Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2004 - 2 StR 150/04

published on 09/07/2004 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juli 2004 - 2 StR 150/04
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 150/04
vom
9. Juli 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 9. Juli 2004 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten T. , Y. und Te. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 1. Oktober 2003, soweit es sie betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, daß im Fall II, 2 die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung entfällt. 2. Auf die Revision des Angeklagten Y. wird das genannte Urteil, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch aufgehoben. 3. Auf die Revisionen der Angeklagten H. , T. , Y. und Te. wird das genannte Urteil, auch soweit es die Mitangeklagten Yi. und Yil. betrifft, im Ausspruch über die Einziehung und den Verfall mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 5. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurtei lt: - Den Angeklagten H. wegen schweren Raubs in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu der Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten; - den Angeklagten T. wegen schweren Raubs in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, zu der (Einheits-)Jugendstrafe von fünf Jahren; - den Angeklagten Y. wegen schweren Raubs in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, in einem Fall tateinheitlich auch mit Körperverletzung , zu der (Einheits-)Jugendstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten ; - den Angeklagten Te. wegen schweren Raubs in vier Fällen und Raubs in einem Fall, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten. Der Mitangeklagte Yil. wurde wegen schweren Raubs in Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu der Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und der Mitangeklagte Yi. wegen schweren Raubs in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, zu der (Einheits-)Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im übrigen hat das Landgericht "die sichergestellten Geldbeträge" für verfallen erklärt und "die sichergestellten Waffen und gefährlichen Gegenstände" eingezogen.
Die Angeklagten rügen mit ihren Rechtsmitteln die Verletzung des sachlichen , die Angeklagten H. und Y. auch des formellen Rechts. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im übrigen sind sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.

