Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Juli 2006 - 2 StR 228/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- 1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und das Tatmesser eingezogen. Seine Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechtes rügt, bleibt im Ergebnis erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch.
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- Der Strafausspruch begegnet jedoch rechtlichen Bedenken.
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- a) Die Urteilsausführungen auf UA S. 36 lassen besorgen, dass das Landgericht den Zweifelssatz auch auf die Rechtsfrage, ob die nach seiner Auffassung vorliegende Beeinträchtigung des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB "erheblich" ist, angewendet hat. Eine Rechtsfrage kann aber nicht auf der Grundlage des Zweifelssatzes beantwortet werden (vgl. u. a. BGH, Urt. vom 15. September 2005 - 4 StR 216/05 m.w.N.).
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- b) Der Tatrichter hat strafschärfend gewertet, dass der Angeklagte mit großer Intensität und Brutalität auf sein Opfer eingewirkt hat. Die Urteilsgründe verdeutlichen nicht, dass dem Landgericht bewusst war, dass die Art der Tatausführung ihre Ursache in der erheblichen Herabsetzung des Hemmungsvermögens des Angeklagten gehabt haben kann und deshalb diesem Umstand kein zu großes Gewicht beigemessen werden darf (vgl. u. a. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 1, 4 m.w.N.).
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- c) Das Landgericht hat zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er sich im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs verpflichtet hat, 10.000 € zu zahlen, von denen er bereits 8.000 € beglichen hat. Der Tatrichter hat aber nicht klargestellt, ob er die Voraussetzungen des § 46 a StGB angenommen hat, welcher einen vertypten Milderungsgrund darstellt.
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- d) Das Landgericht hat einen minder schweren Fall des Totschlags (§ 213 StGB) angenommen und hierzu die vertypten Milderungsgründe des § 21 StGB und des § 23 StGB verwendet und den Täter-Opfer-Ausgleich in die Überlegungen einbezogen. Es hat aber nicht - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - erörtert, ob der gegebenenfalls mehrfach gemilderte Strafrahmen des § 212 StGB für den Angeklagten günstiger gewesen wäre.
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- e) Auch die Erwägung des Landgerichts, dass eine Strafe "über der rechnerischen Mitte des zur Verfügung stehenden Strafrahmens zu verhängen war" (UA S. 41) ist rechtlich zu beanstanden. Derartige Mathematisierungen sind dem Wesen der Strafzumessung grundsätzlich fremd (vgl. u.a. BGH, Beschl. vom 3. Dezember 2002 - 3 StR 406/02 m.w.N.).
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- f) Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf diesen Rechtsfehlern der Strafausspruch beruht. Gleichwohl kann die verhängte Strafe bestehen bleiben, weil sie der Senat - insbesondere im Hinblick auf die schweren Verletzungen des Opfers mit bleibenden Entstellungen - für angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a StPO erachtet.
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- 2. Der Antrag der Nebenklägerin, für das Revisionsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin H. zu gewähren, ist als Antrag auf Bestellung eines Beistands gemäß § 397 a Abs. 1 StPO auszulegen. Einer Entscheidung darüber bedarf es jedoch nicht, da Rechtsanwältin H. bereits durch Beschluss des Landgerichts Köln vom 3. November 2005 gemäß § 397 a Abs. 1 StPO als Nebenklagevertreterin beigeordnet worden ist. Die Beistandsbestellung nach § 397 a Abs. 1 StPO wirkt über die jeweilige Instanz hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens fort und erstreckt sich somit auch auf die Revisionsinstanz einschließlich der Revisionshauptverhandlung (BGH NStZ 2000, 552). VRiinBGH Dr. Rissing-van Saan Otten Rothfuß befindet sich in Urlaub und ist deshalb verhindert, zu unterschreiben. Otten Fischer Appl
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).