Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Dez. 2011 - 2 StR 380/11

published on 27/12/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Dez. 2011 - 2 StR 380/11
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 380/11
vom
27. Dezember 2011
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Schusswaffe u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. Dezember 2011 gemäß
§§ 206a, 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 17. Januar 2011 aufgehoben. Der Angeklagte wird von dem Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz und Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe freigesprochen. Soweit der Angeklagte wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer halbautomatischen Schusswaffe verurteilt worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last. Der Angeklagte ist für die vom 19. Mai 2010 bis 17. Januar 2011 erlittene Polizei- und Untersuchungshaft zu entschädigen.

Gründe:

1
Mit der zugelassenen Anklage ist dem Angeklagten versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz und Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe zur Last gelegt worden; er habe am Tattage nach einer Unterhaltung mit dem Geschädigten aus einer Pistole des Kalibers 7,65 mm auf ihn geschossen und ihn verletzt. Das Schwurgericht ist zur Annahme einer durch Notwehr gerechtfertigten gefährlichen Körperverletzung gelangt und hat den Angeklagten wegen eines zuvor begangenen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Führen einer halbautomatischen Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die mit der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten hat Erfolg.
2
1. Das Landgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen , dass insoweit, als der vom Angeklagten abgegebene Schuss auf den Nebenkläger durch Notwehr gerechtfertigt war, auch die Strafbarkeit wegen des damit unmittelbar zusammenfallenden Führens einer Schusswaffe entfällt (vgl. BGH NStZ 1981, 299; 1999, 347; NJW 2001, 3200, 3203; NStZ-RR 2010, 140). Es hat jedoch verkannt, dass die vorausgehenden Dauerdelikte des Besitzes und des Führens der Waffe und die eine Zäsur bewirkende anschließende Verwendung der Waffe auch dann mehrere Taten bilden (§ 53 StGB), wenn jene Verwendung der Waffe - wie hier der Schusswaffengebrauch infolge der Rechtfertigung durch Notwehr - nicht strafbar ist (vgl. BGH NStZ 1999, 347; NJW 2001, 3200, 3203; Heinrich in: Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht 9. Aufl. § 52 Rn. 62). Der Angeklagte ist deshalb vom Anklagevorwurf freizusprechen.
3
2. Ein zeitlich vorgelagertes Vergehen gegen das Waffengesetz ist nicht Verfahrensgegenstand geworden und durfte deshalb vom Schwurgericht nicht abgeurteilt werden. Anklage und Eröffnungsbeschluss werfen dem Angeklagten allein das durch den Schusswaffeneinsatz begangene, gerechtfertigte Waffendelikt vor. Dass er vorher unerlaubt die tatsächliche Gewalt über eine Schusswaffe ausgeübt und sie bis zum Eintritt der Notwehrlage unerlaubt mit sich geführt habe, wird in der Anklageschrift nicht erwähnt. Diese Tat hätte deshalb nur durch eine Nachtragsanklage gemäß § 266 StPO in das Verfahren einbezogen werden können. Dies ist nicht geschehen. Daher ist das Verfahren insoweit einzustellen (§ 206a StPO).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. (2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wi

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen. (2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt. (2) Die Nac
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Annotations

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.

(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.

(1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage auf weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt.

(2) Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1. Sie wird in das Sitzungsprotokoll aufgenommen. Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen.

(3) Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. Auf das Recht, die Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen.

(1) Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens ein Verfahrenshindernis heraus, so kann das Gericht außerhalb der Hauptverhandlung das Verfahren durch Beschluß einstellen.

(2) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.