1. Im Fall II, 2 hat der Schuldspruch keinen Bestand, so weit die Angeklagten T. , Y. und Te. auch wegen tateinheitlich begangener Freiheitsberaubung verurteilt wurden. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Freiheitsberaubung, die der Zeuge L. dadurch erlitt, daß die Täter sich seiner bemächtigten, als er die Spielhalle verlassen hatte, das tatbestandliche Gewaltmittel zur Begehung des Raubs. Deshalb kommt § 239 StGB als der allgemeinere Tatbestand nicht zur Anwendung (BGHR StGB § 239 Abs. 1 Konkurrenzen 8). Anders als in den weiteren abgeurteilten Fällen wurden dem Tatopfer, nachdem ihn die Täter in die Spielhalle verbracht hatten, auch nicht die Beine, sondern nur die Arme (an den Oberkörper) gefesselt (UA S. 10), so daß L. , nachdem die Täter mit ihrer Beute die Spielhalle verlassen hatten, nicht an einer Ortsveränderung gehindert war. Der Wegfall des Schuldspruchs wegen tateinheitlich began gener Freiheitsberaubung im Fall II, 2 hat bei den Angeklagten T. und Te. keine Auswirkungen auf den Strafausspruch. Im Hinblick auf den verbleibenden erheblichen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat kann der Senat ausschließen, daß die beiden Angeklagten ohne die Verurteilung auch wegen Freiheitsberaubung im Fall II, 2 noch milder bestraft worden wären. Dem steht nicht entgegen , daß das Landgericht den Umstand der Freiheitsberaubung straferschwerend berücksichtigt hat.
Die Einheitsjugendstrafe für den Angeklagten Y. kann dagegen aus den nachfolgend zu erörternden Gründen nicht bestehen bleiben. 2. Die gegen den AngeklagtenY. verhängte Einheitsjugendstrafe hat keinen Bestand, weil das Landgericht § 31 Abs. 2 und 3 JGG nicht beachtet hat. Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Dieburg vom 7. August 2003 rechtskräftig wegen Körperverletzung zu der Jugendstrafe von einem Jahr mit Bewährung verurteilt (UA S. 5). Diese Vorverurteilung hätte der Jugendkammer Anlaß geben müssen zu prüfen, ob sie in die erneute Verurteilung einzubeziehen ist. Diese Prüfung ist rechtsfehlerhaft unterblieben. Gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG ist bei der Ahndung von Straftaten nach Jugendstrafrecht , wenn eine anderweitig bereits rechtskräftig verhängte Jugendstrafe noch nicht erledigt ist, grundsätzlich auf eine einheitliche Rechtsfolge zu erkennen. Von der Einbeziehung der früheren Verurteilung darf nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn dies aus erzieherischen Gründen zweckmäßig ist (§ 31 Abs. 3 Satz 1 JGG). Die Entscheidung hat sich ausschließlich am Erziehungszweck zu orientieren und ist nach den Umständen des konkreten Falls zu treffen (vgl. BGHSt 22, 21, 23; 36, 37, 42). Ein Absehen von der Einbeziehung erfordert Gründe, die unter dem Gesichtspunkt der Erziehung von ganz besonderem Gewicht sind und zur Verfolgung dieses Zwecks über die üblichen Strafzumessungspunkte hinaus das Nebeneinander zweier Jugendstrafen notwendig erscheinen lassen (vgl. BGHSt 36, 37, 42 ff.; BGH StV 1996, 273; BGHR JGG § 31 Abs. 3 Nichteinbeziehung 2). Das angefochtene Urteil enthält keinen Hinweis darauf, daß hier ein solcher Ausnahmefall gegeben sein könnte. Deshalb muß über die Frage der Einbeziehung und die Bildung einer Einheitsjugendstrafe neu entschieden werden.
3. Die Einziehungs- und Verfallanordnungen können schon deshalb keinen Bestand haben, weil sie inhaltlich völlig unbestimmt sind und sich auch mit Hilfe der Urteilsgründe nicht näher konkretisieren lassen. Die einzuziehenden Gegenstände sind in der Urteilsformel so konkret zu bezeichnen, daß für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (vgl. BGHR StGB § 74 Abs. 1 Urteilsformel 1; BGH, Beschl. vom 12. Oktober 1999 - 4 StR 391/99 - m.w.N.). Das ist hier nicht geschehen. Ebensowenig ist die Verfallanordnung hinreichend besti mmt (vgl. hierzu BGH, Beschl. vom 27. Juni 2003 - 2 StR 197/03 - m.w.N.). Zudem liegt es unter den gegebenen Umständen nahe, daß es sich bei den sichergestellten Geldbeträgen um die Beute aus den abgeurteilten Taten handelt, so daß einer Verfallanordnung § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegensteht. Da die Rechtsfehler, die zur Aufhebung der Einziehungs - und Verfallanordnung führen, auch die Mitangeklagten Yil. und Yi. betreffen, die keine Revision eingelegt oder diese zurückgenommen haben, ist die Aufhebung gemäß § 357 StPO auch auf diese Angeklagten zu erstrecken (vgl. BGH, Beschl. vom 3. Juli 2003 - 2 StR 223/03). Über Einziehung und Verfall muß daher insgesamt neu e ntschieden werden.
4. Anzumerken bleibt, daß die Angeklagten nicht dadurch beschwert sind, daß sie die Jugendkammer in den Fällen II, 3 und 4 nicht auch nach § 239 a StGB wegen erpresserischen Menschenraubs verurteilt hat.
Bode Detter Otten Rothfuß Ri'in BGH Roggenbuck ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert. Bode
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an. (2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einzieh
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
das Opfer länger als eine Woche der Freiheit beraubt oder
2.
durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(4) Verursacht der Täter durch die Tat oder eine während der Tat begangene Handlung den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(5) In minder schweren Fällen des Absatzes 3 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 4 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.

(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Gerichts, wenn es auf Jugendstrafe erkennt. § 26 Absatz 3 Satz 3 und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.

(3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann das Gericht davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann es Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn es auf Jugendstrafe erkennt.

(1) Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Tat hervorgebracht (Tatprodukte) oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind (Tatmittel), können eingezogen werden.

(2) Gegenstände, auf die sich eine Straftat bezieht (Tatobjekte), unterliegen der Einziehung nach der Maßgabe besonderer Vorschriften.

(3) Die Einziehung ist nur zulässig, wenn die Gegenstände zur Zeit der Entscheidung dem Täter oder Teilnehmer gehören oder zustehen. Das gilt auch für die Einziehung, die durch eine besondere Vorschrift über Absatz 1 hinaus vorgeschrieben oder zugelassen ist.

(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aufgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. § 47 Abs. 3 gilt entsprechend.