nicht strafbar ist, bildet er entgegen der Ansicht des Landgerichts auch keinen Anknüpfungspunkt für einen solchen "Gesamtvorsatz". Auch unter dem Gesichtspunkt der natürlichen Handlungseinheit lag hier keine einheitliche Tat vor; vielmehr handelte es sich bei den 13 im einzelnen festgestellten Taten offensichtlich um jeweils selbständige, auf jeweils neuen Tatentschlüssen und Vorgaben beruhende Taten.
5
Es lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass die Verurteilung zu der (Einzel-)Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten auf der rechtsfehlerhaften Bewertung beruht. Die bisherigen Feststellungen zu den Einzelfällen ergeben, dass die Voraussetzungen minder schwerer Fälle zumindest in einigen Fällen nicht fern lagen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Tatrichter bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer dem Angeklagten insgesamt günstigeren Entscheidung gelangt wäre; dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf mögliche an die Höhe der Einzelstrafe anknüpfende Folgen.
6
3. Der Rechtsfehler betrifft zwar gleichermaßen den nicht revidierenden Mitangeklagten L. . Gegen ihn wurde aber - in Anwendung von § 46b StGB - nur eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Der Senat kann hier sicher ausschließen, dass diese Entscheidung auf dem Rechtsfehler beruht. Eine Erstreckung der Aufhebung gemäß § 357 StPO auf den Angeklagten L. schied daher aus.
7
4. Die Feststellungen zu den äußeren Tatumständen sind rechtsfehlerfrei und können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen sind zulässig. Fischer Appl Schmitt Krehl Eschelbach
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu

Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer eine der in § 152a Abs. 1 bezeichneten Handlungen in Bezug auf Zahlungskarten mit Garantiefunktion begeht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(4) Zahlungskarten mit Garantiefunktion im Sinne des Absatzes 1 sind Kreditkarten und sonstige Karten,

1.
die es ermöglichen, den Aussteller im Zahlungsverkehr zu einer garantierten Zahlung zu veranlassen, und
2.
durch Ausgestaltung oder Codierung besonders gegen Nachahmung gesichert sind.

(5) § 149, soweit er sich auf die Fälschung von Geld bezieht, und § 150 gelten entsprechend.

(1) Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle falsch schwört, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wenn der Täter einer Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht ist,

1.
durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte, oder
2.
freiwillig sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle offenbart, dass eine Tat nach § 100a Abs. 2 der Strafprozessordnung, die mit seiner Tat im Zusammenhang steht und von deren Planung er weiß, noch verhindert werden kann,
kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern, wobei an die Stelle ausschließlich angedrohter lebenslanger Freiheitsstrafe eine Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren tritt. Für die Einordnung als Straftat, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist, werden nur Schärfungen für besonders schwere Fälle und keine Milderungen berücksichtigt. War der Täter an der Tat beteiligt, muss sich sein Beitrag zur Aufklärung nach Satz 1 Nr. 1 über den eigenen Tatbeitrag hinaus erstrecken. Anstelle einer Milderung kann das Gericht von Strafe absehen, wenn die Straftat ausschließlich mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht ist und der Täter keine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verwirkt hat.

(2) Bei der Entscheidung nach Absatz 1 hat das Gericht insbesondere zu berücksichtigen:

1.
die Art und den Umfang der offenbarten Tatsachen und deren Bedeutung für die Aufklärung oder Verhinderung der Tat, den Zeitpunkt der Offenbarung, das Ausmaß der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden durch den Täter und die Schwere der Tat, auf die sich seine Angaben beziehen, sowie
2.
das Verhältnis der in Nummer 1 genannten Umstände zur Schwere der Straftat und Schuld des Täters.

(3) Eine Milderung sowie das Absehen von Strafe nach Absatz 1 sind ausgeschlossen, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 207 der Strafprozessordnung) gegen ihn beschlossen worden ist.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.